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Was kann geschehen, wenn zwei Freundinnen und zudem noch Arbeitskolleginnen denselben Mann lieben, der sich jedoch nur für eine der beiden Frauen zu interessieren scheint? Die Freundinnen und Kolleginnen Sevy und Marina lernen am Weiberfastnachtsdonnerstag in einer irischen Kneipe den attraktiven Vertriebsleiter Ray kennen. Beide Frauen verlieben sich sofort heftig in diesen Mann. Sein Interesse hingegen scheint zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Sevy zu gelten, was Marina nicht hinnehmen will. So spinnt sie im Laufe der nächsten Monate viele ausgeklügelte sowie erfolgreiche Intrigen, um Sevy und Ray immer weiter voneinander zu entfernen. Als Sevy jedoch entdeckt, dass sie von Ray ein Kind erwartet, sieht Marina darin ihre große Chance, Ray endgültig für sich zu gewinnen.
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2020
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Hätte Sevy geahnt, wie sehr dieser Abend ihr Leben aufrühren und verändern würde, hätte sie ihre ohnehin schon unwillige Zusage noch ein weiteres Mal überdacht.
»Es freut mich, dass du mit mir feiern gehst, Sevy. Heute ist Weiberfastnacht und in unserem Alter sollten wir an einem solchen Tage nicht zu Hause Trübsinn blasen.« Marina, Sevys Freundin und Arbeitskollegin in der Allgemeinmedizinerpraxis des Herrn Dr. Laurenz Reuter, schob die schwere Schublade des Aktenschrankes leise zu.
»In unserem Alter? Ich bin 32 Jahre alt. Weiberfastnacht ist eher was für meine jüngere Schwester Burgis mit ihren 25 Jahren.« Sevy lachte bitter auf, während sie gerade das hoffentlich für heute letzte Rezept ausdruckte.
»Dann betrachte es doch als Begleitung deiner jüngeren Freundin, nämlich mir. Ich bin erst 28 und du solltest aufpassen, dass ich keinen Unsinn mit all diesen angeheiterten Männern in den Kneipen treibe.« Marina lachte voller Vorfreude auf.
Sevy nickte grinsend. »Der Doktor würde durchdrehen, wenn du auch noch schwanger würdest. Nachdem unsere dritte Sprechstundengehilfin schon im Mutterschutzurlaub ist, schaffen wir unsere Arbeit hier gerade noch so eben. Wenn du dann noch ausfallen würdest, könnte ich hier mein Bett aufstellen und Doppelschichten arbeiten.«
»Keine Sorge, ich werde schon nicht schwanger«, kicherte Marina. »Ich bin eine moderne Frau und kenne die Gefahren.«
Sevy schloss das medizinische Programm. Der letzte Patient saß gerade beim Doktor und sein Rezept war schon gedruckt. Heute am Weiberfastnachtdonnerstag waren nur sehr wenige Patienten in die Praxis gekommen. Es schien tatsächlich so, als könnten die beiden Sprechstundengehilfinnen heute ausnahmsweise pünktlich Feierabend machen.
»Du willst die Nacht heute wohl nicht alleine verbringen, Marina«, vermutete Sevy, bevor sie den Bildschirm ausschaltete.
»Es ist Weiberfastnacht, Sevy! Da darf eine Frau alles! Wenn mir ein süßer Mann über den Weg läuft, kann ich daher für nichts garantieren.« Marina schloss bereits die schweren Aktenschränke ab.
Sevy schüttelte nur verständnislos den Kopf.
»Ja, ich weiß, Sevy. Du wirst nur einen Mann in dein Bett lassen, den du auch liebst. Genieße doch dein Leben einfach. Du hast so viel für andere getan und aufgeben. Nun wird es Zeit, dass du dir auch mal ein bisschen Vergnügen gönnst.« Nachdem Marina geprüft hatte, ob sämtliche Patientenaktenschränke verschlossen waren, ging sie in das Labor. Auch die Medikamente im Labor und in den Sprechzimmern mussten täglich von ihnen sorgfältig eingeschlossen werden.
Sevy wusste, dass Marina im Grunde Recht hatte. Weil ihr Vater schon früh an einem plötzlichen Herzinfarkt gestorben war, musste sie eine Ausbildung beginnen. Die Witwenrente ihrer Mutter reichte vorne und hinten nicht aus, um ihre Familie zu ernähren. Ihre damals noch neunjährige Schwester, sie und ihre Mutter mussten sehen, wie sie ihre Miete und ihren notwendigsten Lebensunterhalt bestreiten konnten. Obwohl Sevy bis zu diesem Zeitpunkt eine Musterschülerin mit herausragenden Noten gewesen war, musste sie daher das Gymnasium verlassen, um schnellstmöglich Geld mit nach Hause zu bringen. Ihre Mutter nahm verschiedene Putzjobs an, während Sevy eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten begann. Sie hatte sich schon immer für Medizin interessiert und sich daher in der Schule besonders angestrengt, um die Zugangsvoraussetzungen für ein Medizinstudium zu erhalten. Nun besaß sie zwar einen medizinischen Beruf, fühlte sich aber unterfordert, häufig gelangweilt und als Versagerin.
»So, alles ist abgeschlossen und abgeschaltet. Wenn der letzte Patient die Praxis gleich verlassen hat, können wir nach Hause gehen. Soll ich dich dann in einer Stunde abholen?«, sprudelte Marina voller Vorfreude auf den ausgelassenen Abend mit vielen Flirts. Die Freundinnen saßen hinter der Patientenempfangstheke und warteten darauf, dass der letzte Patient mit einem »Auf Wiedersehen« ihren Feierabend einläuten würde.
»Ja, in einer Stunde bin ich dann auch so weit. Aber ich verkleide mich nicht.«
»Kein Problem, Sevy. Ich male dir mit meinem pinkfarbenen Lippenstift ein großes Herz auf deine rechte Wange und das genügt.« Marina kicherte.
Sevy stöhnte genervt auf, nickte dann aber lächelnd. Sie empfand die Begeisterung von Marina als nahezu ansteckend, wenn sie nicht solch eine heftige Abneigung gegen Karneval gehabt hätte. Die alberne Ausgelassenheit, die betrunkenen Menschen, die stupide Stimmungsmusik, die billigen Flirts und der jährliche Babyboom neun Monate nach diesem Ereignis machten ihr jedes Mal Angst. Oder mochte sie Karneval einfach nur nicht, weil sie noch immer nicht bereit war, sich mit ihrem Schicksal abzufinden und unbekümmert zu feiern? Vielleicht hatte sie auch eher Angst davor, als ruhige Frau hinter den anderen fröhlichen Geschlechtsgenossinnen zurückstecken zu müssen. Jedes Mal, wenn sie mit Marina, ihrer jüngeren Schwester oder anderen Freundinnen ausgegangen war, unterhielten sich die Männer stets ernsthaft mit ihr. Bei Flirts oder Komplimenten wurde sie dann jedoch zumeist völlig ignoriert oder sogar ganz vergessen.
»Es wird auch mal wieder Zeit, dass du einen Freund hast, Sevy. Deine einzige Beziehung dauerte zwar fünf Jahre, wie du mir erzählt hast. Allerdings liegt sie jetzt auch schon einen ähnlich langen Zeitraum zurück.« Marina wollte Sevy aufmuntern, wobei sie jedoch mit diesem Thema das Gegenteil erreichte.
»Lass bitte Sven aus dem Spiel!« Sevy schüttelte sich. »Er hat mich sogar mit meiner damaligen Freundin betrogen. Mein nächster Freund muss auf jeden Fall hundertprozentig treu sein.«
Marina lachte zweifelnd auf. »Du stellst noch immer ziemlich hohe Anforderungen.«
Doch Sevy musste auf ihre Entgegnung nicht mehr antworten, denn Dr. Reuter verabschiedete gerade mit einer lauten, freundlichen Stimme seinen letzten Patienten.
Eine knappe Stunde später läutete Sevys Wohnungstürklingel. Als sie die Wohnungstür öffnete, stand eine grell geschminkte Marina mit gelocktem, blondem, langem Haar davor. Sie hatte ihre vorhin noch züchtige schwarze Hose und ihren Arzthelferinnenkittel gegen eine tigermusterfarbene, hautenge Leggins und ein passendes weit ausgeschnittenes T-Shirt getauscht. Marinas hochhackigen, dunkelbraunen Pumps verliehen ihr jedoch eher ein gazellen- als ein raubtierhaftes Aussehen.
Über dem linken Arm trug Marina einen dicken Wintermantel, der bei dem noch frostigen Februarwetter wesentlich angemessener erschien als ihre offenherzige Hochsommerverkleidung.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Marina schrill in dem ruhigen, widerhallenden Hausflur.
»Komm doch erst einmal herein!«, forderte Sevy sie auf.
Als sie die Wohnungstür nach Marina wieder geschlossen hatte, drehte sich ihre Freundin überdreht im Kreis: »Wenn meine Aufmachung die Männerwelt nicht anzieht wie Zuckerwasser die Fliegen, gehe ich ab Aschermittwoch ins Kloster!«
»Dann muss ich in der Praxis die ganze Arbeit doch alleine bewältigen«, lachte Sevy. »Du sieht noch attraktiver aus als sonst, Marina. Wie hast du in deine glatten Haare so viele große, fantastische Locken hereinzaubern können?«
Marina grinste. »Danke für dein Kompliment. Du willst doch nicht heute an Weiberfastnacht auch solch verführerische, lockige Haare haben?«, neckte Marina sie.
»Nein, nein, ich bleibe lieber so, wie ich wirklich bin«, wehrte Sevy schnell ab.
Marina begutachtete eingehend ihre Freundin und schüttelte dann missbilligend den Kopf. »Glatte, halblange, hellbraune Haare, kaum geschminkt, Jeans und ein schwarzer Glitzerpulli. Mehr hast du den Männern an Weiberfastnacht nicht zu bieten?« Marina zog jedoch dann gleichgültig ihre Schultern hoch. »Zumindest bringt die Jeans deine zarte Figur gut zur Geltung.«
Sevy lachte auf. »Ich will dir und den anderen Frauen heute keine Konkurrenz machen. Männer, die sich nur mit einer Frau amüsieren wollen und danach spurlos verschwinden, sind sowieso nicht die Richtigen für mich.«
Marina hüpfte schon die ganze Zeit aufgeregt von einem Bein auf das andere. »Wie du willst, Sevy. Schnapp dir jetzt aber deine Jacke und lass uns gehen. Auf den Straßen und in den Kneipen herrscht schon ausgelassene Karnevalsstimmung.«
Sevy stöhnte betont genervt auf, nahm dann aber ihren Wintermantel von dem Garderobenhaken und ergriff ihre Handtasche sowie den Schlüssel. Sie verließ mit ihrer Freundin die Wohnung. Sevy hatte zwar keine Lust, an den übermütigen, alkoholisierten Partys teilzunehmen, aber sie begleitete ihre Arbeitskollegen dennoch der langen Freundschaft willen.
Sevy ahnte nicht, wie viel Kummer sie sich erspart, aber auch um welche schönen Ereignisse sie sich gebracht hätte, wenn sie an diesem Abend stattdessen zu Hause geblieben wäre.
Zielsicher führte Marina ihre Freundin zu ihrer Lieblingskneipe, einem irischen Pub. Das im irischen Landhausstil ausgestattete Szenelokal mit den dunklen Holzmöbeln spielte heute ausnahmsweise nicht die schwermütige Musik der grünen Insel, sondern fröhliche Karnevalslieder. Über den schweren hölzernen Deckenleuchten hingen bunte Luftschlangen. Konfetti war über die Holztische und die antike Dunkelholztheke gestreut.
»Die Reinigungskräfte werden sich freuen, wenn sie morgen Früh mühsam jeden einzelnen der bunten Papierschnipsel entfernen müssen«, stöhnte Sevy mitfühlend, als sie das Durcheinander von Dekoration und den bereits angetrunkenen, feiernden Gästen sah. Viele der Pubbesucher waren verkleidet. Die Männer bevorzugten offensichtlich Piraten-, Soldaten- und Rockerkostüme, während die Verkleidung der Frauen in erster Linie eine Entkleidung zu sein schien. So waren die Röcke oder Kleider der weiblichen feiernden Gäste stets besonders kurz und die Schuhe außergewöhnlich hoch. Die Oberteile wiesen ebenfalls einen verführerisch ausgeschnittenen oder zumindest hautengen Schnitt auf. Sevy lachte auf. Die Make-up-Produzenten hatten ihre Verkaufszahlen in diesem Karnevalsmonat sicher verdoppeln können. Ob als Serviererin, Bardame, Dienstmädchen, bayrische Dirndldame oder Hexe: Die Schminke war stets genau so dick wie farbenfroh aufgetragen und die Kleidung entsprechend stoffarm.
Sevy fand es inzwischen sehr interessant, die Flirtrituale der Gäste zu beobachten, auch wenn sie sich als nicht verkleidete, unscheinbare Frau ein wenig fehl am Platze vorkam. Zumindest hatte ihr Marina tatsächlich noch ein pinkes Herzchen auf die rechte Wange gemalt, wodurch Sevy ihren guten Willen, sich dem Karnevalstrubel ein Stück weit unterzuordnen, grell sichtbar zum Ausdruck brachte.
»Sei kein Spielverderber, Sevy. Vielleicht bekommt die Putzkolonne sogar eine Extrabezahlung als Konfettizulage und freut sich daher über den Zusatzverdienst an den Karnevalstagen. Jetzt wird erst einmal gefeiert.« Marina zog Sevy in das Getümmel der tanzenden und singenden Pubbesucher.
Mühsam ergatterte sich Sevy einen hohen Hocker an der Bar. Der Gast, der vorher dort gesessen hatte, verließ den Pub mit einigen Freunden. Marina tänzelte vor Sevy herum und versuchte gerade Augenkontakt mit einem auffällig attraktiven Herrn zu halten, der sich als fahlgesichtiger Außerirdischer mit langen weißen Haaren verkleidet hatte. Er trug schwere schwarze Lederstiefel, die immer mal wieder zwischen den tanzenden Beinen der vor ihm stehenden Karnevalisten zum Vorschein kamen. Sein Kostüm bestand zudem aus einer schwarzen, engen Hose und einem schweren, gemusterten schwarzen Ledermantel darüber, den er mit einem dicken Gürtel verschlossen hatte. Sein Gesicht war unter dem weißen Make-up kaum zu erkennen. Nur die Gesichtsform und die auffällig hellblauen Augen waren sichtbar.
Irgendetwas an diesem Mann faszinierte auch Sevy. Er wirkte niedlich, hilflos und zudem dominant. Dieser menschliche Alien schien voller Widersprüche zu stecken, die ihn so interessant machten. Vermutlich war er außerhalb seiner Verkleidung ein schüchterner, in sich gekehrter Buchhalter, der im Karneval ein gegensätzliches Kostüm, nämlich das eines außerirdischen Machos, gewählt hatte.
Ohne auf eine deutliche Reaktion dieses Herrn auf ihre Flirtversuche mit ihm zu warten, steuerte Marina plötzlich zielsicher auf ihn zu. Sie quetschte sich durch die eng beieinanderstehenden tanzenden Gäste und musste aufpassen, dass sie nicht an die teils halb vollen, teils jedoch noch vollständig gefüllten Biergläser stieß. Als Marina bei diesem faszinierenden Herrn angekommen war, gab sie ihm unvermittelt einen Kuss auf den Mund, nahm ihn an die Hand und zog ihn durch die Menschenmenge zur Bar herüber, an der auch ihre Freundin saß.
Sevy wurde plötzlich sehr aufgeregt. So langsam verstand sie, warum andere Menschen Karneval so toll fanden. Auch sie brannte jetzt darauf, zu ergründen, welche Persönlichkeit sich tatsächlich hinter dieser aufwändigen Verkleidung verbarg.
Langsam näherte sich Marina mit dem originell verkleideten Mann an der Hand der Bar. Soweit es die zentimeterdicke Make-up-Schicht auf seinem Gesicht zuließ, glaubte Sevy ein verschmitztes Lächeln in seinen Mundwinkeln erkennen zu können. Als Marina mit dem Mann vor ihr auftauchte, zeigte sie auf Sevy und sprudelte aufgeregt, wobei sich ihre Stimme überschlug: »Darf ich dir meine Freundin, Sevy, vorstellen?«
Der Mann hielt ihr die Hand hin und sagte: »Ich bin Ray.«
»Schön, Sie kennen zu lernen.«
Marina stieß Sevy in die Seite. »Am Karneval duzt man sich natürlich.«
Ray grinste leicht. Mehr Gesichtszüge ließ wohl seine Make-up-Schicht nicht zu. »Sevy ist ein merkwürdiger Name. Woher kommt er?«
»Eigentlich heiße ich Severina, aber Sevy gefällt mir besser«. Die Arroganz, die dieser Mann ausstrahlte, verschlug ihr die Sprache. Nicht nur das Kostüm erinnerte an einen erfolgreichen Krieger. Auch seine laute und dennoch gefühlvolle Stimme, sein offener Augenkontakt und sein Zwinkern in den intelligent strahlenden Augen, ließen Sevys Knie weich werden.
»Also, Sevy. Offensichtlich bist du mit Karneval und Weiberfastnacht nicht so vertraut, wie ich aus deiner spärlichen Verkleidung schließe. Wenn man sich mit einem Mann unterhalten möchte, küsst man ihn erst einmal. Vermutlich hat deine Freundin vergessen, dich über dieses unwichtige Detail aufzuklären.« Mit einem offensichtlichen Zwinkern seines hellblauen linken Auges ging er zielstrebig auf Sevy zu.
»Moment mal, Ray. Marina will sich mit dir unterhalten, nicht ich«, fühlte sich Sevy verpflichtet, klarzustellen. Zu ihrem eigenen Erstaunen hoffte sie jedoch, er möge ihr dennoch einen Kuss geben. War die Oberflächlichkeit von Karneval wirklich so hochansteckend, dass sie auch schon von wildfremden Männern geküsst werden wollte? Oder lag es an der besonderen Ausstrahlung dieses besonderen Mannes, der sie sich immer weniger entziehen konnte?
Doch Ray ging sofort einen Schritt zurück und lachte laut auf. »Das war eine eindeutige Abfuhr, Sevy. Aber vielleicht gefällt dir mein Freund besser, mit dem ich hier bin.«
Sevy schüttelte enttäuscht den Kopf, aber da reckte sich der sicher 1,90 Meter große Ray schon und brüllte mit männlich starker Stimme durch die singende und lachende Menschenmenge: »René, hier ist eine junge Dame, die lieber dich kennen lernen möchte als mich. Komm mal hier herüber.«
Ein als Wrestler verkleideter, muskulöser, blonder Mann setzte sich in Bewegung und drängelte sich durch die dicht beieinanderstehenden Gäste. Sein rasierter und glänzender Oberkörper war nahezu nackt und wurde nur durch eine ärmellose Lederweste leicht bedeckt. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis er vor ihnen stand.
»Das ist René, mein Freund«, stellte Ray ihn lachend vor. »Er hat mich auf Knien rutschend angefleht, ich möge mich doch verkleiden und mit ihm heute zu Weiberfastnacht in eine Kneipe gehen. Eigentlich liegt mir Karneval nicht.«
»Dafür, dass du Fasching nicht magst, ist dein Kostüm aber sehr aufwändig!«, schwärmte Marina und lehnte sich liebevoll bei ihm an. Sevy schluckte.
»Ray ist ein absoluter Science-Fiction-Fan«, mischte sich nun René ein. »Er gibt einen beträchtlichen Teil seines hart verdienten Gehaltes für Science-Fiction-Messen und - Conventions aus. Einmal hat er für das Alienkostüm, das er heute Abend trägt, sogar einen Preis gewonnen.« René redete die ganze Zeit zu Marina gewandt und hatte rotgefärbte Wangen bekommen. Sevy schien er nicht mehr wahrzunehmen. Es war mal wieder offensichtlich, welche Frau sein Interesse geweckt hatte. Wie üblich war Sevy einfach zu ernsthaft, unauffällig und zurückhaltend, um die Blicke sowie das Interesse der Männer auf sich lenken zu können. Sevy drehte sich ein wenig enttäuscht zur Bar um. Natürlich würde auch Ray der aufregenden Aufmachung und der quirlig, frech-weiblichen Art von Marina erliegen. Marina lag schon fast in seinen Armen. Ray musste nur noch zugreifen.
Doch Ray, der die Begeisterung seines Freundes für Marina offensichtlich auch mitverfolgt hatte, löste sich von Marina und sprach Sevy von der Seite an. »Nun ja, meine Begeisterung für diese Zukunftsfilme ist eigentlich nur eine Spielerei. Bei meinem Job bekomme ich schwer eine ernsthafte Partnerin