Wega 11: Der Bastardprinz - Ben Calvin Hary - E-Book

Wega 11: Der Bastardprinz E-Book

Ben Calvin Hary

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Beschreibung

Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet. Als im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung Perry Rhodan zur blauen Sonne Wega reist, erlebt er mit, wie die mysteriösen Maccani das System von der Milchstraße abriegeln. Um die Invasoren abzuwehren, müssen Rhodan und seine Gefährten einem neuen Galaktischen Rätsel nachspüren. Reginald Bull und den Mausbiber Gucky verschlägt es in die ferne Vergangenheit von Tramp. Perry Rhodan hingegen ist bereits von seiner Mission zurückgekehrt. Er will nun die Bewohner der Wegawelten befreien und nimmt Kontakt mit den Blau-Nakken auf, den wichtigsten Verbündeten der Maccani. Ein erster Teilerfolg im Kampf gegen die Besatzer zeichnet sich ab – Rhodans unerbittlichster Gegner aber ist weiterhin DER BASTARDPRINZ ...

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Nr. 11

Der Bastardprinz

Er stammt aus Tramps Wüsten – und ist für eine Aufgabe bestimmt

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Robogenesis, Erstes Buch

2. Perry Rhodan

3. Robogenesis, Zweites Buch

4. Gillian Wetherby

5. Robogenesis, Drittes Buch

6. Gillian Wetherby

7. Robogenesis, Viertes Buch

8. Perry Rhodan

9. Krakatau

10. Robogenesis, Fünftes Buch

11. Krakatau

12. Gillian Wetherby

13. Krakatau

14. Robogenesis, Sechstes Buch

15. Gillian Wetherby

16. Krakatau

17. Robogenesis, Siebtes Buch

18. Perry Rhodan

19. Perry Rhodan

20. Krakatau

Impressum

Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet.

Als im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung Perry Rhodan zur blauen Sonne Wega reist, erlebt er mit, wie die mysteriösen Maccani das System von der Milchstraße abriegeln. Um die Invasoren abzuwehren, müssen Rhodan und seine Gefährten einem neuen Galaktischen Rätsel nachspüren.

Reginald Bull und den Mausbiber Gucky verschlägt es in die ferne Vergangenheit von Tramp. Perry Rhodan hingegen ist bereits von seiner Mission zurückgekehrt. Er will nun die Bewohner der Wegawelten befreien und nimmt Kontakt mit den Blau-Nakken auf, den wichtigsten Verbündeten der Maccani. Ein erster Teilerfolg im Kampf gegen die Besatzer zeichnet sich ab – Rhodans unerbittlichster Gegner aber ist weiterhin DER BASTARDPRINZ ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner verfolgt eine Strategie der Nadelstiche.

Gillian Wetherby – Die Raumpilotin testet eine neue Waffe.

Ginolinea – Die Maccani schießt daneben.

Siebenbruch – Ein Roboter erzählt seine Geschichte.

Krakatau

1.

Robogenesis, Erstes Buch

Damals auf Tramp, in Unendlicheins

Hass war das einzige Gefühl, das die Maschine kannte.

Ihr Groll entstammte einem biologischen Zellplasmazusatz, der an das positronische Gehirn gekoppelt war. Der Maschinenteil registrierte ihn als einen Input von vielen, die im Arbeitsspeicher gleichberechtigt nebeneinander schwebten:

Das Sandsteinrot der Höhlenwände.

Piepsen aus der Instrumentengalerie, drüben bei den spitzen Felsen.

Kampflärm, der durch die Kavernen von Unendlicheins dringt. Roboter der Einheit irren durch die Höhlen, zerstören Gebäude und Maschinen. Positronische Panik füllt die Funkfrequenzen.

Zwei Ilts, einer trägt einen Schutzanzug und ist bewaffnet, verbergen sich hinter der Bedienkonsole für die HÜ-Schirme und tuscheln leise miteinander.

Der Energiestrahler in meinem Greifwerkzeug. Zwei meiner Artgenossen, die mich flankieren.

Raumtemperatur.

Luftfeuchtigkeit.

Vorsichtig schlichen sich Siebenbruch und seine Begleiter an die HÜ-Schirm-Kontrolle heran. Ein Deflektorfeld verbarg die Ilts vor seinen Optiken, ließ die niederfrequente Wärmestrahlung aber passieren. Der prominente Fleck im Infrarotspektrum verriet ihre Anwesenheit.

Die Bioplasmakomponente flutete sein Positronengehirn mit Hass, tröstend wie eine warme Decke. Die beiden Ilts waren abstoßend. Sie mussten eliminiert werden. Siebenbruch hob den Waffenarm und lauschte ihrem Flüstern.

Seine Akustiksensoren erfassten die hohe Stimme des Pelzwesens im Raumanzug: »Sobald die neuen Anweisungen implementiert sind, reicht ein Knopfdruck, und wir können uns frei in Unendlicheins bewegen.«

Das genügte dem Prozessor, die Situation neu zu priorisieren: Bedrohungspotenzial: existenziell!

Die Eindringlinge, das wusste Siebenbruch, planten, das gesamte Kysela zu vernichten – eine psiaktive Substanz, die er und seine Artgenossen von den Ilts ernteten. Der »Knopfdruck«, von dem der Organische sprach, war die Berührung einer hellgrauen Schalttaste an der Positronikkonsole. Damit würden die HÜ-Schirme von Unendlicheins desaktiviert und dem Feind – dem Nemat – alle Tore geöffnet werden. Die Roboter der Einheit wären ihm schutzlos ausgeliefert.

Die Ilts mussten gestoppt werden. Zerebralmasse und Prozessor waren einer Meinung.

Siebenbruch trippelte auf die Konsole zu und hob den Waffenarm ein wenig höher. Fünfstahl und Dreihack – seine beiden Begleiter – taten es ihm gleich. Dreihacks Servomotoren surrten verräterisch.

Wenige Schritte vor dem Versteck befiel plötzlich eine Blockade Siebenbruchs Gliedmaßen. Er erstarrte.

Sein Betriebssystem quittierte den Vorgang mit einer Fehlermeldung: Das Leben auf dieser Welt ist zu schützen. Dem ist höchste Priorität zuzuordnen. Der Versuch, die Spinnenbeine zu bewegen, scheiterte. Seine Servomotoren versagten den Dienst.

Sein Hass loderte. Die Programmierung hinderte ihn daran, seine Stadt zu retten!

Seine Begleiter, erkannte Siebenbruch, verspürten dasselbe Dilemma. Auch Fünfstahl gefror in der Bewegung, das linke Hinterbein halb in der Luft erhoben. Dreihacks Waffenarm verharrte angewinkelt vor seiner stählernen Tonnenbrust.

Nur ihre Gedanken bewegten sich weiter mit positronischer Schnelligkeit. Während die Ilts gerade einmal einen Atemzug taten, analysierte Siebenbruch die Gesamtsituation.

Alle Roboter der Einheit litten unter demselben Fehler. Seit Jahrtausenden optimierten sie ihre Denkroutinen und tauschten Programmteile untereinander aus, die halfen, den Hass zu unterdrücken. Ausleben konnten sie ihn dennoch nicht. Ihre ursprüngliche Aufgabe verhinderte das.

Nun aber war das Chaos da, das die zwei Ilts mit ihrem Weg durch die unterplanetare Stadt ausgelöst hatten. Panik beherrschte die Funkkanäle; Siebenbruch sah mit den Optiken seiner Kameraden, als er ihre Datenübertragungen empfing.

Zwei Mitglieder der Einheit demontierten einander und tauschten sinnlos Körperteile. Einer riss die Vertäfelung von einem der Kraftfeldemitter und stapelte die Teile zu einer Skulptur auf. Ein dritter hämmerte wiederholt seinen Kopf gegen ein Schott. Siebenbruchs Artgenossen waren überfordert. Eindringlinge in Unendlicheins hatte es noch nie gegeben. Fiel die Stadt, verschwand die Möglichkeit der Regeneration – dem sogenannten Spinz. Positronischer Wahnsinn wäre die Folge.

Die Panik übertrug sich auf Fünfstahl und Dreihack, die unruhig surrten. Siebenbruchs Drang, sich zu den anderen in den Tunneln zu gesellen, Gänge einzureißen, Kunstwerke zu demontieren und giftige Gase in die Atmosphäre zu entlassen, wuchs. Der Prozessor räumte dem Problem Überrangpriorität ein. Die Blockade fiel von ihm ab. Sie hatte nur eine Tausendstel Zeiteinheit bestanden.

Siebenbruch feuerte.

Der bewusst schwache Thermostrahl seiner Waffe traf die Rückseite der Konsole – dessen Material war indes zu robust, als dass dem Gerät Schaden gedroht hätte. Es war ein Warnschuss, mehr nicht. Die Gegner zu verletzen, verbot seine Programmierung.

Die Ilts schrien. Die Flecken in der Infraroterfassung zuckten jäh zusammen.

Siebenbruchs biologische Hirnkomponente reagierte mit dumpfer Befriedigung. »Wir wissen, wo ihr seid, Ilts«, rief er. »Ich hätte euch bereits erledigt, wenn ich nicht neugierig darauf wäre, was ihr vorhabt und warum. Ergebt euch, und ich lasse euch nach der Befragung zurück in eure Hapt.«

Das war selbstverständlich nicht die Art, wie der Prozessor es ausgedrückt hätte, für ihn gab es nur Fakten und Prioritäten. Doch um die Pläne der Ilts zu erfahren, musste Siebenbruch auf die unpräzise Sprache der Organischen ausweichen.

Eine Weile geschah nichts. Siebenbruch harrte aus, bis die Pelzwesen sich beruhigten.

Er musste nicht lange warten. Einer der beiden Infrarotflecken trat aus seiner Deckung. Das Platschen von Stiefelsohlen hallte durch die Höhle, dann schaltete der Ilt seinen Deflektor aus. Das Pelzwesen stand mit erhobener Waffe vor ihm. »Hier sind wir, Siebenbruch. Du hast ohnehin gewusst, wo wir stehen, oder?«

Fünfstahl und Dreihack summten im Infraschallbereich – ein Zeichen, dass ihre Positroniken bei der Neueinschätzung der Lage versagten. Die Flut der Konfusion, die nach wie vor den Funkverkehr flutete, überlastete sie. Einer der Kameraden stürzte sich gerade in die Fusionskammer eines Reaktors und wurde schwer beschädigt. Zwei weitere rissen eine Tragesäule in einem der Lager ein. Schadensmeldungen und Hilferufe echoten durch die Kommunikationsfrequenzen. Die Ereignisse spielten sich am anderen Ende der Kaverne ab, und doch war es Siebenbruch, als nähme er daran teil.

Er trippelte. »Selbstverständlich«, antwortete er dem Ilt. »Wir können euch überall in Unendlicheins aufspüren. Es war ein Fehler von euch, hierherzukommen.«

»Vielleicht. Vielleicht war es aber auch ein Fehler von dir, uns nicht direkt zu erschießen.«

Siebenbruch klapperte mit den Scherenhänden und drohte damit auch in Richtung des zweiten Pelzwesens, das weiterhin furchtsam im Schutz der Positronikkonsole blieb. »Ihr kommt hier nicht weg. Ich habe einen Sperrschirm um diesen Raum legen lassen.« Das hatte er kurz vor dem seinem Eintreffen veranlasst. Er wusste zwar, dass er die beiden Teleporter nicht dauerhaft festsetzen konnte, doch es galt, sie zu verunsichern.

Der Ilt reagierte nicht auf diese Behauptung und belegte Siebenbruch mit einer raschen Folge von Informationsanforderungen: »Wer ist euer Auftraggeber? Wer will die Kysela? Für wen quält ihr die Ilts so?« Die Waffe in seiner Hand zitterte.

Input erhalten. Antwort Datenbankmodul: Rückgabewert null.

»Ich weiß es nicht«, lieferte Siebenbruch das Ergebnis wahrheitsgemäß. »Aber dir würde ich es ohnehin nicht sagen.«

»Das habe ich befürchtet.« Der Ilt seufzte – und krümmte den Finger um den Auslöser seines Strahlers.

Neuer Input traf ein. Der Prozessor benötigte wenige Tausendstel Zeiteinheiten, sie zu bearbeiten: Energieentwicklung in Emitter der Waffe angemessen. Schuss löst sich. Abwehr empfohlen.

Fünfstahl und Dreihack erwiderten das Feuer, Siebenbruch schoss ebenfalls – natürlich ohne zu zielen. Doch da war es schon zu spät. Der Schuss streifte seinen Kopf. Ein Kriechstrom setzte die Positronik unter Spannung. Er sah noch, wie die beiden Ilts entmaterialisierten – dann flutete schriller Schmerz sein Bewusstsein. Die organische Gehirnkomponente schrie.

Etwas war ...

Situationsänderung eingetreten. Neuer Input: Die Zerebralmasse emittiert eine unbekannte Emotion. Neubewertung erforderlich.

Kalibrierung der Bioplasma-Positronik-Kopplung außerhalb vertretbarer Parameter. Logikmethoden instabil.

Systemversagen immanent. Notabschaltung eingeleitet.

*

Neustart. Systemprotokollen werden initiiert.

Kritischer Fehler: Bioplasma-Positronik-Kopplung nicht kalibriert. Initialisierung wird zurückgesetzt.

Systemversagen immanent. Neustart eingeleitet.

*

Neustart. Systemprotokolle werden initiiert.

Kritischer Fehler: Bioplasma-Positronik-Kopplung nicht initialisiert. Wiederherstellungsmodus aktiviert.

Selbstdiagnose einge...

Was zum ...?

*

... plötzlich anders. Einheit Siebenbruch sah sich ...

Nein.

Ich sah mich um. Und zum ersten Mal nahm ich meine Umgebung ... wirklich wahr. Noch aber glaubte ich an eine Fehlfunktion.

Fünfstahl und Dreihack waren nicht mehr. Der extrem starke Energiestrahl des Ilts hatte meinen Schädel nur gestreift, war aber anscheinend von einer der verspiegelten Konsolenoberflächen ringsum reflektiert worden und hatte stattdessen meine Begleiter erfasst. Dort, wo sie gestanden hatten, lagen nur noch rauchende Trümmer und ein Konglomerat von Einzelteilen.

»Die Ilts müssen vernichtet werden.« Ich sagte es laut und wusste nicht, warum. Es war niemand da, der mich hörte. Meine Servomotoren zwangen die Beine zu einem seltsamen Tanz, als der Gefühlsschwall der Zerebralmasse mich überkam.

Hass!

Mein internes Statusmeldesystem überschwemmte mich mit Warnhinweisen: Kritischer Fehler, Systemversagen immanent. – Was richtig gewesen wäre, hätte der Positronikteil wie zuvor gearbeitet. Bislang hatte es in meinen Gedanken eine klare Trennung zwischen Logik und Hass gegeben. Aber nun war auf einmal alles eins. Die Selbstdiagnose konnte keinen Schaden entdecken. Hatte die positronische Panik mich erfasst?

Verwirrt trat ich vor das HÜ-Schirm-Kontrollpult, hinter dem die Ilts gekauert hatten. Ein blauer Balken leuchtete auf dem Hauptmonitor und verriet, dass die beiden alle Energiebarrieren in der Stadt abgeschaltet hatten. Eine Sperre verhinderte die sofortige Reaktivierung. Die Ilts hatten sie installiert.

Nicht nur die Kysela sind in Gefahr, wurde mir klar. Das Nemat wird Unendlicheins überwuchern und uns auslöschen. Die aggressive, kristalline Substanz im Wüstensand war unüberwindbar und tötete schleichend.

Dann registrierte ich eine neue Empfindung. Sie war anders als der Hass – nicht lodernd und befreiend, sondern bedrückend. Mir kam es vor, als riss mir jemand den Boden unter den Gehwerkzeugen weg. Ohne es zu wollen, klapperte ich mit den Greifscheren. Ein Datenbankabgleich lieferte mir einen Begriff für diese fremde Emotion: Angst.

Unschlüssig betrachtete ich mein Spiegelbild in der glänzenden Konsolenoberfläche. Ich sah den zerschmolzenen Kunststoff an der Seite meines Schädels, wo der Ilt mich getroffen hatte. Der Schaden wirkte harmlos. Die Fehlfunktion der organischen Hirnkomponente würde sich später beheben lassen, folgerte ich. Einstweilen durfte mich die unangenehme Gefühlswelt nicht behindern.

»Ich muss sie vernichten!«

Ich stand da wie ein Haufen Altmetall und malte mir aus, was die Ilts bei meinem Anblick denken mochten – ein Roboter mit sieben Gliedmaßen, beschädigt durch einen Strahlerschuss und scheinbar außer Betrieb gesetzt. Die Eindringlinge würden mich für tot halten. Der Gedanke gefiel mir, denn diese Einschätzung hätte nicht verkehrter sein können.

Die beiden Organischen hatten keine Ahnung, was ihnen drohte.

Mein Hirn entfaltete rege Aktivität. Hastig separierte ich einen Teil der Rechenkapazität, um die von den Ilts errichtete Bediensperre mit geeigneten Codeimpulsen zu überwinden und anschließend die HÜ-Schirme zu reaktivieren. Der Rest meines Ichs durchforstete alle Überwachungskanäle, die mir dank des eingebauten Funkempfängers offen standen.

Ich entdeckte die beiden Ilts in einem regalgefüllten Stauraum, in Sensorreichweite zweier Kameraden, die – der allgemeinen Verwirrung anheimgefallen – halb volle Vorratskästen ineinanderstapelten. Als sie die Eindringlinge bemerkten, ließen sie die Kisten fallen, eilten auf sie zu und eröffneten sofort das Feuer. Ich musste ihnen das nicht mal befehlen. Die positronische Panik brachte sie von sich aus dazu.

Gebannt sah ich zu. Es war ein sinnloser Angriff. Die Pelzwesen retteten sich mit einer erneuten Teleportation, und die Roboter blieben ratlos zurück. Wenige Augenblicke später wandten sie sich wieder den Kästen zu und gingen weiter ihrer sinnentleerten Arbeit nach.

Ich empfand Abscheu für meinesgleichen. »Warum verfolgt ihr sie nicht?«, rief ich ihnen über den Datenkanal zu, erhielt aber keine Antwort.

Unser Anführer Einsprim war gefallen – erschlagen von Trümmern, als die zwei Ilts einen Höhlenkollaps ausgelöst hatten. Der Hierarchie gemäß fiel fortan mir die Leitung der Einheit zu, also befahl ich die Jagd auf die Ilts.

*

Das Spiel wiederholte sich mehrmals. Die Ilts materialisierten irgendwo in der Höhlenstadt, platzierten Sprengsätze aus einem mitgebrachten Vorrat und teleportierten erneut. Explosionen erschütterten Unendlicheins, vernichteten weitere Kameraden und brachten den Rest dazu, aufgescheucht durcheinanderzurennen. Das Geothermie-Kraftwerk, ein Lager mit Hyperkristallen und eine Ersatzteilschmiede standen in Flammen.

Ich spielte auf Zeit. Meine Untergebenen waren nie schnell genug vor Ort, um die Pelzwesen vor ihrer nächsten Teleportation zu stellen – aber das mussten sie auch nicht. Die ständigen Teleportationen laugten die Ilts aus, und die Nähe zu den Kysela zehrte zusätzlich an ihren Parakräften. Nicht mehr lange, und die Energie würde ihnen ausgehen. Spätestens dann mussten die zwei Saboteure – ihre Namen waren Gucky und Ghiafir, wie ich aus den Aufzeichnungen einiger Akustiksensoren an den Tatorten erfahren hatte – sich ergeben. Ich beglückwünschte mich zu meiner Zermürbungstaktik.

Das hieß: bis die Gegner schließlich das Kyselalager entdeckten.

Die Überwachungssysteme zeigten, wie Gucky und Ghiafir in der mit Boxen und Regalzeilen vollgestopften Halle erschienen und vor Schmerzen zusammenbrachen. In den Behältern lagerte dicht an dicht sämtliches Kysela der Einheit. Die über lange Zeit mühsam gesammelte Psi-Materie strahlte im kurzwelligen Bereich des Hyperspektrums. Die Emanationen kumulierten, schaukelten einander auf.

Die Wirkung auf die beiden parabegabten Ilts glich einem Steinschlag. Nahezu gleichzeitig fielen sie auf die Knie, keuchten, stürzten und wälzten sich am Boden. Guckys Fell sträubte sich, seine Augen starrten glasig ins Nichts. Nur mit sichtbarer Mühe kamen sie wieder hoch. Ghiafir lehnte an einer der Kisten, während ihr Gefährte sich stöhnend auf die Beine kämpfte.

Ich weidete mich an ihrem Schmerz – dann aber begriff ich, in welcher Gefahr wir schwebten.

Die Granaten, die Gucky mit sich führte, hatten keine große Sprengkraft. Zündete jedoch eine von ihnen in dieser Kaverne, inmitten der Kysela, würde das eine Kettenreaktion auslösen und womöglich die viel potenteren Psi-Bomben zur Detonation bringen. Diese Zerstörungsgewalt würde das Höhlensystem nicht überstehen, auch keiner seiner Bewohner.

Erneut überkam mich eine Emotion. Die externen HÜ-Schirme, die tobenden Brände überall dort, wo die Sprengsätze der Ilts detoniert waren, und die Panik meiner Artgenossen – nichts davon schien mehr wichtig. Ich wollte, dass die Ilts ebenso litten, wie ich es in diesem Augenblick tat. Das Gefühl ähnelte dem Hass, doch es war heißer und fordernder. Die Datenbank identifizierte es als Wut.

Ich prüfte mithilfe meiner internen Ortungsinstrumente, wie viele Kameraden der Lagerhalle nah genug waren, um die Katastrophe zu verhindern. Nach vier Zehntelzeiteinheiten hatte ich die Antwort: keine.

Also tat ich etwas, was ich nie zuvor getan hatte.

Viel später würde ich begreifen, welchen Schritt ich in jenem Augenblick tat: den ersten auf einer langen Irrfahrt, die mich verändern sollte. Denn dies war der Moment, in dem die Fehlfunktion aufhörte, eine Fehlfunktion zu sein. In der ich sie akzeptierte und die Möglichkeiten willkommen hieß, die sie mir eröffnete.

Ich sah, wie Gucky einen weiteren Sprengkörper aus seiner Montur zog und ihn scharf machte. Erneut fühlte ich mich handlungsunfähig, diesmal aber nicht aus Angst. Meine Verhaltensdatenbank gab mir nichts für eine Situation wie diese an die Hand. Mein Schöpfer hatte schlicht nicht mit einem solchen Fall gerechnet.

Wieder vollzog mein Gedanke sich im Bruchteil einer Zeiteinheit, auch wenn es meinem künstlichen Hirn wie eine Ewigkeit vorkam. Zum ersten Mal wurde mir das Dilemma bewusst, das der Schöpfer mir und meinen Kameraden aufzwang.

Unsere Mission galt der Erforschung dieser Welt und dem Schutz ihrer Bewohner – Hass hin oder her. In den Wüsten vor den Toren unserer Kavernenstadt breitete sich das Nemat aus, verschluckte mit seinen kristallenen Auswüchsen systematisch weitere Landstriche und tötete alles Leben. Obsiegte das Nemat, scheiterte die Mission.

In der Stadt aber tobten zwei Ilts und drohten, unseren einzigen Rückzugsort zu vernichten. Ließ ich sie töten, verstieß ich gegen meine Programmierung. Tat ich nichts, scheiterte die Mission ebenso. Denn dann würde Unendlicheins fallen, und die Roboter der Einheit würden über kurz oder lang irrsinnig werden.

»Was soll ich tun?« Ratlos trippelte ich auf und ab, betastete die Leichen von Fünfstahl und Dreihack, als könnten ihre zerschmolzenen Überreste mir eine Antwort geben. Der blaue Balken auf der Positronikkonsole erlosch, als mein Algorithmus die Bediensperre überwand und mir die Kontrolle der HÜ-Schirme wieder zur Verfügung stand, aber das war bedeutungslos geworden.

Gucky hatte den Sprengsatz nun vollständig aus der Anzugtasche gezogen und entfernte den Sicherungsstift. Jeden Moment würde er die Bombe fallen lassen und mit seiner Begleiterin weiterteleportieren.

Wut, Angst und Hass kämpften gegen meine Programmierung, das Ringen an beiden Fronten wogte hin und her. Bioplasma-Positronik-Kopplung nicht initialisiert, Verstoß gegen Verhaltensvorgaben, schimpfte mein internes Statusmeldesystem, doch eine zweite Stimme brüllte ihn nieder: Ich denke. Und ich weiß, dass ich denke. Also bin ich.

Die Erkenntnis überwältigte mich, und die Blockade löste sich. Mit einem Mal war ich frei.