Im Gespräch mit Esther Maria Magnis und Marion Poschmann - Ilka Scheidgen - E-Book

Im Gespräch mit Esther Maria Magnis und Marion Poschmann E-Book

Ilka Scheidgen

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Beschreibung

Esther Maria Magnis, Jahrgang 1980, erregte mit ihrem Debüt "Gott braucht dich nicht" 2012 großes Aufsehen. Die studierte Religionswissenschaftlerin wagte in einer ungewohnt ungeschminkten Sprache über Gott und ihren Glaubensverlust, ausgelöst durch den Tod von Vater und Bruder, ihre Kämpfe und ihr Ringen mit diesem so grausamen Gott, der ihr das Liebste nahm, zu schreiben. "Schwester Hiob" titelte ganz zu Recht eine Zeitung. Geradezu das Gegenteil bildet die Autorin Marion Poschmann, Jahrgang 1969, mit ihren Gedichten und Romanen. Die brillante Stilistin, die mit ihren Büchern bereits dreimal in der Shortlist zum Buchpreis landete, zuletzt mit ihrem Roman "Die Kieferninseln" , die zudem viele renommierte Preise für ihr Werk erhalten hat, spricht so verhalten über Gott, Mystik und Glauben, dass viele diese wesentlichen Aspekte ihrer Bücher schlicht übersehen. Mit beiden Autorinnen konnte Ilka Scheidgen Gespräche führen, die offenbaren, wie wesentlich für sie die Gottesthematik ist. Aus ihren Texten und in ihren Selbstaussagen zeigt sich, wie viel beide gemeinsam haben und weshalb die Lektüre ihrer Bücher überaus lohnend ist.

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Seitenzahl: 60

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Das Leben lebt ohne Warum, indem es sich selber lebt.

Meister Eckhart

Mit Gott riskiert man alles.

Jean Anouilh

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Esther Maria Magnis

Biografisches

Gott braucht dich nicht

Gespräch mit Esther Maria Magnis

Marion Poschmann

Biografisches

Die Sonnenposition

Gespräch mit Marion Poschmann

Geliehene Landschaften

Die Kieferninseln

Veröffentlichungen

Pressestimmen

Einleitung

Während bei Esther Maria Magnis in ihrem autobiografischen Buch „Gott braucht dich nicht“ der Name „Gott“, um den es hier geht, schon im Titel erscheint, so geschieht das bei Marion Poschmann sehr verhalten, oft nur indirekt und erahnbar.

Bei Magnis bricht Gott geradezu alttestamentarisch mit Donner und Getöse in das Leben der Protagonistin ein: „Vielleicht ist Gott ein Sadist. Vielleicht ist hinter der Grenze, die wir nur mit unserem Inneren passieren können, ein großes Kind, das schlecht erzogen wurde und sich nicht kümmert.“ Da muss man als Leser erst einmal schlucken!

Ganz anders bei Marion Poschmann: bei ihr überwiegt das Leise. „Bei uns ist die Reise nach innen verpönt, was ich darauf zurückführe, daß dieses Innere nicht nur als Bereich des Göttlichen und damit als Zumutung aufgefaßt wird, sondern eben auch schwer zu lokalisieren ist“ heißt es in ihrem Roman „Die Kieferninseln“.

Im Gespräch mit beiden Autorinnen offenbart sich, wie viel sie gemeinsam haben und weshalb die Lektüre ihrer Bücher überaus lohnend ist.

Esther Maria Magnis

Esther Maria Magnis

Esther Maria Magnis, Jahrgang 1980, ist in Westfalen geboren und hat Vergleichende Religionswissenschaft und Geschichte studiert.

„Gott braucht dich nicht. Eine Bekehrung“ ist ihre erste Buchveröffentlichung.

Das Buch erschien 2012 im Rowohlt Verlag und 2014 als Taschenbuchausgabe im Rowohlt Taschenbuch Verlag. 2013 wurde es ins Portugiesische, 2015 ins Niederländische übersetzt.

Esther Maria Magnis ist verheiratet und Mutter zweier Töchter. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

GOTT BRAUCHT DICH NICHT

Ein provozierendes und aufwühlendes Debüt

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Debüt der 32jährigen Esther Maria Magnis ist in vielerlei Hinsicht ein Ereignis. Zwar kann man in letzter Zeit eine erstaunliche Hinwendung zur religiösen Thematik feststellen – erinnert sei an die letzten Veröffentlichungen von Martin Walser, aber auch das Bekenntnisbuch des SPIEGEL-Redakteurs Matthias Matussek „Das katholische Abenteuer“ oder den Bestseller des Theologen Manfred Lütz „GOTT: Eine kleine Geschichte des Größten“ .

Und doch unterscheidet das Buch von Esther Maria Magnis sich von Beispielen wie den genannten um einen ganz wesentlichen Aspekt: es wirkt und ist authentisch, das heißt: hier ist zuvorderst nicht intellektuelles Hinterfragen oder sprachverliebte Spielerei am Werk.

Nein, hier geht es um nicht mehr und nicht weniger als das Leben selbst, das Leben von Esther Maria Magnis, das einen Riss erhält, als sie noch Kind ist. Mit einer Kindheitsszene beginnt das in drei Kapitel gegliederte Buch, dem jede Gattungsbezeichnung fehlt. An ihrer Stelle findet sich die merkwürdige Angabe „Eine Bekehrung“. Darunter versteht man gemeinhin eine Hinwendung vom Unglauben zum Glauben. Auch davon handelt dieser autobiographische Text. Aber mehr noch handelt er vom zutiefst existenziellen Verlust des Glaubens, von einer Gottesferne und Leere, von einer geradezu hiobsmäßigen Verzweiflung und Anklage, dass Gott sich nicht zeigt, dass er schweigt und dass er das Leid und das Zerbrechen am Leiden zulässt, ohne sich zu kümmern, ohne auf Gebete zu hören.

Als die 14jährige Esther und ihre Geschwister Steffi und Johannes erfahren, dass ihr Vater an einem unheilbaren Krebs erkrankt ist und nur noch „drei Wochen oder drei Monate“ zu leben hat, bricht für sie ihre heile Kinderwelt zusammen. Obwohl die Familie eine gängige Glaubenspraxis übt mit Kirchbesuchen, rebelliert Esther vor allem gegen das, was ihr in Predigten oder im Unterricht über Gott erzählt wurde, denn es unterscheidet sich nicht von dem, über was auch in Talkshows unentwegt palavert wird. So stellt sie sich Gott nicht vor, so spießig, so moralisch. „Ich hatte zwar keine Ahnung, was er wollte, aber er interessierte mich einfach, irgendetwas band mich an ihn. Sein Gottsein. Seine Wirklichkeit.“

„Ich brauchte als Vierzehnjährige nicht noch einen Unsichtbaren und schon gar keinen orientalischen Pazifisten mit Schlappen und Vollbart.“ Denn: „So niedrigschwellig Jesus auch angeboten wurde, so wenig konnten meine Freunde und ich etwas mit ihm anfangen.“ Eine ganz normale Pubertierende also. „Es war in diesem Alter, so mit dreizehn, vierzehn, als ich irgendwie begann, mich leise von Gott zu trennen. Eine Trennung ohne Winken, ohne tschüs zu sagen.“

Und dann, mit der grauenhaften Ankündigung seines baldigen Todes, der nur einen Gedanken in ihr auslöst „Ich will Papa behalten“, bricht sich ETWAS in ihr Bahn, das diesen Wunsch zu einem Gebet werden lässt, einem Gebet, das ihr ganzes Sein erfasst und in das sie ihre Geschwister mit hineinnimmt. Plötzlich gab es kein Wenn und Aber, keine Vernunft, die beschwichtigt, sondern nur noch einen unbeirrbaren Glauben an ein Wunder, das den Vater retten würde. Da war plötzlich wieder da, was Esther als kleines Kind von fünf Jahren am Meer einmal erlebt hatte, was man als mystisches Erlebnis bezeichnen könnte.

Die Schilderung jenes Erlebnisses ist nur eine jener Stellen im Buch, das sich konsequent einer literarischen Einordnung verweigert, bei der sich die poetische Sprachkraft der jungen Autorin zeigt. „Während ich schaute, begann die Tiefe des Himmels, die sich durch die einzelnen Sterne darin andeutete, zu wachsen. Ich kannte nichts von dem. Die Wellen des Meeres wurden nicht leiser, aber das Rauschen nahm eine andere Richtung. Es führte nicht zu mir, zu meinem kleinen Platz auf den Steinen, sondern hinaus in die Weite. (…) In mir, ohne Konsonanten, ohne Vokale – mein Name. Die Welt trat nicht zurück, aber ich trat aus ihr hervor. Mitten aus der Nacht, weil mein Name in mir nachklang. Die ganze Zeit. In einer Weise, in der ich nicht sprach. Darin lag ein Ernst, liebevoll und gleichzeitig unbedingt.“ Und da wusste das kleine Kind, dass es Gott begegnet war. Und jetzt war es wieder so. Das Gebet für den Vater „unterschied sich von allen anderen Hinwendungen, die ich bis dahin zu Gott getan hatte. Ich war das Gebet. Ganz.“

So etwas zu lesen, dürfte einem aufgeklärten Geist Schauer einjagen.

Aber dieser so unglaubliche Glauben an die Kraft des Gebetes wird geprüft und im Zorn verworfen und dann noch einmal ganz elementar beschworen. Eineinhalb Jahre hat der Vater durch verschiedene Therapien schon wider Erwarten überlebt. Als es heißt, „Papa stirbt“, mobilisiert sie noch einmal all ihre Kräfte. „Ab diesem Tag begann ich, mein ganzes Vertrauen Gott zu schenken und zu glauben, dass sich der Berg erheben und ins Meer stürzen würde, weil ich betete, als hätte ich’s schon empfangen. Den letzten Zweifel verscheucht.“ Ein halbes Jahr später ist der Vater tot. „Danach bin ich verstummt. – Totenstille die ganze Welt. Still und kalt. Wie wenn Schnee gefallen ist. Ohne Gott. Ohne mich. Und keine Regung mehr.“ So endet das erste Kapitel.