Waverley: Historischer Roman - Walter Scott - E-Book

Waverley: Historischer Roman E-Book

Walter Scott

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Beschreibung

Walter Scotts "Waverley: Historischer Roman" ist ein fesselndes Werk, das tief in die schottische Geschichte des 18. Jahrhunderts eintaucht und die turbulente Zeit der Jakobitenaufstände eindrucksvoll schildert. Durch die Augen des jungen Edward Waverley erkundet der Leser nicht nur die politischen und gesellschaftlichen Spannungen dieser Epoche, sondern auch die kulturellen Identitäten, die noch heute in Schottland präsent sind. Scott kombiniert einen lebhaften Erzählstil mit detaillierten historischen Beschreibungen, was ihm gelingt, die Atmosphäre und den Geist der Zeit eindrucksvoll lebendig werden zu lassen. Der Roman ist ein wegweisendes Beispiel des historischen Romans und wird oft als das erste seiner Art betrachtet, das eine Brücke zwischen Fiktion und Geschichte schlägt. Walter Scott, geboren 1771 in Edinburgh, war nicht nur ein herausragender Schriftsteller, sondern auch ein passionierter Historiker und Antiquar. Sein tiefes Interesse an schottischer Geschichte und Folklore, gepaart mit seiner eigenen aristokratischen Herkunft, prägte sein literarisches Schaffen maßgeblich. Die Kombination aus persönlicher Beteiligung und historischem Wissen macht seine Werke nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich, und "Waverley" ist hier keine Ausnahme. Scotts Bestreben, die schottische Identität im literarischen Diskurs zu repräsentieren, ist in jeder Zeile spürbar. Dieses Buch ist eine eindringliche Empfehlung für jeden, der eine Verbindung zur schottischen Geschichte sucht oder sich für die Entstehung des historischen Romans interessiert. Scotts meisterhafte Erzählweise und seine Fähigkeit, komplexe Charaktere in einem realistischen historischen Kontext zu entwickeln, bieten eine faszinierende Lektüre, die sowohl fesselt als auch zum Nachdenken anregt. "Waverley" bleibt eine unentbehrliche Lektüre für Liebhaber klassischer Literatur und für all jene, die die Wurzeln der westlichen Romantik erkunden möchten. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Walter Scott

Waverley: Historischer Roman

Bereicherte Ausgabe. So war's vor sechzig Jahren
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547684633

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Autorenbiografie
Waverley: Historischer Roman
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Loyalität und Verlockung des Unbekannten gerät ein junger Mensch in den Sog der Geschichte. Walter Scotts Waverley erzählt von einer suchenden Figur, die an einer Zeitenwende steht: zwischen Privatgefühl und öffentlicher Ordnung, zwischen persönlicher Neigung und politischer Pflicht. Der Roman öffnet ein Panorama, in dem Entscheidungen nie isoliert fallen, sondern stets von Erinnerungen, Mythen und Machtkämpfen beschattet sind. Schon auf den ersten Seiten wird spürbar, dass hier nicht nur ein Abenteuer geschildert wird, sondern eine Reibung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, in der sich die Frage nach Identität und Zugehörigkeit mit jeder Begegnung neu stellt.

Waverley: Historischer Roman stammt von Sir Walter Scott (1771–1832) und erschien 1814 erstmals anonym unter dem englischen Originaltitel Waverley; or, ’Tis Sixty Years Since. Mit dieser Veröffentlichung begründete Scott seinen europäischen Ruhm und prägte nachhaltig das Genre des historischen Romans. Der Text verbindet Erzählkunst und Geschichtssinn, ohne zum trockenen Lehrbuch zu werden. Er ist ein Klassiker, weil er eine neue Art des Erinnerns erprobt: Vergangenheit wird nicht museal gezeigt, sondern als lebendige Kraft, die Handlungen formt und Irrtümer provoziert. Scotts Werk gilt deshalb als Maßstab dafür, wie Literatur Geschichte verständlich und erfahrbar macht.

Der Schauplatz führt nach Schottland in die Mitte des 18. Jahrhunderts, zur Zeit des Jakobitenaufstands von 1745. Im Mittelpunkt steht Edward Waverley, ein junger englischer Gentleman, der in eine Welt gerät, deren Bräuche, Loyalitäten und Landschaften ihm zunächst fremd sind. Ein Aufenthalt nördlich der Grenze, neue Bekanntschaften und die Anziehungskraft einer anderen Ordnung bringen ihn in Berührung mit Konflikten, die weit über seine persönlichen Wünsche hinausweisen. Scott zeichnet die anfängliche Ausgangslage mit ruhiger Hand und weitet sie behutsam zu einem weitgespannten Bild, das Einzelne und Kollektive in Beziehung setzt, ohne die Spannung des Geschehens preiszugeben.

Als Klassiker gilt Waverley, weil der Roman Geschichte nicht bloß als Kulisse benutzt, sondern als strukturierende Kraft des Erzählens. Häufig wird das Werk als wegweisend oder sogar als der erste moderne historische Roman der englischsprachigen Literatur bezeichnet. Scott zeigt, wie private Schicksale durch öffentliche Umbrüche geformt werden und wie historische Kräfte das Denken, Fühlen und Handeln gewöhnlicher Menschen prägen. Damit verschiebt sich der Fokus: Nicht die großen Taten allein machen Geschichte, sondern das dichte Gewebe aus Entscheidungen, Missverständnissen und Begegnungen. Diese Einsicht wirkt bis in die heutige Geschichtsdarstellung und den historischen Roman fort.

Formell überzeugt Waverley durch die Verschränkung von realistischer Darstellung, ironischer Distanz und erzählerischer Geduld. Scott baut Szenen, in denen Ort, Kleidung, Redeweisen und Rituale eine spürbare Materialität erhalten, und er lässt verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen, sodass keine Seite als einfache Wahrheit durchgeht. Die Sprache ist anschaulich, gelegentlich spielerisch, und sie setzt auf Nuancen statt auf Effekthascherei. Dadurch entsteht ein erzählerischer Raum, in dem Figuren wachsen dürfen, und in dem die Lesenden die Reibungen zwischen Individualität und Gesellschaft, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, eigenständig wahrnehmen und abwägen können.

Thematisch kreist der Roman um Fragen der Identität: Was bedeutet es, einer Nation, einer Familie, einer Tradition anzugehören? Welche Formen nimmt Loyalität an, wenn politische und persönliche Bindungen auseinanderdriften? Scott lotet die Spannung zwischen romantischer Vorstellungskraft und ernüchternder Wirklichkeit aus, ohne sich für eine einfache Moral zu entscheiden. Die Hauptfigur steht exemplarisch für Erfahrungen des Erwachsenwerdens in konfliktreichen Zeiten: Bewunderung und Zweifel, Mut und Zögern, Ideal und Erfahrung liegen eng beieinander. So wird Waverley – über sein historisches Sujet hinaus – zu einer Studie über Selbstprüfung, Maßhalten und das Ringen um Urteilskraft.

Ein besonderes Verdienst des Romans liegt in der kulturellen Differenzierung. Scott zeigt Regionen, Denkweisen und soziale Schichten mit Respekt für ihre Eigenlogik. Landschaft, Brauchtum und Alltagspraktiken treten nicht als Folklore auf, sondern als Ausdruck historisch gewachsener Lebensformen. Diese Aufmerksamkeit für kulturelle Details eröffnet auch Einsichten in die Art, wie Grenzen – geografische, soziale, sprachliche – Menschen verbinden und trennen. Der Kontrast zwischen verschiedenen Milieus dient dabei weder Verklärung noch Verdammung; er ist der Resonanzraum, in dem die Handlung Bedeutung gewinnt und Vorurteile auf den Prüfstand geraten.

Der Einfluss von Waverley reicht weit über die britische Literatur hinaus. Der Roman prägte die Entwicklung des historischen Erzählens in Europa und inspirierte Autorinnen und Autoren, nationale Stoffe literarisch neu zu gestalten. So gilt Scott als wichtiger Bezugspunkt für Schriftsteller wie Honoré de Balzac, Alessandro Manzoni oder Alexander Puschkin, die das Verhältnis von Privatbiografie und kollektiver Geschichte je eigens erkundeten. Die Wirkung ist dabei nicht nur stofflich, sondern methodisch: Waverley demonstriert, wie historische Genauigkeit und poetische Imagination einander befruchten können, ohne in bloße Dokumentation oder in freie Fantasie zu kippen.

Die Veröffentlichungsgeschichte unterstreicht den besonderen Status des Werks. Scott hielt seine Autorschaft zunächst geheim; das Buch wurde 1814 anonym veröffentlicht und rasch breit gelesen. Der Erfolg führte dazu, dass viele seiner folgenden Werke als Waverley Novels zusammengefasst wurden – ein Sammelname, der bis heute mit einer bestimmten Qualität historischen Erzählens verbunden ist. Diese Rahmenbildung zeigt, wie stark Waverley als Modell wirkte: als Erzählweise, die aus der Spannung von Erinnerung, Erfahrung und Interpretation Gewinn zieht und damit ein ganzes literarisches Programm begründete.

Wer Waverley liest, erfährt ein Gleichgewicht von Handlung und Nachdenken. Die erzählerische Bewegung entsteht weniger aus spektakulären Wendungen als aus konsequent aufgebauten Situationen, in denen die Figur Entscheidungen abwägen muss. Scott vertraut darauf, dass Spannungen nachhaltig wirken, wenn Motive, Räume und Stimmen sorgfältig eingeführt werden. Dadurch lädt der Roman zur aufmerksamen Lektüre ein, belohnt sie aber mit der Erfahrung, ein komplexes soziales Gefüge zu verstehen, das sich aus Interessenkonflikten, Traditionen und persönlichen Hoffnungen zusammensetzt. Das Abenteuer ist präsent, doch es wird von Einsicht und Maß begleitet.

Heute bleibt Waverley relevant, weil er zeigt, wie historisches Erzählen Orientierung stiften kann, ohne Eindeutigkeit vorzutäuschen. In Zeiten, in denen Identität und Zugehörigkeit wieder leidenschaftlich verhandelt werden, erinnert der Roman daran, dass Konflikte selten monokausal sind und dass Empathie eine Form der Erkenntnis ist. Scotts Blick macht sichtbar, wie Narrative über Vergangenheit politische Gegenwart prägen, und er lädt dazu ein, Geschichte als Prozess der Interpretation zu begreifen. Indem das Buch Komplexität nicht scheut, schult es Urteilskraft – eine Fähigkeit, die in öffentlichen Debatten unverändert gebraucht wird.

Waverleys zeitlose Qualitäten liegen in seiner erzählerischen Integrität: die geduldige Konstruktion von Figuren, die kunstvolle Verbindung von Schauplatz, Sprache und Handlung, die intellektuelle Redlichkeit im Umgang mit Ambivalenz. Es ist ein Werk, das nicht belehrt, sondern öffnet; nicht idealisiert, sondern differenziert; nicht verkürzt, sondern vertieft. Deshalb lohnt es sich noch heute, diesen Roman zu lesen. Er bietet nicht nur Zugang zu einem prägenden Moment der europäischen Literaturgeschichte, sondern auch zu Fragen, die jede Generation neu stellen muss: Was sollen wir bewahren, was verändern, und wie finden wir Maß zwischen beidem?

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Walter Scotts Waverley: Historischer Roman, 1814 anonym erschienen, gilt als wegweisend für das Genre des historischen Romans. Die Handlung spielt in den 1740er Jahren und verknüpft eine persönliche Entwicklungsreise mit den politischen Erschütterungen der jakobitischen Erhebung von 1745. Aus einer englischen Perspektive führt Scott in die schottische Gesellschaft ein, zeigt regionale Vielfalt und stellt zugleich Fragen nach Loyalität, Legitimität und nationaler Identität. Der Erzähler begleitet einen jungen Protagonisten durch Landschaften, Milieus und Lager, ohne Doktrin zu predigen. Stattdessen entfaltet der Roman eine vielstimmige Betrachtung der Zeit, die historische Kräfte und individuelle Empfindungen in ein ausgewogenes Verhältnis setzt.

Edward Waverley, ein junger englischer Gentleman aus gutem Hause, wächst zwischen unterschiedlichen politischen Einflüssen auf. Seine Bildung und seine romantische Neigung formen eine empfängliche, zugleich unentschlossene Natur. Eine militärische Verwendung führt ihn nach Schottland, wo er zunächst bei dem kultivierten Baron Bradwardine einkehrt. In Tully-Veolan findet Edward eine halb feudale, halb aufgeklärte Ordnung vor, die ihm Stabilität und Gastfreundschaft bietet. Die Bekanntschaft mit der besonnenen Rose Bradwardine lässt ihn an einem ruhigeren Ideal von Lebensführung teilhaben. Gleichzeitig beginnt in ihm die Frage zu wachsen, welchen Werten – familiären Bindungen, staatlicher Pflicht oder persönlichem Gefühl – er künftig folgen soll.

Eine Reise in die Highlands eröffnet Edward eine völlig andere soziale Welt. Er begegnet dem charismatischen Clanführer Fergus Mac-Ivor und dessen Schwester Flora, deren Idealismus der Stuart-Sache eine edle Aura verleiht. Gastlichkeit, Musik, Dichtung und ein ausgeprägtes Ehrgefühl prägen das Bild der Hochlandkultur. Edwards Faszination für diese Gemeinschaft, ihre Traditionen und die leidenschaftliche politische Überzeugung gewinnt an Kraft. Zugleich erkennt er, wie stark die Vorstellungen von Ehre und Loyalität dort die persönliche Freiheit formen. Zwischen rationaler Distanz und romantischer Bewunderung wächst eine Spannung, die sein weiteres Handeln maßgeblich beeinflusst.

Während Edward länger als vorgesehen abwesend ist, geraten Dienstwege und Loyalitäten durcheinander. Ein Missverhältnis zwischen seiner offiziellen Aufgabe und seinen privaten Erkundungen wird ihm ausgelegt; Briefe und Berichte nähren den Verdacht mangelnder Zuverlässigkeit. Als er sich wieder den Obrigkeiten stellt, stößt er auf Misstrauen, das in behördliche Maßnahmen mündet. Diese Zäsur konfrontiert ihn mit der Härte administrativer Logik und mit der Frage, ob Pflichtgefühl ohne Verständnis für menschliche Motive gerecht sein kann. Der Moment bildet einen Wendepunkt: Aus Beobachtung wird Verstrickung, aus Unentschiedenheit wird die Notwendigkeit einer Wahl.

Die dramatische Zuspitzung führt Edward in die Nähe der aufständischen Kräfte. Er wird in die Kreise derjenigen gezogen, die den Anspruch der Stuarts unterstützen, und erlebt aus nächster Nähe Organisation, Loyalität und Pathos der Bewegung. Das persönliche Band zu den Mac-Ivors gibt der politischen Sache ein Gesicht, während die militärische Kameradschaft einen neuen Pflichtbegriff stiftet. Edwards Rolle verändert sich vom schwankenden Besucher zum Beteiligten, der Risiken und Konsequenzen erkennt. Dabei bleibt der Roman nüchtern genug, die Verlockung des Ruhms durch die Alltagsrealität von Versorgung, Disziplin und Verantwortung zu relativieren.

Die ersten Feldzüge zeigen die Dynamik eines Aufstands, der auf Überraschung, Zusammenhalt und lokale Unterstützung setzt. Edward gewinnt Eindrücke von Taktik und Moral, spürt die Anziehungskraft früher Erfolge und das Gewicht wachsender Erwartungen. Gleichzeitig treten Spannungen zwischen persönlicher Ehre, politischem Kalkül und privaten Bindungen deutlicher hervor. Fergus’ Ehrgeiz, Floras Prinzipientreue und Roses stiller Einfluss markieren verschiedene Wege der Loyalität. In dieser Konstellation beleuchtet Scott, wie Ideale zu Antriebskräften werden, aber auch Konflikte schärfen. Für Edward wird die Frage dringlich, ob Gefühl oder Vernunft den zuverlässigeren Kompass bietet.

Mit dem Zug der Truppen über Grenzen hinweg vergrößert sich die Unsicherheit. Strategische Entscheidungen, schwankende Unterstützungsbereitschaft und unterschiedliche Erwartungen der Beteiligten lassen die Zukunft offen erscheinen. Edward sieht die Kluft zwischen regionalen Identitäten, die Last alter Fehden und die nüchterne Rechnung moderner Staatsmacht. Situationen, in denen Rückzug, Vorstoß oder Verhandlung gleich plausibel wirken, fordern sein Urteilsvermögen. Der Roman entfaltet so ein Panorama politischer Wirklichkeiten, in dem persönliche Treue immer wieder mit strukturellen Zwängen kollidiert. Die Weichen für eine entscheidende Bewährungsprobe sind gestellt, ohne dass ihr Ausgang vorweggenommen wird.

Kurz vor einer großen Entscheidung verdichtet sich die Atmosphäre. Landschaft, Wetter und Gerüchte spiegeln Anspannung und Schicksalsschwere. Edward sieht sich gleichzeitig von Ansprüchen der Freundschaft, von Erwartungen der Sache und von leiser Hoffnung auf ein ziviles, versöhntes Leben umgeben. Der Roman betont die Tragweite möglicher Folgen für einzelne Familien, für Clans und für die Ordnung des Landes. Zugleich vermeidet er simplen Fatalismus: Handlungen haben Konsequenzen, aber Charakter und Gelegenheit bleiben wirksam. Das Ringen um Maß, Mitleid und Recht tritt in den Vordergrund, während die konkrete Wendung der Ereignisse offenbleibt.

Im Ausklang richtet Scott den Blick auf Nachhall und Deutung. Waverley zeigt, wie persönliche Geschichten in das Gedächtnis einer Nation eingehen, Mythen bilden und zugleich kritisch befragt werden können. Der Roman verbindet Unterhaltung mit historischer Reflexion, stellt Tradition neben Modernisierung und fragt, was Loyalität in Zeiten des Wandels bedeutet. Seine nachhaltige Bedeutung liegt in der literarischen Methode, Empathie für verschiedene Lager zu entwickeln, ohne historische Differenzen zu verwischen. So wird Waverley zu einem frühen Modell des historischen Romans, das nicht nur eine Episode erzählt, sondern über Verantwortung, Identität und Versöhnung nachdenken lässt.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Walter Scotts Waverley ist in der Mitte des 18. Jahrhunderts verortet, mit Schauplätzen in Schottland und England. Prägend für diese Zeit sind die seit 1707 vereinigten Königreiche Großbritannien, die hannoversche Monarchie unter Georg II., ein expandierendes stehendes Heer und staatliche Verwaltungsstrukturen, die sich nach Norden ausdehnen. Daneben bestehen regionale Institutionen fort, etwa das schottische Rechtssystem, die presbyterianische Kirche und im Hochland die Clanverfassung. Diese Koexistenz von zentralstaatlicher Integration und lokaler Tradition bildet den institutionellen Rahmen, vor dem die Handlung ansetzt: ein England der Gentry und ein schottisches Land mit starken kulturellen Differenzen zwischen Lowlands und Highlands.

Zentraler historischer Hintergrund ist der Jakobitismus, eine dynastische und politische Bewegung, die die 1688 gestürzten Stuarts zurück auf den Thron bringen wollte. Nach vergeblichen Versuchen 1715 und 1719 blieb die Sache in Teilen Schottlands lebendig, getragen von clanbasierten Loyalitäten, katholischen und episkopalen Netzwerken und vom Mythos der legitimen Erbfolge. In England selbst war die Unterstützung begrenzt, doch Opposition zum herrschenden Whig-Establishment lieferte Sympathie. Aus dem Exil hofierte die Stuartenlinie Anhänger. Diese Spannungen, teils politisch, teils konfessionell, sind als latente Kräfte spürbar, die Waverley erzählerisch in persönliche Bindungen und Loyalitätskonflikte übersetzt.

Die Erhebung von 1745 bildet den unmittelbaren historischen Anlass der Romanwelt. Charles Edward Stuart landete 1745 in den westlichen Highlands, ließ im August bei Glenfinnan das Banner erheben und gewann binnen Wochen Unterstützer. Der Fall Edinburghs im September und der Sieg bei Prestonpans machten die Rebellion glaubwürdig. Der Vorstoß nach England erreichte im Dezember Derby, wo die Führer den Rückzug beschlossen. Danach wendete sich das Blatt. 1746 endete der Aufstand bei Culloden, als die Regierungstruppen unter dem Herzog von Cumberland die Rebellen schlugen. Scott spiegelt dieses Geschehen, ohne die komplexen Motive der Beteiligten zu vereinfachen.

Auf die Niederlage folgte eine Phase harter staatlicher Konsolidierung, die in Waverley als drohender Horizont präsent ist. Die Disarming Acts zielten auf Entwaffnung der Highlands, das Dress Act von 1746 verbot traditionelle Tracht und wurde erst 1782 aufgehoben. Das Heritable Jurisdictions (Scotland) Act hob erbliche Gerichtsbarkeiten der Clanchefs auf, wodurch die feudalen Machtmittel brachen. Forts wurden ausgebaut, Verdächtige verurteilt oder deportiert. Die Maßnahmen hatten weniger die sofortige Zerschlagung einzelner Familien als die nachhaltige Unterwerfung regionaler Autoritäten unter die Krone zum Ziel – eine Verschiebung, die Scotts Figuren als Zeitenwende erleben.

Die vorkollodensche Hochlandgesellschaft unterschied sich deutlich von den städtisch geprägten Lowlands. Clanchefs standen in personalen Loyalitätsverhältnissen zu Gefolgsleuten; tacksmen vermittelten Pacht und militärische Verpflichtungen. Die Wirtschaft war vielfach pastoraler Natur, mit saisonalen Wanderungen und Viehhandel, und die gälische Sprache dominierte große Gebiete. Ehrenkodizes, Gastfreundschaft und Fehdetraditionen gestalteten das soziale Miteinander. Diese Ordnung war nicht statisch, aber der Druck von Marktintegration und Staat nahm zu. Waverley inszeniert diese Welt als zugleich anziehend und gefährdet, eine Kultur mit eigener Würde, die jedoch militärischer und administrativer Modernisierung gegenübersteht.

Im Gegensatz dazu standen die Lowlands, wo Kommerzialisierung und städtische Entwicklung bereits weit fortgeschritten waren. Universitäten in Edinburgh und Glasgow, eine ausgeprägte Druckkultur und das presbyterianische Schulwesen begünstigten hohe Alphabetisierung. Die frühe Schottische Aufklärung prägte das intellektuelle Klima: Debatten über Recht, Moral und politische Ökonomie beeinflussten Eliten und die städtische Öffentlichkeit. In dieser Umgebung verbanden sich Loyalität zur Union mit pragmatischem Reformwillen. Scott, selbst in Edinburgh sozialisiert, lässt die Spannungen zwischen aufgeklärter Rationalität und heroischer Tradition in der Begegnung seiner Figuren und Milieus aufeinanderprallen.

Die militärische und administrative Erschließung der Highlands ist ohne die Infrastrukturpolitik nach 1715 nicht zu verstehen. General Wades Straßen aus den 1720er und 1730er Jahren, später von Caulfeild erweitert, verbanden entlegene Regionen mit Garnisonen und Märkten. Fort William, Fort Augustus und vor allem das nach 1746 angelegte Fort George schufen Stützpunkte für schnelle Truppenbewegungen. Diese Eingriffe veränderten Mobilität, Handel und staatliche Präsenz spürbar. Im Roman ermöglichen Straßen, Postrouten und Garnisonen das Aufeinandertreffen ansonsten getrennt lebender Akteure und sind zugleich Symbole der Reichweite des zentralisierten Staates in vormals schwer zugänglichen Räumen.

Die Kriegführung des Aufstands reflektierte den Zusammenstoß unterschiedlicher militärischer Kulturen. Highland-Einheiten setzten auf den schnellen Angriff mit Schwert, Schild und Musketenfeuer, die sogenannte Highland Charge, die anfangs Erfolge brachte. Regierungstruppen operierten in linearer Taktik mit Drill, abgestimmten Salven und Bajonetten. Artillerie und Logistik entschieden zunehmend. Diese Spannungen materialisieren sich im Roman in Szenen von Drill und Spontaneität, von Disziplin und heroischer Tapferkeit. Scotts sachkundige Schilderung beruht auf zeitgenössischen Berichten, Memoiren und Regimentsgeschichten, die er nutzt, um die Dynamik zwischen Improvisation und moderner Heeresführung nachzuzeichnen.

Neben Politik und Krieg wirkt ein kultureller Diskurs in den historischen Horizont von Waverley hinein: die Wiederentdeckung und Romantisierung der gälischen Tradition. Balladen, Heldengeschichten und in den 1760er Jahren die umstrittenen Ossian-Texte schufen ein ästhetisches Bild des Nordens. Scott, der Grenzballaden sammelte und herausgab, stand mit Antiquaren und Volkskundlern im Austausch. Diese Quellen sensibilisierten ihn für mündliche Überlieferungen und regionale Sprachen. Der Roman greift diese Begeisterung auf, zugleich reflektiert er kritisch, wie Erinnerungspolitik Legenden bildet und Vergangenheiten verklärt – ein Spannungsfeld, das die Figurenerfahrung strukturiert.

Ökonomisch war die Zeit vom Programm der Improvement geprägt: Agrarreformen, Einhegungen und Spezialisierung veränderten Besitz- und Arbeitsverhältnisse. In den Highlands führten steigende Rentenerwartungen mancher Grundherren später zur Umstellung auf Schafhaltung; frühe Tendenzen einer Entwurzelung zeichnen sich schon nach 1745 ab, auch wenn großflächige Räumungen vielerorts erst gegen Ende des Jahrhunderts ansetzten. Der Roman markiert den Übergang von personalen Bindungen zu Vertrags- und Geldbeziehungen, von Kriegerehre zu Rentabilität. So erscheint die historische Niederlage zugleich als sozioökonomische Transformation, die Lebensweisen, Landschaften und Loyalitäten nachhaltig umordnet.

Als Waverley 1814 erschien, befand sich Großbritannien im letzten Abschnitt der Napoleonischen Kriege. Patriotische Selbstdeutung, Misstrauen gegenüber Revolutionen und die Konsolidierung einer imperialen Identität prägten die Öffentlichkeit. Scott, politisch konservativ und der Union verpflichtet, suchte historische Konflikte so zu erzählen, dass sie in eine Erzählung nationaler Versöhnung münden. Die Distanz von rund 70 Jahren erlaubte, die Jakobitenzeit als bewältigte Vergangenheit zu deuten. Damit bot der Roman ein Modell, wie man innere Spaltungen einhegen und Tradition in ein modernes, monarchisches Gemeinwesen integrieren kann, ohne die Siegererzählung zu simplifizieren.

Die Entstehungsgeschichte des Buches verweist auf die damalige Literatur- und Verlagswelt. Scott publizierte Waverley anonym, ein verbreitetes Verfahren, das Neugier steigerte und den Autor vor politischen Vereinnahmungen schützte. Das Werk fand rasch Leser in Schottland und England; Piraten- und Neuauflagen sicherten Verbreitung. Scott stützte sich auf Chroniken, zeitgenössische Berichte wie John Homes Geschichte des Aufstands und auf juristische wie administrative Materialien, die ihm aus seiner Laufbahn als Jurist und Sheriff-Depute vertraut waren. Die Sorgfalt im Umgang mit Quellen trug dazu bei, den historischen Roman als ernsthafte Form zu etablieren.

Konfessionelle Verhältnisse bilden einen unterschwelligen, aber wirkmächtigen Kontext. In den Highlands fanden sich katholische Gemeinden neben episkopalen Jakobiten; in den Lowlands dominierte die presbyterianische Kirche mit straffer Synodalstruktur. Religiöse Loyalitäten überschnitten sich mit dynastischen Präferenzen, ohne diese vollständig zu bestimmen. Im England der Gentry blieb die anglikanische Kirche gesellschaftlich einflussreich. Waverley zeigt religiöse Riten und Frömmigkeitsformen als Teil einer sozialen Landschaft, die Identität stiftet, aber nicht mechanisch politische Entscheidungen determiniert. Damit vermeidet der Roman konfessionelle Polemik und ordnet Religion in ein Geflecht weiterer Bindungen ein.

Soziale Normen der Elite- und Clanwelt prägten Alltagspraktiken: Gastmähler, Patronage, Eheschließungen als Bündnisse, die Ausbildung junger Gentlemen in Sprachen, Reiten und höfischer Etikette. Frauen agieren als Vermittlerinnen zwischen Haushalten und politischen Lagern, verwalten Güter in Abwesenheit der Männer und kuratieren kulturelles Gedächtnis. Solche Rollen erscheinen im Roman nicht als emanzipatorische Agenda, sondern als realistische Darstellung von Handlungsspielräumen unter gegebenen Normen. Der Kontrast zwischen höfischer Verfeinerung und kriegerischer Körperkultur liefert zudem eine anthropologische Tiefenschicht, die historische Entscheidungen und Loyalitäten erklärt.

Die Beziehungen zwischen Schottland und England nach der Union waren von Integration und Vorurteil zugleich geprägt. Englische Beobachter betrachteten Hochländer oft als rückständig und gefährlich, während schottische Eliten ihre Loyalität durch Verwaltung und Militärdienste bewiesen. Patronagekanäle in Armee und Justiz boten Aufstiegschancen, verstärkten aber Abhängigkeiten. Waverley macht diese wechselseitigen Optiken sichtbar: Der englische Blick auf das „andere“ Schottland und die Selbstsicht verschiedener schottischer Milieus werden in Begegnungen und Missverständnissen ausgespielt. Daraus entsteht keine Anklage, sondern eine Diagnose der Kommunikationsstörungen, die politische Konflikte verschärfen konnten.

Technik und Medien verändern den historischen Raum, den der Roman auslotet. Post- und Straßenverbindungen beschleunigen Nachrichten über Truppenbewegungen; Zeitungen und Pamphlete formen Meinungen in Städten. Militärisch standardisierte Musketen, Bajonette und Artillerie fördern die Taktik der Linie; Burgen und Landsitze zeigen Mischformen aus mittelalterlichem Erbe und moderner Wohnkultur. Diese materiellen Bedingungen strukturieren Handlungsspielräume: Wer Zugang zu Nachrichten, Mobilität und Kapital besitzt, kann politische Risiken anders kalkulieren als ländliche Akteure. Scott bindet solche Details ein, um zu zeigen, wie Infrastrukturen Machtbeziehungen und Wahrnehmungen ordnen.

Schließlich kommentiert Waverley seine Zeit, indem es Vergangenheit als Mittel der Gegenwartsreflexion nutzt. Der Roman würdigt Mut und Loyalität der unterlegenen Seite, ohne die Legitimität des bestehenden Staats grundsätzlich infrage zu stellen. Er warnt vor romantischer Verblendung und zeigt zugleich, dass Modernisierung Verluste an Gemeinschaft und Sinn stiften kann. Indem er auf Ausgleich, Rechtsstaatlichkeit und graduellen Wandel setzt, bietet er eine konservative, doch humane Lesart der britischen Geschichte. So dient der historische Kontext nicht bloß als Kulisse, sondern als Prüfstein für politische Mäßigung und kulturelle Selbstverständigung.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Sir Walter Scott (1771–1832) gilt als einer der prägenden Schriftsteller der europäischen Romantik und als Pionier des historischen Romans. Aus Schottland stammend, verband er epische Handlung mit sorgfältiger Darstellung vergangener Epochen und prägte damit weit über seine Heimat hinaus das Bild von Geschichte, Nation und Heimat. Seine Werke erreichten früh eine internationale Leserschaft, wurden vielfach übersetzt und beeinflussten Autoren in ganz Europa. Neben Romanen schrieb er Gedichte, Editionen und Essays. Scotts Fähigkeit, gesellschaftliche Konflikte durch lebendige Figuren und detailreiche Milieus zu vermitteln, machte ihn zu einer Schlüsselfigur der Literatur des 19. Jahrhunderts.

Scott erhielt seine Ausbildung an der High School of Edinburgh und an der University of Edinburgh, wo er Rechtswissenschaft studierte und Anfang der 1790er-Jahre als Advokat zugelassen wurde. Früh interessierte er sich für Geschichte, Volksdichtung und Altertumskunde; er sammelte schottische Balladen und arbeitete an literarischen Übersetzungen. Zu seinen prägenden Einflüssen gehören die schottische Aufklärungshistoriografie, die Tradition der Border-Balladen sowie die deutsche Romantik. Scott übertrug unter anderem Werke von Gottfried August Bürger und Johann Wolfgang von Goethe ins Englische und veröffentlichte die Sammlung Minstrelsy of the Scottish Border (1802–1803), die sein öffentliches Profil als Herausgeber und Forscher festigte.

Parallel zur juristischen Laufbahn übernahm Scott öffentliche Ämter, darunter das Sheriff-Deputat von Selkirkshire und später eine Stellung am Court of Session in Edinburgh. Literarisch wurde er zunächst als Erzähler- und Landschaftspoet berühmt. Mit The Lay of the Last Minstrel (1805), Marmion (1808) und The Lady of the Lake (1810) erzielte er spektakuläre Erfolge, die Schottlands Regionen und Legenden in den Mittelpunkt rückten. 1814 wandte er sich mit Waverley dem Roman zu, den er anonym veröffentlichte. Der Erfolg dieses Buches markierte einen Wendepunkt: Scott etablierte das Modell des historischen Romans, dessen Handlung mit gründlicher Quellenkenntnis und sozialer Vielfalt verknüpft ist.

Es folgte eine Folge der sogenannten Waverley Novels, die schottische und europäische Geschichte in vielfältigen Milieus verhandelten. Zu den früh einflussreichen Titeln zählen Guy Mannering (1815), The Antiquary (1816) und Old Mortality (1816) aus den Tales of My Landlord. Mit Rob Roy (1817), The Heart of Midlothian (1818) und The Bride of Lammermoor (1819) vertiefte er soziale und politische Spannungen der Vergangenheit. Zugleich erweiterte er die Schauplätze: Ivanhoe (1819) verlegte die Handlung ins mittelalterliche England; Kenilworth (1821), Quentin Durward (1823), The Pirate (1822) und The Talisman (1825) demonstrierten seine Reichweite und erzählerische Vielfalt.

Scott war politisch konservativ und ein prominenter schottischer Tory, der den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs befürwortete. Seine literarischen Themen kreisen oft um Loyalität, Rechtsordnung und die Vermittlung zwischen Tradition und Modernisierung. Öffentlich trat er als Organisator des Edinburgh-Besuchs von König Georg IV. im Jahr 1822 hervor, der schottische Rituale und Symbole in großer Inszenierung präsentierte. In den Letters of Malachi Malagrowther (1826) argumentierte er gegen Eingriffe in das schottische Bankwesen. Solche Positionen spiegeln sich in seinen Romanen wider, die wiederholt Konflikte zwischen regionalen Identitäten, staatlicher Autorität und gesellschaftlichem Wandel in erzählerisch nuancierten Szenen austarieren.

Die wirtschaftlichen Verwerfungen von 1826 trafen Scott hart: Der Zusammenbruch seines Verlags- und Druckereinetzwerks führte zu hohen Verbindlichkeiten. Anstatt Insolvenz zu beantragen, verpflichtete er sich, die Schulden durch weiteres Schreiben zu begleichen. In rascher Folge entstanden neue Romane, darunter Woodstock (1826), The Fair Maid of Perth (1828) und Anne of Geierstein (1829), sowie die mehrbändige Life of Napoleon Bonaparte (1827). 1827 legte er seine Anonymität öffentlich ab. Gesundheitlich angeschlagen, unternahm er 1831 eine Reise in wärmere Regionen Europas, kehrte jedoch bald zurück und starb 1832 in Abbotsford, dessen Haus und Bibliothek später zu einem Erinnerungsort wurden.

Scotts Vermächtnis reicht von der Etablierung des historischen Romans als populärer und kritischer Form bis zur anhaltenden Prägung kultureller Selbstbilder Schottlands. Seine Erzähltechnik – das Wechselspiel von individuellen Schicksalen und größerer Geschichte – beeinflusste Autorinnen und Autoren wie Alessandro Manzoni, Honoré de Balzac, Alexandre Dumas und Alexander Puschkin. Bis heute werden seine Bücher neu aufgelegt, erforscht und adaptiert; die Rezeption beleuchtet sowohl ihre erzählerische Energie als auch Debatten um romantisierte Traditionen. Als Gestalter literarischer Historie bleibt Scott eine Referenzfigur, deren Werk Fragen nach Erinnerung, Identität und gesellschaftlichem Wandel für neue Leserschaften offenhält.

Waverley: Historischer Roman

Hauptinhaltsverzeichnis
Einleitung.
Kapitel I.
Kapitel II.
Kapitel III.
Kapitel IV.
Kapitel V.
Kapitel VI.
Kapitel VII.
Kapitel VIII.
Kapitel IX.
Kapitel X.
Kapitel XI.
Kapitel XII.
Kapitel XIII.
Kapitel XIV.
Kapitel XV.
Kapitel XVI.
Kapitel XVII.
Kapitel XVIII.
Kapitel XIX.
Kapitel XX.
Kapitel XXI.
Kapitel XXII.
Kapitel XXIII.
Kapitel XXIV.
Kapitel XXV.
Kapitel XXVI.
Kapitel XXVII.
Kapitel XXVIII.
Kapitel XXIX.
Kapitel XXX.
Kapitel XXXI.
Kapitel XXXII.
Kapitel XXXIII.
Kapitel XXXIV.
Kapitel XXXV.
Kapitel XXXVI.
Kapitel XXXVII.
Kapitel XXXVIII.
Kapitel XXXIX.
Kapitel XL.
Kapitel XLI.
Kapitel XLII.
Kapitel XLIII.
Kapitel XLIV.
Kapitel XLV.
Kapitel XLVI.
Kapitel XLVII.
Kapitel XLVIII.
Kapitel XLIX.
Kapitel L.
Kapitel LI.
Kapitel LII.
Kapitel LIII.
Kapitel LIV.
Kapitel LV.
Kapitel LVI.
Kapitel LVII.
Kapitel LVIII.
Kapitel LIX.
Kapitel LX.
Kapitel LXI.
Kapitel LXII.
Kapitel LXIII.
Kapitel LXIV.
Kapitel LXV.
Kapitel LXVI.
Kapitel LXVII.
Kapitel LXVIII.
Kapitel LXIX.
Kapitel LXX.

Einleitung.

Inhaltsverzeichnis

Nachdem sich Walter Scott im Jahre 1803 einem größeren Publikum durch seine Balladen als Lyriker bekannt gemacht, ließ er im Jahre 1805 das Lied des letzten Minstrel folgen. Aber der Dichter scheint um jene Zeit schon geahnt zu haben, daß der Prosaroman das eigentliche Gebiet sei, auf das sich dereinst die ganze Größe seines Ruhmes gründen werde. Er schrieb bereits in dem letztgenannten Jahre die ersten sieben Kapitel des Waverley, doch gab er die Fortsetzung auf, weil, wie er selbst gesteht, die Arbeit einem Freunde, dem er sie vorlegte, nicht recht gefiel. Um seinen Ruf als Dichter besorgt, wollte er durch den Versuch eines neuen Genres denselben nicht aufs Spiel setzen. Ohne über das Urtheil seines Freundes empfindlich zu sein, legte er das Manuskript in den Schubkasten eines alten Schreibtisches[1q], der in irgend einer Rumpelkammer stand. »Obschon ich,« erzählt Scott selbst, »unter anderen literarischen Beschäftigungen meine Gedanken ab und zu auf die Fortsetzung des begonnenen Romans richtete, so hatte ich schließlich doch die Idee ganz aufgegeben, weil ich den geschriebenen Anfang in meinen gewöhnlichen Repositorien nicht fand und zu bequem war, denselben aus dem Gedächtniß noch einmal zu schreiben.« Die großartigen Erfolge der von ihm hochverehrten Dichterin Miß Edgeworth[1], die sich namentlich durch die Darstellung irischer Charaktere und Lebensbilder in England berühmt gemacht, so wie die nachgelassenen Werke Joseph Strutt[2]s, eines ausgezeichneten Künstlers und Alterthumsforschers, die er herauszugeben unternahm, und unter denen sich ein angefangener Roman »Queen-Hoo-Hall« befand, steigerten sein Interesse für den historischen Roman. Die Handlung der letztgenannten Erzählung ist in die Regierungszeit Heinrichs VI. verlegt, und Strutt hatte es sich darin angelegen sein lassen, die Lebensweise, Sitten und Bräuche jener Zeit zu illustriren und selbst die Sprache des 15. Jahrhunderts nachzuahmen, wozu ihn seine eminenten historischen und antiquarischen Kenntnisse durchaus befähigten. Das Bruchstück, das eine glänzende Phantasie des Verfassers bekundete, war im übrigen mit großer Eile geschrieben worden, und schien etwas zusammenhangslos, weshalb der Editor Scott es für seine Pflicht erachtete, die Feile anzulegen, und namentlich den hastigen und unkünstlerischen Schluß aus seiner eignen Phantasie zu ersetzen. »Dies war,« fährt er fort, »ein Schritt in meiner Entwicklung zum Romanschriftsteller.« Strutts Roman Queen-Hoo-Hall hatte indessen keinen Erfolg, was Scott wohl nicht mit Unrecht der obsoleten Sprache und der zu großen Häufung antiquarischer Notizen zuschreibt. »Ich hielt es für möglich,« fährt er fort, »diese Fehler zu vermeiden, und dadurch, daß ich ein leichteres und dem allgemeinen Verständniß zugänglicheres Werk schrieb, die Klippe zu umsegeln, an welcher mein Vorgänger Schiffbruch gelitten. Ich war jedoch auch auf der andern Seite durch die Gleichgültigkeit des Publikums gegen Strutts Roman so weit entmuthigt, um mich zu überreden, daß die Sitten des Mittelalters für das große Publikum nicht von erheblichem Interesse seien, was mich auf die Idee führte, daß ein Roman, der sich auf hochländische Geschichte und auf Ereignisse neueren Datums stütze, mehr Aussicht auf Popularität habe, als eine Erzählung aus der Ritterzeit. Meine Gedanken kehrten also mehr als einmal zu der Erzählung zurück, die ich begonnen hatte, und zuletzt führte mir ein bloßer Zufall die verlegten Blätter wieder in den Weg.«

Es trug sich nämlich zu, daß Scott für einen Freund eine Angelschnur suchte und dabei auch das alte oben erwähnte Schreibpult durchstöberte, in welchem sich derartige Utensilien befanden. Bei dieser Gelegenheit fiel ihm denn auch das lang verlorene Manuskript wieder in die Hände. Er setzte sich sofort ans Werk, um die Erzählung nach seiner ursprünglichen Idee zu vollenden.

Der Dichter fügt seinem Bericht sehr bescheiden hinzu: »Ich muß offen bekennen, daß die Art der Ausführung kaum den Erfolg verdient, dessen sich der Roman bei der Veröffentlichung erfreute; denn die einzelnen Momente der Erzählung wurden mit so wenig Sorgfalt an einander gereiht, daß ich mich nicht rühmen kann, auch nur irgend einen deutlichen Plan des Werkes entworfen zu haben. Die sämmtlichen Abenteuer Waverleys in seinen Kreuz-und Querzügen durch das Land mit dem Hochlandräuber Bean Lean sind ohne viel Geschick geschildert. Der Weg, den ich einschlug, paßte mir jedoch am besten, und gestattete mir einige landschaftliche und Sittenschilderungen einzuschieben, denen die Wirklichkeit einiges Interesse verlieh, welches das bloße Talent des Verfassers ihnen sonst schwerlich gewonnen haben würde.« Die Entstehungsgeschichte des Waverley gibt Scott in einem einleitenden Kapitel und in einer besonderen Einleitung, die wir, als mit der eigentlichen Erzählung in keinem Zusammenhange stehend, glaubten fortlassen zu dürfen.

Der Roman wurde im Jahre 1814 veröffentlicht, und da der Name des Verfassers unerwähnt blieb, so hatte der Erstling keine andere Empfehlung in der Welt als seinen eigenen Werth. Anfänglich machte seine Popularität daher auch langsame Fortschritte; aber nach den ersten zwei oder drei Monaten steigerte sich dieselbe in einer für den Verfasser höchst schmeichelhaften und ermuthigenden Weise. Die Kritiker und das literarisch gebildete Publikum forschten vergeblich nach dem Namen des Verfassers, der sich auf dem Gebiet des Prosaromans so glücklich eingeführt hatte und so Bedeutendes verhieß. »Mein ursprünglicher Beweggrund, das Werk anonym zu veröffentlichen,« erklärt Scott selbst, »war die Ueberzeugung, daß es eigentlich ein mit dem Geschmack des Publikums vorgenommenes Experiment war, das möglicher Weise fehlschlagen konnte, und für welches ich das Risiko nicht persönlich übernehmen wollte.« Zur dauernden Bewahrung des Geheimnisses wurden verschiedentliche Vorsichtsmaßregeln getroffen. James Ballantyne, Scotts alter Freund und ehemaliger Schulkamerad, verschaffte ihm die Herren Constable und Cadell, eine sehr angesehene Firma in Edinburg, als Verleger. Er selbst übernahm den Druck, und war der Einzige, der in dieser Angelegenheit mit dem Autor correspondirte. Das Manuskript wurde für den Druck unter Ballantynes Aufsicht von einem andern kopirt, und obgleich verschiedentliche Personen im Laufe der Zeit dazu verwendet wurden, ist doch eine verhältnißmäßig lange Reihe von Jahren hindurch das Geheimniß bewahrt geblieben. Es wurden regelmäßig doppelte Korrekturbogen abgezogen. Den einen erhielt der Verfasser durch Ballantyne, und die von Scott gemachten Aenderungen und Korrekturen wurden durch die Hand seines Freundes auf den zweiten Bogen übertragen und dann erst den Druckern übergeben, so daß diese, denen Scotts Schriftzüge bekannt waren, den eigentlichen Verfasser nicht kennen lernten, und die Bemühungen um die Entdeckung der Autorschaft selbst für die Neugierigsten vergeblich waren. Aber wenn nun auch der Grund zu dieser Verheimlichung im Anfange, wo die Aufnahme des Romans von Seiten des Publikums noch eine zweifelhafte war, sich rechtfertigen läßt, so ist unser Dichter selbst nie im Stande gewesen, eine stichhaltige Erklärung dafür abzugeben, daß er später, als der Erfolg durch die rasche Verbreitung von 10 – 12000 Exemplaren hinter einander glänzend entschieden war, die Anonymität immer noch beibehielt. »Ich habe mich schon anderswo bestimmt ausgesprochen,« sagt er, »daß ich leider über diesen Punkt keinen bessern Grund angeben kann, als den, welchen Shylock für sich anführt: daß dies einmal meine Laune war. Man wird bemerken, daß ich nicht den gewöhnlichen Stimulus für persönlichen Ruhm besaß: auf den Wogen der alltäglichen Unterhaltung zu schwimmen. Literarisches Renommée, mochte ich es nun verdient haben oder nicht, besaß ich schon so viel, daß auch ein noch ehrgeizigeres Gemüth als das meine damit zufrieden sein konnte; und wenn ich mich in einen neuen Wettkampf einließ, konnte ich weit eher gefährden, was ich schon befaß, als eine irgend erhebliche Aussicht gewinnen, mir mehr zu erwerben. Außerdem wurde ich von keinem der Motive angeregt, die in einer früheren Lebensperiode ohne Zweifel auf mich gewirkt haben würden. Meine Freundschaften waren geschlossen, meine gesellschaftliche Stellung befestigt, mein Leben hatte seine Mitte erreicht. Meine Lebenslage war eine höhere, als ich vielleicht verdiente, sicher aber so hoch, wie ich sie wünschte, und es gab kaum irgend einen Grad des literarischen Erfolges, der meine persönliche Lage hätte bedeutend verändern oder bessern können.

Ich wurde also wirklich vom Ehrgeiz nicht angespornt, der doch sonst eine so starke Triebfeder ist, und darum muß ich mich von dem Vorwurfe unziemlicher Gleichgültigkeit oder des Undanks gegen den öffentlichen Beifall zu reinigen suchen. Ich habe darum nicht weniger Dankbarkeit für die öffentliche Gunst empfunden, daß ich sie nicht öffentlich aussprach; – wie ja auch der Liebende, der die Gunst seiner Herrin im Herzen trägt, eben so stolz, wenn auch nicht so eitel auf ihren Besitz ist, als ein anderer, der die Zeichen ihrer Zuneigung an seinem Hute trägt. Weit entfernt von einer so undankbaren Gesinnung, habe ich selten mehr innere Befriedigung empfunden als damals, wo ich, von einer Vergnügungsreise zurückgekehrt, Waverley im Zenith seiner Popularität und die öffentliche Neugierde nach dem Namen des Verfassers laut ausgesprochen fand. Das Bewußtsein, die Anerkennung des Publikums zu besitzen, war für mich der Besitz eines verborgenen Schatzes, der dem Eigenthümer eben so theuer sein mußte, als wenn die ganze Welt gewußt hatte, wem er gehöre. Mit dieser Geheimhaltung war aber noch ein zweiter Vortheil verknüpft. Ich konnte nach Belieben auf der Bühne erscheinen oder verschwinden, ohne irgend welche andere persönliche Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, als die die Vermuthung eingibt. Auch hätte ich mir in meiner eigenen Person, als erfolgreicher Schriftsteller auf anderen literarischen Gebieten, leicht den Vorwurf zuziehen können, mich allzu häufig der Geduld des Publikums aufzudrängen; der Autor des Waverley aber war in diesem Punkte der Kritik so unzugänglich, wie der Geist des alten Hamlet der Hellebarde des Marcellus. Dazu kam noch, daß die durch das Vorhandensein eines Geheimnisses gereizte Neugier des Publikums, durch die von Zeit zu Zeit stattfindenden Diskussionen über den unbekannten Autor, lebendig erhalten wurde, und wesentlich dazu beitrug, das Interesse an den häufigen Publikationen zu steigern. Den Verfasser umgab ein gewisses Geheimniß, das jeder neue Roman möglicher Weise ein wenig lüften konnte, wenn dieser auch sonst vielleicht hinter den andern an Werth zurückblieb.

Man könnte mir vielleicht einen gewissen Grad von Affektation vorwerfen,« fährt Scott in seiner Rechtfertigung fort, »wenn ich hier als einen andern Grund meines Stillschweigens anführe, daß ich eine heimliche Abneigung besaß, mich in persönliche Diskussionen über meine eignen literarischen Arbeiten einzulassen. Es ist jedenfalls gefährlich für einen Schriftsteller, sich fortwährend unter Leuten aufzuhalten, die seine Werke zum alltäglichen und familiären Gegenstande der Unterhaltung machen, und die nothwendiger Weise parteiische Beurtheiler von Schöpfungen sein müssen, die in ihrer eignen Gesellschaft entstanden sind. Der Eigendünkel, den solche Schriftsteller sich aneignen, kann nur in hohem Grade für Gemüth und Charakter nachtheilig sein; denn wenn der Becher der Schmeichelei auch nicht, wie der Trank der Circe, die Menschen in Thiere verwandelt, so kann er, unmäßig geleert, die besten und geschicktesten Leute doch wenigstens zu Narren machen. Dieser Gefahr ist einigermaßen durch die Maske vorgebeugt worden, die ich trug; und mein eigner Vorrath an Eigendünkel ist wenigstens auf seinen ursprünglichen Umfang beschränkt geblieben und nicht durch die Parteilichkeit von Freunden und den Weihrauch von Schmeichlern vergrößert worden.«

Auch die eigene Familie des Dichters, wenigstens seine Kinder, kannten den Autor des Waverley nicht. Es stellte sich einmal heraus, daß die jüngere sechzehnjährige Tochter des Dichters den Buchhändler John Ballantyne (Bruder des James) für den großen Unbekannten hielt. Als Scott bei einem Souper des damaligen Prinz-Regenten in London, an welchem auch die Herzöge von York und Gordon, Lord Melville, Graf Jife, der Marquis von Hertford und andere hohe Herren Theil nahmen, sich der fröhlichsten Laune überließ, wurde er nach Mitternacht durch einen Toast des Prinzen überrascht, der sein Glas ergriff und ausrief: »Hoch lebe und abermals hoch und zum dritten Male hoch der Verfasser des Waverley!« Dabei leerte er sein Glas und blickte schelmisch auf Scott hinüber. – Der Dichter war im Augenblicke verlegen, füllte sein Glas bis zum Rande und sagte: »Eure Hoheit sehen mich so an, als hätte ich ein Anrecht auf die Ehre dieses Toastes. Das ist zwar nicht der Fall, aber ich werde dafür sorgen, daß der rechte Mann von der hohen Ehre Kunde erhält, die ihm zugedacht war,« – Er leerte dann sein Glas und stimmte mit lautem Rufe in das jubelnde Lebehoch ein, welches der Prinz nochmals ertönen ließ.

Gegen Lord Byron soll Scott sich einmal verrathen haben. Kapitän Merwyn erzählt in seinen »Unterredungen mit Lord Byron«, daß er von diesem, als er ihn fragte, ob er überzeugt wäre, daß W. Scott der Verfasser der Waverley-Romane sei, die Antwort erhalten habe: »Scott hat mir in Murrays Bücherladen so gut wie eingestanden, daß er den Waverley geschrieben; ich sprach mit ihm über diesen Roman und beklagte es, daß sein Verfasser die Erzählung nicht bis in die Zeit der Revolution zurückverlegt habe; worauf Scott, der seine Reserve gänzlich vergaß, antwortete: ›Ja, ich hätte das thun können, – aber –‹ hier hielt er plötzlich inne. Es war für ihn vollkommen unmöglich, sich zu verbessern, er machte ein verlegenes Gesicht und entzog sich der Verwirrung, indem er sich rasch davon machte.« Scott erklärt jedoch, daß er sich an diese Scene nicht erinnere, und ist der Meinung, daß er im gegebenen Falle eher gelacht haben als in Verlegenheit davon gelaufen sein würde.

Erst nachdem im Jahre 1826 das Fallissement der Gebrüder Ballantyne, zu deren haftpflichtigem Kompagnon unser Dichter sich selbst gemacht hatte, ausgebrochen war, und die daran geknüpften gerichtlichen Verhandlungen die weitere Bewahrung des Geheimnisses gradezu unmöglich machten, bekannte sich Scott öffentlich als den Verfasser der Waverley-Romane. Im Februar des Jahres 1827 ließ er sich nach dem erwähnten traurigen Ereigniß zum ersten Male wieder bewegen, einem förmlichen Festessen nicht nur beizuwohnen, sondern demselben sogar zu präsidieren. Lord Meadowbank und der Graf von Fife standen ihm dabei nach englischer Sitte als Ehrenpräsidenten zur Seite. Der erstere führte unseren Dichter kurz vor Beginn des Mahles bei Seite und fragte, ob er es übel nehmen werde, wenn bei Gelegenheit eines Toastes der Autorschaft des Waverley gedacht würde. »Thun Sie, was Ihnen beliebt,« entgegnete Scott lächelnd, »aber sprechen Sie nicht zu viel über die alte Geschichte«.

Lord Meadowbank sprach dann zur Versammlung folgendermaßen:

»Ich bitte um die Erlaubniß einen Toast auszubringen.

Es gilt die Gesundheit eines Mannes, dessen Name stets vor allen anderen genannt zu werden verdient, und der überall, wo Schottländer beisammen sind, nicht mit gewöhnlichen Gefühlen der Freude und Theilnahme, nein, mit Entzücken und Begeisterung vernommen wird. Wie oft auch jeder von uns schon auf das Wohl dieses Mannes angestoßen hat, so geschah es doch fast nie ohne gewisse Anspielungen auf Dinge, die mit einem geheimnißvollen Schleier umgeben waren, und man durfte die glühenden Lobeserhebungen, die wir ihm so gern dargebracht hätten, stets nur auf Umwegen an ihn gelangen lassen. Jetzt aber haben die Wolken sich verzogen, das durchsichtige Dunkel ist verschwunden, und der große Unbekannte, der Sänger unseres Heimatlandes, vor dessen Zauberstab vergangene Zeiten und vergangene Geschlechter neu belebt unsern Blicken erschienen sind, er steht jetzt anerkannt vor uns, zur Freude unserer Augen und zum Entzücken unserer Herzen. – Da ich ihn kenne, als Freund, als Menschen und als meinen geliebten Landsmann, so weiß ich, daß die überwältigenden Gaben des Genies, die der große Mann besitzt, nicht bewundernswürdiger sind als seine einfache Bescheidenheit, welcher keine Art von Lobeserhebung angenehm ist, so wenig sie auch das Maß seiner Verdienste zu erreichen im Stande sein dürfte. Doch würden Sie, die Sie hier versammelt sind, es mir nicht verzeihen, wenn ich nicht ausspräche, daß unsere gesammte Nation eine große und schwere Schuld der Dankbarkeit gegen ihn abzutragen hat.

Zuerst hat er das Ausland mit den Schönheiten unseres Vaterlandes bekannt gemacht, und der Ruhm unserer Vorfahren ist von ihm über die Gestade dieser Insel hinausgetragen worden, bis an die Grenzen der Welt. Er hat unseren Nationalcharakter zu neuer Anerkennung gebracht und den Namen Schottland unsterblich gemacht, wäre es auch nur durch das Glück, daß er unter uns geboren ist. – Ich trinke auf das Wohl Sir Walter Scotts!«

Der Beifallssturm, den diese Rede hervorrief, war geradezu betäubend. Die ganze Gesellschaft stieg auf Stühle und Tische, schwenkte die Tücher und jubelte ohne Aufhören.

Sobald die Ruhe einigermaßen hergestellt war, sprach der Dichter:

»Ich hatte, als ich heute hier erschien, keine Ahnung davon, daß ich in Gegenwart von dreihundert Herren ein Geheimniß offenbaren sollte, welches in Anbetracht, daß mehr als zwanzig Menschen um dasselbe wußten, bis jetzt so gut bewahrt worden ist. Ich stehe hier förmlich als Angeklagter vor dem Lord Meadowbank, unserem geehrten Oberrichter, und ich bin überzeugt, daß Sie als Geschworene bei der Geringfügigkeit der gegen mich vorgebrachten Beweise mich freisprechen würden. Demnach will ich mich schuldig bekennen und den Gerichtshof nicht mit Aufzählung der Gründe ermüden, die mein Geständnis so lange verzögert haben. Vielleicht war es zum größten Theil eine bloße Laune. Jetzt habe ich nur zu sagen, daß alles Gute und alles Schlechte, was an diesen Schriften ist, ganz und ausschließlich nur mir einzig und allein zur Last fällt.

Dies ist mein Bekenntniß, und da ich weiß, daß dasselbe an die Oeffentlichkeit dringen wird, so wiederhole ich ausdrücklich, daß, indem ich mich als Verfasser bekenne, ich damit sagen will, daß ich der einzige und alleinige Verfasser bin.

Mit Ausnahme der ausdrücklich als Anführungen aus Dichtern oder sonst bezeichneten Stellen enthalten diese Schriften kein Wort, das nicht aus meiner Erfindung niedergeschrieben oder eine Frucht meiner Studien gewesen wäre, und ich füge mit Prosperos Worten hinzu: Der Hauch Eures Beifalls war es, der meine Segel geschwellt hat.«

Da das Fest zur Gründung einer wohlthätigen Stiftung für verarmte Bühnenkünstler vom Direktor des Edinburger Theaters angeordnet war, fügte Scott hinzu:

»Und nun trinke ich auf das Wohl des großen Bühnenkünstlers, Herrn Mackay, der die Gestalten, deren Umrisse ich entworfen, so oft durch sein Genie vor unsern Augen zur lebendigen Anschauung gebracht hat. Dieser Toast wird gewiß mit dem Beifallssturm aufgenommen werden, an welchen dieser Künstler mit Recht so gewöhnt ist. Möge dieser Beifall stets sein und bleiben: Wun–der–bar!«

Diese beiden Toaste haben zu ihrer Zeit nicht nur in England, sondern auch in ganz Europa das größte Aufsehen erregt, indem selbst diejenigen, welche in die Autorschaft der Waverley-Romane, so weit Scott in Frage kam, keinen Zweifel setzten, sich nicht vorstellen konnten, daß er allein, ohne jede fremde Hilfe, im Stande gewesen sei, eine so große Anzahl von Meisterwerken zu schaffen. Der Roman Waverley, das erste der langen Reihe unsterblicher Werke, die seit 60 Jahren die gesammte gebildete Welt entzückt haben, ist keineswegs ein unvollkommener Versuch, sondern es enthält dieser Erstlingsroman unseres Dichters bereits all die Schönheiten der Sprache und der Erfindung, wie sein jüngster deutscher Biograph sich ausdrückt, die uns an all den andern entzücken. Es zeigt sich hier bereits die vollendete Meisterschaft der Charakteristik, so wie auch die Schilderung der Scenerie, die Malerei der Naturschönheiten bereits den großen Künstler deutlich genug verrathen. Im Punkte der Menschendarstellung ist sein Realismus nur an der schaffenden Kraft eines Shakespeare zu messen, und grade der Waverley weist eine Fülle solcher lebenswahren Figuren und Charaktere auf. Namentlich aber ist es der hohe Adel der Gesinnung, der sittliche Ernst seiner Helden und Heldinnen, die in diesem ersten Romane so wohlthuend auf uns wirken, und uns auch dort fesseln und einnehmen, wo wir den politischen Standpunkt der geschilderten Charaktere nicht theilen. Wir wollen es indessen nicht versuchen, dem Leser durch eine Charakteristik der einzelnen Persönlichkeiten vorzugreifen, und überlassen es ihm, sich sein eignes Urtheil zu bilden.

Kapitel I.

Inhaltsverzeichnis

Schloß Waverley. – Ein Rückblick.

Vor sechszig, und wir dürfen heute wohl sagen vor mehr als hundert Jahren, nahm Edward Waverley, der Held der folgenden Blätter, Abschied von seiner Familie, um in das Dragonerregiment zu treten, in welchem er kürzlich eine Anstellung erhalten hatte. Es war ein trüber Tag in Waverley-Haus, als der junge Offizier Abschied von Sir Everard nahm, dem freundlichen alten Oheim, dessen muthmaßlicher Universalerbe er war.

Die Verschiedenheit politischer Meinungen hatte früh den Baronet mit seinem jüngern Bruder, Richard Waverley, dem Vater unsers Helden veruneinigt. Sir Everard hatte von seinen Vorfahren die ganze Summe der Toryansichten geerbt, welche das Haus Waverley seit dem großen Bürgerkriege ausgezeichnet hatte. Richard dagegen, der zehn Jahre jünger war, sah sich zu dem Schicksal eines jüngern Sohnes geboren, und erwartete weder Ansehen noch Unterhalt von dem bescheidenen Titel Hans Schickedich. Er sah, daß es nöthig sei, so wenig als möglich Gewicht zu tragen, um in dem Wettrennen des Lebens einen Preis zu erringen. Maler sprechen von der Schwierigkeit, verschiedene Leidenschaften zugleich in denselben Zügen auszudrücken: es würde nicht minder schwierig für den Moralisten sein, die verschiedenen Motive zu analysiren, die sich vereinigen, um den Impuls zu unsern Handlungen zu geben. Richard Waverley las und überzeugte sich selbst durch Geschichte und gesundes Urtheil von der Wahrheit des alten Liedes:

Friedsam dulden war ein Scherz, Pah! Widerstand wars nicht;

aber die Vernunft wäre wahrscheinlich unfähig gewesen, erbliche Vorurtheile zu bekämpfen und zu beseitigen, hätte Richard vermuthen können, daß sein älterer Bruder, Sir Everard, die Vereitlung einer Jugendliebe sich so zu Herzen nehmen würde, um mit 72 Jahren noch unverheiratet zu sein. Die Aussicht auf die Erbschaft, wie fern sie auch sein mochte, würde es über ihn vermocht haben, sich durch den größten Theil seines Lebens als »Master Richard, des Baronets Bruder« hinzuschleppen, in der Hoffnung, daß er vor seinem Ende noch als Sir Richard Waverley von Waverley-Haus ausgezeichnet werden, und als Erbe eines fürstlichen Besitzthums und ausgedehnter politischer Verbindungen das Haupt der ganzen Grafschaft sein würde. Doch dies waren Dinge, die sich bei Richards Eintritt in das Leben nicht ahnen ließen. Sir Everard stand damals in der Blüthe seines Alters, und in der sichern Ueberzeugung, ein willkommener Werber in beinahe jeder Familie zu sein, mochte nun Reichthum oder Schönheit den Gegenstand seiner Bewerbungen ausmachen. Seine baldige Verheiratung war daher in der That ein Gerücht, welches die Nachbarschaft regelmäßig einmal jedes Jahr unterhielt. Sein jüngerer Bruder sah keinen Weg zur Unabhängigkeit, wenn nicht die Benutzung seiner eigenen Kräfte und die Annahme eines politischen Glaubens, der mit seinem Verstande und seinem Interesse mehr übereinstimmte, als der erbliche Glaube des Sir Everard an die Hochkirche und das Haus Stuart. So erklärte er bei dem Beginn seiner Laufbahn seinen Widerruf und trat in das Leben als anerkannter Whig und Freund der hannoverschen Erbfolge[3].

Das Ministerium zur Zeit Georg I. war klug dafür besorgt, die Phalanx der Opposition zu verringern. Der Toryadel, der seines geborgten Glanzes wegen von dem Sonnenscheine eines Hofes abhing, hatte sich seit einiger Zeit allmählich mit der neuen Dynastie ausgesöhnt. Aber die reichen Landedelleute Englands, welche neben vielen alterthümlichen Sitten und traditioneller Redlichkeit einen großen Theil hartnäckiger und unbeugsamer Vorurtheile besaßen, hielten sich in hochmüthiger und dumpfer Opposition fern und warfen manchen Blick des Hoffens und Sehnens nach Bois le Duc, Avignon und Italien.

Der Uebertritt eines nahen Verwandten dieser hartnäckigen und unbeugsamen Widersacher wurde von Seiten der Regierung als ein Mittel betrachtet, mehrere Bekehrte zu gewinnen, und Richard Waverley begegnete daher einer ministeriellen Gunst, die zu seinen Talenten oder zu seiner politischen Wichtigkeit in keinem Verhältnis stand. Man entdeckte indessen, daß er achtungswerthe Talente zu öffentlichen Geschäften besaß, und nachdem er einmal Zutritt zum Minister gewonnen, stieg er schnell. Sir Everard erfuhr aus den Zeitungen zuerst, daß Richard Waverley Esquire für den ministeriellen Flecken Barterfaith gewählt worden sei, dann, daß Richard Waverley Esqu. bei den Debatten über die Accisebill an der Unterstützung der Regierung einen auserlesenen Antheil genommen hatte, und zuletzt, daß Richard Waverley Esqu. mit einem Sitz an einem der Gerichte beehrt worden sei, an welchen das Vergnügen, dem Lande zu dienen, mit bedeutenden Einnahmen gepaart ist, die, um sie annehmbarer zu machen, regelmäßig einmal in jedem Quartale wiederkehren. Obgleich diese Ereignisse so nahe auf einander folgten, daß der moderne Scharfsinn eines Zeitungsredakteurs die beiden letztern vorausgesagt haben würde, während er das erste meldete, so kamen sie doch zur Erkenntniß Sir Everards allmählich, Tropfen bei Tropfen so zu sagen, destillirt durch den kalten und zögernden Brennkolben von Dyers »wöchentlichen Briefen«, denn es mag im Vorbeigehen erwähnt werden, daß statt der Briefträger, durch welche jetzt jeder Arbeiter die gestrigen Neuigkeiten der Hauptstadt erfährt, in jenen Tagen eine wöchentliche Post nach Waverley-Haus einen wöchentlichen Anzeiger brachte, der, nachdem er Sir Everards und seiner Schwester Neugier, sowie die seines bejahrten Kellermeisters befriedigt hatte, regelmäßig von der Halle nach der Pfarre gebracht wurde, von der Pfarre zum Esqu. Stubb, vom Esqu. zu dem Verwalter des Baronets, nach dessen nettem weißen Hause auf der Weide, vom Verwalter zum Schultheiß, und von diesem durch einen großen Kreis ehrlicher Weiber und Gevattern, von deren harten hornigen Händen er ungefähr einen Monat nach seiner Ankunft gewöhnlich in Stücken zerrissen wurde.

Diese langsame Aufeinanderfolge der Nachrichten war in dem vorliegenden Falle von einigem Vortheile für Richard Waverley; denn hätte die ganze Summe seiner ungeheuren Erfolge auf einmal die Ohren Sir Everards erreicht, so ist nicht zu zweifeln, daß der neue Beamte wenig Ursache gehabt haben würde, sich zu dem Erfolge seiner politischen Laufbahn Glück zu wünschen. Der Baronet war zwar der gutmüthigste Mensch, aber doch nicht ohne verletzbare Seiten in seinem Charakter; seines Bruders Ausführung hatte diese tief verwundet; die Waverley-Besitzungen hatten keinen Erbfolgezwang, denn nie war es einem der frühern Besitzer in den Sinn gekommen, daß einer seiner Enkel sich solcher Vergehungen schuldig machen könnte, wie die, welche Dyers Wochenblatt Richard zur Last legte, und wäre das auch der Fall gewesen, so würde doch die Heirat des Besitzers für einen Seitenerben sehr mißlich gewesen sein. Diese verschiedenen Gedanken fuhren Sir Everard durch den Kopf, ohne aber einen bestimmten Entschluß hervorzurufen.

Er besichtigte seinen Stammbaum, welcher, geziert mit manchem Embleme der Ehre und des Heldenmuthes, an dem wohlpolirten Wandgetäfel seiner Halle hing. Die nächsten Abkömmlinge des Sir Hildebrand Waverley waren die Waverley von Highley-Park, mit denen der ältere Zweig oder vielmehr Stamm des Hauses seit einem großen Prozesse im Jahr 1670 jede Verbindung abgebrochen hatte.

Dieser entartete Zweig hatte sich noch eine weitere Beleidigung gegen das Haupt seines Geschlechts zu Schulden kommen lassen, und zwar durch die Verheiratung seines Stammhauptes, mit Judith der Erbin von Oliver Bradshawe, von Highley-Park, dessen Wappen, das mit dem des Königsmörders Bradshawe übereinstimmte, er mit dem alten Wappen der Waverleys verband. Diese Vergehungen waren jedoch der Erinnerung des Sir Everard in der Hitze seines Unwillens entschwunden, und wäre der Anwalt Klippurse, nach dem er seinen Reitknecht expreß absandte, nur eine Stunde früher gekommen, so würde derselbe die Genugthuung gehabt haben, eine neue Erbfolge für die Lordschaft und die Besitzungen von Waverley-Haus mit allem Zubehör aufzusetzen. Aber eine Stunde kalter Ueberlegung ist eine wichtige Sache, wenn sie dazu benutzt wird, das vergleichungsweise Böse von zwei Maßregeln abzuwägen, für welche wir innerlich nicht eingenommen sind. Anwalt Klippurse

fand seinen Patron in tiefes Sinnen versunken und war zu ehrerbietig, um ihn darin auf andere Weise zu stören, als daß er ihm sein Papier und sein ledernes Tintenfaß zeigte als Beweis, daß er bereit sei, Sr. Gnaden Befehle niederzuschreiben.

Selbst diese geringe Andeutung machte Sir Everard verlegen, denn er betrachtete sie als einen Vorwurf für seine Unentschlossenheit. Er sah den Anwalt mit einigem Verlangen an, sein Fiat hinzuschreiben, als die Sonne, hinter einer Wolke hervortretend, plötzlich ihr gebrochenes Licht durch das vergitterte Fenster des dunkeln Kabinetes warf, in dem sie saßen. Als der Baronet sein Auge erhob, fiel es gerade auf das Mittelschild des Stammbaumes, auf dem derselbe Wahlspruch stand, den sein Vorfahr auf dem Schlachtfelde von Hastings geführt haben soll: »Sans tâche«.

»Möge unser Name eher untergehen,« rief Sir Everard, »als daß dies alte treue Symbol mit dem entehrten Wappen eines verrätherischen Rundkopfes vereinigt werde.«

Dies alles war die Wirkung eines Sonnenstrahles, der eben hinreichte, dem Anwalt Klippurse das nöthige Licht zum Spitzen seiner Feder zu geben. Die Feder wurde vergebens gespitzt. Der Anwalt wurde mit der Weisung entlassen, sich bereit zu halten, auf den nächsten Ruf zu erscheinen.

Die Ankunft des Anwalt Klippurse in der Halle hatte manche Vermuthungen in dem Theile der Welt, dessen Mittelpunkt Waverley-Haus bildete, veranlaßt, aber schärfere Politiker dieses Mikrokosmus zogen noch schlimmere Folgerungen für Richard Waverley aus einem Ereignisse, welches kurze Zeit nach dessen Abfall stattfand. Dies war nichts Geringeres als ein Ausflug des Baronets in einer mit sechs Pferden bespannten Staatskutsche und mit vier Bedienten in reicher Livree, um einen Besuch von einiger Dauer bei einem edlen Pair der Nachbarschaft zu machen, der von unbeflecktem Stamme, von festen torystischen Grundsätzen und glücklicher Vater von sechs unverheirateten und heiratsfähigen Töchtern war.

Sir Everards Aufnahme in dieser Familie war, wie man sich leicht denken kann, höchst günstig; unter den sechs jungen Mädchen leitete ihn sein Geschmack aber unglücklicherweise auf Lady Emily, die jüngste, die seine Aufmerksamkeit mit einer Verlegenheit hinnahm, welche bewies, daß sie sie nicht abzulehnen wagte, und daß sie ihr doch eher alles andere als Freude machte. Sir Everard mußte etwas Ungewöhnliches in der zurückhaltenden Erwiderung finden, welche das junge Mädchen seinem Entgegenkommen zollte, indeß durch die kluge Gräfin versichert, dies wären die natürlichen Folgen einer zurückgezogenen Erziehung, würde er den verhängnißvollen Schritt ohne Zweifel gethan haben, hätte nicht eine ältere Schwester den Muth gehabt, dem mächtigen Bewerber zu gestehen, daß Emilys Neigung bereits auf einen jungen reichen Krieger, einen nahen Verwandten ihrer Familie, gefallen sei. Sir Everard zeigte sich bei dieser Nachricht sehr erregt. Dieselbe wurde bald daraus durch das junge Mädchen selbst in einer besondern Zusammenkunft bestätigt, in der sie zugleich die schrecklichsten Besorgnisse über ihres Vaters Unwillen äußerte.

Ehre und Großmuth waren erbliche Eigenschaften des Hauses Waverley. Mit einer Anmuth und einem Zartgefühl, das eines Romanhelden würdig war, zog Sir Everard seine Bewerbung um die Hand der Lady Emily zurück, ja, ehe er Blandville-Castle verließ, war er sogar so geschickt, Emilys Vater die Einwilligung zu der Ehe mit dem Gegenstande ihrer Wahl abzudringen. Was für Gründe er in dieser Hinsicht anführte, kann nicht genau angegeben werden, denn im Punkte der Ueberredungsgabe wurde Sir Everard nie für stark gehalten. Sei’s, wie’s wolle, der junge Offizier stieg unmittelbar nach diesem Schritte in der Armee mit einer Schnelligkeit, die den gewohnten Schritt nicht protegirten Verdienstes weit übertraf, obgleich dieses dem äußern Scheine nach alles war, worauf er sich stützen konnte.

Der Streich, welchen Sir Everard bei dieser Gelegenheit empfing, wurde zwar durch das Bewußtsein gemildert, daß er tugendhaft und ehrenwerth gehandelt, hatte aber doch einen Einfluß auf sein ganzes künftiges Leben. Sein Heiratsentschluß war in einem Anfalle des Unwillens gefaßt worden, die Mühe des Hofmachens paßte nicht ganz zu der würdevollen Trägheit seiner Gewohnheiten, er war nur durch einen glücklichen Zufall der Gefahr entgangen, eine Frau zu heiraten, die ihn nie lieben konnte, und sein Stolz konnte sich durch diesen Ausgang seiner Bewerbung nicht geschmeichelt fühlen, auch wenn sein Herz nicht dadurch gelitten hätte. Das Resultat der ganzen Sache war seine Rückkehr nach Waverley-Haus, ungeachtet der Seufzer und schmachtenden Blicke der schönen Verrätherin, welche nur aus schwesterlicher Zuneigung das Geheimniß von der Liebe der Lady Emily verrathen hatte. Auch die Winke und Fingerzeige der gefälligen Lady Mutter und die ernsten Lobsprüche, welche der Graf der Klugheit, dem gesunden Sinne und den bewundernswerthen Anlagen seiner ersten, zweiten, dritten, vierten und fünften Tochter zollte, wollten nicht verfangen.

Die Erinnerung an seine mißlungene Werbung war für Sir Everard, wie bei manchen Männern seiner Gemüthsart, die zugleich schüchtern, stolz, reizbar und träg sind, eine Warnung, sich für die Zukunft ähnlicher Demüthigung, Mühe und fruchtloser Anstrengung nicht wieder auszusetzen. Er fuhr fort, in Waverley-Haus nach Art eines altenglischen Edelmannes von altem Geschlecht und großem Vermögen zu leben. Seine Schwester, Miß Rahel Waverley, führte den Vorsitz an seiner Tafel, und sie wurden allmählich, er ein alter Hagestolz und sie eine alte Jungfer, die freundlichsten und gutmüthigsten Anhänger des Cölibates.

Die Heftigkeit des Unwillens gegen seinen Bruder war in Sir Everard nur von kurzer Dauer; sein Mißfallen aber an dem Whig und dem königlichen Beamten erhielt fortwährend eine gewisse Kälte zwischen ihnen, wenn es auch nicht fähig war, ihn zu irgend einer Maßregel anzutreiben, die für Richard in Bezug auf die Erbfolge der Familiengüter nachtheilig gewesen wäre. Richard kannte genug von der Welt und von dem Temperamente seines Bruders, um zu glauben, daß er durch irgend ein unüberlegtes oder übereiltes Vorgehen von seiner Seite passives Mißfallen in einen thätigeren Unwillen verwandeln könnte. Es war daher nur ein Zufall, der endlich eine Erneuerung ihres Verkehrs herbeiführte. Richard hatte ein junges Mädchen von Rang geheiratet, durch dessen Familienverbindungen und Privatvermögen er seine Carriere zu beschleunigen hoffte. Durch sie wurde er Besitzer eines Gutes von einigem Werthe, welches nur wenige Meilen von Waverley entfernt lag.

Der kleine Edward, der Held unserer Geschichte, damals fünf Jahre alt, war ihr einziges Kind[2q]. Es ereignete sich, daß das Kind mit seiner Wärterin eines Morgens sich eine Meile von der Allee entfernt hatte, die zu Brerewood-Lodge, seines Vaters Wohnsitz, führte. Ihre Aufmerksamkeit wurde durch einen Wagen erweckt, den sechs schöne Rappen zogen, und der mit so viel Schnitzwerk und Vergoldung verziert war, daß er der Staatskutsche eines Lordmayors Ehre gemacht haben würde. Der Wagen wartete auf den Besitzer, der in geringer Entfernung davon die Fortschritte eines halbfertigen Pachthofgebäudes besichtigte. Ich weiß nicht, auf welche Weise der Knabe ein Wappenschild mit drei Hermelinen als sein persönliches Eigenthum zu betrachten gelernt haben mochte, aber kaum sah er dies Familienzeichen, als er fest entschlossen schien, sein Recht auf das glänzende Fuhrwerk geltend zu machen, auf dem es angebracht war. Der Baronet erschien, während die Wärterin noch vergebens bemüht war, den Knaben davon abzubringen, sich den vergoldeten Wagen mit den sechs Pferden zuzueignen. Das Zusammentreffen erfolgte in einem glücklichen Augenblicke für Edward, denn sein Oheim hatte eben nachdenklich und mit einem Gefühle von Neid den kräftigen Knaben seines stattlichen Pächters betrachtet, dessen Wohnung nach seiner Anleitung erbaut wurde. In dem rothwangigen Cherubsgesichte, das hier vor ihm stand, sein Auge und seinen Namen und einen Anspruch auf den Erbtitel hatte, schien die Vorsehung ihm den Gegenstand zu gewahren, der am besten geeignet war, die Leere in seinen Hoffnungen und seinen Neigungen auszufüllen. Sir Everard kehrte nach Waverley-Hall auf einem für ihn bereit gehaltenen Reitpferde zurück, während er das Kind und seine Wärterin in dem Wagen nach Brerewood-Lodge schickte, und zwar mit einer Botschaft, die Richard Waverley eine Thür zur Aussöhnung mit seinem ältern Bruder öffnete.

Der so erneuerte Verkehr blieb indeß formell und höflich, aber trotz des Mangels an brüderlicher Herzlichkeit genügte er den Wünschen beider Parteien. Sir Everard erhielt durch die häufige Gesellschaft seines kleinen Neffen etwas, worin sein erblicher Stolz das vorempfundene Vergnügen einer Fortpflanzung seines Geschlechtes finden konnte, zugleich fand seine Freundlichkeit und Güte volle Gelegenheit zur Ausübung. Richard Waverley sah in der wachsenden Zuneigung zwischen Oheim und Neffen die Mittel zu seines Sohnes, wo nicht seiner eigenen Nachfolge in den erblichen Besitzungen. Daß durch irgend einen Versuch zu größerer Vertraulichkeit diese Aussicht bei einem Manne von Sir Everards Anschauungen eher gefährdet als befördert werden konnte, dessen war er sich wohl bewußt.

Durch eine Art stillschweigenden Uebereinkommens wurde es so dem kleinen Edward erlaubt, den größeren Theil des Jahres in Waverley-Hall zuzubringen, und er schien beiden Familien gleich eng und intim anzugehören, obgleich ihr gegenseitiger Verkehr sich eigentlich nur auf formelle Mitteilungen und noch formellere Besuche beschränkte. Die Erziehung des Knaben wurde wechselsweise durch den Geschmack und die Meinungen seines Oheims und seines Vaters geleitet. Doch davon mehr in dem folgenden Kapitel.

Kapitel II.

Inhaltsverzeichnis

Erziehung.