Wo Weihnachtswunder wahr werden - Jana Lukas - E-Book

Wo Weihnachtswunder wahr werden E-Book

Jana Lukas

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Beschreibung

Herzklopfen und Schneeflockenküsse – Weihnachten in der alten Schule am See

Die Liebe hat in der alten Schule am See Einzug gehalten. Felicia, Jule und Lina haben ihr Glück gefunden und freuen sich auf ein funkelndes, romantisches Weihnachtsfest. Nur Bens Cousin Sam und die Inhaberin der Starnberger Musikschule, Marie Wolfstetter, kriegen sich immer noch bei jeder Gelegenheit in die Haare. Doch je näher das Fest rückt, desto näher kommen sich auch Sam und Marie. Dann taucht überraschend ein unerwarteter Gast auf. Der attraktive Popstar Marcello benötigt Maries Hilfe, um Songs für sein neues Album zu schreiben. Oder verfolgt er in Wahrheit andere Absichten? Plötzlich scheint nicht nur das große Weihnachtsfest in Gefahr.

Die Weihnachtsnovella zur Alte Schulhaus-Trilogie

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Seitenzahl: 156

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Das Buch

Maries Lächeln wurde breiter. Da stand er. Sam. Ganz so, als hätte sie ihn mit ihren Gedanken an ihn herbeigezaubert. Er sah aus wie immer. Jeans, die bereits ein langes Leben aufwiesen. Ein schlichtes schwarzes T-Shirt und Chucks, die mit den Jeans darum zu streiten schienen, wer abgetragener war. Seine Haare hatte er wie meistens in einem Man Bun zusammengefasst und die Mühe, sich zu rasieren, hatte er sich nicht gemacht. Wirklich wie immer. Und doch hatte sich in der vergangenen Nacht alles zwischen ihnen geändert. Vielleicht nahm sie erst jetzt die Muskeln wahr, die er der harten körperlichen Arbeit in der Gärtnerei seiner Familie verdankte. Kannte seinen Duft nach sauberer Wäsche und frisch gemähtem Gras, der ihr vorher nie aufgefallen war.

Die Autorin

Was tun, wenn man zwei Traumberufe hat? Jana Lukas entschied sich nach dem Abitur, zunächst den bodenständigeren ihrer beiden Träume zu verwirklichen und Polizistin zu werden. Nach über zehn Jahren bei der Kriminalpolizei wagte sie sich an ihren ersten Roman und erzählt seitdem von großen Gefühlen und temperamentvollen Charakteren. Das gilt auch für die Romane, die sie unter dem Pseudonym Ella Thompson veröffentlicht, und in denen sie uns mitnimmt an die malerische Ostküste der USA. Ihr Motto lautet: Es gibt nicht viele Garantien im Leben … aber zumindest in ihren Romanen ist ein Happy End garantiert. Immer!

Lieferbare TitelLandliebeHerz und TalWindstärke LiebeDie Mühlenschwestern – Die Liebe kennt den Weg zurückDie Mühlenschwestern – Die Hoffnung wird dich findenDie Mühlenschwestern – Das Glück wartet auf dichWo dein Herz zuhause ist: Die alte Schule am SeeWo du das Glück findest: Die alte Schule am SeeWo die Liebe dich küsst: Die alte Schule am See

JANA LUKAS

WO WEIHNACHTSWUNDER WAHR WERDEN

ROMAN

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 11/2023

Copyright © 2023 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Diana Mantel

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München,

unter Verwendung von Trevillion Images (Drunaa), iStockphoto (ETIENJones), FinePic®, München

ISBN 978-3-641-31440-8V001

www.heyne.de

Prolog A Moment Like This

(Leona Lewis)

Vor 15 Jahren

Marie Wolfstetter hatte Sam Lindner geküsst. Oder er sie – ganz sicher, wer angefangen hatte, war sie sich nicht. Während der Abspann des Unglaublichen Hulk lief, hatten sich ihre Lippen einfach getroffen, nachdem sie sich eine gefühlte Ewigkeit in die Augen geblickt hatten. Es war der süßeste Moment in Maries Leben gewesen, der nach Popcorn und Cola geschmeckt hatte. Wortwörtlich. Genau so hatte sie es in das bunt gestreifte Tagebuch geschrieben, in dem sie Wörter und Gedanken für ihre Songtexte festhielt.

Sie konnte es noch immer nicht glauben, als sie, ihre Gitarre auf dem Rücken, durch den tiefen Schnee zur Bandprobe stapfte. Ihr Magen fühlte sich so an, als hätte sich darin ein Tütchen Brausepulver in ein echtes Knisterfeuerwerk verwandelt. So lange hatte sie gehofft, dass Sam sie wahrnahm. Ganz besonders seit er und sein Cousin Ben angefangen hatten, in ihrer – wirklich schlechten – Punkband zu spielten. Und dann hatte Sam sie ins Kino eingeladen. Und geküsst. Sie konnte es kaum erwarten, ihn bei der Probe zu sehen. Diesen Kuss zu wiederholen. Seit sie am Abend im Kino gewesen waren, hatten sie sich unzählige SMS geschrieben, die ihr einen strengen Blick ihrer Mutter einbringen würden, wenn die nächste Handyrechnung ins Haus flatterte.

Nicht einmal der eisige Wind, der mit den Lichterketten in den Bäumen spielte und an ihrer Mütze zerrte, konnte ihrer guten Laune etwas anhaben. Vielleicht konnten sie nach der Probe zusammen auf den Weihnachtsmarkt …

»Hey, Marie«, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.

Sie hatte den Proberaum schon fast erreicht und drehte sich um, als sie Artur Kufer hinter sich hörte. Er hatte genau wie sie seine Gitarre geschultert, die Beanie tief ins Gesicht gezogen und grinste breit. Seine Stiefel knirschten bei jedem Schritt im Schnee. »Gut, dass ich dich erwische«, sagte er, als er zu ihr aufgeholt hatte und an ihrer Seite weiterlief. Ihr Atem vermischte sich vor ihren Gesichtern zu einer großen weißen Wolke. »Ich habe dir doch von dem Song erzählt, an dem ich bastele.« Artur war zwar der Leadsänger ihrer Band, aber er wollte mehr erreichen. Dachte darüber nach, eine YouTube-Karriere zu starten. »Hast du nach der Probe Zeit? Ich würde dir gern zeigen, was ich schon habe. Ich glaube, das wird echt der Hammer, besonders, wenn du mir dabei hilfst. Vielleicht hast du ja Bock, nachher noch ein bisschen mit mir an dem Text und der Melodie zu feilen.«

Maries Herz hüpfte. Sie hoffte zwar, dass Sam und sie noch Zeit miteinander verbringen würden – aber die Chance, an einem Song mitzuschreiben, der vielleicht Arturs großer Durchbruch wurde, war unwiderstehlich. Sam und sie konnten ja vielleicht im Anschluss noch auf den Weihnachtsmarkt gehen. Oder einfach durch den Ort schlendern und sich die weihnachtlichen Dekorationen der Häuser ansehen. Sie liebte die Kreativität, mit der die Starnberger in der Weihnachtszeit ihre Häuser verschönerten. Als wäre es ein unausgesprochener Wettbewerb. Und vielleicht würde es ein paar weitere Küsse geben, die diese kleinen Funken über ihre Haut tanzen lassen würden. Aber erst einmal die Songwriting-Session. »Ich bin dabei.« Sie grinste Artur an. Einfach, weil heute nichts ihre Laune verderben konnte. »Das wird sicher ein Hit.«

»Davon bin ich überzeugt.« Artur erwiderte ihr Grinsen. »Dann nach der Probe in meinem Gartenhäuschen?«

»Alles klar.« Marie zog die Tür zum Probenraum auf und atmete die stickig-warme Luft und den Geruch nach nassen Mänteln ein. Sie ließ den Blick sofort über die schon anwesenden Bandmitglieder der Scheißwürste (die Punkversion bayrischer Weißwürste – ihre Form der Rebellion) gleiten, bis er an Sams rotem Irokesen hängen blieb. Er lächelte sie an, und Marie spürte, wie ihre Wangen sich rosa färbten. Verdammt. Sam war so süß.

Sie wollte nicht zu offensichtlich zeigen, wie verknallt sie in Sam war. Also ging sie zu ihm hinüber, sagte »Hi« und beschäftigte sich dann mit ihrer Gitarre, genau wie er an seinem Bass herumfummelte.

»Hey.« Seine Wangen hatten sich ebenfalls ein wenig dunkler gefärbt. Er blickte einen Moment zu Boden, bevor er einen Schritt näher trat. »Sollen wir nachher noch irgendwas machen?«, flüsterte er.

Marie spürte seinen Atem auf ihrem Hals. »Klar«, wisperte sie, statt des Luftsprungs, nach dem ihr zumute war. »Ich muss erst noch was anderes erledigen. Ich schick dir eine SMS, wenn ich so weit bin.«

»Cool.« Sam zwinkerte ihr zu und brachte wieder Abstand zwischen sie, indem er auf den Platz zurückkehrte, auf dem er während der Bandprobe immer stand.

Marie war total durchgefroren, aber völlig euphorisch, als sie die Gartenlaube verließ, in der Artur ein kleines Aufnahmestudio eingerichtet hatte. Sie hatten vor einem mäßig produktiven Heizlüfter gesessen und vor sich hin gebibbert. Aber sie hatten trotzdem Arturs Song fertig bekommen, schneller als erwartet. Und er war großartig geworden. Zumindest Maries Meinung nach. Artur hätte am liebsten noch ein paar andere Sachen geprobt, aber sie hatte abgelehnt. Sie wollte nicht länger in der zugigen Laube herumsitzen – und vor allem wollte sie sich jetzt endlich mit Sam treffen.

Auf dem Weg aus dem Garten zog sie ihr Handy aus der Tasche, um es wieder auf laut zu stellen und Sam eine Nachricht zu schicken. Doch er hatte ihr bereits geschrieben. Lächelnd öffnete sie die SMS – und erstarrte, als sie den Text las. Noch einmal. Und noch einmal. Sam hatte seine Meinung geändert? Er hatte keine Lust mehr sie zu treffen? Er wollte überhaupt nichts mehr mit ihr zu tun haben?

»Was …?«, murmelte sie. Die Frage verschwand hinter einer Atemwolke, als sie seine Nummer wählte. Sam drückte sie weg. Genau wie bei ihrem zweiten Versuch.

Beim dritten Mal nahm er ab, und Maries Herz stolperte. Bevor sie fragen konnte, warum er plötzlich so abweisend war, blaffte er ein »Ruf mich nicht mehr an!« in den Hörer und legte auf.

Sie ließ das Handy sinken, während ihre Augen überliefen. Sie verstand das nicht. Sie verstand Sam nicht. Dieser Kuss … dieser Moment war so besonders gewesen. Marie hatte keine Ahnung gehabt, wie es sich anfühlte, wenn einem das Herz brach. Jetzt hatte sie es begriffen. Im knietiefen Schnee vor Artur Kufers Gartenhäuschen. Die Tränen fühlten sich an, als frören sie auf ihren Wangen fest. Aber die Kälte in ihrem Inneren schmerzte viel mehr. Sie war sich sicher, dass sie so etwas kein zweites Mal erleben wollte.

1Kiss Me

(Dermot Kennedy)

Jetzt – Sommer

Sam Lindner stand vor der Musikschule Wolfstetter und starrte auf das schwache Licht, das aus einem der hinteren Räume in die Dunkelheit strahlte. Marie war also noch wach. Tja, wenn es ihr ging wie ihm, würde sie mit Sicherheit den Rest der Nacht kein Auge zumachen.

Schließlich hatten sie sich geküsst. Vor fünfzehn Jahren. Und vor fünf Stunden. Der Unterschied zwischen dem ersten Kuss, als sie noch Teenager gewesen waren, und dem heute Abend war, dass sie sich damals – zumindest kurz – gemocht hatten und sich inzwischen schon lange nicht mehr ausstehen konnten. Und dass dieser Kuss heute trotz allem tausendmal heißer gewesen war, als es der unschuldige Moment während eines Avenger-Filmabspanns je hätte sein können.

Dabei hatte der Tag so harmlos begonnen. Lina Kirchleitner hatte ihn um Unterstützung gebeten. Und wenn jemand seine Hilfe brauchte, konnte Sam einfach nicht Nein sagen. Schon gar nicht, wenn es sich um eine Freundin handelte. Also hatte er ihr bei ihrem Generationenprojekt Mäuse und Dachse unter die Arme gegriffen, genau wie sein Cousin Ben und dessen Freundin Felicia. Und wie Jule und Chris. Sogar dieser Waldschrat, wie Lina ihren aktuellen Lover Eric Fuchs immer nannte, war aufgetaucht und hatte bei der Gelegenheit gleich einen der Senioren und ein kleines Mädchen eingefangen, die ausgebüxt waren. Die Bewohner der alten Schule am Starnberger See hielten zusammen. Und er gehörte zu dieser Clique, auch wenn er nicht in dieser WG wohnte. Er hing schließlich oft genug im Garten des alten Gebäudes herum, stibitzte etwas aus dem Kühlschrank in Felicias Kochschule Küchennachhilfe oder klaute seinem Cousin ein Feierabendbier, das er dann gemütlich auf dem Steg am See trank.

Natürlich war Marie Wolfstetter aus diesem Nachmittag nicht wegzudenken gewesen. Okay, Sam hatte sich nicht wirklich den Kopf über ihre Anwesenheit bei Linas Projekt zerbrochen. Aber vielleicht hätte er das tun sollen. Schließlich war es bei diesem Mäuse-und-Dachse-Treffen um Musik gegangen. Und Marie Wolfstetter hielt sich in Starnberg für die inoffizielle Expertin in Sachen Melodie und Rhythmus – und einige andere schienen das auch zu tun. Seine Freunde inbegriffen. Sie hatte die Instrumente für Linas Projekt zur Verfügung gestellt und bei der Liederauswahl geholfen.

Da Sam seiner Freundin ebenfalls geholfen hatte, waren Marie und er bereits bei Linas Veranstaltung aneinandergeraten. Auf dem Steg hinter der alten Schule, der zu dem kleinen, etwas baufälligen Bootshaus führte. Weil er irgendwelche Triangel oder Klanghölzer angeblich so blöd hingelegt hatte, dass irgendwas unter eines der Bücherregale in der Bibliothek gerollt war und nur mit größter Mühe wieder hervorgeholt werden konnte.

»War ja klar, dass das meine Schuld war«, murmelte Sam und starrte noch immer auf die Fassade der Musikschule, vor der er schon seit zehn Minuten stand. Dummerweise hatte er diesen Satz auch zu Marie gesagt, als sie ihn deshalb angefaucht hatte. Nachdem er das Ganze mit einem »Dann kauf halt einen neuen von diesen verdammten Klöppeln, oder wie die Dinger heißen« ergänzt hatte, war Marie explodiert und hatte eine ihrer üblichen Schimpftiraden abgelassen. Eigentlich alles wie immer, wenn sie es nicht schafften, sich aus dem Weg zu gehen.

Wie schön wäre es gewesen, ihr wenigstens nach dieser Diskussion die kalte Schulter zeigen zu können, und statt Maries nächstem verbalen Angriff ausgesetzt zu sein, in aller Ruhe ein Bier mit Ben, Chris und Eric zu trinken. Auf der kleinen Terrasse hinter der alten Schule. Dabei zusehen, wie Bens Schäferhundmischling Poldi ein wenig tollpatschig vom Steg in den See sprang, um mit den Enten Freundschaft zu schließen.

Aber nein, Lina hatte andere Vorstellungen gehabt. Heute musste er sein Feierabendbier offenbar hart erarbeiten. Denn er war abkommandiert worden, Marie dabei zu helfen, die geliehenen Instrumente in die Musikschule zurückzubringen. Wenigstens waren Marie und er mit zwei Fahrzeugen unterwegs gewesen, sonst hätten sie vor lauter Diskussionen noch einen Unfall gebaut. Sie hatten angefangen, die Instrumente in den Lagerraum der Musikschule zu bringen. Hatten sich darüber gefetzt, in welcher Reihenfolge sie das Zeug ausluden.

Und dann … dann hatten sie sich plötzlich geküsst.

Sam schüttelte bei der Erinnerung den Kopf. Er setzte sich in Bewegung und lief auf dem schmalen Kiesweg um die Musikschule herum, zu Maries privatem Eingang. Das Gebäude war dem der alten Schule gar nicht so unähnlich. Es war auch eine alte Villa, die zwar nicht direkt am Starnberger See lag, aber ebenfalls eine Mischung aus Arbeitsräumen und privatem Rückzugsort verband. Durch die bodentiefen Fenster, die in den Garten hinausführten, konnte er Marie an dem Tresen lehnen sehen, der die Küche vom Wohnbereich trennte. Die Bewegungsmelder sprangen an und tauchten ihn in genug Licht, dass auch Marie ihn von drinnen sehen konnte. Er blieb stehen. Ihre Blicke trafen sich über das Weinglas, an dem Marie nippte.

Einen Moment schien Marie mit sich zu ringen, ob sie ihn hereinlassen sollte, doch dann stellte sie ihr Glas zur Seite, stieß sich vom Tresen ab und kam zur Haustür, um sie zu öffnen. »Du schon wieder«, sagte sie trocken, als sie einen Schritt zur Seite trat, um Sam hereinzulassen, anstatt ihm die Tür wieder vor der Nase zuzuschlagen. »Was willst du?«

Sam hatte keine Ahnung, wie sie an diesen Punkt geraten waren. Ihm war nur klar, dass es nicht schlau gewesen war, nach diesem Kuss einfach so abzuhauen. Sie mussten über das reden, was da vorhin geschehen war. Schon allein deshalb, weil Jule ihn in der Bibliothek erwischt hatte, als er noch einmal in die alte Schule zurückgekehrt war, um sein vergessenes Handy zu holen. Wahrscheinlich hatte sie ihm ganz genau angesehen, was er gerade getrieben hatte.

»Hast du auch ein Glas für mich?«, fragte Sam und nickte in Richtung des Weins auf dem Küchentresen.

Marie seufzte. »Ich bin mir nicht sicher, ob du das verdient hast. Aber ja, du bekommst ein Glas Wein. Dann sagst du, was du loswerden willst. Und dann verschwindest du. Verstanden? Der Tag war anstrengend genug. Auch ohne deine dämlichen Aktionen.«

»Meine dämlichen Aktionen? Wieso ist das denn jetzt schon wieder meine Schuld. Du hast genauso …«, begann er ganz automatisch.

Doch Marie hob die Hand mit einem scharfen »Stopp!«.

Sie nahm ein zweites Weinglas aus dem Regal und schenkte ihm ein. »Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten und irgendwelche Schuldfragen zu klären. Cheers!« Sie hob ihr Glas und sah ihn herausfordernd an. »Also, was willst du?«, fragte sie noch einmal.

Sam fuhr sich durch die Haare, die sich aus seinem Man Bun gelöst hatten und ihm offen über die Schultern fielen. Solange sein Cousin noch auf seiner Couch gepennt hatte, war in Sams Welt alles in Ordnung gewesen. Marie Wolfstetter hatte darin nicht existiert. Er hatte sie ab und zu im Bootshaus, seiner Lieblingskneipe, gesehen, wenn sie ihrem Bruder hinter dem Tresen aushalf. Aber sonst hatten sie keine Berührungspunkte gehabt. Doch dann war Ben in die alte Schule gezogen und hatte Felicia kennengelernt. Sie war mit Marie befreundet, genau wie die anderen Mieterinnen, die gemeinsam mit seinem Cousin eingezogen waren. Seitdem hatte Sam keine Ruhe mehr vor dieser Frau. Sie tauchte viel zu oft an Orten auf, an denen er sie nicht vermutete. Sagte Dinge, auf die er nichts erwidern konnte, weil er keine Zeit hatte, sich die passende Antwort zurechtzulegen.

»Wir sollten über den Kuss reden«, sagte Sam leise. Ein ziemlich lahmer Satz, nachdem er sich die Worte im Kopf gefühlte tausend Mal zurechtgelegt und hin und her gedreht hatte. Während er sich darüber Gedanken gemacht hatte, wie er das Thema am besten ansprach, hatte sie ihn abwartend und kühl gemustert.

»Wir müssen über gar nichts reden«, ließ sie ihn nun wissen. »Wenn du mich fragst, ist das nie passiert.«

Diese Frau machte ihn einfach nur wahnsinnig. Sam trat einen Schritt näher an sie heran. Stützte seine Hände links und rechts von ihr auf den Tresen. Nichts passiert. Sie würde schon sehen, dass das nicht stimmte.

Marie wich nicht zurück und hob stattdessen herausfordernd ihr Kinn, was sie ihm noch näher brachte. Sam schluckte. Seine Muskeln verhärteten sich. Er wollte sich von der Kücheninsel abstoßen, wieder Abstand zwischen Marie und sich bringen. Schließlich hatte er erreicht, was er gewollt hatte: eine Reaktion von Marie. Aber dann schaffte er es irgendwie nicht, diesen einen, wichtigen Schritt zurückzumachen.

Sam fuhr mit den Lippen über Maries, wartete auf den Moment, in dem sie dieses kleine Seufzen ausstieß und sich ihm öffnete. Wie vor ein paar Stunden. Wie vor fünfzehn Jahren. Er vertiefte den Kuss, zog Marie an sich und spürte ihre Hände, die sich in seine Haare schoben.

»Dann bedeutet das hier also nichts?«, brachte er atemlos heraus, als der Kuss endete. Er war nicht zurückgewichen, hielt Marie weiter in seinen Armen. Sie stieß ihn nicht zurück, antwortete aber auch nicht.

Sam zog die Augenbrauen hoch. »Hat es sich für dich so angefühlt, als ob das nichts gewesen wäre?«, drängte er sie noch einmal. Und diesmal war sie diejenige, die den Abstand zwischen ihnen überbrückte und ihre Lippen auf seine presste.

Am Ende löste sich Marie aus seiner Umarmung. Sie machte einen Schritt nach hinten, um Abstand zwischen Sam und sich zu bringen. Erst die Kücheninsel stoppte ihre Bewegung. Sie griff nach ihrem Wein und leerte das Glas mit einem Zug. »Es hat genauso wenig bedeutet wie dieser alberne kleine Kuss in unserer Teenagerzeit«, sagte sie, und ihre Stimme klang eine Spur zu rau, um ihrer Behauptung, dass hier sei gar nichts, Glauben zu schenken.