Wolfsburg - Nataly von Eschstruth - E-Book

Wolfsburg E-Book

Nataly von Eschstruth

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Beschreibung

"Tief im Hessenland, verloren in endlos gedehnten Waldungen, auf einsamer Bergkuppe ragend, steht eine Ruine, die ›Wolfsburg‹ genannt. Wenig Mauerreste zeugen von ihrer Vergangenheit ..." Doch: "Wenn der Vollmond durch die Wolken bricht und der verspätete, wegmüde Wanderer sich an der Ruine zur Ruhe gelegt hat und wie im Traum fern her vom Dörflein zwölf dumpfe Schläge hört, dann ist es ihm plötzlich wie ein seltsames Gesicht: langsam baut sich Stein auf Stein in der Ruine, wie mit Zaubermächten wachsen die verwitterten Trümmer empor, schimmernde Hallen und Säulen wölben sich über dem Zitternden, er schaut den Burghof, er sieht die geharnischten Gestalten in wilder Hast über die Fließen stürmen, bäumende Rosse jagen an ihm vorüber – Waffenklirren und Kampfruf ..." Was Eschstruth hier in der bestrickenden Einleitung ihrer Meistererzählung beschreibt, ist genau das, was in der Tat nun auch dem Leser passiert, wenn er sich in den packend-anschaulichen Bericht vom Schicksal und den äußerlichen und inneren Kämpfen des Freiherrn Carl Wolfgang von Wolfsgeil vertieft. Wie von Zauberhand lässt Eschstruth in dieser Mittelalter-Erzählung eine untergangene, ferne Welt plastisch wiedererstehen!Eschstruth erzählt die Geschichte der legendären Wolfsburg in Hessen, um die herum sich im 12. Jahrhundert die Stadt Marburg gründete. In der fast tausendjährigen Geschichte des Hauses trug das Bauwerk verschiedene Namen und erfüllte diverse Zwecke. Eschstruth zeichnet diese wechselvolle Geschichte exemplarisch am Hause der Freiherrn von Wolfsgeil nach. Als Carl Wolfgang von Wolfsgeil mitten in der Heide einen Unfall erleidet, findet ihn das schöne, wilde Heidemädchen Mustela und ist sogleich fasziniert von ihm. Als seine Gefolgsleute ihr sagen, um wen es sich bei dem schwer Verwundeten handelt, weigert sich Mustela jedoch, ihm mit ihrer Heilkunst zu helfen. Denn ihr Großvater, der Vogelsteller Juan Piccolo, hegt gegen die Wolfsgeils einen tiefen, unüberwindbaren Hass. Schließlich erklärt sich das Mädchen bereit, den Edelmann bei sich aufzunehmen, jedoch nur unter der einen Bedingung, dass ihr Großvater auf keinen Fall erfährt, um wen es sich handelt ...-

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Nataly von Eschstruth

Wolfsburg

Erzählung

Mit Illustrationen von M. Alashar.

Saga

Wolfsburg

© 1885 Nataly von Eschstruth

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711627617

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

Meinem

hochverehrten Meister und Freund

Herrn Hofrat

Dr. Joseph Victor von Scheffel

in dankbarer Erinnerung an fröhlich auf

Seehalde verlebte Stunden

gewidmet.

Die Verfasserin.

Blume, Laub und weisse Blüt’

Muss sich rasch entfalten,

Schwarzbraun Kind, dein Herz behüt,

Wirst es nicht behalten.

Geibel.

Tief im Hessenland, verloren in endlos gedehnten Waldungen, auf einsamer Bergkuppe ragend, steht eine Ruine, die „Wolfsburg“ genannt. Wenig Mauerreste zeugen von ihrer Vergangenheit, ein halbzerfallener Turm, eine zackig gebrochene Mauer, durch deren spitze Bogenfenster man hinab auf die rauschenden Waldeshäupter blickt, welche einförmig in dunklen Wogen hinwallen, wie ein unermessliches und ununterbrochenes Meer, das seine träumerische Flut gegen diesen einzig aufstrebenden Burgfelsen treibt. Ganz fern im Hintergrund zittern die nebelverschleierten Konturen des hessischen Berglandes, und dicht zu Füssen des Schlosses schäumt ein Bächlein in wilder Eile über das Gestein, um nach einigen kurzen Windungen in dem Buchenwald drunten zu verschwinden: das ist die einzige Abwechslung in dem einsamen, waldesgrünen Ausblick vom Ruinenfenster. Keller und dumpfige Gewölbe gähnen hie und da zu dem grasbewachsenen Burghofe auf und dicht am schroff abfallenden Berghang, wo sich ein schmaler, felsiger Pfad in mühseligen Windungen zu der Burg emporschlängelt, ragt noch als stolzestes Mauerwerk die breitgewölbte Eingangspforte, aus schweren Quadern aufgeführt und von dem durch Wetter und Zeit mit grünlichem Moos bezogenen Wappen gekrönt. Es ist ein seltsames Bild, welches uns hier steingehauen entgegenschaut: ein freies Wappenfeld, in welchem zwei Frauenarme einen Ring emporhalten.

Die Freiherrn von Wolfsgeil, welche hier gehaust und seit Urzeiten auf der Wolfsburg sassen, und denen alles Land, soweit nur der Blick von dem obersten Turmfensterlein schweifen konnte, mit Gut und Blut zu eigen war, die führten seit dem zwölften Jahrhundert dieses Wappenschild, das der Freiherr Carl Wolfgang in einer Stunde höchster Not und Gefahr in sein Schild aufgenommen und damit den springenden Wolf verdrängte, der schon zwei Jahrhunderte lang die Ahnherrn als grimmes Bannerzeichen in Kampf und Streit begleitet hatte. Und über jene Stunde, da Carl Wolfgang sein Wappen änderte, erzählt uns die Chronik eine wundersame Fabel und führt uns zurück in die graue Vorzeit, da hier auf dem Berg noch die gewaltigen Mauern der Wolfsburg trotzten, da unter den Buchenstämmen drunten Speer und Schild der feindlichen Heerhaufen gleissten, da Rauch und Brand ihr furchtbares Banner der Vergänglichkeit auf die Söller gepflanzt.

Wenn der Vollmond durch die Wolken bricht und der verspätete, wegmüde Wanderer sich an der Ruine zur Ruhe gelegt hat und wie im Traum fern her vom Dörflein zwölf dumpfe Schläge hört, dann ist es ihm plötzlich wie ein seltsames Gesicht, er schrickt empor von den moosigen Steinen und starrt mit bleichen Wangen auf unfassliches: langsam baut sich Stein auf Stein in der Ruine, wie mit Zaubermächten wachsen die verwitterten Trümmer empor, schimmernde Hallen und Säulen wölben sich über dem Zitternden, er schaut den Burghof, er sieht die geharnischten Gestalten in wilder Hast über die Fliessen stürmen, bäumende Rosse jagen an ihm vorüber, — Waffenklirren und Kampfruf, — und dann wirbeln Rauch und Funken, — tobende furchtbare Hast der Verzweiflung, — und eine Frauenstimme gellt durch das Getöse: „Mein Leben für den Ring! ...

Andern Morgens aber steht der Wanderer mit bleichen Wangen vor dem Dorfkrug, und wenn er der Wirtin Töchterlein nach der alten Ruine droben fragt, dann sieht ihn die Kleine mit scheuen Augen an und fragt mit ängstlichem Umblick nach der fernen Bergkuppe: „Ward Ihr droben zur Nacht und habt Ihr auch den Carl Wolfgang kämpfen sehen?!“ ... —

Die Sonne aber lacht am Himmel und weisse Lämmerwölkchen treiben über der Wolfsburg.

Vor langen, langen Jahren wars. —

Wenn man den kleinen Bach verfolgt, welcher eilig das dichtverwachsene Gestrüpp durchbricht, um tagelang über Moos und Steine durch endlos gedehnte Wälder zu irren, dann trifft man plötzlich auf einen Flecken kahles Heideland, das wie ein vergessen Stücklein Poesie tief versteckt zwischen den laubigen Waldmassen liegt. —

Mitten durch hochstarrendes Ginsterkraut sucht sich der schäumende Gesell seinen Weg, klettert keck über die sperrenden Felssteine und küsst mit neckender Welle die schlanken Brombeerranken, welche in fast undurchdringlichen Blattschlingen, gelb und rot gefärbt, über die Ufer herabhängen.

Die Sonne sinkt, grellrote Strahlen flimmern über die blühende Heide und mengen Gold und Purpur zu märchenhafter Pracht: feiner, säuselnder Duft steigt aus dem Blumenmeer empor, und die Schmetterlinge wiegen sich voll zweifelnder Lust über braun’ Erika, ehe sie, berauscht von süssem Odem, an die lockenden Kelche hernieder taumeln. Mitten in dem wehenden Riedgras erheben sich zackige Felsblöcke, hochgetürmt wie ein steinerner Thron, belegt mit einem Teppich üppich wuchernden Moses, so weich und schwellend und farbenhell gestickt, als sei er zur Wiege für ein Königskind bereitet worden.

Grell umflutet steht er von dem Abendrot und die kleine Eidechse huscht neugierig näher und lauscht mit klugen Augen zu dem jungen Wesen empor, welches einsam, regungslos in dieser Einöde auf sonnigen Steinen liegt.

Braune Arme stützen ein Mädchenhaupt, geknickte Haidestengel schmiegen sich an ruhende Glieder, schmeicheln um die kleinen Füsse, welche mechanisch den gelben Sand scharren, und schmücken den groben Zwilchrock, welcher grau und unschön über den Felsen weht. Schlank und geschmeidig sind die Glieder, lebendig selbst in ihrer Ruhe, und das Antlitz, welches mit grossen, blaugrauen Augen über das schimmernde Heideland starrt, trägt einen fremden, einen seltsamen Charakter. So wild und ungefügig, wie das lange Haar um Stirn und Schultern flattert, so trotzig herb legen sich die Lippen auf feste, weisskeilige Zähne, scharf und spitz wie bei dem Wiesel, welches oft hier durch das Gestein huscht; und die Augen, gross und lebhaft, durchglüht von unbändig jähem Gefühl und dennoch oft von dunklen Wimpern verschleiert, durch welche listig und klug der Blick bricht, magnetisch fesselnd mit leuchtendem Schimmer, diese Augen sind die einzige Schönheit in dem schmalen, wettergebräunten Oval, — der Spiegel einer ungefügen, fessellosen Mädchenseele.

Der Kuckuck lacht leise aus dem Wald herüber, mit silbernem Klang schäumt der Bach durch die Steine, und ein ungeduldiger Griff der wettergehärteten Hand wirft die Haarsträhne zurück und bricht aus dem rotblühenden Sauerampfer zur Seite, dessen saftige Blättlein und Stengel die kleinen Zähne der Dirne rastlos zerbeissen. Wieder und wieder hebt sie das Haupt spähend nach dem dunklen Waldessaum, legt das Ohr auf den sandigen Boden und lauscht mit verhaltenem Atem. Ein seltsames Zucken fliegt über die Züge, sie lächelt, schaut empor und atmet tief auf; noch ein Augenblick angestrengten Schauens — dann springt das Waldkind empor, schüttelt Halme und Sand von sich und gleitet leis und behend wie ein Schatten zwischen die hohen Felsblöcke, schmal ist die Spalte zwischen dem Gestein, undenkbar fast, dass ein Menschenkörper dazwischen Platz findet, — das sonngebräunte Mädchen jedoch windet sich schlank hindurch, duckt sich nieder unter das blühende Gerank der Heiderose und blinzelt mit dunklem Blick über die Ebene.

Da klingt Hufschlag und heiho! Wie die wilde Jagd knattert es durch die Gebüsche, stampft mit flüchtigen Hufen über das Flachland und stösst schmetternd in’s Horn.

Allen voran auf goldrotem Pferd ein Jüngling, schön und keck wie Ritter Georg, der heilige Streiter; prunkendes Jagdgewand gleisst in dem Abendrot, und um die Schultern weht licht das Haar, wie aus Sonnenfäden gesponnen! Ihm nach ein schmucker Zug stolzer Wehrgesellen und Weidmänner, hohe, reckenhafte Gestalten voll trutziger Kraft und Kühnheit, — wie ein Traumbild fliegen sie an dem Felsen vorüber, Sandwolken und geknickte Heidestengel wirbeln hinter ihnen auf, dann ziehts hinab in den Wald.

Zwei Augen haben die Reiter angestarrt, zwei brennende, weitgeöffnete Mädchenaugen sind von Angesicht zu Angesicht gehuscht und schliesslich zurückgekehrt zu dem goldlockigen Jüngling in langem, unaussprechlichem Blick, welcher noch jetzt wie gebannt auf dem wogenden Blattgrün haftet, hinter welchem die rotwallende Mähne zum letztenmal aufflatterte. Leise gleitet das Heidekind aus dem Versteck, presst die Hände gegen die Brust und breitet sie dann in stürmischem Jubel dem glühenden Sonnenball entgegen, silberhelles Jauchzen hallt über die grabesstille Heide, der Kuckuck lockt leise herüber, und tief im Riedgras raschelt die scheue Eidechse, zirpt es ihr heimliche Antwort.

Hastig stürmen die nackten Füsse über die Fläche, genau hat sie’s erspäht, wo der Huf des goldroten Rosses die Erde traf, zerwühlte Blüten liegt rings umher, geknickt und abgeschlagen von dem Eisen des flüchtigen Tieres. Da hebt sie den Zweig der grünen Klette empor, drückt ihn gegen die Brust und lacht leise auf, wie er sich so fest in die groben Zwilchfalten klammert, — dann tut sie prüfenden Umblick über das Flachland, vorgeneigten Hauptes wie das Reh, ehe es sicheren Fuss auf fremdem Gebiete fasst, — und schnell wie der Sturmwind eilt sie den Hügel hinab, haltlos hinein in dämmernden Wald, durch welchen noch immer das Heiho, Horn uud Meutengekläff wiederhallt. —

Das Eichenlaub zittert, als trüge es tiefes Weh. Drunten auf schwellendem Moos liegt ein goldblondes Haupt, warmer Purpur rieselt über bleiche Wangen und färbt die weissen Sternblumen, welche sich klagend über die geschlossenen Augen neigen. Stumm und ernst stehen die Jagdgesellen und netzen das weiche Tuch im Wasser, um die brennenden Wunden zu kühlen, rote Wellen trägt das schäumende Bächlein, und je greller sie sich unter dem feuchten Leinen färben, desto tiefer erblassen die Wangen des jungen Reiters. Herrenlos scharrt der Goldfuchs, an einen Baumast gebunden, die nickenden Farren in den Staub.

Da regen sich leise die Zweige, scheu und dennoch entschlossen tritt eine Maid aus dem Gebüsch, achtlos der Männer schreitet sie näher, nur einen Einzigen sieht ihr glanzloser Blick.

Wortlos neigt sie sich über den Verwundeten, schaut prüfend die blutende Stirn und streicht mit der braunen Hand die Locken zur Seite. „Wasser hilft hier nicht“, flüstert sie leise zu dem Nächststehenden auf, „daheim habe ich Wundsalbe, die stillt jedes Blut sofort!“

„Wer bist du, Dirne, und wo wohnst du?!“ Näher umdrängen sie die Waidgesellen in ungestümer Frage.

„Der Vogelsteller Juan Piccolo ist mein Grossvater, unsere Hütte steht dicht bei der Klause des frommen Paters Severin, keine hundert Schritt weit!“ entgegnete sie mit fliegendem Atem, „schafft ihn zu mir, ich will ihn heilen!“

„Verstehst du dich auf solch’ wundersame Kunde, Maid?“ fragte ein weissbärtiger Alter, zweifelnd auf die kleinen Hände, auf den groben, oft zerfetzten Rock herniederblickend, „so hilf ihm! Es soll dir wohl belohnt werden, wenn du dem jungen Ritter Obdach gibst. Er ist ein reicher Herr und hochgeehrt im Hessenland!“

Da sprüht und blitzt das dunkle Auge zu ihm auf: „Ich helfe ihm, weil ich’s will, nicht weil ich’s soll, oder sein Gold erschleichen will!“ grollt sie zornig durch die Zähne, „ich brauche keinen Lohn, ich bin frei, ich habe alles, was ich will, so weit der Himmel glänzt, kann ich gehn, und die Vögel gehorchen mir und die Tiere tun nach meinem Willen und nach den Menschen frage ich nichts! Schafft ihn auf! Auch der Vogelsteller bewirtet seinen Rittersmann!“

Und sie wirft das Haupt in den Nacken, weist gebieterisch auf den Kranken und wendet sich voraus, den Weg zu zeigen.

Da trifft ihr Blick noch einmal den Alten. „Wie heisst er?“ fragt sie, kurz nach dem blonden Haupt zurückweisend.

„Carl Wolfgang, Dirne, — ’s ist ein edler Herr von Wolfsgeil!“

Da zuckt sie zusammen, als träfe sie ein giftiger Pfeil. „Wolfsgeil? ..“ stottert sie ... „Wolfsgeil? .. von der Burg droben?! — — und ihre Hände sinken schlaff hernieder und ihr Antlitz überzieht fahle Blässe. „So schaut ein Wolfsgeil aus?“

„Just so, Dirne, und ich denke: schmuck genug, wenn wir ihm erst das Antlitz frei gewaschen haben! Aber vorwärts nun, zeig uns den Weg zur Hütte!“

Starr und regungslos steht die braune Maid, wie Wetterleuchten flammt es über ihre Züge, und sie hebt finster wehrend die Hand. „Halt ein! ein Wolfsgeil tritt nicht über Juan Piccolos Schwelle ... es klebt ein Fluch daran!“

„Bist du bei Sinnen, schwarze Hexe?!“ Der greise Waidgesell fasst mit schmerzendem Griff ihr Handgelenk und schaut zornig in ihr bleiches Antlitz. „Soll Carl Wolfgang uns auf freiem Feld verbluten, weil ein gottvergessener Vogelsteller keinen Raum für ihn in seiner Hütte hat? Voran sag’ ich, kleine Wildkatz! bei deinem Leben, zeig uns den Weg!“

Da wirft sie das wilde Haupt trotzig in den Nacken und zeigt die weissen Zähne. „Hoho! weisst du keine andere Sprache, Alter? Befiehl dem Bach, dass er stille steht, befiehl der Mustela Piccolo, dass sie einem Menschen auf der Welt gehorcht, und sie höhnen dich beide „einen Narren“, Gesell! Ich tue, was ich will, ich bin frei wie der Falk und die Hand, die mich ducken will, schlag’ ich, wie er, mit blutigen Fängen!“ Und sie reisst in wildem Trotze ihre Hand los. — „Zum Teufel mit den Wolfsgeils! ich helf ihm nicht!“ Hastig wendet sie sich zur Flucht, noch einen schnellen, glimmenden Blick wirft sie zurück nach dem blonden Haupt des Verwundeten, und der erhobene Fuss stockt, machtlos wurzelt er im Moos, mit regungslosem Antlitz, wie gebannt starrt sie in Carl Wolfgangs Auge.

Sekundenlang hat der junge Reiter in aufflackerndem Bewusstsein die dunklen Wimpern aufgeschlagen und in langem, fieberisch leuchtendem Blick haften die Blauaugen auf den erbarmungslosen Lippen Mustelas. Dunkle Schatten legen sich tief um diese Augen, gross und zauberisch schön in tränenlosem Schmerz glüht eine Welt von nie gelösten Rätseln daraus entgegen, und langsam sinken wiederum die Lider, leises Seufzen lässt die farblosen Lippen beben, und tiefe Starrheit ruht abermals auf seinen Zügen.

Mustela verschlingt die zitternden Hände, ein tiefer Atemzug hebt ihre Brust, und mit glänzendem Blick winkt sie dem Alten. „Folg mir, Gesell, ich will es, dass der Wolfsgeil Obdach findet, — ich will’s!“ Und wie ein Schatten gleitet sie lautlos voran durch das flüsternde Gezweig.

Der Weg ist kurz, den sie zu gehen haben; schweigend folgt der kleine Zug. Über die Heide geht’s, am Bach entlang in den Wald hinab. Mustela schaut nicht nach dem Kranken zurück, aber sie zuckt empor, wenn sein schwerer Atem ihr Ohr trifft, und sie legt den Arm auf den Nacken des goldroten Pferdes und leitet es sicher auf ebneren Weg. Da wendet sie sich zu dem Alten und faltet finster die Stirne.

„Ich nehme den Kranken in unsere Hütte“, sagt sie kurz, „ihn und sein Pferd, sonst keine Seele weiter, verstehst du mich? Und wenn du es mir gelobst, dass dem Juan Piccolo sein Namen verborgen bleibt, so schwöre ich dir hingegen bei der heiligen Jungfrau, dass du ihn bis zum Neumond frisch und gesund wieder sehen sollst, so gesund wie heut morgen, da er sich in dieses Rosses Sattel schwang! Tust du nicht nach meinem Willen, und verrätst du dem Vogelsteller, welchen Gast er beherbergt, so bürge ich nicht fürder für Carl Wolfgangs Leben; wirst du mir aber vertrauen und sein Geschick in meine Hände legen, so verpfände ich dir meine Seele für sein Heil!“ und die seltsame Sprecherin bietet mit befehlerischer Geste die Hand entgegen. „Schlag ein!“

„Ihn allein willst du aufnehmen, Mädchen?“ Ludolf, der Wildmeister, schüttelt finster das Haupt, „wie sollten wir unsern Herrn also verlassen? Wer bürgt für seine Sicherheit? Wehe dem, der glattem Weiberworte traut!“

„Und wehe dem, der Wahrheit nicht zu schätzen weiss!“ ein jäher Blick bricht leidenschaftlich aus ihrem Auge und mit gedämpfter Stimme fährt sie fort: „Hätte ich arges im Sinn, verschwieg’ ich wohl den Hass, den Juan Piccolo wider die Wolfsburg hegt, so sage ich ihn ehrlich in euer aller Gesicht und ich füge hinzu, Juan wird verfolgen und ich werde schützen, Juan ist ein alter, kindischer Mann, seine Enkelin aber ist Mustela, und Mustelas Willen ist das Evangelium für Wald und Heide, — töte mich, aber sag’ nicht, dass ich falsch sei! Sieh, hätte ich einen Feind auf dieser Welt, ich würde vor ihn treten unter Gottes Sonnenlicht, würde die Augen aus seinem Antlitz kratzen, hätte er mich mit bösem Wort gereizt, zu Boden schlagen würd’ ich ihn in jäher Leidenschaft; aber nie und nimmer würde ich sichere Nacht erwarten, um ihn meuchlings in sein Verderben zu locken. Mustela wird zum Hasse nie zu feig, doch stets zu stolz zur Feigheit sein!“

Ludolf wiegt nachdenklich sein weisses Haupt. „Mag’s immerhin so sein, Dirne ich glaube dir’s, und freu’ mich deines graden Sinns; aber schau, es ist nicht Ritterart, den Herrn hilflos allein zu lassen, und darum höre, welch ein Ausweg mir einfällt. Nimm Carl Wolfgang denn immerhin allein unter dein Dach, doch zürne nicht, wenn ich einen Knappen bei dem Klausner Severin zu Gaste bitte, damit er, und sei es auch auf der Schwelle nur, für seinen Junker wacht! Ich selber reite ab und zu, bring’ Wein und Speise aus der Wolfsburg und eine Sänfte, wenn deine wunderkräftige Salbe die Wunden auf der Stirne heilen liess. Bist du’s zufrieden, kleiner Kobold? so schlag’ ein!“

Das Heidekind reichte ihm abgewandt die Hand, presste in finsterem Trotze die Lippen zusammen und schritt schweigend weiter. Dämmerung wehte wie graue Nebel über die Heide und durch die fernen Baumwipfel schimmerte die fahle Mondscheibe; Mustela winkte leise gegen die Reiter, huschte behutsam an eine dichtverwachsene Hecke laubigen Schlehdorns und legte die Hände an den Mund, zirpender Vogellaut ertönte, leise flötend wie glockenheller Amselschlag perlte es von des Mädchens Lippen, und dann folgte der grelle, dreimal wiederholte Schrei des Nusshähers, täuschend hallte es unter den breitästigen Baumkronen. Betroffen lauschte Carl Wolfgangs Jagdzug. Durch die Schlehdornzweige gewahrten sie eine niedere Mooshütte, ähnlich einer Köhlerklause, nur breiter gedehnt an dem niedern Felskamm, gegen dessen schützende Wand sie sorglich gelehnt war. Moos und Birkenrinde deckte das Dach, so tief herabgeneigt, dass kaum der Raum zu schmaler Fensterlucke blieb und die Tür einem Felsspalt glich, welcher nur mit gekrümmtem Rücken Einlass gewährte.

Mustela lauschte mit verhaltenem Atem. Noch einmal wiederholte sie den Vogelschrei und bog gleichzeitig die Zweige zurück, um das Köpfchen spähend hindurch zu schieben.

„Bist du schon zurück, Wildfang?“ klang es gedämpft aus dem Innern der Hütte, ein weisses Haupt schimmerte an der Fensterlucke und neigte sich langsam vor. „Nur herzu, kleine Eichkatz, hast genug geklettert und gejagt, häng’ den Kessel über’s Feuer, mich hungert!“

Mustela wich zurück und winkte den Männern zu folgen, um die Hecke herum führte sie den traurigen Zug. —

„Er ist daheim!“ flüsterte sie zu Ludolf auf, „nennt den Ritter mit falschem Namen!“

Die Pferdehufe klangen auf dem steinigen Boden, und hastig, zitternd in jäher Eile tauchte Juan Piccolos hagere Gestalt aus dem Türspalt.

„Hermengild!“ rief er mit tonloser Stimme, „Pechvogel, was bringst du für bunt Gefieder heim?!“ Und seine schwarzen Augen blitzten über der scharf gebogenen Nase.

„Gefieder, das der Habicht gestochen hat!“ entgegnete die Kleine mit schneller Geste nach Carl Wolfgangs mühsam gestützter Gestalt, „der Junker hat’s mit einem Keiler aufgenommen und seine Gewehre übel dabei geschmeckt. Muss ihn gesund pflegen, Grossvater, und ihn im Käfig halten, bis er wieder flügge ist! Schafft ihn hinein, Gesellen, ich hab’ zwar keine linnenen Kissen für solch edlen Gast, aber weiches Moos und viel guten Willen, und ein ‚Gesegn’ ’s Gott‘ zum Eingang.“ Und des Vogelstellers Enkelkind schlüpfte behend voran durch die Türe.

Regungslos stand der Alte und blickte zu Boden, herber Trotz lagerte auf den gebräunten Zügen. Da trat Ludolf zu ihm hin und bot ihm mit ehrlichem Gesicht die Hand.

„Juan Piccolo!“ sagte er ernst, „willst du den Kranken bei dir aufnehmen? Um Christi willen, der die guten Taten droben anschreibt, schick ihn nicht in die Nacht hinaus, die ihn hilflos verderben lässt.“

„Wer ist’s?!“ klang es statt aller Antwort zurück.

„Ein edler Ritter von dem Weserstrand, der zum Turnei nach Fulda zieht und auf der Wolfsburg droben Gastrecht geniesst. Dein Schade soll’s nicht sein, du lust’ger Bruder Vogelsteller, hier schau, ’s ist klingend Geld und königlicher Lohn für ein schmales Mooslager in der Hütte!“ und Ludolf zog ein ledern Beutlein aus der Tasche und schüttelte es gewichtig in seine nervige Hand. „Greif zu, Alter, solch silbern Laub wächst nicht auf den Bäumen, und wer einen Ritter beherbergt, soll auch dessen froh sein!“

„Behalte deine Pfifferlinge!“ entgegnete Juan rauh, wies kurz nach der Türe und sagte: „Wenn’s der Hermengild zu Willen ist, tut was ihr wollt, ich suche mir mein Lager bei den Füchsen, denn wisst wohl: wär auch die Scholle breit wie eines Kaisers deutsches Reich, sie hätte doch nicht Platz, Juan Piccolo mit einem Gast der Wolfsburg unter einem Dach zu bergen!“ und er pfiff seinem rauhhaarigen Wolfshund, würdigte die Fremden keines Blickes mehr, sondern schritt schweigend in den dunklen Wald hinein. —

Das Frühlicht glitzerte in den Tauperlen, welche farbenspielend von dem Gezweig tropften und märchenhaft prächtige Glücksbogen von einem Blütenkelch zum andern woben, huschte mit blendendem Strahl über das Moosdach von Juan Piccolos Hütte und vergoldete das geneigte Haupt seiner Enkelin, welche mit verschlungenen Händen auf dem Stein vor der Haustüre sass. Vor ihr stand Pater Severin, der kleine, bewegliche Alte mit dem langen, eisgrauen Bart, welcher wie Herbstnebel über die braune Kutte wallte, just so gefärbt wie das Haupthaar, dessen spärliche Lockensträhne der Wind wie einen Heiligenschein um des Klausners Stirn sträubte. Die Kutte war schmutzig und oft mit grobem Hanf geflickt, ein knotiger Strick hielt sie um die Hüften zusammen und trug den abgegriffenen Rosenkranz, welcher die lebhaften Gesten seines Herrn stets mit geschäftigem Schaukeln begleitete. Auch jetzt sprach Pater Severin mit vollem Eifer für die gute Sache, blinzelte gar schlau mit den schwarzen Äuglein und rieb die schwieligen Hände.

„Wiesel du! ... mustela vulgaris, nennt’s die unsterbliche Sprache“, rief er, „soll ich dir wohl eine Falle vor das Tor stellen, die deine tunichtguten Pfötlein im Zaume hält? Was huscht die kleine Wildkatz auf dem Wasen herum und fängt sich allerlei Getier, stopft sich die Hütte voll bunten Gastvolks und legt selbst dem alten Severino ein Kuckucksei in das Nest!“ — und der Alte wandte sich geschäftig um und wies auf den schmucken Waidmann, welcher lachend die Arme in die Seiten stemmte und es sich auf dem gehauenen Baumstumpf bequem machte. „Da sieh dir den Hänfling an, den grünröckigen, den du mir nudis verbis — würde der Lateiner sagen — und bei Nacht und Nebel gar unters Dach geschoben hast!“

Hermengild-Mustela hob mit schalkhaftem Blick nach dem Jäger das Haupt.

„Ich seh’ ihn schon gut“, lachte sie, „und denke, du kannst mit deinem Gast zufrieden sein! Was Juan Piccolos Enkelin bringt, kann Pater Severin auch in stockdunkler Nacht mit Zuversicht aufnehmen, ich habe Augen im Kopf, die das Sehen gar brav gelernt haben!“

„Sakra!“ rief jung Wunibald und drehte schnalzend das schwarze Bärtlein auf der Oberlippe.

„Lose Dirnenaugen, Schelmenaugen! ... dass sich Gott erbarm“, kollerte der Alte voll gutmütigen Zorns — „nulla cautio! würde der Lateiner sagen und auf seiner Hut sein! — Sanctus Bonifacius! sieht sein grün Wämslein und das blanke Horn auf der Hüften und glaubt, es sei zum mindesten ein Kaiserlicher, den sie da in ihren Sprenkeln zappeln sieht. Mustela, du! klein Wiesel, trau den Äuglein nicht zu viel, und wenn du solch schmuckes Bürschlein galoppieren siehst, dann merk fein auf, wie das Rösslein aufstampft, wie’s sein Reitersmann zu tummeln weiss, dass solch fürwitzigem Mädchenvolk gar fingerhoch der Sand in die Äuglein fliegt! — in hypothesi! würde der Lateiner sagen!“ — und Severin wies blinzelnd mit dem Daumen über die Schulter, wo Wunibald mit hellem Juchzer ein wohlverschlossen, plattes Krüglein von dem Jagdgurt löste und es dem Alten hinhielt.

„Heissa!“ rief er, „sollen doch alle Rösslein und Reiter und Schelmenäuglein leben. Prosit, du lustiger Gastfreund!“ und dabei trafen seine schwarzen Augen klein Hermengild, welche die Hände um die Knie faltete und ein Klettenzweiglein zwischen den Lippen hielt.

Severins Hand zuckte von der Flasche zurück. „Sancta!“ rief er hitzig, „ich habe das Gelübde der Nüchternheit getan, Gesell! — Hexe du von einer Mustela vulgaris, sehe die Welt, was für ein verderbtes Gäuchlein sie mir an den Hals gehängt!“ Und der Klausner blies die Nasenflügel auf, schaute mit schrägem Blick nach der Flasche und zwirbelte den Rosenkranz.

„Verderbt ist’s nicht, frommer Vater!“ lachte Wunibald verschmitzt, „sondern hochfeiner Wachholder, den mir Frau Ursula, die brave Schaffnerin auf der Wolfsburg, ganz heimlich in den Schnappsack gesteckt hat! Schaut nur, wie die Tröpflein blinken, kann kein Fegfeuer so heiss brennen wie sie!“ und er zog den Stöpsel heraus und führte das gepriesene Nass an die Lippen.

„Eia!“ nickte Severin, einen Schritt näher tretend, „ist mir wohlbekannt, die Schaffnerin Ursula, hat die Schneehühnlein und Drosseln am Spiess gebraten, wie keine zweite!“ und er fuhr lecker mit der Zunge über die schmalen Lippen, „Sancta, Jung Wunibald, Wachholder sagst du?! Ist ein artig Tränklein und gut für den Magen und gegen Hemiplexie; weiss der Böse, wie es mir jetzt oft so miserabel durch die Knochen zieht! Zeig mal her, ob ich’s noch an dem Duft kenne“, und er streckte die Hand aus und fasste in unsicherer Hast das lockende Krüglein. Mit halbgeschlossenen Augen hielt er es dicht unter die Nase, legte die freie Hand behaglich auf den Magen und zog in langem Zug den starkwürzigen Duft. „Sancta!“ rief er, leicht aufhustend und das Wasser aus den Augen wischend, „das nenne ich Gottes Allmacht, die solch ein Wunderwässerlein aus Wachholderbeeren rinnen lässt, wäre eine neue Schöpfung wert, dass jeglich Brünnlein solchen Trunk ergösse! Eia, wie mein Magen so wunderliche Grimassen schneidet!“

„Lass ihn ein Schlückchen schmecken, Pater Severin, und er wird fromm wie eine Hinde!“ rief Wunibald ermunternd. „Kneif deine Augen ein, und der Himmel sieht’s nicht, dass wir teilen!“

„Misericordias domini cantabo!“ betete Severin mit wehmütig seufzendem Blick zum Himmel.

„Sagst du nicht, Vater Severin, der Wachholder heile allerhand körperliche Gebrechen?“ lächelte Hermengild fein, „nun, so denke ich doch, ist er eine Arzenei, und gegen Pflaster und Tränklein hast du dich nimmer im Gelübde verschworen! Schmerzt dich dein Magen, so heile ihn, und hast du Wachholder, so trinke ihn!“ und die Vogelstellerin warf ausgelassen den Kopf zurück und zwitscherte hell durch die Zähne.

„Tu’ es, frommer Vater!“ nickte Wunibald.

Da hob der Klausner abermals das Krüglein und schaute es gar begehrlich an. „Sancta!“ rief er, „Mustela, kleines Wiesel! willst einen Sünder aus mir machen?! Und die Schlange sprach zu dem Weibe! heisst es in der Biblia, und das war des Bösen Anfang! Arzenei! sagst du? schau an, s’ ist Arzenei in dem Krüglein, und weil es mein armes, gebrechliches Fleisch verlangt, und weil mein Geist schwach ist, so heile ich ihn mit stärkerem Geiste und trinke nicht aus Wohlgefallen, sondern aus eitel Not und Siechtum, damit ich an mir selber zum barmherzigen Samariter werde!“ und der Alte hob den duftigen Krug an die Lippen und tat einen langen, langen Zug. „Prosit, Vater Severin!“ klatschte Wunibald in die Hände, und sein Blick traf Mustelas Auge, Schalk und Übermut blitzte darin, und als der Klausner den Trank tief aufatmend mit breitem Schmunzeln zurückreichte, da hob er das Krüglein gegen die Kleine und rief: „Kredenz mir den Trunk, braun Mägdlein, und ich leere das Fläschlein dir zum Wohlsein, dir und deinen Schelmenaugen!“

Hermengild sah des Jagdgesellen heissen Blick, sie erhob sich langsam und warf das Haupt in den Nacken.

„Kann auch ohne dein Prosit fertig werden!“ sagte sie schroff, wandte sich zu Severin und rief ihm zu: „Macht, dass ihr zur Klause zurück kommt, ich habe des Junkers zu warten!“ und sie fasste das zwilchne Röcklein zusammen und schlupfte in die Hütte.

„Sakra!“ klang es von Wunibalds Lippen, er sprang auf, dass seine Waffenkette rasselte, und schaute ihr mit hellem Auge nach. „Ein Wiesel ist in den Bau gehuscht, hab’ sein sammtnes Fellchen streicheln wollen und sah plötzlich scharfe Zähne, — „Vivat Mustela vulgaris!“ — und er hob die Flasche und tat einen hitzigen Zug.

„Bist ein Jägersmann und wunderst dich drob?“ lachte Severin, sich zum Wald wendend, „freu dich, Gesell, dass die Zähne diesmal nur gezeigt wurden, und wahre dich, sie zu fühlen!“ Und er fasste Jung Wunibalds Arm und trat unter die golddurchflammten Buchenkronen. —

Schweigend sitzt klein Hermengild neben dem niederen Mooslager ihres Schützlings. Sie hat den Kopf sinnend in die Hand gestützt und schaut regungslos in das bleiche Antlitz Carl Wolfgangs, um dessen Stirne sich die kühlen Linnen legen. Zaghaft hebt sie die Hand und streicht