Das letzte Opfer - Winfried Wolf - E-Book

Das letzte Opfer E-Book

Winfried Wolf

0,0

  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Herrmann Schmidt ist ein Künstler der Verwandlung. In seinem Leben hat er schon viele Rollen gespielt und seine Identitäten gewechselt, wie andere ihr Hemd. Erst diente er verschiedenen Herren, dann machte er sich selbständig und brachte es bis zum Grafen, der seinen Einhandsegler durchs Mittelmeer steuert. Zeitweise hielt man ihn sogar für einen Altertumsforscher, dann versuchte er sein Glück als Investor von Ferienanlagen. Doch alle seine Geschäfte begleitet der Tod. Hauptkommissarin Stumpf von der Freiburger Mordkommission hat es nicht leicht, seine Spuren zu verfolgen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 246

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Umschlaggestaltung: Anna-Elisabeth Treitinger

Inhaltsverzeichnis

Kamera auf dem Meeresgrund gefunden

Altlasten und neue Perspektiven

Hauptkommissarin Helene Stumpf, KI 1, Kriminalpolizei Freiburg

Ins Heim oder betreutes Wohnen?

Ein alter Fall wird heiß

Vorbereitungen I

Vorbereitungen II

Wiederaufnahme des Falles Prager

Der Ausflug nach Gortys

Die Ermittlungen nehmen Fahrt auf

Agenten unter sich

Alle wollen Prager fangen

Neue Projekte

Wer kommt hier wem entgegen?

Eine Blüte des Tourismus

Nachtrag

Personen:

Kamera auf dem Meeresgrund gefunden

Disziplin hielt seinen Alltag zusammen, immer schon. Eine Tasse Kaffee nach dem Aufstehen, dazu eine Scheibe Brot mit Butter und Pflaumenmus bestrichen und ein erster Blick in die Zeitung. So fing es an, dann setze er sich für zwanzig Minuten ans Rudergerät, anschließend, nachdem er etwas Wasser zu sich genommen hatte, stieg er aufs Rad um, noch einmal zwanzig Minuten bis ihm der Schweiß zu Boden tropfte. Zur Kontrolle warf er dabei immer wieder einen Blick auf seine Apple-Watch, der Puls sollte nicht über 140 sein. Gestern verbrauchte er 120 Kcal, die Herzfrequenz lag bei 125 BPM. Heute würde es nicht anders sein, die Bedingungsvariablen hatten sich nicht geändert.

Die Bilder in der Zeitung waren ihm schon beim Durchblättern aufgefallen. Er warf auch einen Blick auf die Überschrift. „Kamera auf dem Meeresgrund gefunden“. Das obere Bild zeigte ein von Algen und Pflanzen bedecktes Kameragehäuse und die Fotografie darunter zwei Männer, die sich, unter Deck einer Yacht stehend, zuprosteten. Ganz offensichtlich hatten sie etwas zu feiern, wenn auch der Mann auf der linken Seite etwas angegriffen wirkte.

Der Mann sah aus wie sein ehemaliger Kollege Rudolf Prager, das war eine Überraschung. Prager unterrichtete vor seiner Pensionierung, das musste schon drei Jahre her sein, an seiner Schule, dem Friedrich-Gymnasium, die Fächer Geschichte und Deutsch.

Leber stand kopfschüttelnd auf, zog sich seine Sportkleidung, eine kurze, schlabberige Hose und das türkisblaue Shirt an, dann ging er an seine Sportgeräte. Das Denken schaltete er während der Übungen aus, das gelang ihm in letzter Zeit immer besser.

Nach Dusche und Morgentoilette und ungeordneten Gedanken zum Zeitungsartikel setzte sich Leber wieder an den Küchentisch. Auf dem Tisch lag noch immer die Zeitung so aufgeschlagen, dass man den Bildern nicht ausweichen konnte.

Naja, das konnte ja eigentlich nicht sein, dachte Leber, sein ehemaliger Kollege Prager war schließlich tot. Vor zwei Jahren war er mit dem Flugzeug abgestürzt, das war amtlich. Das Ereignis konnte in Zahlen gefasst werden: Die Wahrscheinlichkeit, bei einem kommerziellen Flug abzustürzen, beträgt 1:500.000 pro Flug; solche Zahlen waren dem Mathematiker Leber geläufig und er wusste auch, dass bei weitem nicht alle Abstürze zum Tod der Passagiere führten. Wenn er sich recht erinnerte, gab es im Jahr 2012 pro Billion Passagierkilometer 59 Tote. Das ist verschwindend wenig, aber wenn unter den Wenigen auch ein Freund ist, ist alle Statistik ohne Belang, das war auch ihm klar.

Leber nahm die Zeitung vom Tisch und setzte sich in seinen bequemen Lehnstuhl. Den Artikel musste er lesen, bevor er sich, auch das gehörte zu seiner täglichen Routine, einen Tee aufsetzte. Ins Teesieb kamen sechs Löffel türkischer Apfel und drei Löffel Blutorange, das war für ihn fast abenteuerlich, aber er hatte sich nach einem sich zufällig ergebenden Gespräch mit der jungen und wirklich nicht unfreundlichen Verkäuferin in seinem Teeladen für diese exotische Mischung entschieden, was tatsächlich einer Laune entsprang, denn bisher hatte er nur auf Earl Grey gesetzt.

In dem Artikel war von einem Sensationsfund die Rede, der sich aber im Nachhinein als Flop herausstellte. Von dem sog. Mechanismus von Antikythera hatte Leber schon gehört. Im Jahr 1900 wurde von Schwammtauchern in einem Seegebiet südlich der Insel Antikythera zusammen mit anderen Funden in einem antiken Schiffswrack ein technisches Gerät gefunden, das in die Wissenschaft später als der Mechanismus von Antikythera eingegangen ist. Dabei handelte es sich, darin waren sich die beteiligten Wissenschaftler einig, um ein antikes, mit einer astronomischen Uhr vergleichbares Instrument, das mit Hilfe von Zahnrädern und Zifferblättern astronomisch-kalendarische Zusammen-hänge zeigte.

Leber wusste nicht mehr, ob er mit Prager einmal über diesen Mechanismus gesprochen hatte, es wäre auf jeden Fall ein aufregendes Gesprächsthema gewesen, das beiden gefallen hätte, schließlich war das eine Sache, für die sie beide aus verschiedener Perspektive heraus großes Interesse aufbrachten. Es hätte sozusagen ein interdisziplinäres Gespräch gegeben. Im Übrigen, erinnerte sich Leber, gab es etliche Themen, über die er mit Prager sprechen konnte. Im Kollegenkreis war er der einzige, mit dem er überhaupt Lust hatte, ein paar Worte zu wechseln.

Leber wandte sich nach dieser kleinen gedanklichen Abschweifung wieder dem Zeitungsartikel zu: Die Tauchergruppe unter Leitung von Professor Thukides von der Abteilung für Unterwasserarchäologie hatte im Frühjahr damit begonnen, im Umfeld eines antiken Schiffswracks, das südlich der kleinen Insel Antikythera schon 1900 von Schwammtauchern entdeckt wurde und schon mehrfach Ziel von Tauchexpeditionen war, nach weiteren Teilen oder gar Duplikaten des Mechanismus zu suchen. Davon befinden sich bereits 82 Fragmente im Archäologischen Nationalmuseum von Athen. Die drei größten Teile sind dort in der Abteilung für Bronzegegenstände öffentlich ausgestellt. Der in diesem Frühjahr von Tauchern geborgene „Sensationsfund“, der zunächst für einen Teil des antiken Mechanismus gehalten wurde, entpuppte sich jedoch bei genauer Betrachtung im Sonnenlicht auf dem Deck des Forschungsschiffes als moderne Kamera – eine handelsübliche Digitalkamera, deren Alter auf nicht mehr als fünf Jahre geschätzt wurde. Trotz anfänglicher Enttäuschung löste der Fund bei der Bergungsmannschaft großes Erstaunen und gespannte Erwartungen aus.

Wann hatte er Prager eigentlich das letzte Mal gesehen? War das nicht in Basel, im Museum Tinguely? Er hatte dort seinen Kollegen Prager vor einer der Maschinenskulpturen stehen sehen und ihn mit seiner Begrüßungsformel etwas aus der Fassung gebracht. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei ganz bestimmte Menschen zufällig begegnen, kann man mit 1:81 Millionen gleichsetzen“. Und ergänzend hatte er hinzugefügt: „Freilich erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, wenn man Faktoren wie persönliche Vorlieben einberechnet.“

Als Prager sich umwandte, um zu sehen, wer ihn da von hinten ansprach, machte er fast einen erschreckten Eindruck auf ihn und erst als er sagte, dass er ihn, seinen ehemaligen Kollegen wohl nicht in einem Kunstmuseum erwartet habe, löste sich bei Prager etwas die Spannung. Doch der Eindruck blieb, Prager kam ihm irgendwie anders vor, das war nicht der Witz seines Kollegen der aus ihm sprach als er sagte: „Dass ich dich hier wiedersehe, ist sicherlich kein Zufall.“

Natürlich war es ein Zufall, selbst wenn man für ein solches Ereignis die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens angeben konnte. Als Pragers weibliche Begleitung sich dann zu ihnen gesellte und der ihm die Frau vorgestellt hatte, dabei aber vergaß, ihr den Kollegen aus seiner alten Schule mit Namen zu nennen, hatte er dies selbst mit den Worten „Bertold Leber, ein Kollege Ihres Bekannten, ebenfalls Lehrer am Friedrich-Gymnasium. Mein Fach war und ist die Mathematik.“ getan.

Leber erinnerte sich genau, wie Gerlinde Körner, so hieß Pragers Begleitung, darauf reagiert hatte. Lachend sagte sie: „Ich wollte immer schon mal denjenigen kennenlernen, den meine Freundin Hannah für mich ausgesucht hat. Sie müssen wissen“, dabei blickte sie auf Prager, „Hannah war eine ausgesprochene Kupplerin.“

Leber hatte nicht gleich verstanden, was Frau Körner damit eigentlich sagen wollte, aber Prager forderte seine Begleiterin auf, ihm die dahinter stehende Geschichte zu erzählen und Frau Körner kam dieser Aufforderung mit Vergnügen nach: „Also, meine Freundin Hannah, Rudolfs verstorbene Frau, bat mich einmal nach dem Joggen mit ihr in ein Freiburger Bierlokal zu gehen. Dort saßen nämlich Sie, Herr Leber und mein lieber Rudolf. Ich nehme an, dass Sie beide dort nach einem aufregenden Elternabend noch ein wenig über die Verteilung der Intelligenz unter der Menschheit diskutieren wollten. Wie auch immer, Hannah sagte jedenfalls zu mir: „Du bist solo und soviel ich weiß, ist auch der Kollege meines Mannes noch ohne Anhang, wir könnten doch aus dieser Konstellation eine lustige Viererbande gründen. Das war natürlich ein Scherz und wie Sie jetzt aus meiner Erzählung wissen, ist nichts daraus geworden. Wir sind an diesem Abend ins Alfonso gegangen, eine Bierkneipe war nicht nach unserem Geschmack.“

Leber wusste nicht mehr ganz genau, wie er auf diese Offenbarung reagiert hatte. Vermutlich war ihm dazu wieder nur ein Beispiel aus der Chaostheorie eingefallen, wonach sich mit einer winzigen Handlung im Geflecht sozialer Beziehungen Geschichte schreiben lässt. Diese Gerlinde Körner, wohl die neue Frau an Pragers Seite, gefiel ihm, der sonst für das weibliche Geschlecht wenig Aufmerksamkeit zeigte, ausnehmend gut. Was hätte aus einer Begegnung damals werden können, wenn die Frauen zu ihnen in den Biergarten gekommen wären?

Sie hatten nicht lange miteinander gesprochen, als sie sich da zufällig im Museum Tinguely gegenüberstanden. Prager schien es irgendwie eilig zu haben und ja, das fiel ihm auf und blieb im Gedächtnis: Prager kam ihm seltsam fremd vor, die kollegiale Vertrautheit von ehedem war wie weggewischt.

Leber sah sich noch einmal das Bild in der Zeitung an. Die Aufnahme war etwas verschwommen und auch nach eingehender Betrachtung unter der Lupe konnte er nur ein weiteres Mal feststellen: Der Mann sieht dem Prager ähnlich, aber es ist komisch, ihm haftet die gleiche Fremdheit an, die ich damals an meinem Kollegen in Basel wahrnahm.

Es war ein Dienstag. Nach dem Mittagessen, Leber hatte sich aus alter Gewohnheit Lachs mit Lauch zubereitet, spazierte er, auch das war seit Monaten schon eine liebgewordene Gewohnheit, durch den Alten Friedhof in Herdern. Bei einer Gedenktafel blieb er stehen und las zum wiederholten Male den Hinweis auf ein Ereignis, das dem Orkan Lothar zu verdanken war. Der Sturm hatte eine Platane zu Fall gebracht, die nun im Liegen weiter grünte: „Denn für den Baum besteht noch Hoffnung, ist er gefällt, so treibt er wieder, sein Sprößling bleibt nicht aus.“

Leber lächelte, so war das mit dem Rudolf auch. Nach dem Tod seiner Frau hatte er sich vor der Zeit pensionieren lassen, war nach Kreta gefahren und widmete sich dort, wie man hörte, seinem ehemaligen Unterrichtsfach Geschichte, genauer gesagt, der Römischen Geschichte. Er sollte auf der Insel, wie Leber von einem Kollegen erfahren hatte, sogar für ein schwäbisches Touristikunternehmen Führungen organisiert haben. Viel mehr wusste Leber über seinen ehemaligen Kollegen nicht und er verstand nicht, warum ihm Rudolf nie geschrieben hatte. Er selbst hatte ihm nach dem herben Verlust der Ehefrau, seine Hilfe angeboten. Er wollte ihm in der Not beistehen ja, er hatte es eine Zeitlang sogar für möglich gehalten, dass aus ihrer kollegialen Verbundenheit Freundschaft entstehen könnte, aber Rudolf unterließ es, aus welchen Gründen war nicht nachvollziehbar, auf seine Briefe zu antworten. War das ein Grund für die gezeigte Reserviertheit, als sie sich zufällig in Basel, im Museum Tingely trafen?

Dieser Mann auf dem Bild in der Zeitung, könnte das mein ehemaliger Kollege Prager gewesen sein?, fragte sich Leber. Mit der digitalen Aufzeichnung der Bilder war ja auch das Aufnahmedatum herauszufinden. Ich muss die Todesanzeige, die Gerlinde Körner, seine zweite Frau, in die Badische Zeitung hatte setzen lassen, heraussuchen, dachte er. Und das Datum des Flugzeugabsturzes, das lässt sich ebenfalls herausfinden, ein Anruf im Zeitungsarchiv dürfte genügen. Wenn das Foto nach dem Flugzeugabsturz gemacht wurde, ist Prager noch am Leben. Aber warum hat ihn dann seine Frau ein Jahr nach dem Unglück für tot erklären lassen, das ergibt keinen Sinn, also ist Prager tot, ertrunken im Mittelmeer und das Bild in der Zeitung zeigt eben nur einen Mann, dessen Identität noch nicht festgestellt wurde. Dass dieser Mann eine gewisse Ähnlichkeit mit Rudolf Prager hat, das kann vorkommen, in gewisser Weise hat jeder einen Doppelgänger von sich in der Welt herumlaufen. Aber da gibt es vielleicht doch überzufällige Zusammenhänge: sein Kollege stürzte mit dem Flugzeug, das sich auf dem Weg von Kreta nach Deutschland befand, über der Ägäis ab, seine Leiche wurde nicht gefunden. Die Absturzstelle ist nicht weit entfernt vom Fundort der Kamera, von der hier in der Zeitung die Rede ist. Und die Kamera wurde nicht weit entfernt von dem Ort gefunden, an dem man vor Jahren den sog. Mechanismus von Antikythera entdeckt hatte.

Pragers Spezialgebiet war Römische Geschichte und selbstverständlich gehörten die alten Griechen und ihre Erfindungen ebenfalls in seinen Interessenshorizont. Das sind schon komische Zusammenstellungen, eigentlich Verknüpfungen, die man wissenschaftlich gar nicht vornehmen kann, dachte Leber, als er seinen Weg im Alten Friedhof fortsetzte. Wer ist der zweite Mann auf dem Bild? Im Artikel wurde angedeutet, dass man die Identität dieses Mannes herausbekommen habe, seinen Namen aber nicht nennen wolle. Das fällt wohl unter Personenschutz, dachte Leber. Aber wenn man weiß, wer dieser Mann ist, kann man doch auch die Identität des anderen Mannes, der meinem ehemaligen Kollegen Prager so ähnlich sieht, herausbekommen. Warum aber wird dann geschrieben, dass man noch nicht wisse, um wen es sich da handele?

Wusste der rechte Mann im Bild nicht, wer der links Abgebildete war? Machte das Sinn? War der Frage auf mathematischem Wege beizukommen?

Mein Fach findet bei der Vorhersage des Wetters Anwendung, Geldgeschäfte werden mit Hilfe der Mathematik abgewickelt. Mathematik besteht nicht nur aus Formeln und Gleichungen – sie ist die reine Vernunft, mit ihr kann unser Verstand die größten Rätsel lösen, die wir kennen.

Wenn ich nur ein paar Dinge mehr wüsste, dachte Leber, dann ist auch im Fall meines Kollegen Prager mehr Klarheit zu bekommen. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass wir mit Hilfe asymptotischer Analysis in der Lage sind, qualitative Aussagen über den Wahrheitsgehalt eines Sachverhalts, einer Geschichte zu treffen. Die Mathematik ist ja z. B. schon bei der genauen Bestimmung von Tatort und Tatzeit im Spiel. Ebenso werden Täterprofile durch mathematische Methoden modelliert, gleichzeitig weiß man von den Grenzen dieser Modellierung, z. B., wenn unberechenbare Emotionen ins Spiel kommen.

Leber erinnerte sich daran, dass er einmal seine Schüler aufgefordert hatte, einen Kriminalfall zu lösen. Sie bekamen von ihm die dazu gehörigen Spuren, die sie in arbeitsteiliger Gruppenarbeit untersuchen sollten. Die Ergebnisse wurden protokolliert und an der Tafel festgehalten. Per Ausschlussverfahren wurde ein Hauptverdächtiger herausgefiltert. Die Lösung des Falls gelang über einen Fingerabdruck auf einem Geldschein.

Leber lachte in sich hinein. Er war nie der große Didaktiker gewesen und Gruppenarbeit hielt er, zumindest was sein Fach betraf, für eine unnötige und zeitfressende Beschäftigung, aber in diesem Fall hatte er selbst Spaß an der Lösung des Falles gefunden.

In der Hausaufgabe sollten die Schüler herausfinden, ob die Kriminalpolizei bei einem Staatsanwalt einen Haftbefehl beantragen könne und er erinnerte seine Schüler daran, dass ein solcher Haftbefehl nur dann ausgestellt werden kann, wenn es genügend Beweise gibt. „Überlegt euch“, murmelte Leber vor sich hin, „ob ihr genügend Beweise zusammengetragen habt, um den Verdächtigen festnehmen zu lassen. Überlegt auch, welche zusätzlichen Beweise oder Informationen für euch noch hilfreich wären!“

Wie war das im Fall seines Kollegen Prager? Dessen Leiche wurde nie gefunden. Hatten sich die Behörden wirklich alle Informationen beschafft, die möglich gewesen wären? Könnte dieses Bild in der Zeitung nicht vielleicht ein hilfreicher Hinweis sein, eine Information, die zur Klärung des Falles beitragen könnte?

Leber war am Ausgang des Alten Friedhofes angekommen. Er holte sein Handy aus der Jackentasche und sah in der Einkaufliste nach, was in seinem Haushalt fehlte. Der nächste Supermarkt lag keine 100 Meter entfernt.

Altlasten und neue Perspektiven

Den ganzen Vormittag über hatten sie von Ankäufen, Verkäufen, Investitionen, Rücklagen und Künstlern gesprochen, die für ihre Galerien in Freiburg und Berlin eine neue Perspektive eröffnen konnten. Sie lachten und klopften sich gegenseitig auf die Schulter, gossen von dem guten Valdo nach, stießen auf sich und die guten Geschäfte an und versicherten sich immer wieder gegenseitig, wie erfolgreich doch das zurückliegende Geschäftsjahr für beide verlaufen war.

Die Galerien konnten jetzt in die Sommerpause entlassen werden, ja, so persönlich sahen sie das, weil es ja auch irgendwie ihre Kinder waren und diese jährliche Unterbrechung des Geschäftsjahres dauerte, daran hatte sich bisher nichts geändert, immer von Anfang August bis Mitte Oktober.

Die meisten Kunden machten jetzt Urlaub, die Kontakte zu Händlern und Vermittlern schliefen, gute Gründe, sich jetzt ebenfalls eine Ruhepause zu gönnen. Aber auch diese sog. Ruhezeit, das zeigten die Erfahrungen der letzten Jahre, konnten vielfältig genutzt werden: man lernte genialische Künstler an entlegenen Orten kennen, knüpfte neue Verbindungen zu potentiellen Käufern und Verkäufern und entdeckte dabei mitunter etwas, was einmal zum Programm werden konnte.

Doch Glück und Zufriedenheit sind immer nur vorübergehende Gefühlswallungen, das wussten beide Frauen aus eigener, schmerzlicher Erfahrung, und Laura war es nicht entgangen, dass ihre Freundin Gerlinde Sorgen hatte, große Sorgen.

Schon bei ihrer Ankunft in der Zehlendorfer Villa war ihr aufgefallen, dass hinter den herzlichen Worten der Begrüßung und der Freude des Wiedersehens etwas die gute Stimmung überlagerte, das unausgesprochen über aller Wiedersehensfreude lastete.

Aber Laura Christ war nicht die Frau, die etwas auf die lange Bank schob und darauf hoffte, dass eine belastende Situation sich von selber in Wohlgefallen auflösen könnte.

Sie stellte sich vor ihre Freundin, fasste sie bei den Schultern und sah ihr tief in die Augen. Gerlinde wandte den Blick ab, auch wenn weiter ein Lächeln ihren Mund umspielte. „Wegschauen geht bei dir wohl nicht“, sagte sie, „du musst immer allem gleich auf den Grund gehen, nicht wahr, meine Schöne?“

Laura nahm ihre Hände von den Schultern der Freundin, drehte sich einmal im Kreis und nahm breitbeinig stehend wie ein Landvermesser ihre Freundin ins Visier: „Du weißt doch, ich habe Archäologie studiert, das Graben gehört zum Handwerk. Und bei dir sehe ich schon an der Körperhaltung, wie sich da ein Sorgenmuster abzeichnet. Sag‘ mir, was dich bedrückt.“

Gerlinde nahm Laura bei den Händen und zog sie hinter sich her in den Salon. Vor einem Original Holzschnitt Conrad Felixmüllers blieben sie stehen. Laura, die gelehrige Schülerin sagte ihren Spruch auf: Das Werk heißt „Kunststudium“ und ist ein Holzschnitt aus dem Jahr 1951. Auf weißem Japan, vom Künstler mit Bleistift handsigniert. Für unter 200 Euro zu haben, das hier ausgestellte Stück jedoch nicht unter 2 000, habe ich Recht?“

„Ja“, sagte Gerlinde, „das Bild stammt aus der grafischen Sammlung von Reitzenstein, gehört also sozusagen zur Erbmasse der Pragers.“

„Ich verstehe, damit sprichst du leicht verrätselt an, was dich bedrückt. Es ist, wie ich vermute, wieder einmal der Dritte im Bunde, der dich nicht froh werden lässt. Ich frage mich schon seit längerem: Wann werden wir ihn endlich los? Zahlst du immer noch an ihn eine sog. Aufwandsentschädigung oder sollte ich sagen Schweigegeld?“

„Ja, ich komme aus dem Dilemma nicht heraus“, stöhnte Gerlinde und setzte sich in den ausladenden Sessel, den sie beim Kauf des Hauses aus dem vorhandenen Mobiliar der Villa übernommen hatten, sie und Rudolf, als sie vor drei Jahren von Freiburg nach Zehlendorf in dieses herrschaftliche Haus aus den dreißiger Jahren zogen.

Letztes Jahr war der totgeglaubte Gatte wieder aufgetaucht. Nach dem Absturz des Flugzeuges über der Ägäis hatten sie gedacht, unter die bisherige Geschichte einen Schlusspunkt setzen zu können. Um so schockierender wirkte auf sie die plötzliche Wiedergeburt eines Untoten, den Gerlinde bereits für tot hatte erklären lassen.

Mit Schaudern dachte Gerlinde daran, als er in der Nacht der Galerien, wie aus dem Nichts kommend, bei ihr im Büro erschienen war. Er sah anders aus, als sie ihn in Erinnerung hatte, kahl rasiert und mit Vollbart, er sah aus wie ein Seemann auf Landgang, nur trug er keinen Matrosenanzug, sondern kam im eleganten Anzug und da erkannte sie ihn, den Verwandlungskünstler, der von einem Moment zum anderen seine Identität wechseln konnte.

Er hatte einen Tag später mit ihr im Treptower Park ein Treffen vereinbart. Sie hatte zugestimmt, weil mit diesem Treffen in ihrem Kopf die unterschiedlichsten Erwartungen vermengt wurden und sie nichts anderes wünschen konnte, als Klarheit zu bekommen. Und Klarheit konnte er bieten, schonungslos und ohne erkennbare Emotionen vorgetragen. Es war ernüchternd und befreiend zugleich, allerdings nur für den Moment, später war ihr bewusst, das nichts wirklich geklärt war.

Er hatte den Flugzeugabsturz überlebt, zum wiederholten Male eine neue Identität angenommen und ihr keine Wahl gelassen, wie sie sich entscheiden sollte. Nein, entscheiden konnte sie sich nicht, er legte fest, was geschehen sollte. Seine kalte Freundlichkeit hatte sie anfänglich erschreckt, gleichzeitig aber auch irgendwie zur Besinnung gebracht.

Sie trafen eine Vereinbarung, die für beide von Nutzen sein sollte: Er wollte im Reich der Toten bleiben, sie sollte in den Genuss seiner Lebensversicherung kommen und Teile seines Vermögens erben. Außerdem wollte er ihr einen Großteil der noch verbliebenen Bilder aus der Sammlung Reitzenstein überlassen, dazu das Haus auf Kreta, und - das hörte sich fast wie ein Witz an, eine Witwenrente, die ihr als Frau des verstorbenen Lehrers Rudolf Prager zustand.

Als Gerlinde ihrer Freundin Laura später davon erzählte, brach diese in ein fast hysterisches Lachen aus: „Dieser Betrüger verschafft dir sogar noch Rentenansprüche, die du nicht ablehnen kannst, weil sonst alles auffliegt. Wenn du ihn verrätst, wird man dich der Mitwisserschaft bezichtigen, vielleicht wird man dir sogar unterstellen, dass du gewusst hast, dass dieser Mensch seinen Tod nur gespielt hat, dass hinter diesem Mann, der auch noch die Frechheit besaß, deinen Namen anzunehmen, ein ehemaliger Agent der DDR steckt, der nicht davor zurückschreckte, Menschen zu töten.“

„Das wissen wir nicht“, hatte Gerlinde einzuwenden versucht, „aber du hast recht, er ist vermutlich ein Verbrecher und ich habe mich auf ihn eingelassen, weil er mich in der Hand hatte und ich glaube, dass wir beide nichts unternehmen können, um uns aus dieser Fesselung zu befreien.“

„Da bin ich aber anderer Meinung“, wandte Laura ein: „Wir brauchen doch bloß unser Geschäft finanziell abzusichern und dann gehen wir zur Polizei. Du kannst immer noch sagen, dass du von seiner Vergangenheit nichts gewusst hast und tatsächlich glaubtest, in ihm den Mann deiner verstorbenen Freundin Hannah gesehen zu haben.“

„Du weißt, dass das nicht stimmt und ich glaube nicht, dass ich hier in einer wirklich guten Position bin. Aber du hast Recht, ich muss mir überlegen, wie ich aus dieser Sache herauskomme. Ich zahle, wie du weißt, immer noch monatlich fünftausend Euro auf ein Konto für angebliche Beratungs- und Vermittlungstätigkeit ein und er hat immer noch Zugriff auf einige sehr wertvolle Bilder aus der Sammlung von Reitzenstein. Meine Handlungsfreiheit als Erbin ist also mehr als eingeschränkt.“

Laura griff nach der Hand ihrer Freundin: „Wir werden eine Lösung finden, sicher nicht heute, aber ich habe da so ein paar Ideen.“

„Um Gottes Willen, Laura, mach‘ nichts Unüberlegtes, der Mann ist gefährlich!“

„Weiß ich doch, aber wir sind auch nicht auf den Kopf gefallen, oder? Lass uns später noch mal über die Sache sprechen. Ich muss dir nämlich was gestehen, ich habe einen Mordshunger. Darf ich dich in ein indisches Restaurant am Prenzlauer Berg einladen?“

„Liebend gern“, lachte Gerlinde. „Kommt Bernd mit zum Essen? Er muss doch nicht etwa noch arbeiten?“ „Ja und nein, er hat noch was zu tun, bevor wir uns in den Urlaub stürzen können. Übrigens, er hat mir aufgetragen, dich um etwas zu bitten. Selber traut er sich ja nicht, dich zu fragen.“

„Na, da bin ich aber gespannt, was der Herr Doktor auf dem Herzen hat und wovon du mir sicher gleich erzählen wirst.“

Noch vor Erreichen des Lokals in der Kollwitzstraße geriet Laura ins Schwärmen: „Hier habe ich mit Bernd das beste indische Essen seit langem gegessen. Wir waren schon mehrmals hier, einfach weil es so gut schmeckt.“

Gerlinde setzte ein skeptisches Gesicht auf und verzog etwas die Mundwinkel. Indische Küche war nicht ganz nach ihrem Geschmack, ein Essen in der Taverne Amphipolis in der Wilhelmshavener Straße wäre ihr jetzt lieber gewesen.

Sie bekamen einen Tisch am Fenster und wie Gerlinde bei der Bestellung feststellen konnte, war Laura in diesem Lokal bereits bestens bekannt und wurde dementsprechend herzlich begrüßt.

„Ein Weißbier für die Dame?“, fragte der Kellner mit leicht geneigtem Kopf und servilem Lächeln. Laura sah ihre Freundin an und sagte: „Diese Flüssigkeit schmeckt hier fast zu allem, es muss kein Reiswein sein.“

Gerlinde nickte: „Wenn du meinst, gut, dann ein Weißbier.“

Der Kellner legte ihnen eine dicke Speisekarte auf den Tisch und verschwand hinter dem Tresen. „Wenn du dich schon so gut bei den Getränken auskennst, dann kannst du mir sicher auch gleich einen Vorschlag für die Speisen machen.“ „Gerne“, lacht Laura, „ich erspare dir das Lesen und das lange Auswählen und sage: Lamm Baingan, Lammfleisch mit Auberginen in Curry-Sahnesauce oder alternativ: Chicken Dahiwala, Hähnchenfleisch in Joghurt-Gewürzsauce.“

Gerlinde nahm das Hühnchen und blieb auch nach dem Essen bei ihrer Meinung: die indische Küche mögen in Zukunft andere verkosten, ich bleibe, wenn es schnell gehen muss und trotzdem Genuss bereiten soll bei Souvlaki und einer ordentlichen Portion Tsatsiki.

Sie erinnerte sich daran, dass Laura von einer Bitte ihres Freundes gesprochen hatte und sie konnte sich absolut nicht vorstellen, welchen Wunsch sie diesem jungen Mann, den Laura schon seit ihrer Schulzeit kannte, erfüllen könnte.

„Also sprich“, drängte sie zu ihre Freundin, als sie Gabel und Messer auf den fast leeren Teller legte. „Um was wollte mich dein Freund bitten?

Laura grinste: „Naja, eigentlich ist es ja auch mein Wunsch und ich schiebe den Bernd nur vor, weil ich mich nicht traue, dich direkt zu fragen.“ Gerlinde sah ihr forschend ins Gesicht: „Jetzt machst du es aber spannend, nun sag‘ schon, was ist es?“

Laura tat, als ob es ihr nur schwer über die Lippen gehen könnte, verzog etwas das Gesicht und legte ihre Hände an die Tischkante, so als ob sie sich stützen müsste, weil das, was da zu sagen wäre, eine besondere Schwere hätte. „Also, um es kurz zu machen, wir wollten dich fragen, ob wir für unseren Urlaub dein Haus in Lentas haben könnten.“

Nachdem das heraußen war, atmete Laura wie befreit aus und wartete auf Gerlindes Reaktion.

„Natürlich, solange es mir gehört, könnt ihr dort wohnen. Ich weiß gar nicht, warum du dich so anstellst.“

„Naja, ich dachte, das Haus ist ja für dich mit bestimmten Erinnerungen verbunden und vielleicht ist es dir gar nicht recht, dass gerade ich dort mit Bernd meinen Urlaub verbringen will, bei allem, was geschehen ist.“

„Lentas ist wunderbar und das Haus kann nichts für die Geschichten, in denen es eine Rolle spielte. Nein, selbstverständlich kannst du dort wohnen. Ich weiß nur nicht, ob es für diese Zeit schon vermietet ist. Wann wolltet ihr fahren?“

„Wir dachten Ende August, Anfang September“, sagte Laura. „Bernd hat seinen Urlaub schon beantragt, aber wenn es nicht geht, wir finden auch was anderes.“

„Das Haus steht, soweit ich weiß, momentan leer und ich werde mich wohl noch bis zum Herbst entscheiden müssen, ob ich die Vermietung ganz in die Hände der Brüder Delakis lege oder ob ich das Haus besser verkaufen sollte. Wir könnten das Geld gut fürs Geschäft gebrauchen. Wie du weißt, wollte ich vom Luckmann ein paar seiner Bilder ankaufen, solange der preislich noch im Rahmen bleibt.“

„Ja, ich weiß, Gero Luckmann ist dein neuer Star“, lachte Laura. „Ich glaube ja auch, dass er der Galerie gut tun würde.

Weißt du, was den Urlaub betrifft, im Gegensatz zu dir, habe ich weniger Hemmungen, dort die heilenden Kräfte des Asklepios zu verspüren.“

„Ich habe nichts gegen Asklepios und den ganzen Kult um diese Gottheit, Rudolf hat mir ja in dieser Beziehung die Augen, ja, und ich muss zugeben, auch das Herz geöffnet. Aber mit der Vorstellung, noch mal meine Ferien in diesem Haus zu verbringen, komme ich nicht zurecht. Aber das ist meine Sicht. Wenn es dir dabei anders geht, ich habe nichts dagegen, wenn du mit Bernd da runter fährst. Im Gegenteil, es wäre gut, wenn einer von uns dort mal nach dem Rechten schaut. Du könntest dann auch mit den Brüdern vom El Greco reden, wie die über einen Verkauf des Hauses denken.“

„Ja klar, ich könnte mal vorfühlen, aber du müsstest vorher bei den Brüdern nachfragen, ob das Haus Ende August, Anfang September überhaupt frei ist. Mitte Oktober muss ich jedenfalls wieder in Freiburg sein, die Galerie läuft dort ja auch nicht von alleine und Bernd kann sich nur begrenzt Urlaub nehmen.“

„Alles klar, ich rufe heute noch an und hoffe, dass Zaccharias am Telefon ist, mit dem kann man am besten reden, und, was ich fragen wollte“, Gerlinde wandte sich lächelnd ihrer Freundin zu: „Ist das jetzt was Festes, das mit dem Bernd? Ich dachte immer, dass du deinen speziellen Geheimdienstexperten nur angeheuert hast, um mehr über den Tod deiner Eltern zu erfahren.“

„Hör mal“, Laura setzte jetzt ein ernstes Gesicht auf, „ich bin keine, die mit Männern nur eine Beziehung eingeht, wenn sie sich davon einen Nutzen verspricht.“

Gerlinde blickte betroffen zu Boden und legte die Serviette, die sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte auf den Teller „Du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe, mir war nur nicht klar, wie eng eure Beziehung eigentlich ist. Aber egal, wenn das Haus frei ist, könnt ihr auf jeden Fall dort wohnen.“

„Also das mit der Beziehung“, Laura blickte den vorübereilenden Passanten nach, „ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher, ob daraus etwas Festes wird. Ich für meinen Teil habe mir gedacht, dass so ein Urlaub eine Art Generalprobe sein könnte. Natürlich weiß ich, dass zwei Wochen nicht ausreichen, um auf einen Heiratsantrag eingehen zu können, aber eigentlich möchte ich über dieses Thema jetzt gar nicht weiter mit dir sprechen. Wir würden einfach gern in Lentas unseren Urlaub verbringen, weil ich Bernd dort gerne zeigen wollte, was mich einmal so an der Archäologie interessierte. Er hielt mein Studium und er tut es immer noch für eine wenig sinnvolle Beschäftigung, dabei gräbt er selber in der dunklen Geschichte unseres Landes nach Erklärungen für menschliches Verhalten.“

„Bevor du mir jetzt einen längeren Vortrag hältst, möchte ich kurz, wenn du gestattest, zur Realität zurückkommen“, unterbrach sie Gerlinde. „Ich versuche mal einen der Delakis-Brüder ans Telefon zu holen, vielleicht haben wir ja Glück und können dann mit einem Gläschen Prosecco auf die schönsten Wochen des Jahres anstoßen.“