Die Jungfrau vom See - Walter Scott - E-Book

Die Jungfrau vom See E-Book

Walter Scott

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Beschreibung

Zwischen den dunklen Wassern von Loch Katrine und den schroffen Pässen der Trossachs entfaltet Sir Walter Scott sein berühmtestes Versepos: Liebe, Ehre und Verrat prallen aufeinander, wenn die stolze Ellen Douglas, der rätselhafte Ritter Fitz-James und der hochländische Häuptling Roderick Dhu in ein Netz aus Clanfehden und königlicher Intrige geraten. Vom Feurigen Kreuz bis zur Schlacht bei Beal’ an Duine, vom Jagdhorn am Seeufer bis zum Duell im Wildbach – Scotts Farbenreichtum, Tempo und musikalischer Ton machen Die Lady vom See zu einem Klassiker der Romantik. Diese kommentierte Ausgabe in neuer Bearbeitung erschließt das Werk umfassend: mit präzisen historischen, sprachlichen und kulturgeschichtlichen Erläuterungen (u. a. Highland-Recht, Aberglauben, Jagdbräuche), klaren Orts- und Sittenskizzen von den Trossachs bis Stirling sowie einem sorgsam geprüften Variantenapparat, der Erst- und Zweitausgabe (1810) und Handschriftenlesarten gegenüberstellt. Ein Addendum zieht die editorischen Fäden zusammen und beleuchtet die Rezeption von Ruskin bis Byron. Ein packendes Leseerlebnis – und zugleich der zuverlässige Schlüssel zu Scotts Welt der Highlands, in der Natur zur Bühne wird und ein verkleideter König das Schicksal aller wendet. Neu übersetzt und herausgegeben von Michael Pick

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Jungfrau vom See
Sir Walter Scott
Impressum © 2025 Michael Pick
Alle Rechte vorbehaltenDie in diesem Buch dargestellten Figuren und Ereignisse sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten realen Personen ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder in einem Abrufsystem gespeichert oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet oder auf andere Weise übertragen werden.CopyrightMichael PickImkenrade 15g23898 [email protected]
Die Jungfrau vom See
The Lady of the Lake
Sir Walter Scott
Übersetzt von Michael Pick
Herausgeben mit Bemerkungen von William J. Rolfe, A.M.,
früherer Rektor der Hochschule Cambrigde, Mass., Boston, 1883
Vorwort
Als ich zum ersten Mal Mr. Osgoods wunderschön illustrierte Ausgabe von „The Lady of the Lake“ sah, bat ich ihn, mir einige der Schnitte für eine günstigere, kommentierte Schul- und Hausausgabe zu überlassen; der vorliegende Band ist das Ergebnis.
Der Text des Gedichts bereitete mir unerwartete Schwierigkeiten. Als ich einige Jahre zuvor einige von Grays Gedichten herausgab, stellte ich fest, dass sie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr korrekt gedruckt worden waren; im Falle Scotts vermutete ich jedoch, der Text der bei Black erschienenen sogenannten „Autoren-Ausgabe“ werde zuverlässig sein. Schon bald entdeckte ich indes verschiedene offensichtliche Druckfehler in den zahlreichen Gestalten, in denen diese Ausgaben aufgelegt worden sind. Die „Shilling“-Ausgabe war nicht besser als die kostbar illustrierte Ausgabe von 1853, die ihre ganz eigene Mischung solcher Fehltritte aufwies. Keine zwei Ausgaben, die ich auftreiben konnte, stimmten miteinander überein. Vergeblich suchte ich in Cambridge und Boston nach einem Exemplar der editio princeps (1810); schließlich gelang es mir, eines bei einem Londoner Buchhändler zu erwerben. Dieses verglich ich Zeile für Zeile mit der Edinburgh-Ausgabe von 1821 (aus der Harvard-Bibliothek), mit Lockharts erster Ausgabe, der „Globe“-Edition und einem guten Dutzend weiterer englischer und amerikanischer Ausgaben. Ich fand in allen zahlreiche Druckfehler und Irrtümer — mit Ausnahme der Ausgabe von 1821, wenngleich auch in dieser einige stehengeblieben sind. So schreibt Scott in i. 217 „Fand in jeder Klippe einen schmalen bait“, und so ist es in der Erstausgabe gedruckt; in allen anderen, die ich gesehen habe, steht jedoch „cliff“ statt „clift“ — offenkundig gegen den Sinn der Stelle. In ii. 685 liest man seit 1821 durchweg „Ich meinte nicht alles, mein Herz mochte sagen“, was schlimmer als Unsinn ist; richtig wäre „meine Wärme“. In vi. 396 wurde das schottische „boune“ (obwohl es an zwei anderen Stellen des Gedichts vorkommt) in allen Ausgaben seit 1821 in „bound“ (‚Sprung‘) verwandelt; und acht Zeilen darunter wurde das alte Wort „barded“ zu „barbed“. Weitere Beispiele ähnlicher Art verzeichne ich in den Anmerkungen und brauche sie hier nicht anzuführen.
Im Allgemeinen habe ich die Lesart der Erstausgabe beibehalten — außer dort, wo kein Zweifel bestehen konnte, dass spätere Änderungen des Dichters seine eigenen Korrekturen waren. In der Erstausgabe finden sich freilich einige offensichtliche Druckfehler, die Scott selbst übersehen hat (vgl. ii. 115, 217; vi. 527 u. a.). Mitunter ist es schwierig zu entscheiden, ob eine spätere Abweichung — etwa der Wechsel vom Plural in den Singular oder andere geringfügige Änderungen — ein bloßer Setzfehler ist oder die Korrektur früherer Fehler durch den Autor. Ich habe im Sinne meines Auftrags mein Möglichstes getan, diese Fragen zu klären, und bin am Ende zuversichtlich, dass der hier gebotene Text der Wahrheit näherkommt als jeder seit 1821 gedruckte. Alle diese variae lectiones sind in den Anmerkungen verzeichnet; wer ihnen nicht zustimmen mag, kann dort die Lesarten gegen die von ihm bevorzugten austauschen.
Ich habe sämtliche Anmerkungen Scotts beibehalten (wenige sind leicht gekürzt) sowie die zusätzlichen Lockharts. Meine eigenen habe ich so knapp wie möglich gehalten. Natürlich wird es mancherlei geben, was der Leser gerade nicht benötigt; doch, so hoffe ich, findet sich nichts darunter, das nicht nützlich oder wenigstens interessant wäre — und niemand wird sich an sie wenden, ohne daraus Hilfe zu ziehen.
Scott verwendet viele elisabethanische Wörter und Wendungen; zahlreiche „Parallelismen“ zu Shakespeare und seinen Zeitgenossen habe ich nachgewiesen und angeführt. In der eigentlichen Ausgabe verweise ich, soweit ich sehe, nur an einer Stelle ausdrücklich auf Shakespeare (III, 17); in den Anmerkungen jedoch wird der Leser viele weitere Belege finden, die auf entsprechende Passagen hinführen.
Obgleich ich die Fehler früherer Ausgaben berichtigt habe, mag mir der eine oder andere eigene entgangen sein. Den sorgfältigen Korrektoren der Universität danke ich für das Aufspüren gelegentlicher Unstimmigkeiten in Zitaten oder Verweisen; meinen Lesern schließlich bin ich für jeden weiteren Hinweis sehr dankbar.
Cambridge, 23. Juni 1883.
Argument.
Der Schauplatz des folgenden Gedichts liegt vornehmlich um den Loch Katrine im westlichen Hochland von Perthshire. Die Handlung umfasst sechs Tage; die Ereignisse eines jeden Tages bilden je ein Canto.
Die Jungfrau vom See
Canto I – Die Jagd
Harfe des Nordens! Morsch hingst du
an der Hexen-Ulme, die St-Fillans Quelle beschattet,
und launischer Luftzug warf flackerndes Licht auf dich,
bis eifersüchtiger Efeu dich umschlang,
jede Saite dämpfend mit grünen Ringellocken. –
O Sängerharfe, muss dein Klang noch schlafen?
Willst du bei Blätterrauschen und Quellgemurmel
deine süßen Töne weiter schweigen lassen,
nicht mehr den Krieger lächeln, das Mädchen weinen lehren?
Nicht so in den alten Tagen Kaledoniens:
Nie schwieg deine Stimme in der festlichen Runde,
wenn sie von hoffnungsloser Liebe oder errungenem Ruhm kündete,
Furcht erweckte oder Stolz beugte.
In jedem Ton erklang
deine leidenschaftliche Symphonie, erhaben und schön.
Tugendhafte Frauen und gekrönte Häupter neigten sich lauschend;
denn die Bürde deiner Sänger war
der Ritterschaft kühne Tat und der Schönheit unvergleichlicher Blick.
O, erwache wieder! Wie roh auch sei die Hand,
die wagt, sich in dein verzaubertes Labyrinth zu verirren;
o, erwache wieder! Ob mir auch selten beschieden ist,
ein schwaches Echo deiner früheren Hoheit zu rufen:
wär es auch rau und schwach und bald verrauscht
und all deiner edlen Art unwürdig –
doch schlägt ein Herz höher zu deinem Schwung,
so war der Zauberklang nicht umsonst gerührt.
Stille, weiche! Tritt ein – erwache!
I.
Der Hirsch hat sich am Vorabend satt getrunken,
wo auf Monan’s Rill der Mond noch tanzt,
und baute sein Mitternachtslager tief
im einsamen Haselhain von Glenartney.
Doch als der Sonne Feuer rot
auf Benvoirlichs Gipfel aufglomm,
hallte des tiefkehligen Bluthunds Bellen
die felsigen Pfade auf und ab,
und fernher, schwach herübergetragen,
klang Hufgeklirr und Horn.
II.
Wie ein Häuptling, der den Ruf der Wache hört –
„Zu den Waffen! Feind am Wall!“ –,
sprang der gehörnte König der Wildnis
rasch aus dem Lager in der Heide.
Doch ehe er zum Lauf ansetzte,
schüttelte er die Tautropfen von der Flanke;
wie ein gekrönter Führer, stolz und schön,
warf er das strahlende Geweih gen Himmel;
einen Augenblick spähte er ins Tal,
einen witternd – den verdorbenen Hauch –,
einen lauschend auf den Schrei,
der lauter wurde, da die Hetze nahte;
dann, als die ersten Feinde auftauchten,
sprengte er kühn das Dickicht,
streckte sich weit nach vorn
und suchte die wilden Heiden von Uam-Var.
III.
Beim Anblick der gelösten Meute brüllte es rings;
Fels, Tal und Höhle warfen Echo,
zu einem Klang mischte sich viel Laut –
der wachgewordene Berg gab Antwort.
Hundert Hunde bellten tief und stark,
hundert Rosse klirrten Huf an Huf,
die Hörner riefen hell ihr Festgeläut,
hundert Stimmen stimmten in den Ruf;
mit Jauchzen und wildem Halloh
kannte Benvoirlichs Echo keine Rast.
Weit floh vor diesem Lärm die Ricke,
um nah im Dickicht stillzuliegen;
der Falke, hoch auf seinem Stein,
sah weit jenseits des scharfen Horizonts
den Wirbelsturm durchs Tal hinfegen.
Schwächer, schwächer starb der Klang
an Höhlenwand, an Fels und Grat,
und langsam legte weite Stille
sich auf den Wald und mächtigen Hügel.
IV.
Schon leiser klang des „Waldkriegs“ Lärm
zu den Gehängen von Uam-Var
und rührte jene Höhle, von der man sagt,
ein Riese habe sie zum Bau erkoren;
denn ehe noch der steile Anstieg gewonnen,
stand hoch die Sonne auf dem Pfad,
und mancher Reiter musste halten,
sein schwer atmendes, wankendes Pferd zu führen;
und auf des Hirsches heißer Spur
war kaum die Hälfte noch der Meute dicht,
so listig an der Bergesflanke
hatte sein kühner Ausbruch ihre Kraft geprüft.
V.
Nun stand der edle Hirsch
auf des Berges südlicher Stirn,
wo weit hinab, weit ausgeschwungen,
die mannigfachen Reviere Menteiths liegen.
Mit sehnsuchtsvollem Blick maß er
Berg und Wiese, Moor und Moos
und sann auf Zuflucht vor der Mühsal
am fernen Loch Ard oder Aberfoyle.
Doch näher lockte graues Dickicht,
das wispernd über Loch Achray wehte,
und sich mit blauen Kiefern mischte
an Benvenues kühner Felsgestalt.
Mit Hoffnung kehrten Kräfte wieder;
mit fliegenden Läufen mied er die Heide,
hielt westwärts in unermüdlichem Lauf
und ließ die keuchende Jagd zurück.
VI.
Lange schon erzählt man, wie die Rosse hinüberkamen,
als die Jagd durch Cambusmore dahinschäumte;
wie in Verzweiflung die Zügel straff gezogen wurden,
als Benledi seinen Kamm gen Himmel hob;
und wie sie auf der Bochastle-Heide erlahmte,
zögernd vor dem angeschwollenen Teith —
den, zum zweiten Mal an diesem Tag, von Ufer zu Ufer,
der ritterliche Hirsch beherzt durchschwamm.
Einige blieben zurück und folgten aus der Ferne,
bis sie Loch Vennachar erreichten;
und als die Brigg of Turk gewonnen war,
ritt der erste Reiter ganz allein.
VII.
Allein, doch mit ungebrochenem Eifersetzte der Reiter Geißel und Sporn an;denn mürbe schon und matt von aller Mühe,von Schaum gezeichnet, erdbespritzt,und jeden Atemzug in Schluchzen ziehend,lag, ganz im Blick, der keuchende Hirsch.Zwei Hunde schwarzer St.-Hubertus-Zucht,ohnegleichen an Mut, an Atem und an Schnelle,kamen rasch auf seinen fliegenden Spuren heranund hatten fast das verzweifelte Spiel gewonnen;denn kaum eine Speerlänge hinter seiner Kruppemühten rachedurstig sich die standhaften Bluthunde.Näher mochten die Hunde nicht gelangen,weiter zu fliehen vermochte die Beute nicht.So, am Saum des Sees,zwischen Steilhang und Dickicht,nahmen sie ihren Lauf über Stock und Fels.
VIII.
Der Jäger maß den hohen Berg,der westlich an den einsamen See grenzt,und wähnte, der Hirsch müsse zur Bucht hin wenden,wo eine riesige Felswand den Pfad verengt;geübt im Schätzen, wog er mit dem Blickdes Flüchtlings prangendes Geweih.Denn todesmüde, wund bis an die Schwelle,holte der Hirsch den Atem — sein Lauf schien aus.Doch donnernd kam der Jäger angesprengt,mit freiem Arm und blanker Klinge —das listige Ziel wich dem Schlag,lenkte ihn ab am gegenüberliegenden Fels;dann stürzte es in eine dunkle Klammund schwand bald Hunden wie Jägern aus dem Blick;im wildesten Winkel der Trosachssuchte es seine einsame Zuflucht.Dort, tief im Dickicht wohl verborgen,kalter Tau und wilde Blumen auf der Stirn,hört er die bafften Hunde vergeblichdie Senke schwärmen,schalt die Felsen, die nur Echo senden.
IX.
Nahe den Hunden kam der Jäger,um sie aufs neue auf das schwindende Wild zu hetzen;doch stolpernd in die wilde enge Schluchtbrach der ritterliche Hengst erschöpft zusammen.Vergebens müht der ungeduldige Reiter,ihn Sporn und Zügel wieder zu erwecken;das brave Tier, von aller Kraft verzehrt,streckt steif die Glieder — nimmer wird es sich heben.Da rührt ihn Mitleid und Reue,und er beklagt sein sterbendes Pferd:„Wenig dachte ich, als ich zum ersten Maldeinen Zügel an der Seine löste,dass sich der Hochlandadler nähren werdevon deinen schnellen Läufen, einzigartiges Ross!Weh dieser Jagd, weh diesem Tag,der dir das Leben kostet, edler Freund!“
X.
Dann lässt im engen Tal sein Horn er hallen,die Hunde von der vergeblichen Hetze zu rufen.Humpelnd kehren sie mit lahmem Schritt zurück,die schmollenden Führer der Meute;sie drängen sich an ihres Herren Seite,mit hängendem Schwanz und demütiger Mähne.Doch noch die baumbestandene Kehle des Talsträgt weiter den anschwellenden Hornton:die Eule schreckt aus ihrem Traum,die Adler geben schrillen Schrei,rings wird der Klang geworfen,bis knallend Antwort gibt das Echo.Und tastend sucht der Jäger seinen Weg,die Kameraden dieses Tages zu erreichen,doch oft bleibt er stehen — so fremd der Pfad,so wunderbar die Szenen, die er schaut.
XI.
Die westlichen Wogen des abebbenden Tagesrollen gleichmäßig über das Tal;jeder Purpurgipfel, jede harte Spitzebadet in Fluten lebendigen Feuers.Doch kein Strahl vermag hinabzuglühenin die düstern Schluchten darunter,wo, tief im Schatten, sich der Pfad verbirgt,sich windend um gezackte Felspyramiden,um plötzlich aus dem engen Tal zu schießenzur donnerzersplitterten Spitze;an mancher einzelnen Masse vorbei,dem heimischen Bollwerk des Passes,riesig wie der Turm des eitlen Baumeisters,verwegen auf der Ebene von Sinear gesetzt.Die Felsgipfel, rissig und geziert,formen Türmchen, Kuppel und Zinne;sie scheinen phantastisch aufgesetztmit Kuppel und Minarett,mit wilden Kämmen wie Pagoden bekrönt,wie Moscheen östlicher Baukunst.Und doch: die erdgeborenen Burgen stehen nackt,kein stattlich Banner weht darüber;doch von den schauernden Stirnen herweit über dunkle Lichtungen hinfunkeln überall die Tautropfen;die Heiderose neigt sich über den grünen Bach,freundlich klettern Sträucher in tausend Farben,winkend im sommerlichen Seufzer des Westwinds.
XII.
Freigebig streut die Natur, wild und ohne Maß,jede Pflanze, jede Blume kind des Bergs.Hier balsamiert der Duft die Luft,dort mischen Weißdorn und Hasel sich;Primelblässe und Veilchenblaufinden sich in Spalte und Felsennische;Fingerhut und Nachtschatten, Seite an Seite—Zeichen von Strafe und von Stolz—ordnen ihr düstres Farbenspielan jeder wettergegerbten Wand.Mit Zweigen, die bei jedem Hauch erzittern,weinen Birke grau und Espe;einsam werfen Esche und kriegerische Eicheihre Anker in gespaltene Felsen;und höher noch hängt die Kiefer,ihr zersprungener Stamm vom Sturm geschleudert,wo Felsen sich droben zu treffen scheinen,spannt sie die Äste quer in den nahen Himmel.Hoch über allem, wo die weißen Zacken glänzen,wo Glitzern fließt und tanzt,vermag des Wandrers Auge kaum zu fassendes Sommerhimmels herrlich Blau:so wunderbar wild erscheint dies Alles—der Schauplatz eines schönen Traums.
XIII.
Vorwärts, aus dem Dickicht lugt hervorein schmaler, tiefer Seitenarm,der selten Breite an den Ufern bietetfür eine Wildentenbrut zum Schwimmen.Er geht verloren, eine Weile vom Gestrüpp verdeckt,und breiter dann, sobald er wieder sichtbar,spiegeln hohe Felsen, buschige Hügelkuppenihr Antlitz in das dunkelblaue Blatt;und weiter, wie der Jäger schweift,bahnen breitere Wellen seinen Weg.Die zotteligen Hügel treten auseinander,lösen sich aus dem gewundenen Wald;von Wogen rings umspült, scheinen sie zu schwimmen,wie eine Burg, vom Graben gegürtet;und breitere Fluten dehnen sich noch,sie vom mütterlichen Hang zu trennen,bis jede, rückgezogen und gehoben,zur Insel im See wird.
XIV.
Und nun, dem Tal entsteigend,trifft kein Fußpfad den Horizont des Wandrers,es sei denn, kühn erklimmt ereinen fernen, vorspringenden Steilhang.Des Strauchs zähe Wurzeln werden zur Leiter,der junge Hasel reicht helfend die Hand,so gewinnt er den luftigen Punkt;und da schimmert in der sinkenden Sonne,ein poliertes Tuch aus lebendigem Gold,Loch Katrine entrollt zu seinen Füßen—in ganzer Länge weit gewunden,mit Bächen und kleinen Buchten,mit Inseln, purpurn glühend,schwimmend im lebhaften Licht;und Berge, riesengleich,bewachen dieses holde Land.Hoch im Süden wuchtet BenvenueMassen von Fels und Kuppen seeabwärts,Hügel chaotisch hingestreut—Fragmente einer früheren Welt—;ein wilder Wald bedecktseine zerrissenen Flanken und ehrwürdigen Spitzen,während im Norden, hoch in klarer Luft,Ben-an die blanke Stirn emporwirft.
XV.
Vom vorspringenden Vorgebirge starrteder Fremdling, entzückt und staunend:„Welch Schauplatz hier für fürstliche Prachtoder kirchlichen Stolz! —Auf kühner Stirn ein herrschaftlicher Turm;im milden Tal ein Laubengang der Dame;auf fernem, dunstigem Wiesengrunddie Türmchen eines grauen Klosters.Wie sorglos klänge da das Hornam wachen Morgen überm See!Wie süß am Abend die Laute des Liebenden,wenn noch das Wäldchen schweigt!Und legte Mitternachts der Mondsein Silber auf die Stirn der Flut,wie feierlich ans Ohr erschölledie Ferne der Frühmette,während das tiefe Läuten, herrisch im Ton,auf einsamer Insel, trüb umwallt,den heiligen Eremiten weckte— bei jedem Schlag die Perle seines Rosenkranzes. —Horn, Laute, Glocke — allesamtwürden jeden wilden Fremdling rufenzu festlicher Tafel und erhellter Halle!“
XVI.
Sorglos wär’s, hier frei zu wandern!Doch nun — wie jener hurtge Hirsch,wie der entbehrungsreiche Einsiedler —muss mir die Wildnis Abendbrot bescheren:Moosige Bänke seien Lager,rauschende Eichen mein Baldachin.Bei Krieg und Jagd ist wenig Wahlan Plätzen stiller Ruh;und eine Sommernacht im grünen Waldträgt heitere Frühe ein.Doch Wirte hat die Wildnis viele —solche, die besser meidet als man findet:Einem Hochlandräuber hier zu begegnenwär schlimmer als Verlust von Ross und Hirsch. —Ich bin allein; der Klang des Hornsmag Nachzügler meiner Schar herbeirufen —oder, misslich noch, die Art von Gästen,die besser unversucht bleibt.“
XVII.
Doch kaum, dass er das Horn erneut erhob,kaum, dass der Ton begonnen,da unter einer alten Eiche,die sich zum Fels des Eilands neigte,ein Mädchen seinen Pfad herlenkte:Ein schmales Kahnlein schoss in die Bucht,die das Kap umbiegendseine tiefe Linie graziös zog,wirbelte fast bedeutungslose Wellen,ließ die trauernde Weide bebenund küsste, flüsternd und sacht,den Kiesstrand, hell wie Schnee.Kaum hatte das Boot den Silberstrand berührt,trat auch der Jäger aus dem Standund blieb im Dickicht nieder,die Jungfrau vom See zu schauen.Das Mädchen hielt, als lausche sienoch einmal dem verwehenden Klang;mit hohem Haupt und festem Blick,mit Ohr und Auge scharf gerichtet,den Blick zurück, die Lippen leicht geteilt,gleich einem Denkmal griechischer Artstand sie — lauschend — da,Naiade, Hüterin des Strands.
XVIII.
Nie zeichnete griechischer MeißelNymphe, Najade oder Grazievon feinerer Gestalt, von schönrem Angesicht.Obgleich die Sonne, leidenschaftlich die Stirn gerunzelt,ihr zierliches Wang’ mit Braun gehaucht,obgleich die kurzen, hellen Strahlenden heiteren Teint nur rasch geküsst —sie ließen, in flüchtigen Wellen,den schneeigen Busen aufblitzen.Nicht höfische Schule lenkte ihren Gangzu wohlgezogener Gebärde;leichter der Fuß, gewisser der Schritt —kein Tautropf von der Heideblüte fiel;kaum hob der leichthuf’ge Hase den Kopf,so elastisch war ihr luftiger Tritt.Und obgleich ihr Wort den bergigen Akzent trug,klang ihre Stimme, silbern, weich, so lieb,dass dem Lauschenden der Atem stockte.
XIX.
Des Häuptlings Tochter schien das Kind:ihr Haarnetz aus Satin, das seidene Plaid,die goldne Brosche — all das verriet Geburt.Und selten spannte je ein Netzso wilder, üppiger Locken Fülle,deren glänzendschwarzer Schimmerdes Rabenflügel selbst beschämen mochte.Selten lag auf schöner Brustdas Plaid so züchtig und so schlicht;nie schloss eine Brosche edler Faltenüber gütigerem, freundlicherem Herzen.Um Milde und Vollendung zu erkennen,brauchst du nicht starr in Ellens Auge sehn;nicht wahrer spiegelt Katrines Blausein Ufer widerals jeder freie Blick gestanddie arglose Regung ihrer Brust:ob Freude in dem dunklen Auge tanzt,ob Kummer, Mitleid hebt den Seufzer;ob Kindesliebe innig glüht,ob sanfte Andacht sich zum Gebet ergießt,ob Erzählung eine Kränkung ruftund Nordlands Trotz entfacht —nur Eine Leidenschaft verriet sie,doch nicht minder rein war jene Flamme.— O, muss ich ihren Namen nennen?
XX.
Ungeduldig ob des schweigenden Hornshob sich nun ihre Stimme stürmisch:„Vater!“ rief sie — und ringsum liebten die Felsenden sanften Ruf zu verlängern.Sie lauschte; keine Antwort kam. —„Malcolm, wo bist du?“ Der Name,schwächer gesprochen, verfiel;die Echos fingen den schwankenden Ton nicht auf.„Ein Fremder bin ich“, sprach der Jägersmannund trat aus dem Schatten der Hasel.Das Mädchen, aufgeschreckt, stieß mit hastigem Ruderdie leichte Schalluppe vom Ufer;als Raum zwischen ihnen ward,zog sie den Schal enger um die Brust —so schwingt ein aufbrechender Schwan sich vor,die zerzausten Flügel kurz und kräftig schlagend.Dann, sicherer nun, obgleich noch bebend und verwirrt,verharrte sie und maß den Fremden mit Blicken.Nicht seine Gestalt, nicht sein Augetrieben das junge Mädchen zur Flucht.
XXI.
Auf seinem kühlen Antlitz mittleren Alterslag zierlich das Siegel der Weisheit,ohne die offene Wahrhaftigkeitund die feurige Heftigkeit der Jugend zu löschen:Drang und übermütige Freude waren da,der Wille zu handeln, die Seele, die wagt —ein Blick, der rasch zu Flammen wird,zu kopfloser Hast der Liebe.Sein Wuchs, gemacht zu mannhafter Tüchtigkeit,zu harter Jagd und kühner Schlacht;und ob er friedlich auch gekleidet,waffenlos außer dem Messer,so deutete seine stattliche Mieneauf hohes Herz und ritterlichen Stolz —als trüge er eines Barons Wappen,und seine Rüstung läge nur eben am Ufer.Anspruchslos zeigte er nur geringe Bitteund sprach von seinem nächtlichen Weg;frei und offen floss die Rede,in Wendungen liebenswürdiger Höflichkeit —doch Ton und Haltung schienen eherzu befehlen als zu flehen.
XXII.
Während sie den Fremdling still betrachteteund, nun beruhigt, endlich sprach:„Der Hochlandhalle Tür steht offendem wilden Wandrer überm Hügel.Und doch, Ihr kamt nicht unvermutetzu jener Insel — unserm gemeinsamen Heim;noch ehe die Heide ihren Tau verlor,war heut am Morgen euer Lager gerichtet;auf purpurnem Grat hat Blut vergossender Auerhahn für euer Mahl,und weit durchs Netz gekehrt ward der See,euch Abendkost zu schaffen.“— „Bei meiner Seele, holdes Kind,Eure Höflichkeit irrt“, sprach er;„kein Recht hab’ ich, mich zu vermessendes Willkommens eines erwarteten Gasts.Vom Zufall hierherher geworfen,verloren Weg, Gefährten, Führer,habe ich, glaubt mir, schöne Maid,noch nie zuvor eure Bergluft geatmet —bis an dies romantische Gestademich dieser Zauber führte.“
XXIII.
„Das glaub’ ich gern“, entgegnete die Maid,indes die Schalluppe sacht herüberglitt;„und doch — seit gestern Nachterzählt Old Allan-bane von eurer Not:ein Greis, dessen Blick durchschaut,was aus der fernen Zukunft naht.Er sah euer Ross, einen grauen Scheck,tot unterm Birkensteig liegen;er schilderte genau Gestalt und Miene,euer Jagdgewand in Lincoln-Grün,das Horn, so fröhlich tönend,die krumme Klinge, Heft des Messers,die Mütze, mit Reiherfeder geschmückt,und jene zwei Hunde, düster und grimmig.Er bat, man solle alles rüsten,um einen wohlgestalt’gen Gast zu grüßen.Zu leicht nahm ich die Prophezeiung;ich hielt es für meines Vaters Horn,dessen Widerhall der See herübertrug.“
XXIV.
Der Fremde lächelte: „So komme ich dennals vorbestimmter, irrgegangener Ritter,vom Seher alt und wahr verkündet;verloren wohl — doch kühn zu hoher Tat.Leicht zahl’ ich jeden edlen Zollfür einen freundlichen Blick aus diesen Augen.Erlaubt, dass ich die Führung übernehmeund eure zarte Fregatte steuere.“Die Maid — mit unterdrücktem Lächeln, listig —sah ihn die ungewohnte Mühe wagen;denn selten wohl, wenn je zuvor,hat seine edle Hand ein Ruder gefasst.Doch kräftig zog er Schlag um Schlag,und über den See flog die Schalluppe;mit gehobnen Häuptern, leise winselnd,zogen die Hunde hinterdrein.Nicht oft erst musste das blanke Blattden dunklen Spiegel schneiden,da hatten sie die Felseninsel erreichtund das Boot am Strand vertäut.
XXV.
Der Fremde musterte das Ufer ringsum:alles lag in Unterholz verstrickt,kein Steg, kein Pfad verriet,dass Menschenfuß hier häufig ginge —bis das Bergmädchen auf eine kriechende,geheime Spur wies,die sich durch wirres Dickicht wandund sich zu einer schmalen grünen Lichtung öffnete,wo weinende Birken und Weidenmit langen Wurzeln den Grund bestrichen.Hier, als Zuflucht in gefährlicher Stunde,hatten manche Häuptlinge einen Rückzugsort ersonnen.
XXVI.
Es war ein Bau von guter Größe,sonderbar in Anlage und Gerät:aus Stoff, der ringsum greifbar lagund der Arbeiter Hand bereit fand.Entastet, die ehrwürdigen Stämme kahl,durchs Beil grob gespalten,gaben Eiche und Esche, kräftig gemischt,den Wänden ihre rechte Höhe;Moos, Lehm und Blätter, fest verweht,dichteten jede Ritze gegen den Wind.Leichtere Kiefern spannten, lang und schlank,ihre Stämme als Dachbalken,und dürres Heidekraut, schnell getrocknet,gab ein rustikales Schirmdach.Nach Westen, der grünen Aue zu,stand ein ländlicher Säulengang,getragen auf heimischen Stützen —Bergtannen mit ungeschälter Rinde —,wo Ellens Hand den Efeu lehrteund wilden Wein zu zärtlichem Geflecht;die Waldrebe, Liebling, dieden Namen der Jungfrau trägt,und jede Pflanze, die zu dulden wussteLoch Katrines scharfe Luft.Einen Augenblick weilte sie im Vorbauund sprach heiter zum Fremden:„Bei Himmel — und auf das Geheiß der Dame —,tritt ein in diese holde Halle!“
XXVII.
„Mein Himmel, meine Hoffnung, mein Glaube sei,der freundlichen Führerin zu folgen!“Er setzte den Fuß über die Schwelle — da klirrte,wie zornig, Stahl im selben Augenblick.Die Stirn gefasst, das Herz bereit,errötete er bald über falschen Alarm:auf dem Boden lag, der Lärm verratend,die nackte Klinge,aus einer achtlos über ein Hirschgeweih geworfenenScheide geglitten.Ringsum die Wände, dicht behängt,Trophäen aus Krieg und Jagd:hier ein Schild, dort ein Horn,eine Streitaxt, ein Eberspieß,Breitschwerter, Bogen und ein Köcher,mit des Keilers Hauer daneben;hier grinst der Wolf, wie er verendete,dort das gestreifte Fell der Wildkatze,des Elches Stirnschmuck,und über Büffelhörnern drapiert;Wimpel und Flaggen, zerrissen, befleckt,die dunklen Bahnen alten Bluts;Hirschhäute, dunkelbraun, gesprenkelt, weiß,mit Otter- und Robbenfell verbunden —zu rohem Wandteppich gefügt,die waldige Halle zu schmücken.
XXVIII.
Staunend blickte der Fremde umherund hob alsbald die gefallene Waffe:es forderte sehnige Arme,sie auf Dauer hochzuhalten.„Ich kenne, bei meiner Treu“, sprach er,„keinen außer einem,dessen stählerne Faust dies Schwertin Schlachten frei zu führen wüsste.“Sie seufzte kurz, lächelte dann:„Ihr seht des Hüters Meisterklinge;so leicht bebt sie in seiner Hand,wie meine eine Haselrute fasst.Meines Herrn hohe Gestaltdürfte Ferragus oder Ascabart ebenbürtig sein;doch in des abwesenden Riesen Hutsind jetzt die Frauen — und die Alten.“
XXIX.
Da trat die Herrin des Hauses ein,gereift an Jahren, eine anmutige Lady,deren leichter Schritt und prächtiger Portauch einen fürstlichen Hof geziert hätte —und der, obgleich ihr wohlbekannt,junge Ellen trefflich Tochter wär.Willkommen hieß sie den Gast,und jede höfische Pflicht ward dargebracht,die Gastfreundschaft nur immer kennt —obgleich unerkundet Name und Geburt.So heilig galt der Rang des Gastes,dass selbst der Feind am Mahle säßeund, ungefragt an seines Todfeinds Türe,den Platz am Brett erhielte.Nach einer Weile nannte der Fremde seinen Stand:„Der Ritter von Snowdoun, James Fitz-James;Herr eines kargen Erbes,das seine tapferen Ahnen, Zeit um Zeit,mit gutem Schwert behauptet.Mein Vater fiel in solchem Wirrsal,und ich — Gott weiß es — war genötigt, oftmit blanker Klinge standzuhalten.Heut Morgen jagte ich in Lord Morays Zugvergebens einen hartnäckigen Hirsch;von meinen Kameraden getrennt, das Wild verfehlt,das gute Ross verloren — so fand ich hierher.“
XXX.
Gern hätte der Ritter im GegenzugNamen und Stand von Ellens Vater erfahren.Der würdige Zug der älteren Dameverriet Vertrautheit mit Hof und Stadt;Ellen hingegen — obgleich ihr Lockenkranzdie schlichte Anmut eines Waldmädchens zeigte —bewies in Rede, Haltung, Angesicht,dass sie von guter Art und freundlichem Geschlecht.Es war ungewöhnlich, in so bescheidenem Rangsolche Blicke, solches Wesen, solchen Geist zu finden.Was immer dem Ritter von Snowdoun angedeutet ward,Lady Margaret hörte es mit stiller Ernsthaftigkeit;und Ellen, arglos heiter,bog jede Nachfrage leicht beiseite:„Wir sind eine seltsame Frauenstatt:durch Tal und Niederung fern von Turm und Stadt.Wir halten die Flut, wir reiten den Stamm,und bannen wandernde Ritter im Nu mit unserem Zaubersang;während schlichte Spielleute die Saiten rühren,singen wir selber unsere holden Reime.“Sie hub zu singen an — und eine Harfe, bisher ungesehen,trug sanft die Zwischentöne.
XXXI.Lied
Soldat, ruhe! Dein Krieg ist aus;schlafe den Schlaf, den nichts mehr stört.Träume nicht weiter vom Schlachtgeheul,von Tagen der Gefahr, von Nächten des Marschs.In unserer zauberischen Inselhallestreuen unsichtbare Hände dein Lager;gerechte Mühsal sinkt zur Ruh’ bei Musik —und jeder wird sacht in Schlummer gewiegt.Soldat, ruhe! Dein Krieg ist aus;träume vom Schlachtfeld nicht mehr.Schlafe den Schlaf, der ungebrochen,frei von Mühen, frei vom Marsch.
Kein rauer Laut soll dein Ohr erreichen —kein Rüstungsklirren, kein Zügelriss;weder Trompete noch Trauerweise rufen hierClans in Reih’ und Schwadronen zum Aufmarsch.Doch Lerchenschrei mag pfeifend kommenbei Tagesgrauen überm Feld,und fern der Trommel herb’ Geläutmag wehen vom seichten Teich.Kein Ruderschlag soll nahe hallen,keine Wache, kein Ruf zur Antwort;kein Zügelreißen, kein Clan-Geschrei,kein stampfender Schwadron.
XXXII.
Sie schwieg — dann, leicht errötend,grüßte sie den Gast des Tages.Die milden Töne dehnten sich,ein blühend-weicher Nachgesang;und an die Lippe trat, im Ebenmaß,der Sängerin Vers von selbst.
Lied (Fortsetzung)
Jägersmann, ruhe! Die Jagd ist getan;lass unser Schlummerlied dich überfallen.Träume nicht, wenn die Sonne steigt,von Hörnern, die den Weckruf stoßen.Schlaf! — der Hirsch liegt in seiner Höhle;schlaf! — die Hunde ducken sich dir zur Seit’;schlaf! — und träume vom dunstigen Tal,wo dein Ross im Sterben darniederlag.Jägersmann, ruhe! — die Jagd ist getan;denke nicht an den Morgenhall,denn hier, zur Dämmrung, überfällt dichkein Horn mit seinem Weckrufschall.
XXXIII.
Die Halle leerte sich — des Fremden Lagerward auf gebirg’ger Heide bereitet,wo oft schon hundert Gäste ruhtenund ihre Waldjagd neu geträumt.Vergebens hauchte die Heideblüteden moorigen Duft um sein Haupt;auch Ellens Lied vermochte nichtdas Fieber in der unruhigen Brust zu stillen.In abgerissnen Träumen stiegen Bilder aufvon mancher Not, von Schmerz und Kummer:sein Ross verstrickt im Dorngebüsch,sein Kahn versinkend auf dem See;nun Führer einer zersprengten Schar,die Fahne fällt, die Ehre schwindet. —Da jagte, von himmlischem Lager aus,das schlimmste Trugbild der Nacht davon:Es kehrten wieder Jugendorte,Zuversicht und ungezweifelte Treue;wieder tauschte seine Seele Wortemit Freunden, deren Herz ihm längst entzogen.Sie kamen, düster aufgereiht —die Kalten, die Treulosen, die Toten —;so warm die Hand, so heiter die Stirn,als hätten sie erst gestern mit ihm geteilt.Und Zweifel lenkte seinen Sinn:— o sind die Sinne falsch, sind sie wahr? —Träumt’ er von Toten oder gebrochnem Eid,oder war alles nur Vision?
XXXIV.
Nach einer Weile schien er mit Ellen im Hain zu wandelnund von Liebe zu sprechen;sie hörte, errötend, mit leisem Seufzen,sein Wort war warm, seine Hoffnung kühn.Er griff nach ihrer Hand — doch kalt und harttraf seine Finger ein Fehdehandschuh:des Phantoms Wesen hatte sich gewandelt;über der Stirn erglänzte ein Helm;langsam wuchs es zur Riesenmaße,mit dunkler Wange, drohendem Blick —und dennoch trug das strenge, furchtbare Antlitzdeutlich Ellens Zug.Er fuhr, vom Schreck gepackt, empor,rief die nächt’ge Vision zurück.Die verglimmten Scheite des Herdes glühten noch rot
---ENDE DER LESEPROBE---