Zu Besuch bei Peter Rühmkorf und Dorothee Sölle - Ilka Scheidgen - E-Book

Zu Besuch bei Peter Rühmkorf und Dorothee Sölle E-Book

Ilka Scheidgen

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Beschreibung

Der Lyriker und Essayist Peter Rühmkorf und die Dichterin und Theologin Dorothee Sölle, beide Jahrgang 1929, wuchsen in die unselige Zeit des Nationalsozialismus hinein. Ihre Sinne wurden schon früh geschärft für die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit und Unterdrückung, politischem Fanatismus und rechtem Gedankengut. Beide engagierten sich in den sechziger Jahren in der Friedens- und Umweltpolitik. Dorothee Sölle gründete mit Mitstreitern in ihrer Geburtsstadt Köln das "politische Nachtgebet". Engagement für Menschenrechte und Solidarität mit den Schwachen waren für Peter Rühmkorf und Dorothee Sölle lebensnotwendiges "Integral". Für Dorothee Sölle bedeutete dies zusätzlich praktische Christusnachfolge. Utopisten sind beide zeitlebens gewesen. Sie wollten nicht aufgeben, an das Gute im Menschen zu glauben, an eine geschwisterliche Welt, die die Schöpfung nicht zugrunde richtet. Es lohnt sich - heute vielleicht noch mehr als zu ihren Lebzeiten - auf die Botschaft dieser beiden unerschrockenen Mahner zu hören. Ilka Scheidgen hat ein Talent, über das nur wenige Schriftsteller verfügen: Sie ist nicht "nur" Lyrikerin und Romanautorin, sondern auch eine gute Gesprächspartnerin. Die Autorin versteht es, die Gespräche geschickt mit Zitaten, mit Hintergrundwissen und kleineren Exkursen zu einem komprimierten, aber sehr essenziellen Porträt zu "verdichten". Nicht das nette Geplauder steht im Vordergrund, sondern es geht medias in res um die wichtigsten Themen des Menschseins. So entstanden gelungene Autorenporträts, die nicht nur informativ, sondern durch ihr hohes Maß an sprachlicher Reflexion auch sehr lesenswert sind. Michael Thalken in Kölner Stadt Anzeiger

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Seitenzahl: 44

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Inhalt

Peter Rühmkorf

Biografisches

Mein Besuch bei Peter Rühmkorf

Nach meinem Besuch

Nachruf

Dorothee Sölle

Biografisches

Mein Besuch bei Dorothee Sölle

Nachruf

Peter Rühmkorf

Der Lyriker und Essayist Peter Rühmkorf wurde am 25. Oktober 1929 in Dortmund als Sohn der Lehrerin Elisabeth Rühmkorf geboren. Sein Vater, den er nie kennen lernte, war Puppenspieler. Von 1951 bis 1958 studierte er in Hamburg Germanistik, Kunstgeschichte und Psychologie. Zusammen mit Werner Riegel gründete er 1951 die Zeitschrift ’Zwischen den Kriegen’ und schrieb für die Zeitschrift ‚konkret’ lyrisch-politische Kolumnen. Von 1958 bis 1964 war er Verlagslektor im Rowohlt Verlag. Seitdem lebte er als freier Autor in Hamburg. 1964 heiratete er die Psychologin Eva-Marie Titze, die als Eva Rühmkorf Kultur- und Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein tätig war.

Sein erster Gedichtband ‚Irdisches Vergnügen in g’ erschien 1959 und ließ bereits Rühmkorfs Virtuosität in Reim und Rhythmus erkennen. Seine Verse sind geprägt von spielerischer Leichtigkeit, verbunden mit einer humorvollen Skepsis. Auch in seinen Essays brilliert Rühmkorf mit scharfzüngiger Persiflage. In seinen Tagebüchern ‚Die Jahre die Ihr kennt’ (1972), ‚TABU I’ (1995) und ‚TABU II’ (2004) wählte Rühmkorf eine Mischform von persönlichen Gedanken, essayistischen Betrachtungen und Gedichten, die zu einer Art persönlicher Geschichtsschreibung werden. Peter Rühmkorf hat auch einige Dramen geschrieben, denen aber kein großer Erfolg beschieden war.

Peter Rühmkorfs Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. 1979 mit dem Erich-Kästner-Preis und dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, 1993 mit dem Georg-Büchner-Preis, 2000 mit dem Hoffmann-von-Fallersleben-Preis für zeitkritische Literatur, 2002 mit dem Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik. Er erhielt die Ehrendoktorwürde der Universitäten Gießen und Göttingen.

Von 1958 bis zu seinem Tod am 8. Juni 2008 wohnte Peter Rühmkorf in Hamburg.

Posthum wurde ihm 2009 der Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor verliehen.

Mein Besuch bei Peter Rühmkorf

Övelgönne - ein so besonderer Ortsteil von Hamburg, wie auch Peter Rühmkorf außergewöhnlich ist. Nur zu Fuß zu erreichen. Kein Auto kann vor dem Haus geparkt werden. Das ist nicht jedermanns Sache. Das Eingekaufte muss über die ‚Himmelsleiter’ getragen werden – eine lange Treppe, die von der Elbchaussee hinunterführt zum feinsandigen Elbufer und der alten ehemaligen Lotsen- und Kapitänssiedlung.

Hier lebt Peter Rühmkorf seit 1967, gemeinsam mit seiner Frau Eva.

„Einen anderen Platz zum Leben kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er, schenkt uns etwas zu trinken ein und zündet sich eine Zigarette an. Vom Wohnraum – bestückt mit ledergebundenen Klassikern und Kunst, die den Kenner verraten. (Rühmkorf studierte außer Germanistik, Psychologie und Pädagogik auch Kunstgeschichte) – schaut man auf den regen Fluss und die Schiffsanlagen am anderen Ufer.

Lieber wäre Peter Rühmkorf mit mir in den darüber gelegenen Arbeitsraum gegangen. „Von dort oben kann man über alles hinwegsehen“, sagt er schmunzelnd, „über die ganze Welt!“ Aber Tausende von Büchern, zum ersten Mal seit 10 Jahren ausgestaubt, so erzählt er, versperren den Weg in sein Arbeitsreich.

„Früher waren ja hier noch diese kleinen Läden, wo man sich kannte“, sagt er jetzt. Und unversehens sind wir beim Thema. „Diese kleinen Krauter“, und seine Stimme nimmt eine melancholische Färbung an, „denen habe ich mich immer verwandtschaftlich nahe empfunden. Das ist doch irgendwie ein verwandter Beruf!“

Tante-Emma-Läden, Jahrmarkt, Puppenspiel – Stationen einer Biografie, deren Anfänge Peter Rühmkorf so skizziert: „Geboren am 25.10.29 als Sohn der Lehrerin Elisabeth R. und des reisenden Puppenspielers H.W. (Name ist dem Verf. bekannt) in Dortmund.“

Ein Vagant, eine Art von Puppenspieler, der seine Gedichte, Possen und Lieder auf Märkten und Plätzen vortrug, ist Peter Rühmkorf ja dann auch geworden. Und seine provokativ-schelmischen, seine parodistischernsten Verse sind nicht wegzudenken aus der Lyrik der vergangenen Jahre.

Mit einem wachen Gefühl für die Gefährdung des Menschen durch Unterdrückung und Anpassung begann Rühmkorf neben seinen eigenen Arbeiten, sich für den Kindervers zu interessieren, nicht die bürgerlichwohlmeinenden, die in Kinderlieder-Sammlungen zu finden waren, sondern diejenigen, an die er sich aus seiner eigenen Kindheit und Schulzeit erinnerte. Weil er diese nirgendwo aufgeschrieben fand, begab er sich gezielt auf die Suche nach ihnen, schaute dabei dem ‚Volk aufs Maul’ und förderte bei diesen Feldstudien eine Fülle von Material zutage.

„Es ging mir auf einmal ein Leuchter auf“, erzählt er, „dass alle Menschenkinder in einer bestimmten Zeit ihrer Kindheit mit Poesie Umgang gehabt haben. Vor Jahren schien mir das als Gottesbeweis schlechthin für die Poesie! Eine ganz eigene Kinderkultur war da am Werk: Es ist doch ungeheuerlich, dass kleine Kinder solche selbst geschaffenen Dinge im Kopf haben und sie weitertransportieren, ohne dass sie jemand dazu drängt.“

Besonders sei ihm aufgefallen, dass Kinder keine Heldenverehrung kennen. Kein einziges Lob! Weder für Sänger, Fußballspieler noch andere Größen der Erwachsenen- oder Kinderwelt. „Nur der Kindervers lässt sich nichts vormachen, er lässt sich nicht dirigieren, im Gegenteil“, resümiert Peter Rühmkorf seine Erfahrungen. „Er hat stets etwas dagegen anzumelden. Am Kindervers exemplifiziert sich das Antiautoritäre. Dennoch ist es erstaunlich, dass die Kinder mit solchen Versen nicht nur gegen die Erziehung und Ordnungswelt der Erwachsenen zu Felde ziehen, sondern dass sie sich darin auch kleine Regeln setzen, teilweise sogar auf geradezu demokratische Weise.“

Gemeinschaftsbildung finde hier in demokratischer Abstimmung statt, eine Vorstellung, die Peter Rühmkorf auch in den Anfängen der Studentenbewegung verwirklicht sah und die ihm ungeheuer gut gefallen hat. Das gemeinschaftliche Tun war für ihn ein wich