Dorfgeflüster 2: Geheimnis hinter Heckenrosen – oder: Frischluftkur. »In der Provinz ist die Welt noch in Ordnung? Kirsten Rick deckt auf!« FREUNDIN - Kirsten Rick - E-Book
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Dorfgeflüster 2: Geheimnis hinter Heckenrosen – oder: Frischluftkur. »In der Provinz ist die Welt noch in Ordnung? Kirsten Rick deckt auf!« FREUNDIN E-Book

Kirsten Rick

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Beschreibung

Eine Frischluftkur der besonderen Art: Der humorvolle Roman »Dorfgeflüster – Geheimnis hinter Heckenrosen« von Kirsten Rick als eBook bei dotbooks. Oh, wie schön ist es im Dorf: Der Himmel ist blau, die Welt noch in Ordnung und der Rasen stets akkurat geschnitten. Die Damen vergnügen sich bei Tupperpartys, die Herren beim Stammtisch. Alles sehr aufgeräumt, sehr ordentlich … und furchtbar langweilig! Marlies und ihre besten Freundinnen beschließen darum, dass es Zeit wird, ihrem Leben neuen Kick zu geben. Dabei entdecken sie, dass es hinter den blickdichten Hecken ihrer Nachbarn ebenfalls gewaltig brodelt: Verbotene Liebe, gefährliche Wetten, listige Kuppeleien und handfeste Skandale gehören längst zur Tagesordnung. Aber das ist noch nicht alles, was die Idylle trübt … Eine turbulente Komödie mit viel schwarzem Humor: »In der Provinz ist die Welt noch in Ordnung. Denkt man. Doch was ist, wenn man hinter die Kulissen schaut? Kirsten Rick deckt auf!« Freundin Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die beschwingte Regio-Komödie »Dorfgeflüster – Geheimnis hinter Heckenrosen« von Kirsten Rick – auch bekannt unter dem Titel »Frischluftkur«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 421

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Über dieses Buch:

Oh, wie schön ist es im Dorf: Der Himmel ist blau, die Welt noch in Ordnung und der Rasen stets akkurat geschnitten. Die Damen vergnügen sich bei Tupperpartys, die Herren beim Stammtisch. Alles sehr aufgeräumt, sehr ordentlich … und furchtbar langweilig! Marlies und ihre besten Freundinnen beschließen darum, dass es Zeit wird, ihrem Leben neuen Kick zu geben. Dabei entdecken sie, dass es hinter den blickdichten Hecken ihrer Nachbarn ebenfalls gewaltig brodelt: Verbotene Liebe, gefährliche Wetten, listige Kuppeleien und handfeste Skandale gehören längst zur Tagesordnung. Aber das ist noch nicht alles, was die Idylle trübt …

Eine turbulente Komödie mit viel schwarzem Humor: »In der Provinz ist die Welt noch in Ordnung. Denkt man. Doch was ist, wenn man hinter die Kulissen schaut? Kirsten Rick deckt auf!« Freundin

Über die Autorin:

Kirsten Rick wurde 1969 in Hamburg geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe auf. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und arbeitet seitdem, da sie laut eigener Aussage »nichts Vernünftiges gelernt hat«, als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften und als freie Journalistin. Kirsten Rick lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Hamburg am Hafen.

Mehr Informationen über Kirsten Rick, Texte und Reportagen von ihr finden sich auf ihrer Website: www.romaneundreisen.de

Bei dotbooks veröffentlichte Kirsten Rick ihre Romane »Dorfgeflüster: Chaos hinterm Blumenbeet« – auch bekannt unter dem Titel »Schlüsselfertig« – und »Dorfgeflüster – Geheimnis hinter Heckenrosen« – auch bekannt unter dem Titel »Frischluftkur« – sowie ihre Kurzromane und Geschichtensammlungen »Maria räumt auf«, »Ausgestochen« und »Ernas kleines Weihnachtswunder«.

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eBook-Neuausgabe Juli 2013, Mai 2021

Dieses Buch erschien zunächst unter dem Titel »Frischluftkur« - 2006 im Knaur Taschenbuch Verlag und 2013 bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2006 by Knaur Taschenbuch.

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, München

Copyright © der eBook-Ausgabe 2013, 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/Sonsedska Yuliia, MirasWonderland, Pawel Kazmierczak, Imagine CG Images, lladyjane, Manfred Ruckszio, Triff, PJ photography, Kwitka sowie Pixabay/DarkmoonArt_de

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-591-3

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Kirsten Rick

DORFGEFLÜSTERGeheimnis hinter Heckenrosen

Roman

dotbooks.

Dies ist ein Roman. Alle Figuren und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.

Für alle Freundinnen

Prolog

Die heile Welt der anderen war meine Hölle. Und das werden sie mir büßen! Nichts wird mehr sein, wie es einmal war!

Die Frau mit den bösen Gedanken und dem eleganten Schneiderkostüm – eine Maßanfertigung aus Mailand – tritt ans Fenster ihres Büros im zwölften Stockwerk. Büro ist vielleicht etwas untertrieben, der Raum hat die Ausmaße einer großzügig geplanten Schweinezuchtanlage, wenngleich natürlich mit deutlich mehr Raffinesse. Ausgesuchte Designermöbel. Abstrakte Kunst an den Wänden. Ein hochfloriger Teppich schluckt jedes Geräusch.

So urban wie nur möglich sollte der Stararchitekt die Firmenzentrale des internationalen Mischkonzerns bauen. Das war ihr Wunsch, das hat sie entschieden. Sie, die Chefin. Nun steht der kolossale Bau wie ein Monument zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Zur Linken der historische Dom, zur Rechten ein moderner Bahnhof. Darunter eine sechsspurige Hauptverkehrsader.

Es ist eine eigenwillige Konstruktion aus Glas, Eisen und geöltem sibirischem Lärchenholz. Die Form ist einem Kreuzfahrtschiff nachempfunden – auch wenn böse Zungen behaupten, das Gebäude sehe aus wie ein gestrandeter Wal.

Sie genießt den Blick über die Dächer der Stadt, freut sich über die vielen fremden Menschen, die weit unter ihr die Straßen bevölkern. Unbekannte. Über die kann sie denken, was sie will – und die über sie. Das stört sie nicht. Hier, in der Großstadt, ist man tolerant. Vielleicht ist man sich hier auch einfach egal, was manchmal aufs Gleiche hinausläuft. Nicht wie früher, zuhause.

Sie schüttelt sich bei diesem Wort: zuhause. Ein imaginärer Güllegeruch steigt ihr in die Nase. Heimat? Es läuft ihr kalt den Rücken hinunter.

In den letzten Monaten hat ein Projekt konkrete Formen angenommen, eine Idee, an der sie schon viele, viele Jahre feilt. Nun rollt sie wie in einer Murmelbahn glitzernd und funkelnd hin und her. Es ist an der Zeit, sie ins Ziel zu bringen.

Die Firmenchefin geht zu ihrem Teakholz-Schreibtisch, dessen Platte ganz mit ekrüfarbenem Straußenleder bezogen ist unpraktisch, da hubbelig, aber schön – und drückt einen Knopf der Telefonanlage.

»Sie wünschen?«, knistert es aus dem Apparat. Die Klangqualität ist nicht überragend, dafür ist das Modell ein designpreisgekröntes Original aus den Sechzigern.

»Schicken Sie mir Edith!«

»Ja, Frau von Gravenberg. Gerne.«

»Und sagen Sie alle Termine für die nächsten zwei Stunden ab.«

»Aber ... Entschuldigen Sie bitte ... In einer Stunde soll Mr. Takashi zu Ihnen kommen. Die Sache mit der Streikniederschlagung in Fernost.«

»Habe ich mich unklar ausgedrückt?« Ihre Stimme muss nicht kalt werden, um eisig zu klingen.

»Entschuldigen Sie bitte.« Die Sekretärin ahnt, dass sie sich sonst sehr schnell zu den Streikenden in den Billiglohnländern gesellen kann. Ihre Chefin ist für vieles bekannt. Nicht aber dafür, dass sie Fehler toleriert. Oder Widerspruch. Oder überhaupt irgendetwas, was nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit läuft. »Keine Termine in den nächsten zwei Stunden.«

Inez von Gravenberg öffnet die obere Schublade ihres Schreibtisches. Dort, neben dem kleinen Telefonbuch, in dem sich die Geheimnummern der einflussreichsten Menschen der Welt finden, und einem aufwendig mit Brillanten verzierten Brieföffner aus Gold, den sie von einem arabischen Scheich bekam, als sie eine ihrer Fabriken in seinem Emirat eröffnete, liegt immer etwas Besonderes bereit. Etwas, was für sie wichtiger ist als jeder neue Multi-Millionen-Dollar-Deal. Sie zieht eine Mohrrübe hervor.

»Mümmel? Mümmel!« Ihre Stimme verfällt in einen bezaubernden Singsang. »Ja, wo ist denn mein kleines Schatzischnuckelchen?«

Vom anderen Ende des Raumes kommt ein weißes Kaninchen herbeigehoppelt.

***

Fast verpasst Edith die Abfahrt von der sechsspurigen Schnellstraße, über die man direkt in die Tiefgarage der Firmenzentrale gelangt. Sonst kann sie sich hundertprozentig auf ihr Navigationssystem verlassen, doch sie vergisst immer, dass die Tiefgarage von der Software nicht angezeigt wird. Die Chefin soll ein Vermögen für diese direkte Zufahrt ausgegeben haben und dafür, dass sie nirgendwo verzeichnet ist.

Im letzten Moment tritt Edith auf die Bremse und reißt das Steuer herum. Das lässt ihren Adrenalinspiegel nach oben schießen. Gut so! Edith liebt das Abenteuer und stellt sich nur zu gerne vor, sie wäre James Bond bei einer heißen Verfolgungsfahrt.

Ein weiteres Mal müssen die Bremsen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, als der Wagen auf einen Stellplatz schießt und millimetergenau vor der Wand zum Stehen kommt. Edith steigt aus und geht einen mit brasilianischem Schiefer ausgekleideten Tunnel entlang bis zum Fahrstuhl. Das spezielle Beleuchtungskonzept lässt den Gang gleißend hell und trotzdem sehr finster erscheinen.

Im Fahrstuhl singt Frank Sinatra New York, New York. »I can make it everywhere«, summt Edith, passiert das biometrische Erkennungssystem und geht achtlos an einer der zahlreichen Videoinstallationen vorbei, die es überall in der Firmenzentrale zu bewundern gibt. Auf sieben Monitoren schlagen die sieben Weltmeere ihre Wellen. Ein beeindruckender Anblick. Aber nicht für Edith.

Edith ist Außendienstmitarbeiterin für besondere Aufgaben der Teilsektion Germany-32-B. Das bedeutet, dass sie innovative Produkte im Markt platziert. Sie ist gespannt: Was wird sie diesmal erwarten? Ein tolles neues Putzmittel? Eine revolutionäre Augencreme? Oder endlich wieder einmal bahnbrechende Technologie zur Gewinnung erneuerbarer Energien?

Edith ist gespannt – und ehrgeizig. Sie freut sich auf eine neue Herausforderung. Nachdem sie, obwohl selber erst zweiunddreißig, von ihrem Ehemann mit einer Jüngeren (aber keinesfalls Hübscheren) betrogen wurde, hat sie ihre ganze Energie in die Arbeit gesteckt und innerhalb des Konzerns Karriere gemacht. All die Lügen und Heimlichkeiten in ihrer Ehe haben sie zwar bestens auf den beruflichen Aufstieg vorbereitet, aber auch so angewidert, dass sie inzwischen in allen Männern potenzielle Feinde sieht. Umso mehr genießt sie es, dass sie mit zahlreichen Produkten, für die sie zuständig ist, ihren ganz besonderen Radikalfeminismus ausleben kann.

Ihr Mann kam Monate später reumütig zu ihr zurückgekrochen. Sie hat ihm einen Tritt gegeben (nicht nur einen symbolischen) und ihn zum Teufel gejagt, besser gesagt zu seiner Mutter, aber das kommt aufs Gleiche hinaus. Sie schüttelt sich innerlich, wenn sie an ihn denkt, und das kommt leider immer wieder vor. Doch dafür ist kein Platz mehr in ihrem Leben. Edith hebt das Kinn und zieht die Schultern selbstbewusst nach hinten. Jetzt wird gearbeitet und die Welt verbessert, mit lauter schönen neuen Produkten.

»Hallo 007, da sind Sie ja endlich!«, wird Edith von der Sekretärin begrüßt, als sie das Vorzimmer betritt.

»Moneypenny«, grüßt Edith zurück, ein alter Scherz zwischen den beiden. »Was gibt es Neues? Ist der Weltmarkt in Gefahr?«

»Hach, James!«, säuselt die Sekretärin, dann kichern beide.

Ein Knistern aus dem kleinen Lautsprecher mahnt zur Disziplin. Die Sekretärin drückt auf einen Knopf und meldet: »Edith wäre jetzt da.«

»Sie meinen: Edith ist jetzt da«, weist Frau von Gravenberg sie scharf zurecht. »Schicken Sie sie herein!«

»Um was geht es diesmal?«, flüstert Edith der Sekretärin zu.

»Keine Ahnung. Die Chefin hat diesmal alles an ihrem Computer selbst geschrieben und ausgedruckt. Da war kein Rankommen. Auch ihre Telefongespräche hat sie eigenhändig gewählt.« Die Sekretärin schüttelt missbilligend den Kopf.

»Ungewöhnlich«, murmelt Edith. Dann betritt sie das Prachtbüro.

Inez von Gravenberg sitzt in ihrem Eames-Chair und krault Mümmel, ihr weißes Kaninchen. Auf dem Kopf trägt sie ein Pillbox-Hütchen, ihr Gesicht wird zur Hälfte von einem schwarzen Tüllschleier verdeckt. Sie gibt sich ihren Angestellten nie vollständig zu erkennen, eine Maßnahme, die zum Schutz ihres Privatlebens dient. Edith kennt diesen Anblick, Inez von Gravenberg präsentiert sich ihr nie anders.

»Heute habe ich einen ganz besonderen Auftrag für meine Lieblingsmitarbeiterin«, schmeichelt die Chefin.

»Um was für ein Produkt geht es?«, fragt Edith.

»Diesmal geht es nicht bloß um ein neues Produkt. Es geht um etwas Größeres, Schöneres. Und um ein Dorf.« Inez von Gravenberg schiebt einen großen Umschlag aus handgeschöpftem Büttenpapier über das Straußenleder des Tisches. »Sie werden verstehen, dass es sich um eine delikate Angelegenheit handelt, die der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegt. Hierin finden Sie alle Informationen, die Sie für den Moment brauchen. Sie werden mir regelmäßig persönlich Bericht erstatten, ich werde Ihnen dann weitere Instruktionen geben und Sie mit allem versorgen, was Sie zur Umsetzung des Plans benötigen.«

Edith nimmt den Umschlag und überlegt, ob sie ihn sofort öffnen soll. Sie guckt ihre Chefin fragend an.

»Möchtest du noch ein Möhrchen?«, säuselt diese.

Edith merkt gerade noch rechtzeitig, dass die Frage nicht ihr, sondern dem Kaninchen gilt und geht, den dicken Umschlag fest unter den angewinkelten Arm geklemmt.

Edith zieht sich in einen Konferenzraum zurück, lässt sich dort in einen schweren Ledersessel fallen und beginnt, die Unterlagen zu studieren. Ja, denkt sie. Ja, das ist es! Der Auftrag ist ihr wie auf den Leib geschneidert. Eine knifflige Angelegenheit, aber sie hat schon eine Idee, wie das funktionieren könnte.

Zuerst geht sie ins Labor. Dort lässt sie sich ein paar besondere Wirkstoffe zusammenstellen. Dann fährt sie nach Hause, um ganz in Ruhe den ersten Anruf zu machen.

Kapitel 1:Die Putzparty

Mittwoch, 18. Oktober

Das ist doch mal was anderes, denkt Marlies erleichtert. Zumindest etwas anderes, als sie befürchtet hat. Sie kann Petras Begeisterung, mit der diese sie gerade zur »allerallerersten Putzparty im Dorf« einlädt, zwar nicht so recht teilen, möchte die Gastgeberin aber auch nicht brüskieren. Und immerhin hatte Marlies wirklich mit Schlimmerem gerechnet: einer Dessousparty beispielsweise, auf der sie ihre Problemzonen den grellen Blicken der Nachbarinnen hätte aussetzen müssen. Oder gar eine Veranstaltung, auf der Vibratoren und anderes peinliches Zeug herumgereicht worden wäre und sie vor lauter Scham sicher rote Ohren bekommen hätte.

Eine Putzparty also. Das geht ja noch.

»Also, du kommst, ja?« Petra scheint sich aufrichtig zu freuen, deshalb nickt Marlies vorsichtig. Das sieht die Gastgeberin in spe allerdings schon nicht mehr. Sie hat sich bereits vor der Zustimmung siegessicher abgewandt.

***

»Natürlich bin ich dabei.« Tina lächelt Petra an, ist aber eigentlich ziemlich enttäuscht. Eine Putzparty? Sie hätte viel lieber etwas anderes gemacht. Etwas, bei dem sie den weniger disziplinierten und von der Natur benachteiligten Damen aus der Nachbarschaft ihren aerobicgestählten Luxuskörper präsentieren und dabei Andeutungen über ihren unwiderstehlichen Sex-Appeal machen könnte. Aber sie hofft, dass sie auch auf einer Putzparty die Gelegenheit dazu finden wird. Notfalls wird sie diese eben selbst schaffen.

***

»Ach, wie toll, ach, wie toll!«, jubelt Hanna mit sich leicht überschlagender Stimme. Man könnte meinen, sie hätte den Opel Corsa bei der großen Jahrestombola von Knurres Kramerlädchen gewonnen oder ein neues, ihr bisher unbekanntes Wischmopp-Modell entdeckt. Putzen ist Hannas Hobby. Ach was, Hobby. Putzen ist ihre große Leidenschaft. Jeder weiß, dass es bei Hanna zuhause immer picobello ist – jedenfalls der Teil, den man durch die geöffnete Eingangstür ins Blickfeld bekommt. Hanna lässt nur ungern Leute ins Haus. Es könnte ja sein, dass die Dreck einschleppen oder Fingerabdrücke hinterlassen. Kinder und Haustiere lehnt sie aus demselben Grund ab.

***

Petra ist zufrieden. Marlies, Tina und Hanna haben zugesagt. Endlich wird sie Gäste haben! Es fällt ihr ein wenig schwer, Anschluss im Dorf zu finden. Sie ist eine Zugezogene: Vor drei Jahren haben ihr Mann und sie den Bungalow in der Neubausiedlung gekauft. Die Neubausiedlung war genau genommen nur in den sechziger Jahren neu, inzwischen gibt es eine noch viel neuere Neubausiedlung. Aber der Name ist geblieben. Man hat sich einfach daran gewöhnt.

An das Alleinsein will sich Petra dagegen nicht gewöhnen. Aber wie soll sie Anschluss finden? Für den Sportverein ist sie zu unsportlich, für den Kirchenkreis nicht religiös genug und zu schüchtern, um wildfremde Menschen in Knurres Kramerlädchen anzusprechen. Immerhin, nach einem Jahr täglichen Einkaufen begann die Kassiererin, sie zu grüßen. Die Frau hinter der Fleischtheke hat sich sechs Monate später dazu durchgerungen. Die Frau, die das Käsesortiment betreut, grüßt auch jeden Hund und jedes mitgebrachte Plüschtier, die zählt also nicht.

Es ist etwas besser geworden, seit Petra zu den Veranstaltungen des Landfrauenvereins geht. Zwar hat sie mit Anfang dreißig noch keine Wechseljahrsbeschwerden, den Vortrag darüber fand sie trotzdem sehr interessant. Und dann haben die Damen vom Ideenkreis junger Landfrauen sie angesprochen, ob sie nicht bei ihnen mitmachen wolle. Petra war selig. Zuerst jedenfalls. Doch schon nach kurzer Zeit verflog ihre Begeisterung für Monique, die unangefochtene Königin des Ideenkreises, und ihre treuen Vasallinnen. Die scheinen sie eher als billiges Bodenpersonal zu betrachten. Zum Stühleschleppen, zum Fegen nach den Veranstaltungen und zur Erbsensuppenausgabe beim Dorffest wird Petra häufig eingeteilt. Ins Organisationsteam für die Junggesellenversteigerung hat sie es aber nicht geschafft – die Plätze waren sehr begehrt.

Eigentlich verspürt Petra gar kein Verlangen nach einem ehrenvollen Platz in der Dorffrauenhierarchie. Nein, sie will einfach Freundinnen finden. Schließlich ist schon wieder Herbst. Der Sommer ganz allein war blöd, und so ein einsamer Winter ist noch viel schlimmer, das weiß sie aus Erfahrung. Also hat sie sich überlegt, wie sie weiter vorgehen soll. Eine Einladung! Sie wird eine Party geben oder ein Kaffeekränzchen ... auf jeden Fall etwas Besonderes, Ausgefallenes. Dann wird man sie schätzen, dann bekommt sie Anerkennung.

Vor zwei Wochen hat ihre alte Schulfreundin Edith angerufen. Freundin ist vielleicht etwas übertrieben, sie gingen gemeinsam zur Grundschule und haben in dieser Zeit vielleicht neun oder zehn Sätze miteinander gewechselt, wenn man das harsche »Los, rutsch mal zur Seite, aber dalli!« mitzählt, das Edith ihr bei einem Schulausflug im Bus entgegengeschleudert hat. Nach der Grundschule hatten sie gar keinen Kontakt mehr. Aber nun wohnt Edith zwei Dörfer weiter, direkt neben dem abgebrannten Massivhauspark, und hat »einfach mal so« angerufen.

Edith wollte »nur mal hören, wie es so geht« und hat dann erzählt, dass sie jetzt Managerin bei einer internationalen Firma ist, die ein ganz neues Vertriebskonzept verfolgt. Sie redet von »Social bonding« und von »Netzwerkstrukturen, die gerade für Frauen wichtig sind«, von »Emanzipationspartizipierung« oder so ähnlich. Alles Dinge, mit denen Petra nichts anfangen konnte, die aber ordentlich Eindruck auf sie machten. Und dann sagte Edith: »Petra, du könntest Teil des Ganzen werden, mit dazu gehören. Du musst nur eine kleine Party geben, nichts Aufwendiges, und ich stelle ein paar neue Produkte vor.«

»Und dann?«

»Dann wird bei Kaffee und Kuchen – und gerne auch alkoholischen Getränken – ein wenig ge-network-t.«

Eigentlich genau das, worauf Petra gewartet hat. »Und was für Produkte sind das?«, fragte sie daher eher pro forma nach. Selbst wenn Edith nun von nuklearen Sprengköpfen gesprochen hätte, wäre ihr das egal gewesen.

»Die Firma heißt Fresh&Clean. Ich werde die neuesten Innovationen des Raum- und Möbelpflege-Sektors vorstellen.«

»Ach so, Putzmittel.«

»Neuartige Premium-Entwicklungen«, rügte Edith sie für die wenig euphorische Reaktion. »Du musst aufhören, klein zu denken.«

Dieser Gedanke gefiel Petra ausgesprochen gut. Genau! Sie würde diese Sache richtig groß aufziehen. Einfach perfekt.

Da Petra zum treuen Leserkreis diverser bodenständiger Hausfrauenmagazine gehört, hat sie umfangreiches, leider aber eher theoretisches Gastgeberinnen-Know-how. Vielleicht sollte sie also erst im kleinen ... nein, im überschaubaren Kreis üben? Ein Testlauf mit nicht allzu kritischen Gästen, ja, das wäre gut. Petra beobachtete daraufhin genau, wer auch ein wenig abseits steht, wer sich nicht im inneren Kreis um Monique bewegt. Dabei sind ihr Marlies, Tina und Hanna aufgefallen. Diese drei hat sie eingeladen – zur allerersten Putzparty. Oder, um ehrlich zu sein: zur Generalprobe für diese. Aber das muss sie den Damen ja nicht auf die Nase binden.

Ein passender Termin war nicht schwer zu finden, denn wie Petra sind auch Tina und Hanna Hausfrauen und daher in ihrer Zeiteinteilung sehr flexibel. Nur Marlies arbeitet als Verkäuferin in Knurres Kramerlädchen. Aber mittwochnachmittags hat sie frei.

Nun ist es so weit. Edith bereitet in der Küche die Produktpräsentation vor, während Petra im Wohnzimmer Gläser arrangiert. Sie hat extra eine Caipi-Bowle nach dem Rezept aus der neuen Meine Familie & ich angesetzt. Mit Maracujasaft, Limetten, Rohrzucker, extra viel Rum. Und natürlich Minze aus dem eigenen Garten. Da wächst zwar sonst nicht viel, Petra hat einfach keinen grünen Daumen, aber die Minze, die wuchert. »Reiß doch endlich mal das Unkraut raus«, hat ihr Mann schon mehrfach gefordert, aber sie ist der Minze dankbar, dass wenigstens die sich in ihrem Garten wohl fühlt.

***

Petra ist beeindruckt von Ediths schickem Kostüm und den hohen Pumps (die davon ablenken, dass Edith winzig ist) und etwas eingeschüchtert von ihren strengen Gesichtszügen und der adretten, mahagonifarben glänzenden Pagenkopffrisur. Petra fühlt sich neben ihr wie ein graues Mäuschen, obwohl sie mit eins zweiundsechzig immerhin drei Zentimeter größer als Edith ist und extra ihren leuchtend roten Pulli angezogen hat. Aber das scheint nicht wirklich zu helfen. Petras schlimmste Problemzone ist ihr Selbstbewusstsein, direkt gefolgt von der Selbsteinschätzung. Sie könnte noch nicht einmal ihre eigene Haarfarbe korrekt benennen. Blond ist es nicht mehr, brünett noch nicht ganz. Irgendwas dazwischen, dafür aber immerhin eindeutig kurz und praktisch.

Punkt 16.00 Uhr kommen die Gäste. Alle auf einmal. Petra weiß kaum, wohin mit den Jacken. Der Flur ist recht klein. Ausgerechnet. Der Flur ist doch die Visitenkarte eines Hauses! Und ihrer ähnelt eher einer hingekritzelten Telefonnummer auf einem abgerissenen Stück Briefumschlag. Dass sie da vorher aber auch nicht dran gedacht hat! Schnell scheucht Petra die drei Damen ins Wohnzimmer, das ist schön großzügig geschnitten.

Die Gäste schauen sich neugierig um, registrieren die silbern gerahmten Familienfotos ebenso wie die Ton-Igel-Sammlung auf der Fensterbank, auf die Petra sehr stolz ist, denn es sind auch Figuren aus Afrika und Südamerika dabei. Alle handgearbeitet.

Hanna fährt mit dem Finger unauffällig an der Oberkante der Schrankwand entlang und betrachtet leicht angewidert den Staub, der sich an ihrer Fingerkuppe gesammelt hat. Schnell steckt sie die Hand in ihre Hosentasche. Ihre ohnehin schmalen Lippen sind noch etwas schmaler geworden. Ihre ganze Erscheinung ist schmallippig. Sie sieht aus wie zwischen zwei Bügelbretter gepresst.

Tina durchschreitet den Raum auf Riemchensandalen, für die es draußen schon etwas zu kühl ist, und kontrolliert bei einem Blick in den Vitrinenspiegel ihr Make-up. Marlies beobachtet dies wie immer unauffällig aus dem Hintergrund. Einen Spiegel braucht Tina eigentlich nicht; sie hat mal wieder so dick aufgetragen, dass sie auch locker einen Abdruck mit dem Sofakissen nehmen und so ein täuschend ähnliches Porträt von sich herstellen könnte. Ihre rougebetonten Wangen leuchten wie frisch geohrfeigt.

»Nehmt doch Platz«, bittet Petra und deutet auf die mit Alcantara bezogene Sitzgruppe. Die Damen plumpsen in die Sessel und aufs Sofa, arrangieren Kissen neu um sich herum und greifen zu den gefüllten Bowle-Gläsern, die Petra ihnen mit den Worten »Darf ich euch etwas anbieten?« hinhält. Nur Marlies, die mit sanften, großen Kuhaugen in die Runde guckt und deren Mund immer leicht erstaunt offen steht, muss zweimal gebeten werden. Als sie immer noch nicht reagiert, schenkt Petra ihr einfach ein. Marlies ist zu schüchtern, um das Glas abzulehnen.

»Ach, was haben wir es doch alle gut!«, seufzt Hanna und genehmigt sich einen ordentlichen Schluck. »Und wie schön die Sonne noch scheint!«

»Ein goldener Oktober! Es muss aber bald wieder regnen, das brauchen die Pflanzen«, fügt Tina hinzu.

»Ja, es war recht trocken in letzter Zeit«, sagt Petra, die ganz erleichtert ist, dass sich ihre Gäste so gut unterhalten.

Hanna berichtet von dem neuen Bewässerungssystem, dass sie und ihr Mann sich nächstes Jahr in den kompletten Garten einbauen lassen wollen: »Damit wird alles vollautomatisch gesprenkelt. Über Computer!«

Wozu moderne Technik heutzutage in der Lage ist, staunt Marlies stumm.

»Mein Heinz ist da sehr begabt«, betont Hanna. »Er ist so intelligent und auch noch praktisch veranlagt. Das findet man in dieser Kombination selten. Ein Ingenieur eben!« Heinz ist selbstständiger Gas- und Wasser-Installateur, das wissen alle. »Er hält sich ständig über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden!«

»Apropos Laufen: Das hat mein Paul jetzt für sich entdeckt«, lenkt Tina das Gespräch schnell zu einem ihrer Lieblingsthemen um. »Der hat einen so knackigen Hintern bekommen – zum Anbeißen!«

Langsam baut sich der Gruppendruck auf. Petra und Marlies stehen unter Zugzwang, auch etwas Nettes über ihre Männer sagen zu müssen. Hanna fragt sich, wie Marlies das Problem lösen will, immerhin ist sie nicht verheiratet. Hat die überhaupt einen Freund? Man weiß wenig über dieses Mädchen. Überhaupt: Wenn sie sich so umsieht, muss sie zugeben, dass sie über das Leben der anderen Frauen nicht wirklich gut informiert ist.

Edith kommt aus der Küche, schließt die Tür hinter sich und baut ein Heer von Putzmittelflaschen auf dem Couchtisch auf.

»Guten Tag, meine Damen! Wollen wir uns duzen! Mein Name ist Edith!« Sie versieht jeden Satz mit einem unüberhörbaren Ausrufezeichen. Marlies, Tina und Hanna sagen brav ihre Namen. »Gut!«, ruft Edith. »Warum sind wir hier! Weil ich euch etwas zeigen möchte! Ich habe heute die Ehre, euch die innovativen Produkte der international erfolgreichen Firma Fresh&Clean vorzustellen! Eine Revolution! Ganz im Sinne der Frau! Der Haushalt lässt sich mit Fresh&Clean in viel kürzerer Zeit erledigen – und Sie, Entschuldigung: ihr habt den Kopf frei für die wirklich wichtigen Dinge im Leben!«

Tina seufzt betont dramatisch auf. Hanna hingegen fragt sich, was genau Edith damit wohl meinen kann.

»Fresh&Clean wird eure Welt verbessern! Fangen wir an mit dem Wonder Orange – dieser patentierte Kraftreiniger mit rein biologischen Aromazusätzen löst selbst den hartnäckigsten Fettschmutz. Damit wird sogar ein Grillrost sauber!«

Edith reicht eine 1,5-Liter-Flasche mit der Aufschrift Wonder Orange herum. Die Flüssigkeit darin kommt in Geruch und Farbe der Caipi-Bowle nahe.

»Hmmm ... Dieser Duft macht mich total an«, haucht Tina, nimmt die Flasche in beide Hände und presst dabei mit den Ellenbogen leicht ihre Brüste zusammen, während sie geräuschvoll einatmet. Ihr weit ausgeschnittenes T-Shirt beutelt dabei vorne etwas und lässt tief blicken.

Edith nickt anerkennend. »Ja, so ist es richtig! Man muss Wonder Orange mit allen Sinnen genießen!«

Die anderen schnüffeln vorsichtig an der Flasche. Sie fühlen sich sofort ein wenig lockerer, leichter ... wie frisch geschlagene Sahne. Zu ihrer eigenen Überraschung merkt Hanna, wie sie lustige Kringel und kleine Mondgesichter in den Staub auf der unteren Beistelltisch-Ablage zeichnet – und sich darüber freut. Petra dekoriert derweil ihre Frisur mit ein paar Minzblättern aus der Bowle. Und Marlies traut sich ausnahmsweise sogar, etwas zu sagen.

»Also«, fängt sie an, »mein Ulf, der ist total sensibel.« Dass zwischen das mein und den Ulf eigentlich noch ein Cousin gehört, unterschlägt sie, einem spontanen Impuls folgend. »Wir verstehen uns ohne Worte. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab.« Das steht in den Heftchenromanen, in denen sie immer schmökert, und sie findet die Vorstellung faszinierend. Weiß ja keiner hier, dass Ulf überhaupt nicht liest, weder in ihren Augen noch in irgendetwas anderem.

Verdammt, denkt Petra, diese Wortloses-Verstehen-Nummer hatte sie sich gerade zurechtgelegt.

»Ach, wie romantisch«, pflichtet Tina Marlies bei. »Das klingt ja ein bisschen wie in dem tollen Film gestern Abend auf RTL 2. Habt ihr den auch gesehen? Den mit der Frau, die nach einem Autounfall ihre Stimme verloren hat?«

»Ach, das ist ja schrecklich!«, ruft Hanna und nimmt schnell noch einen großen Schluck Bowle. Die anderen machen es ihr nach. »Man muss ja so dankbar sein, dass man gesund ist!«

»Oh ja«, sagt Petra, »Gesundheit ist das Wichtigste!«

Sie ist froh, dass sie aus dieser Ich-gebe-mit-meinem-Mann-an-Nummer rausgekommen ist, und hofft, dass das Thema nicht noch einmal aufkommt. Sie holt schnell Schnapsgläser aus der Wohnzimmerschrankvitrine mit Hintergrundbeleuchtung und schenkt allen ein: »Auf die Gesundheit, meine Lieben! Schwarze Sau – selbst gemacht natürlich.«

»Wollen wir uns wieder vertragen?«, fragt Tina.

»Äh, wieso ...«, wundert sich Petra. »Wir haben uns doch gar nicht gestritten?«

»Das sagt man bei uns so. Das ist unser Landfrauen-Trinkspruch«, erklärt Tina.

»Und was nicht ist, kann ja noch kommen«, fügt Hanna hinzu und stimmt ein fröhliches Gackern an.

Petra weiß nicht so recht, was sie von dieser Andeutung halten soll, sagt deshalb schnell »Na dann!«, setzt das Schnapsglas an die Lippen und kippt es gleichzeitig mit ihrem Kopf nach hinten. Eine sehr flüssige, gut koordinierte, fast routiniert wirkende Bewegung. Die anderen machen es ihr nach. Es sieht ein wenig so aus wie der Auftakt zur traditionellen Adventsvorführung der Jazztanzgruppe. Dynamisch und ausdrucksvoll.

Hanna betrachtet versonnen die Wonder-Orange-Flasche und fragt: »Was ist mit biologischen Aromazusätzen gemeint?«

»Die Orangen, aus denen das Aromakonzentrat gewonnen wird, stammen aus rein natürlichem Anbau!«, behauptet Edith und greift nach einer länglichen Dose. »Ganz neu und superrevolutionär ist auch der Intensiv-Oberflächenreiniger Combat Clean! Der entfaltet seine volle Intensität am besten in diesem Pump-Aufschäumer. Das hat den Vorteil, dass man mit minimalem Reinigungsmitteleinsatz maximale Wirkung erzielt!«

Hanna greift sofort nach Combat Clean, doch Edith zieht die Hände schnell zurück.

»Ich darf euch das mal kurz vorführen!« Sie füllt etwas Combat Clean in den Pump-Aufschäumer, der aussieht wie ein normaler Dosierspender, und schüttelt ein wenig. Dann zielt sie mit dem Aufschäumer wie mit einer Waffe auf ein Mikrofaserputztuch, das sie auf dem Tisch ausgebreitet hat, und drückt ab. Zischend schießt Schaum heraus, ein Klacks fällt vom Mikrofasertuch auf die Tischdecke. Dort verläuft das Blumenmuster.

»Huch!«, sagt Edith. »Entschuldigung!«

»Macht doch nichts.« Petra ist die Decke vollkommen egal. Ihre Party verspricht, ein voller Erfolg zu werden. Alle sehen so entspannt aus!

»Sehr effektiv«, lobt Hanna. »Kann ich die Dose bitte mal sehen?«

Edith reicht noch mehr Flaschen, Tuben und Tiegel herum und preist die Vorzüge der Wundermittel. Als sie spürt, dass sie die Runde nicht nur angefixt, sondern wirklich im Griff hat, geht sie zum Demonstrationsteil über.

»Jetzt kommt bitte mal alle mit in die Küche! Ich habe da etwas vorbereitet!«

Das ist der Teil, auf den Petra sich schon die ganze Zeit freut. Edith hat versprochen, in ihrer Küche mit allen Fresh&Clean-Produkten gründlich sauberzumachen. Endlich wird die Arbeitsplatte wieder strahlen! Und die Schränke nicht mehr so verschmiert aussehen! Sie hatte ja eigentlich vorgehabt, selber zu putzen, so macht man das schließlich, wenn man Gäste erwartet, und nicht nur dann. Aber Edith hat ihr das am Telefon ausdrücklich verboten: »Ich brauche ein absolut authentisches Versuchsfeld!«

Petra betritt die Küche – und weicht sofort wieder erschrocken zurück. Alle Flächen sind nur halb geputzt! Die authentische Sechziger-Jahre-Einbauküche sieht zur Hälfte aus wie neu ... aber das lässt die andere Hälfte noch vergilbter, verblasster, verkommener, verwahrloster aussehen. Petra drängt sich der Verdacht auf, dass Edith manche Teile extra mit einer Schmuddelschicht überzogen hat. In einer solchen Küche würde Petra doch niemals Besuch empfangen!

Doch was bleibt ihr übrig? Tina, Marlies und Hanna drängen schon hinein, die Gläser mit Caipi-Bowle in der Hand. »Ohhh!« und »Ahhhh!« sagen sie, als sie sich umsehen. Petra weiß nun wirklich nicht, wie das gemeint ist.

Hanna streicht mit ihrem rechten Zeigefinger über die sauberen Segmente der Arbeitsfläche und nickt anerkennend. »Das Zeug taugt was«, sagt sie.

»Das will ich wohl meinen!«, bestätigt Edith. »Und jetzt, meine Lieben, möchte ich euch alle Fresh&Clean-Produkte im Ernstfall vorführen! Wir werden sogar die von eingebranntem Fett blind gewordene Backofentür wieder zum Blitzen bringen!«

»Moment!«, ruft Petra. »Wir brauchen erst noch ein bisschen Bowle!« Sie läuft schnell ins Wohnzimmer, holt den großen Krug und schenkt allen nach. »Jetzt kann es losgehen.«

»Backofen auf!«, befiehlt Hanna vergnügt.

Edith schüttelt eine Flasche mit der Aufschrift CrustFighter und sprüht die heruntergeklappte Backofentür mit einem grün-blau-metallic schimmernden Schaum ein. Dann wirbelt sie herum und bearbeitet alle anderen schmutzigen Flächen mit diversen Fresh&Clean-Innovationen. Die anderen Frauen schauen ihr gebannt dabei zu und lauschen ihrem Vortrag, der mit Schlagwörtern wie »Gleichberechtigung«, »gelebte Selbstbestimmung« und »praktizierter Feminismus« gespickt ist, während der verteilte Schaum leise vor sich hinblubbert und aromatische Dämpfe ausdünstet.

»Willst du das nicht mal wieder abwischen?«, fragt Hanna und greift reflexartig zu einem der Mikrofasertücher.

»Auf keinen Fall!«, herrscht Edith sie streng an. »Das muss erst einwirken! Wir müssen warten, bis sich die volle Schmutzlösekraft entfaltet hat.«

»Und wie lange dauert das?«, fragt Petra, die daran denkt, dass die geöffnete Backofentür die Küchentür versperrt und man die Küche, die nur ungefähr acht Quadratmeter groß ist und keinerlei Komfort bietet, geschweige denn Sitzmöglichkeiten, nicht verlassen kann.

»Nur dreißig Minuten«, sagt Edith ganz ruhig.

»Was? Was?« Hanna schnappt nach Luft. »So lange?« Sie kann es kaum aushalten, neben all diesen verlockenden, verführerischen Putztüchern und Putzmitteln zu stehen und diese nicht anfassen zu dürfen. Die Dinger üben eine geradezu magische Anziehungskraft auf sie aus.

»Mir wird schon ganz heiß«, stöhnt Tina und lüpft ihr T-Shirt ein wenig, damit man ihren trainierten, flachen Bauch sehen kann. Es gucken auch alle hin. Doch statt Neid verspüren sie ... ja, was eigentlich? Auf jeden Fall diese schlagsahnige Leichtigkeit.

»Na dann«, sagt Marlies, weil ihr nichts Besseres einfällt, sie aber den für sie ausgesprochen ungewöhnlichen Impuls verspürt, etwas von sich geben zu wollen. »Soso.«

»Habe ich euch schon meinen neuen Ring gezeigt?« Tina streckt ihre Hand gen Küchenmitte aus, damit alle das Prachtstück bewundern können. »Echt Platin! Mit aufgesetzten Saphiren und Rubinen! Den hat mir mein Mann von einer Geschäftsreise aus Baden-Baden mitgebracht.«

»Ahhhh!«, staunen alle.

»Ein ungewöhnliches Schmuckstück«, sagt Petra. Das heißt soviel wie: Mein Geschmack ist das bunte Ding nicht. Aber das würde sie natürlich nie sagen.

»Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe!«, haucht Marlies und denkt daran, dass ihr noch nie jemand Schmuck geschenkt hat.

»Ringe sind mir viel zu unpraktisch. Ich trage lieber so etwas«, sagt Hanna und zeigt auf ihre Perlen-Ohrstecker. Erbstücke von ihrer Oma. Von ihrem Mann hat sie zum Geburtstag ein elektrisches Messer bekommen.

»Drachenfutter«, sagt Edith trocken.

»Wie meinst du das denn?«, entfährt es Tina. Petra verlängert die zur Neige gehende Bowle schnell und unauffällig mit Bacardi und schenkt allen nach.

»Dein Mann hat dir den Ring geschenkt, um dich in Sicherheit zu wiegen. Um dich ruhig zu stellen. Bist du sicher, dass er auf Geschäftsreise war? Kein Mann, der noch halbwegs seinen Verstand beisammen hat, bringt einen solchen Ring von einer Geschäftsreise mit.« Sie spielt ein bisschen an der Orange-Wonder-Flasche herum, der intensive Duft verbindet sich mit der raumfüllenden Melange aus Aromadämpfen. »Bist du dir sicher, dass der echt ist?«

»Platin mit Saphiren und Rubinen«, meldet sich Petra nun doch zu Wort, »das passt doch überhaupt nicht zusammen.«

»Stimmt«, sagt Marlies. »Das ist wirklich eine eigenartige Kombination.«

»Ihr seid ja nur neidisch!«

»Ich wüsste aber wirklich gerne, ob der echt ist«, hakt Hanna nach.

»Natürlich ist der echt!« Tina ist empört.

»Das können wir ganz leicht herausfinden«, sagt Edith. »Ich habe hier diese wunderbare Reinigungslösung ForeverTrue von Fresh&Clean. Damit kann man in nur dreißig Sekunden echte Edelmetalle porentief reinigen.« Was hat sie da gerade gesagt? Edelmetalle haben doch gar keine Poren! Ich muss mich konzentrieren, denkt Edith und beginnt unauffällig, nur noch durch den Mund zu atmen. »Schmuck und Juwelen werden damit wieder blitzblank – natürlich nur, wenn sie echt sind. Wenn nicht, dann ...«

»Was dann?«, fragen alle ganz gespannt.

»Dann löst sich die billige Legierung und die bittere Wahrheit kommt zum Vorschein. Meint ihr, ihr könnt damit umgehen?«

»Aber sicher doch! Da wird nichts zum Vorschein kommen!«, sagt Tina mit fester Stimme und zieht sich den Ring vom Finger.

Edith öffnet eine kleine silberne Flasche und füllt ein Schälchen mit einer harmlos aussehenden Flüssigkeit. Tina hält den Ring mit spitzen Fingern darüber, zögert noch einen Moment und lässt ihn dann hineinfallen.

Die Damen recken die Hälse.

Erst passiert gar nichts. »Seht ihr!«, triumphiert Tina.

»Wartet nur ab!«, sagt Edith. Wie aufs Stichwort fängt es im Schälchen an zu brodeln. Es sieht aus wie eine selbst gebastelte Miniatur-Höllendarstellung. Nach dreißig Sekunden kippt Edith den Inhalt des Schälchens ins Spülbecken und lässt kaltes Wasser nachlaufen. Der Ring hat jetzt die Farbe eines abgegrabbelten Zwei-Cent-Stücks, die Saphire und Rubine sind zu matten Plastikklümpchen verschmolzen.

»Och«, machen die Damen – bis auf Tina, die jault auf: »Oh nein! Ich habe es geahnt!«

»Wie, du hast es geahnt?«, fragt Petra. »Du warst dir doch eben noch ganz sicher, dass der Ring echt ist.«

»Ja! Äh nein. Ach ...« Tina ist den Tränen nahe.

»Was ist denn?« – »Was hast du denn?« – »Komm, trink noch einen Schluck!« – »Das haben wir doch nicht gewollt!« Alle reden durcheinander. Nur Edith hält sich zurück. Sie weiß, dass man nur ein wenig an der Fassade – oder am Ring kratzen muss. Schließlich hat sie das alles schon selbst hinter sich.

»Ich habe die ganze Zeit geahnt, dass da etwas nicht stimmt. Ständig kommt Paul spät von der Arbeit. Am Anfang ist mir das gar nicht so aufgefallen, ich hab ja mein Aerobic und die Treffen mit den Landfrauen – ach, was erzähle ich euch das, ihr seid ja auch dabei. Also, man ist abgelenkt und viel beschäftigt und denkt ja auch nicht immer daran ... also, nein, das stimmt wieder nicht, eigentlich denke ich immer daran ...«, sagt Tina.

»Woran denkst du immer?«, will Hanna wissen und streckt ihre Bügelbrettfigur auf die volle Länge von eins fünfundsiebzig.

»An Sex. Ich weiß, es ist peinlich, aber ich denke nun mal immer an Sex«, gibt Tina zu.

»Ach, das ist uns ja noch gar nicht aufgefallen«, spöttelt Hanna. »Und?«

»Na ja, da läuft nichts mehr. Paul sagt, er hat Stress, er kann nicht, er ist zu müde. Oder er hat Kopfschmerzen. Kopfschmerzen! Das ist doch eine Ausrede für Mädchen! Ich glaube, er hat eine andere!« Tina beginnt zu schluchzen. »Vor zwei Wochen haben wir zuletzt miteinander geschlafen. Das ist schon eine Ewigkeit her!«

»Das nennst du Ewigkeit?« Marlies schüttelt ungläubig den Kopf.

»Sonst hatten wir dreimal pro Woche Sex. Mindestens! Und ich tue doch auch alles – ich mache mich hübsch für ihn, halte mich in Form. Seht mal, ich bekomme sogar schon ein Sixpack!« Sie zieht noch einmal das T-Shirt hoch und präsentiert ihre Bauchmuskeln. »Aber das hilft alles nichts. Er beachtet mich kaum!«

»Dabei bist du ja eigentlich nicht zu übersehen«, sagt Petra.

»Ich würde ja zu gerne mit dir tauschen«, entfährt es Hanna.

»Wieso das?«, fragt Edith sofort nach.

»Mein Heinz brüllt mich die ganze Zeit an. Ständig hagelt es Kommandos. Ich höre schon gar nicht mehr hin, wenn er etwas sagt. Aber wehe, das Abendbrot steht nicht Punkt halb sieben auf dem Tisch – dann wird er fuchsteufelswild, steckt die Fernbedienung in seine Hosentasche und ich darf mir später nicht Desperate Housewives oder die neue Pilcher-Verfilmung ansehen.« Hanna seufzt. »Und obwohl er kaum ein nettes Wort für mich findet, ist er noch immer scharf auf mich. Präzise wie ein Uhrwerk verlangt er jeden Freitagabend nach den Tagesthemen von mir, dass ich meinen ehelichen Pflichten nachkomme. Er nennt es sogar so: eheliche Pflichten! Ob ich Lust habe oder nicht, ist ihm ganz egal. Aber ich mache ja mit, dann ist er wenigstens still und schreit mich nicht an«, gibt Hanna resigniert zu und fällt ein wenig in sich zusammen.

»Ich wäre ja froh, wenn Henning mich wenigstens mal anbrüllen würde«, sagt Petra. »Seit Wochen hat er kein Wort mit mir gesprochen. Ich werde noch wahnsinnig!«

»Ich auch«, sagt Marlies leise.

»Warum du denn?«, fragen Hanna, Tina und Petra im Chor. »Du hast doch den sensiblen Ulf.«

»Aber der ... der ist doch nur mein Cousin. Ich habe noch nie einen abbekommen. Keiner hat sich je für mich interessiert. Und ich hatte nur ein einziges Mal in meinem Leben Sex!«

»Einmal?« Tina ist entsetzt. »Bloß ein einziges Mal? Wie hältst du das denn aus?« Marlies ist zwar die Jüngste in der Runde, aber immerhin auch schon achtundzwanzig. Die anderen sind Mitte dreißig, Hanna etwas älter. Gefühlte vierzig, denn neununddreißig ist so eine krumme, unordentliche Zahl, die gefällt ihr nicht.

»So wichtig ist es vielleicht ja auch gar nicht.« Marlies' Worte sind kaum zu verstehen. Sie wird knallrot.

»Seltsam«, sagt Petra und schenkt allen Bowle nach, in der vom Fruchtsaft kaum noch etwas übrig ist. »Ich dachte immer, ihr seid alle glücklich. Ihr habt auf mich immer so ... so zufrieden gewirkt.« Auf einmal überrollt sie eine Woge der Gefühle, von Verständnis und Solidarität. Hanna, Marlies, Tina – sie hat sie ins Herz geschlossen. Ganz spontan.

»Ja«, sagt Edith, »so ist das, wenn man mal ein bisschen an der Oberfläche kratzt. Der vermeintlich echte Schmuck entpuppt sich als Talmi und die heile Fassade ist aus Pappmaché.« Sie verrät nicht, dass die Dämpfe der Fresh&Clean-Produkte in Kombination mit Alkohol enthemmend und wie ein Wahrheitsserum wirken.

»Ach«, sagt Petra beschwichtigend. Sie möchte nicht, dass ihre neuen Freundinnen sich grämen. »So schlimm ist es nun doch wieder nicht. Eigentlich ist ja alles in Ordnung.«

»Ist es eben nicht!«, entgegnet Hanna.

»Genau!«, stimmt Tina ihr zu. »Nichts ist in Ordnung. Und es ist gut, dass wir endlich mal darüber sprechen!«

»Vielleicht hast du Recht«, sagt Petra. »Ehrlich mit sich sein ist auf jeden Fall immer gut.«

»Ach was, vom Reden werden die Fenster auch nicht sauber«, sagt Hanna.

»Genau«, bestätigt Marlies, obwohl sie diesen Spruch schon so oft von ihrer Mutter gehört hat und noch nie leiden konnte. »Reden allein hilft nicht. Wir müssen ... wir müssen etwas tun!«

»Genau«, sagt Tina. »Es muss sich endlich etwas ändern! Unser Leben ist doch total miefig. Wir brauchen frischen Wind. Jede Menge frischen Wind!« Sie schüttelt ihr Haar, als würde sie direkt vor dem Gebläse einer Bühnen-Windmaschine stehen. So wie Gracia vor Jahren beim Eurovision Song Contest (vergessen wir mal, dass sie auf dem letzten Platz gelandet ist). »Einen richtigen Sturm!«

»Ach, ich weiß nicht«, zögert Hanna. »Sturm – das klingt gleich so brutal. So nach Tornado. Nach Verwüstung.« Sie denkt an all den Schmutz, den windbetriebene Naturkatastrophen mit sich bringen.

»Frische Luft wäre jetzt gut«, bemerkt Petra gedankenverloren und blickt zum Fenster hinüber.

»Genau!«, ruft Hanna. »Das ist nicht so heftig wie ein Sturm. Mit frischer Luft kann ich leben!«

»Ihr würdet endlich wieder aufblühen!«, bestärkt Edith die Frauen. »Nennen wir das Ganze doch Frischluftkur!«

»Operation Frischluftkur – ja, das klingt gut«, sagt Tina. »Aber was soll das sein? Was haben wir eigentlich vor? Wir brauchen einen Plan, wie wir unserem Leben neuen Schwung geben können.«

Hanna guckt nachdenklich. »Ich frage mich gerade etwas. Wenn bei uns manches nicht stimmt, wie sieht das dann bei den anderen im Dorf aus? Die tun doch auch alle immer so glücklich und zufrieden. Ich möchte gerne wissen, was bei denen los ist.«

»Da hast du Recht! Und eine Frischluftkur würde dem ganzen Dorf gut tun!«, behauptet Petra entschlossen. »Man glaubt ja, man würde hier ersticken!«

Edith strahlt. Jetzt hat sie alle genau da, wo sie sie haben wollte. »Ich kann euch einen Vorschlag machen. Aber zunächst möchte ich euch zeigen, was die Fresh&Clean-Produkte schon bewirkt haben.« Edith hat sorgsam an der Dramaturgie gefeilt, jetzt bloß nichts überstürzen. Sie nimmt ein Mikrofasertuch und fängt an, die Backofentür vom CrustFighter-Schaum zu befreien. Das Ergebnis ist überwältigend: Die eingebrannten Fettkrusten verschwinden, das Glas wird wieder klar, fast unsichtbar.

»Ohhhh!«, machen die Frauen.

»Seht ihr: Fresh&Clean hält, was es verspricht«, sagt Edith.

»Das muss ich haben!«, sagt Hanna, als wäre ein weiteres Putzmittel die Rettung aus ihrer Ehehölle.

»Das könnt ihr auch. Sogar zum günstigen Komplett-Sonderpreis. Aber Fresh&Clean bietet noch anderes an – etwas, das ihr noch viel dringender benötigt.«

»Was brauchen wir denn dringender als Putzmittel?« Hanna hat schon wieder alles andere verdrängt – das ist ihre Überlebensstrategie.

»Fresh&Clean bietet euch eine ganze neue Servicedienstleistung: Wochenendseminare für eure Männer! Danach bekommt ihr sie grundüberholt und runderneuert zurück. Offiziell heißen diese Seminare Managertraining für Führungskräfte oder Survival für echte Kerle, in Wahrheit handelt es sich aber um Haushaltskurse, kombiniert mit einer Benimm- und Charme-Schule.«

»Wow«, sagt Petra. »So etwas gibt es? Und das funktioniert?«

»Unsere Erfolgsquote im Testlauf lag bei einhundert Prozent«, bestätigt Edith. »Die Seminare wurden von ausgebildeten Psychotherapeutinnen gemeinsam mit Diplom-Verhaltensforscherinnen erarbeitet.«

»Und wann beginnen die Seminare?«

»Die sind eine Messeneuheit, die darf ich euch eigentlich noch gar nicht vorstellen. Das mache ich nur, weil ihr so gute Freundinnen seid – ihr müsst euch leider noch bis zu Du & Deine Welt gedulden.

»So lange?«, stöhnt Hanna. »Was sollen wir denn bis dahin machen?«

»Kennt ihr die alte, wahre Weisheit Wissen ist Macht?«, fragt Edith in die Runde. »Das ist genau das, was ihr jetzt braucht: Wissen. Ihr müsst so viele Informationen über eure Männer und über alle im Dorf zusammentragen, wie ihr könnt. Das macht Spaß und gibt eurem Leben garantiert neuen Schwung! Fresh&Clean wird euch zur Seite stehen.«

»Wir sollen also herumschnüffeln?«, fragt Tina skeptisch. »So wie diese alte Hexe Wilma, die tagein, tagaus am Zaun steht und die Straße observiert?«

»Natürlich geht es nicht ums Schnüffeln – nur um Wissen!« Edith lächelt gewinnend und fächelt ein bisschen Wonder-Orange-Duft in Tinas Richtung. »Früher nannte das Patriarchat Frauen, die zu viel wussten, Hexen. Heute nennt man sie einfach nur klug. Und das wollt ihr doch sein: Kluge Frauen! Oder?«

»Ja«, stimmt sogar Marlies begeistert zu. Klug hat sie noch nie jemand genannt. Das tut dem Selbstbewusstsein gut.

»Wir leben in einer Informationsgesellschaft«, fährt Edith fort. »Und wer die meisten Informationen hat, gewinnt!«

Das leuchtet allen ein. »Oh ja! Oh ja! Oh ja!«, jubeln sie und haben dabei ein begeistertes Flackern in den Augen.

»Aber was ist mit Marlies?«, fällt Hanna plötzlich ein. Die anderen sehen sie an.

»Was soll denn mit mir sein?«, fragt Marlies.

»Na, du hast doch keinen Mann.«

»Stimmt«, gibt sie peinlich berührt zu. Aber als sie wieder aufblickt, sieht sie in den Blicken der drei anderen nicht die Überheblichkeit und Schadenfreude, die sie von den Landfrauen rund um Monique kennt. Sondern Verständnis und Freundschaft. Das tut gut.

»Ja, genau. Wir müssen uns um Marlies kümmern«, sagt Tina entschlossen. »Nur einmal Sex, das geht so nicht weiter. »

»Für dich habe ich etwas ganz Besonderes«, wendet sich Edith direkt an das Mauerblümchen. »Ein Spezialprogramm, das dich unwiderstehlich macht. Das kann ich dir aber erst auf der Messe vorstellen.« Marlies nickt andächtig mit offenem Mund.

Edith hat nur eine vage Idee, was dieses Spezialprogramm sein könnte, aber bis zur Messe wird ihr schon etwas einfallen. Was viel wichtiger ist: Die Saat ist gesät! Nun muss sie nur noch schnell verschwinden, bevor die Fresh&Clean-Produkte auch bei ihr anzuschlagen beginnen.

»Meine Lieben, ich muss leider los – ich habe noch einen Termin!« Sie verteilt schnell Gratispröbchen und Mikrofasertüchlein und verabschiedet sich. Einen Augenblick später hören die frischgebackenen Freundinnen sie in ihrem Golf GTI davonbrausen.

Petra öffnet das Küchenfenster. Die hereinströmende Luft wirkt seltsam ernüchternd. Plötzlich sieht sie ihre halb geputzte Küche viel klarer. Die sauberen Flächen wirken noch sauberer, die schmutzigen noch schmutziger. Sie will ihre Partygesellschaft wieder ins Wohnzimmer dirigieren, doch Hanna sagt: »Huch, es ist ja schon sechs. Ich muss mich beeilen, das Abendessen, ihr wisst ja.« Ein bisschen mulmig ist ihr, weil sie den anderen Dinge erzählt hat, die sie sonst immer für sich behalten würde. Und doch zwinkert sie Petra, Tina und Marlies auf einmal lächelnd und verschwörerisch zu, mit der Hoffnung, dass bald alles ganz anders wird.

Den anderen geht es genauso. So offen waren sie noch nie. Und es ist, als würde dadurch eine besondere Verbindung zwischen ihnen bestehen. Tina und Marlies wollen auch gehen. Petra bringt alle zur Tür. Im Flur ziehen sie ihre Jacken an. Es ist immer noch eng, aber das ist egal, das fällt nicht mehr auf. Sie haben sich innerlich von ein paar ihrer Fesseln befreit.

Petra verwirft den Gedanken, Monique und ihren Hofstaat einzuladen. Diese drei, das werden ihre Freundinnen. Jetzt, wo sie so viel voneinander wissen. Und sie haben etwas gemeinsam: die Operation Frischluftkur.

Kapitel 2:Hin und zurück

Samstag, 6. Februar

Bier ist alle. Zitterkalle hat schon überall nachgeguckt. Im übersichtlich sortierten Kühlschrank schmückt sich ein in die Jahre gekommener Kochkäse wie eine alternde Operndiva mit einem schillernden blauen Pelz und friert vor Einsamkeit. Auf der Fensterbank kämpft eine unterentwickelte Efeuranke mit einem Drahtherzen, hinter dem Sofa vermehren sich eifrig die Wollmäuse. Auf der Terrasse knarzt die Hollywoodschaukel leise vor sich hin.

Noch nicht mal im Sitz der ausrangierten Küchenbank, die im Carport vergeblich auf bessere Zeiten wartet, ist Bier. Dabei ist das Zitterkalles Geheimversteck, so geheim, dass er es selbst manchmal vergisst und sich dann sehr freut, wenn es ihm zufällig wieder einfällt.

»Ganz schön kalt heute!«, ruft Wilma zu ihm rüber. Kein Wunder, es ist inzwischen tiefster Winter. Wilma steht trotzdem hinter ihrem Gartenzaun und tut so, als würde sie den Weg fegen. Sie trägt einen geblümten Kittel – sie trägt immer einen geblümten Kittel – und darunter Ski-Unterwäsche von Tchibo, sonst würde sie es nicht so lange auf ihrer Pole-Position hinter dem Jägerzaun an der Hauptstraße aushalten. Den ganzen Tag steht sie dort. Jeden Tag. Seit vierzig Jahren. Deshalb ist sie über fast alles informiert. Ganz harmlos beginnt sie ein Gespräch mit jedem Passanten. Zunächst geht es ums Wetter, das unverfänglichste Thema der Welt. Dann leitet sie raffiniert über zu Bereichen der Marktforschung – Vergleich von Sonderangeboten, Ausspionieren des Kaufverhaltens –, bis sie zu ihren Lieblingsgesprächsthemen kommt: Unfälle, Krankheiten und Familiendramen. Dann gibt es kein Entrinnen mehr. Im Fernsehen sieht Wilma sich gerne Tierdokumentationen an, sie hat sich Strategien bei der Boa constrictor und verschiedenen Spinnenarten abgeguckt.

Nur ein paar älteren Damen gelingt es, sich Wilmas würgeschlangenartigem Zugriff immer wieder zu entziehen. Wilma wurmt das. Sie spürt jedes Mal: Die Omis vom Landfrauen-Häkelkränzchen wissen mehr, als sie sagen wollen. Manchmal, denkt Wilma, hat sie sie ganz kurz davor, mit allem rauszurücken ... doch dann geht es plötzlich doch wieder nur ums Wetter. Wilma nervt das ungeheuer. Also hat sie beschlossen, sich nicht mehr um die alten Schachteln zu kümmern. Sollen die doch weiter ihre albernen Eierwärmer häkeln und auf dem Weihnachtsbasar verkaufen.

»Hmmhmmm«, brummt Zitterkalle nur. Er hat heute keine Lust auf einen Plausch mit Wilma. Eigentlich hat er dazu nie besondere Lust, dieses am Gartenzaun Rumgestehe ist ihm zu ungemütlich. Und heute ist es noch dazu wirklich saukalt. Seit ein paar Tagen friert es schon, über Nacht sind die Temperaturen auf minus fünfzehn Grad gefallen. Zitterkalle hat sich für den kurzen Weg zum Carport noch nicht mal die Mühe gemacht, feste Schuhe anzuziehen oder gar eine Jacke. Er zittert. Wie immer. Aber normalerweise zittert er, weil er nicht genug Alkohol oder zu viel Kaffee getrunken hat. Letzteres behauptet er zumindest immer, obwohl jeder im Dorf weiß, dass das nicht stimmt.

Durch das Loch im rechten Socken kriecht die Kälte und lässt ihn bibbern. Und dann ist noch nicht mal mehr Bier da. Es ist erst halb elf vormittags, aber Zitterkalle ist schon kurz davor, den Tag zu verfluchen. Stattdessen sagt er zu sich selbst: »Das kann ja nur besser werden.« Denn Zitterkalle ist Optimist. Morgens eigentlich noch nicht so, aber im Laufe des Tages wird es besser. Unter geeigneten Umständen wird er sogar zum Draufgänger. Geeignete Umstände bedeuten: die eine und andere Flasche Bier, Zitterkalles Kumpels – Freunde würde er sie nicht gerade nennen – und, das ist ganz wichtig, Publikum. Wenn er richtig in Stimmung kommt, dann fragt sich Zitterkalle, was für Abenteuer diese Welt einem unerschrockenen Mann wie ihm zu bieten hat. Antworten auf diese Frage sind meist schnell gefunden, ihm fällt immer etwas ein, und wenn nicht, dann macht einer seiner Kumpels einen Vorschlag. Zitterkalle zögert nie, die Ideen umzusetzen. Wenn er zögern würde, könnte er ja Zeit haben, nachzudenken und vielleicht etwas Abstand nehmen von den, wie er es nennt, Herausforderungen. Aber so, im Licht des Augenblicks, sind die Verlockungen meist übermächtig, zu aufregend, als dass man sie ignorieren könnte. Und wenn dann noch eine Wette ins Spiel kommt, ist Zitterkalle erst recht bei seiner Ehre gepackt. Er ist bereit, diese Ehre bis zum Äußersten zu verteidigen. Ungeachtet der Frage, ob spontane Aktionen wie der legendäre Nacktauftritt beim Fußballspiel gegen den TSV Dröpplenburg anno 1998 dazu geeignet sind. Kalle tut, was ein Mann tun muss, sei es nun, mit einem selbst gebastelten Gleitschirm von der Autobahnbrücke zu springen oder Bauer Harms' Zuchtbullen zuzureiten.