Mord in Travemünde: Tödliche Küste - Anke Gebert - E-Book
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Mord in Travemünde: Tödliche Küste E-Book

Anke Gebert

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Beschreibung

Ein tragischer Unfall – oder eiskalter Mord? Der fesselnde Küsten-Krimi »Mord in Travemünde – Tödliche Küste« von Anke Gebert als eBook bei dotbooks. Wenn die Wahrheit mörderische Folgen hat … Die Privatermittlerin Nina Wagner ist geschockt, als der Freund ihrer Nachbarin beim Bernsteinsammeln tödlich verunglückt. Anders als die Polizei ist Monica fest davon überzeugt, dass es Mord war: Der Kunstexperte Pierre stand kurz davor, einen bekannten Maler als Betrüger zu überführen. Musste er deswegen sterben? Die beiden Frauen beschließen, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, und checken darum auf der MS Azzuro ein, wo der Künstler im Rahmen einer Kreuzfahrt seine neuen Werke präsentieren will. Doch auf hoher See gibt es für niemanden ein Entkommen: nicht für den Gejagten, nicht für seine Jägerinnen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende Regiokrimi »Mord in Travemünde – Tödliche Küste« von Anke Gebert ist der dritte Band ihrer Reihe um die Privatermittlerin Nina Wagner, der unabhängig von den anderen gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 224

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Über dieses Buch:

Wenn die Wahrheit mörderische Folgen hat … Die Privatermittlerin Nina Wagner ist geschockt, als der Freund ihrer Nachbarin beim Bernsteinsammeln tödlich verunglückt. Anders als die Polizei ist Monica fest davon überzeugt, dass es Mord war: Der Kunstexperte Pierre stand kurz davor, einen bekannten Maler als Betrüger zu überführen. Musste er deswegen sterben? Die beiden Frauen beschließen, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, und checken darum auf der MS Azzuro ein, wo der Künstler im Rahmen einer Kreuzfahrt seine neuen Werke präsentieren will. Doch auf hoher See gibt es für niemanden ein Entkommen: nicht für den Gejagten, nicht für seine Jägerinnen …

Über die Autorin:

Anke Gebert studierte u.a. am Deutschen Institut für Literatur in Leipzig. Sie arbeitete in verschiedenen Berufen, bevor sie in Hamburg an der Master School Film ein Drehbuch-Studium absolvierte. Seit einigen Jahren ist sie freie Autorin von Romanen, erzählenden Sachbüchern und Drehbüchern. Sie gibt Seminare für fiktives und autobiografisches Schreiben. Für ihre Arbeiten erhielt sie diverse Preise.

Die Autorin im Internet: www.ankegebert.de

Bei dotbooks veröffentlicht Anke Gebert: »Eine Liebe im Adlon« und die Krimireihe um Nina Wagner mit den Titeln »Mord in Travemünde – Tödliche Brise«, »Mord in Travemünde: Tödliche Wellen« und »Mord in Travemünde: Tödliche Küste«

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eBook-Neuausgabe September 2022

Dieses Buch erschien bereits 2015 unter dem Titel »Über Kreuz« im Emons Verlag.

Copyright © der Originalausgabe 2015 Emons Verlag GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Sergei25 / shutterstock.com und michelaubryphoto / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-261-2

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Anke Gebert

Mord in Travemünde: Tödliche Küste

Ostseekrimi

dotbooks.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

Für Ralf

Die Liebe ist jene Flamme,

welche die Götter den Sterblichen missgönnen,

und die Eifersucht ist der fressende Geier,

der den Diebstahl furchtbar rächt.

Ludwig Börne

Wer auf Rache aus ist, der grabe zwei Gräber.

Konfuzius

Kapitel 1

Juni 2014

Auf dem Penthouse gegenüber hüpften drei junge, noch graue Möwen so nah an die Kante des Flachdachs heran, dass Nina kurz den Atem anhielt. Wieder einmal war sie erleichtert, dass keiner der jungen Vögel in die Tiefe stürzte. Woher wussten sie, wie weit sie sich vorwagen durften? Weshalb passte die Mutter, die majestätisch und unerreichbar für ihre Jungen auf dem Schornstein thronte und den Blick abgewandt hatte, nicht besser auf sie auf? Warum war der Vater wieder einmal für längere Zeit ausgeflogen?

Nina hätte gern Jan diese Fragen gestellt, doch auch er hatte keine Antworten darauf. Das wusste sie, seitdem sie die Möwenfamilie auf dem Dach gegenüber beobachteten. Seitdem sie ihre gemeinsame Wohnung in Travemünde in der Straße Mittschiffs bezogen hatten. Das war erst ein paar Wochen her, damals hatte die schöne, große weiße Möwenmutter noch unablässig auf dem Nest gesessen und gebrütet. Der Vater hielt damals Wache, wenn er nicht gerade kurz unterwegs war, um etwas zu fressen aus dem Godewindpark zu holen. Trotzdem magerte die Mutter während der Brutphase so stark ab, dass es Nina beängstigte. Jetzt wirkte es so, als wären ihr die ständig nach Futter fiependen, ziemlich hässlichen, hinter ihr herhüpfenden Jungen zu viel. Als warte sie sehnlichst darauf, dass sie endlich davonflögen. Oder als wäre es ihr gleichgültig, wenn eines der Jungen vom Dach fiele. Auch dem Vater schien gleichgültig zu sein, was mit seinen Jungen geschah – und mit seiner Frau.

»Mach dir keine Sorgen, die fallen nicht hinunter!«, meinte Jan, der mit einer Flasche Wein auf den Balkon trat, als hätte er Ninas Gedanken erraten. »Sie wissen instinktiv, wie weit sie gehen dürfen und dass sie noch nicht fliegen können.«

Nina riss sich vom Blick auf das Dach gegenüber los, auf dem das dickste der Möwenjungen gerade seine Flügel ausprobierte, als wolle es gleich abheben, und von der Anstrengung, den runden Körper in die Luft zu bringen, mit den dünnen Beinen zu Boden knickte.

Jan reichte Nina ein volles Glas. Sie stieß es gegen seines. »Auf unsere schöne Wohnung!«

Von der Promenade wehten kaum noch hörbar das Gerede und Gelächter vieler Menschen und Helene Fischers Song »Atemlos durch die Nacht« herüber. Der Song, der seit einigen Monaten auf keiner Party fehlen durfte, so wie auch Ricci Beils »Auf allen vieren ins Glück«.

Es fand gerade das Travemünder Promenadenfest statt, eine Mini-Travemünder-Woche, nur ein Wochenende lang. Zwei große Bühnen mit Livemusik, Kunsthandwerk, Flammkuchen, Bowle, Tattoos – angeboten in geschmackvollen Büdchen, aufgereiht an einer Seite der Promenade. Auf der Strandseite standen Tische, Stühle, Bänke und rot bezogene Liegestühle zur freien Benutzung mit Blick auf die Ostsee. Das Wetter war seit Wochen sommerlich, die Strandkörbe regelmäßig belegt. Fähren fuhren nach Travemünde ein oder von hier aufs offene Meer hinaus – auf den ihnen vorgeschriebenen Routen zwischen unzähligen Segelbooten hindurch.

»Was meinst du, Double oder CD?«, fragte Nina amüsiert. Erst zwei Wochen zuvor war das Travemünder Sommerfest an der Trave gewesen. Auf dem Weg dorthin hatten Jan und sie angenommen, dass Helene Fischer persönlich nach Travemünde gekommen wäre, so originalgetreu klang die Musik, die von einer Bühne kam. Doch es war ein Double, das sang und sich nicht nur stimmlich, sondern auch äußerlich kaum verstellen musste. Wenn man die Augen schloss, konnte man annehmen, dass es Helene Fischer war.

»Wir können froh sein, dass wir etwas abgelegen hinter dem Godewindpark wohnen«, meinte Jan. »So schön es ist, dass in Travemünde jetzt beinahe jedes Wochenende Events stattfinden, so hart ist es für die Leute, die in der Kaiserallee oder im Maritim wohnen, von morgens bis abends diesem Lärm ausgesetzt zu sein.«

Travemünde erfreute sich zunehmender Beliebtheit, seit hier neben der alljährlichen Travemünder Woche auch noch Beach-Volleyball- und Boule-Meisterschaften, Shantychor-Treffen, »Travemünde jazzt« und vieles andere mehr stattfanden. Das zeigte sich daran, dass in der Vorderreihe in den Cafés und Restaurants noch nie so viele Tische und Stühle und am Strand so viele Strandkörbe wie in diesem Jahr aufgestellt worden waren. An heißen Tagen wie dem heutigen waren die meisten Plätze belegt. Travemünde schien es gut zu gehen.

Nina hatte entschieden, hier zu leben. Mit Jan, in dieser wunderschönen Wohnung, die er besorgt hatte. Besorgt, das hörte sich für Nina besser an als gekauft. Sie mochte jetzt nicht darüber nachdenken, dass Jan die Wohnung allein bezahlt hatte. Von seinem Geld. Oder dem seiner Eltern, weil er seine vorherige Wohnung von ihnen überschrieben bekommen und zu Geld gemacht hatte. Sehr viel Geld. Viel mehr, als die Eltern Vorjahren für die Wohnung bezahlt hatten. Fast das Doppelte. Das war möglich gewesen, weil in den letzten zwei Jahren die Preise für Immobilien in guten Lagen nochmals in die Höhe geschossen waren, in schwindelerregende Höhen. Die niedrigen Zinsen für Kredite bei Banken hatten ihr Übriges getan.

»Nina, denk jetzt bitte nicht wieder darüber nach, dass ich unsere Wohnung gekauft habe. Wie du weißt, habe ich das Geld dafür nicht selbst erarbeitet. Es ist uns geschenkt worden. Von meinen Eltern und von den Verrückten, die heutzutage überteuerte Immobilien kaufen, um ihr Geld anzulegen.«

Nina lächelte, weil Jan wieder einmal ihre Gedanken erraten hatte. Sie prostete ihm zu. »Und weil du es dir nicht gefallen lassen hast, dass man dich als Käufer dieser Wohnung reinlegt.«

Jan nickte. Es war für ihn eine schwierige Entscheidung gewesen, rechtlich gegen einen Maklerkollegen seines Vaters und den Eigentümer, der ein Einheimischer war, vorzugehen. Doch Jan wollte nicht hinnehmen, dass er beim Kauf dieser Wohnung, die er als Erster besichtigt und deren Erwerb er sofort zugesagt hatte, betrogen wurde. Er wollte diese Wohnung und hatte juristische Mittel eingelegt, als er bemerkte, dass der Verkauf fingiert werden sollte, um Schwarzgeld fließen zu lassen. Es hatte ihm keine Freunde eingebracht, doch inzwischen war er deshalb mit sich im Reinen. Jetzt saß er hier. Mit Nina. Und wollte nicht mehr daran denken oder gar nochmals darüber sprechen. Das wusste Nina.

Die Sonne ging rot am Horizont unter. Hinter manchen Fenstern in der Straße war das Flimmern der Bildschirme zu erkennen. Es war Fußballweltmeisterschaft in Rio de Janeiro. Viertelfinale. Deutschland spielte heute nicht, trotzdem blieben viele Menschen zu Hause, weil die bisherigen Spiele so interessant verlaufen waren: Vor allem Mannschaften aus Nationen mit nur wenigen Millionen Einwohnern hatten sich aufregende Spiele geliefert, wie etwa Uruguay, Ghana und Ecuador. Sogar Nina hatte sich einige der Übertragungen angeschaut. Jan sowieso. Doch dieser Abend war zu schön, um in der Wohnung zu sitzen.

Auf Jans muskulösen Unterarmen glitzerten im Licht der Sonne goldene Härchen. Nina strich mit der Hand darüber. Sie liebte diese Arme. Sie liebte Jan. Seit sie hier wohnten, hatte sie noch nicht einmal darüber nachgedacht, nach Hamburg in ihre kleine Wohnung in Barmbek zu fahren. Jan schnitt das Thema, wann sie dieses Hintertürchen endlich kündigen wollte, nicht an. In Momenten wie diesen war Nina entschlossen, bereits am nächsten Tag Hamburg für immer aufzugeben, doch die eigene Wohnung vermittelte ihr das Gefühl von Unabhängigkeit. Es war unsinnig, sie zu halten, auch, weil sie sie sich eigentlich schon länger nicht mehr leisten konnte, doch sie zu kündigen wäre Nina vorgekommen, als würde sie sich endgültig von Jan abhängig machen. Materiell. Sie musste endlich wieder Geld verdienen! Als Übersetzerin. Oder am besten als Ermittlerin.

Jan griff nach ihrer Hand und zog Nina zu sich auf den Schoß. Sie küssten sich, und Nina war klar, dass sie sich kurz darauf ins Innere der Wohnung begeben würden. Nicht, um dort eine Fußballübertragung anzusehen.

Jans Hand glitt unter Ninas T-Shirt.

Nina lachte, »Jan!«, und blickte hinüber zum Penthouse. Sie war sich nicht sicher, ob die dortigen Bewohner Ninas und Jans Balkon einsehen konnten. Jetzt war ihr Freund mit seinen Händen dort angelangt, wo es ihm am liebsten war und wo es auch Nina am liebsten war.

Sie zog ihn nach drinnen. In der Tür schaute Nina sich noch mal zum gegenüberliegenden Haus um. Ein Möwenjunges tänzelte auf der Kante des Daches. Breitete seine viel zu kurzen Flügel aus. Hüpfte in die Höhe. Und fiel wie ein Stein in die Tiefe.

Kapitel 2

»Nina!«, rief Jan, doch sie rannte die Treppen hinab, ohne sich zu ihm umzudrehen. Beinahe hätte Jan vergessen, den Wohnungsschlüssel mitzunehmen, bevor er ihr nacheilte. Als er Nina einholte, hatte sie bereits bei den Leuten, die »Anders« und »Valet« hießen und auf deren Balkon das Möwenjunge gestürzt war, geklingelt. Jan wusste, dass es jetzt keinen Sinn hatte, etwas dagegen zu sagen, denn Nina ließ sich in solchen Dingen nichts sagen.

Eine Frau fragte durch die Gegensprechanlage: »Ja, bitte?«

Nina erzählte atemlos, was passiert war, und bat darum, das Möwenjunge zu retten. Sie wolle auch dabei behilflich sein. Die Frau aus dem Penthouse betätigte kommentarlos den Türöffner. Nina und Jan hasteten die Treppen hinauf.

»Mein Mann spielt bereits den Retter …«, sagte die für diesen Sommerabend recht elegant gekleidete und offenbar leicht angetrunkene Frau in der offenen Tür zur Wohnung und streckte zuerst Nina und danach Jan lächelnd die Hand entgegen. »Anders. Kommen Sie gern herein!«

Nina und Jan stellten sich ebenfalls vor und folgten Frau Anders in die faszinierende Wohnung, die sich über die ganze obere Etage des dreistöckigen, erst vor wenigen Jahren gebauten Hauses erstreckte. Bereits der Flur wirkte durch die vielen gerahmten Grafiken und Gemälde an den Wänden wie eine Galerie. Im Wohnzimmer, das eher wie ein Salon anmutete, hingen nur ein paar große Bilder und entfalteten dadurch eine noch stärkere Wirkung. Auf dem Parkettboden lag wie zur Zierde ein Teppich, der ebenfalls wie ein Gemälde aussah und wie Nina noch keinen gesehen hatte. Möbel im Bauhausstil waren gekonnt gemischt mit Antiquitäten. Dass auf dem Kaminsims Bernsteine in verschiedensten Größen lagen, irritierte Nina einen Augenblick lang, denn für sie hatte Bernstein etwas Spießiges, und in dieser Wohnung existierte ansonsten offenbar nichts Spießiges. Auf dem Tisch stand eine geöffnete Flasche Rotwein.

Frau Anders zeigte in Richtung des Rundumbalkons und sagte amüsiert: »Dort ist das Drama passiert. Auch ein Glas?«

Nina trat auf den Balkon hinaus. Der Mann des Hauses stand an der Brüstung und blickte ihr entgegen, als wäre er in Gedanken. Nina fand ihn auf Anhieb sympathisch, weil er sich um die kleine Möwe kümmerte. Vielleicht auch, weil er recht attraktiv war. Er wirkte jünger als seine Frau, wesentlich jünger.

»Ich glaube, ich weiß jetzt, wie wir es machen könnten«, meinte er. »Das Problem ist, dass man die Jungen angeblich nicht anfassen darf, wenn man sie ins Nest zurücksetzen will. Wenn man sie anfasst, rührt die Mutter sie nicht mehr an. Vielleicht ist das aber auch gar nicht wahr. Ich habe keine Ahnung. Deshalb sollten wir auf Nummer sicher gehen.«

Nina stand unschlüssig in der Tür und schaute auf das Möwenjunge, das wie ein Igel zusammengerollt in einer Ecke hockte und vor lauter Angst bereits mehrmals auf den schimmernden Schieferboden gekackt hatte. Sie reichte dem Mann die Hand.

»Nina Wagner. Wir wohnen gegenüber.«

»Pierre Valet«, erwiderte der Mann. »Freut mich sehr. Wir haben Sie drüben einziehen gesehen. Da haben Sie sich wirklich eine tolle Wohnung ausgesucht.«

Nina blickte zur kleinen Möwe, die jetzt vorsichtig ihre Flügel richtete.

»Monica!«, rief der Mann.

Die Frau des Hauses und Jan erschienen in der Balkontür, beide mit vollen Gläsern in den Händen.

»Monica, sei so gut und bring uns beiden doch mal ein altes Handtuch«, sagte Pierre Valet.

Monica lächelte Jan an, als wäre sie mit ihm verbündet, bevor sie in die Wohnung zurückging.

Valet zog eine Leiter aus, die aufs Dach führte, breitete das Handtuch aus, das seine Frau ihm brachte, und umschloss damit sehr behutsam den kleinen Vogel. Dieser ließ es geschehen, als wüsste er, dass ihm geholfen würde, oder als wäre er vor Angst erstarrt. Valet übergab die Möwe Nina und stieg die Leiter hinauf. Als er oben angekommen war, machte er Nina ein Zeichen, ihm den Vogel zu reichen. Nina spürte den beängstigend starken Herzschlag des Jungen durch das Handtuch. Valet entließ es auf das Dach. Seine Frau klatschte.

»Du bist ein Held!«

Nina und Jan pflichteten ihr bei, und Pierre Valet befand, dass man gemeinsam darauf anstoßen sollte, wenn man ein Leben gerettet hatte.

Nach Mitternacht saßen sie immer noch beisammen. Monica Anders während des gesamten Abends dicht neben ihrem Mann auf dem großen Sofa. Sie war die Inhaberin der schönen kleinen Galerie für zeitgenössische Kunst im Strandbahnhof. Pierre Valet streichelte die Hand seiner Frau, als er erzählte, dass er oft als Kunstwissenschaftler unterwegs wäre. So bereite er gerade wieder Vorträge vor, die er demnächst auf einem Kreuzfahrtschiff halten sollte. Nur einmal, als er auf Ninas Frage nach der Bernsteinsammlung zu einem längeren Vortrag über seine Passion als Sammler dieser edlen Steine ausholen wollte, unterbrach seine Frau ihn mit den Worten: »Wir wollen doch unsere neuen Nachbarn nicht langweilen.«

Als Nina und Jan sich schließlich verabschiedeten, waren sie ziemlich betrunken. Noch eine Weile kicherten sie in der Tür mit den netten Eheleuten von gegenüber, die sich an den Händen hielten.

»Ich hoffe, Sie werden in Ihrer neuen Wohnung genauso glücklich, wie wir es hier immer waren«, sagte Monica Anders, bevor Jan und Nina die Treppen hinabstiegen.

»Sind«, fügte Pierre Valet hinzu. »So glücklich, wie wir hier sind.«

»Ja, das hoffe ich auch«, meinte Nina, als Jan ihr den Arm um die Schulter legte und sie gemeinsam über die Straße Mittschiffs auf ihr Wohnhaus zu wankten.

»Was hoffst du?«, fragte Jan.

»Dass wir hier so glücklich werden wie unsere Nachbarn.«

Jan umfasste Nina fester. »Werden wir. Versprochen.«

Kapitel 3

Kaum hatte sie die Tür hinter Jan und Nina geschlossen, machte Monica sich von ihrem Ehemann los, eilte zurück ins Wohnzimmer, goss sich den Rest aus einer Rotweinflasche in ihr Glas, trank es leer und holte eine weitere Flasche.

»Was ist jetzt wieder los?«, fragte Pierre.

Monica hantierte mit dem Flaschenöffner, rutschte aber immer wieder vom Korken ab. Er nahm ihr die Flasche und den Öffner ab.

»Lass uns lieber schlafen gehen, wir haben für heute genug.«

»Ich habe genug! Von deinem Rumgemache mit anderen Frauen!« Monica fiel nach hinten aufs Sofa. »Denkst du, ich habe nicht bemerkt, dass du das Mädchen gut findest?«

»Das ist doch kein Mädchen mehr!«, entgegnete Pierre.

»Siehst du, du findest sie gut!«

»Quatsch! Ich war nur nett.«

»Sie könnte deine Tochter sein!«

»Unsinn! Sie ist mindestens Mitte dreißig, und ich bin Mitte vierzig.«

»Ende vierzig«, murmelte Monica. »Und ich bin Ende fünfzig. Meine Tochter könnte sie sein. Und das ist das Problem! Ich bin dir zu alt. Deshalb machst du mit anderen Frauen rum. So wie mit dieser blöden Entertainmentmanagerin auf deinem Schiff!«

Pierre stand hilflos am Tisch. »Bitte fang nicht schon wieder davon an! Lass uns lieber schlafen gehen.«

Monica zündete sich eine Zigarette an. »Ich will jetzt aber noch Wein trinken!«

Pierre goss seiner Frau ein. »Dann trink! Ich gehe schlafen.«

»Geh doch!«, schrie Monica. »Geh doch zu deiner Geliebten!«

Sie begann zu weinen. Weil sie sich selbst nicht mochte, wenn sie so war, und trotzdem nicht damit aufhören konnte, so zu sein. Oder weil sie solch große Angst hatte, dass Pierre ging, nicht nur jetzt allein ins Bett, sondern für immer. Doch Pierre blieb im Zimmer und setzte sich in einen Sessel.

»Monica, ich habe dir geschworen, dass ich mit Marion Schluss gemacht habe. Was soll ich noch tun?«

Monica wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Bei mir bleiben! Geh bitte nicht wieder auf dieses Schiff! Zu ihr.«

»Ich bleibe bei dir. Aber ich muss diese eine Reise noch machen. Ich habe dafür einen Vertrag unterschrieben.«

»Ich scheiße auf den Vertrag!«, sagte Monica leise und trank ihr Glas leer.

»Es ist die letzte Reise, für die ich einen Vertrag habe, und du weißt, wir brauchen das Geld. Deine Galerie …«

»Jetzt fang ja nicht damit an! Jetzt bin ich noch schuld, weil meine Galerie nicht gut läuft, dass du mit dieser Schlampe auf dem Schiff etwas angefangen hast!«

Nun goss sich Pierre doch noch etwas Wein ein.

»Zum hundertsten Mal: Du bist nicht schuld. Niemand ist schuld. Es hat sich so ergeben, es ist einfach passiert. Und ich habe es beendet.«

Monica lachte höhnisch auf.

»Es hat sich so ergeben …! So einfach ist das. Man gibt nicht allen Sachen nach, die sich so ergeben! Wie würdest du es denn finden, wenn ich alle Sachen mache, die sich ergeben?«

Pierre schaute seine Frau überrascht an, so als wäre er noch nie auf die Idee gekommen, dass sich bei ihr etwas »ergeben« könnte. Monica hielt seinem Blick mit einem triumphierenden Lächeln stand, auch wenn ihr gleichzeitig bewusst wurde, dass ihr schon lange kein fremder Mann Avancen gemacht hatte. Früher, ja, als sie noch nicht mit Pierre verheiratet war. Und auch noch zu Beginn ihrer Ehe, als sie Anfang vierzig und sehr glücklich war, da hatte sie sich vor Männern, die mit ihr flirteten, kaum retten können. Vermutlich, weil sie ihr Glück ausstrahlte. Niemals war sie auf die Idee gekommen, Pierre zu betrügen. Doch er …!

»Wer sagt mir, dass du tatsächlich Schluss mit ihr gemacht hast?«, fragte sie.

»Ich sage es dir, zum hundertsten Mal!«

»Wer sagt mir, dass du nicht wieder etwas mit ihr anfängst, wenn du an Bord sein wirst?«

Pierre schüttelte resigniert den Kopf. »Du kannst ja mit auf die Reise kommen und auf mich aufpassen.«

»Ganz bestimmt werde ich das nicht tun!«, erwiderte Monica.

»Früher bist du öfter mitgekommen, es war immer schön, wenn wir zusammen auf dem Schiff waren.«

Monica nickte. Ja, sie hatte ein paar unvergessliche Schiffsreisen gemacht. Die schönste war die, als sie Gast auf der MS »Europa« war und Pierre kennenlernte. Nachdem er die Vernissage eines Künstlers an Bord eröffnet hatte, waren sie bei Champagner ins Gespräch gekommen und hatten sich wohl noch am selben Abend ineinander verliebt. Am Ende der damaligen Kreuzfahrt hatte Pierre beschlossen, seine Familie für Monica zu verlassen. Es war ihr damals wie ein großer Liebesbeweis erschienen, dabei hätte es ihr wohl eher eine Warnung sein sollen, wie schnell er sich verliebte und wie schnell er bereit war, alles für eine andere Frau aufzugeben.

»Vielleicht bekomme ich es in der Reederei noch arrangiert, dass du mitfahren kannst«, schlug Pierre vor.

Monica erhob sich wankend.

»Ich werde auf keinen Fall einen solchen Kahn wie die MS ›Azzuro‹ betreten. Wenn du wenigstens noch auf solchen schönen Schiffen wie unserer ›Europa‹ fahren würdest. Aber dort engagieren sie dich ja nicht mehr. Außerdem wäre es unerträglich für mich, deiner Schlampe zu begegnen. Und ich wünschte, du würdest auch nicht fahren.«

Pierre erhob sich ebenfalls.

»Ich muss diese Kreuzfahrt noch machen. Du weißt, dass ich da noch etwas zu erledigen habe. Ich kann den Typen nicht einfach so davonkommen lassen, wenn er tatsächlich ein Kunstfälscher ist. Er ist wieder an Bord und will ahnungslosen Kunden seine Sachen verkaufen …«

Monica winkte unwirsch ab, bevor sie das Zimmer verließ.

»Das interessiert mich alles überhaupt nicht! Mach du deine letzte Reise! Aber ohne mich!«

Kapitel 4

Ich lasse mir nicht unser Leben zerstören. Ich lasse mir nicht mein Leben zerstören.

Nur weil dieser eine Mensch meint, er könne das, er müsse das. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ich werde ihn davon abhalten. Das hat er nun davon, dass wir ihm so lange vertraut haben. Dass er uns so lange vertraut hat. Deshalb weiß ich so vieles über ihn. Auch, wohin er immer geht. Und was er dort sucht. Ich werde dafür sorgen, dass es das letzte Mal sein wird.

Kapitel 5

Er war an diesem frühen Morgen der einzige Mensch auf der Straße Mittschiffs, nicht mal im Godewindpark war schon jemand unterwegs, um seinen Hund auszuführen. Wieder einmal faszinierte Pierre die Idylle, die dieser Park ausstrahlte, mit seinen beiden miteinander verbundenen Teichen, die wie Seen anmuteten, über die eine Brücke führte. Die Pavillons aus hohen Hecken und besonderen Sträuchern, in denen Menschen ausruhen oder picknicken konnten. Die riesigen, seltenen Bäume, deren Aste bis übers Wasser ragten und dem Park etwas Verwunschenes verliehen. Schwäne und Enten waren auf der Suche nach Nahrung für ihre Jungen. Der Ausblick von der Wohnung auf diesen Park, hinter dem man die Wellen der Ostsee rauschen hörte und abends die beleuchteten Fähren aufs Meer hinausfahren sah, war einer der Gründe gewesen, weshalb sich Monica und Pierre in die Wohnung Mittschiffs verliebt und sie kurz entschlossen gekauft hatten. Eine Weile waren sie dort glücklich gewesen. Sehr glücklich. Jetzt ging Pierre allein am Strand entlang und musste sich ermahnen, die Schönheit des Meeres, des Himmels und der Weite wahrzunehmen.

Er verharrte am Ufer und ließ den Blick schweifen. Danach begann er, auf seiner gewohnten Strecke zwischen Sand und Steinen nach Bernstein Ausschau zu halten. Wenn Monica ihm wohlgesinnt war, bezeichnete sie seine Bernsteinsammelei als eine Passion. Wenn sie ihm schlecht gesinnt war, verglich sie ihn mit spießigen Sammlern von Bierdeckeln oder Briefmarken. In Wahrheit war das Suchen von Bernstein für Pierre zu einer Zwangshandlung geworden. Wenn es ihm nicht gut ging oder er dringend über etwas nachdenken oder gar eine wichtige Entscheidung treffen musste, dann gelang ihm dies am besten, wenn er wie mit einem Tunnelblick Ausschau nach Bernstein hielt. An diesem Morgen traf alles zusammen zu: Es ging ihm nicht gut. Er musste dringend über etwas, über mehreres nachdenken. Und er musste eine Entscheidung treffen.

Er hatte Monica einen Zettel mit der Nachricht, dass er an »seine Bernsteinküste« ginge, auf den Tisch gelegt, obwohl sie wusste, wo er war, wenn er in aller Frühe allein loszog. Pierre hatte die Wohnungstür leise hinter sich geschlossen, um seine Frau nicht zu wecken, denn er wollte ihr nach dem gestrigen Abend nicht begegnen, so verkatert, wie sie sicherlich war. Sie hatten sich in der vergangenen Nacht wieder einmal so vieles gesagt, was nun zwischen ihnen stand und vielleicht für immer zwischen ihnen stehen würde, auch wenn Monica am Morgen nach solchen Abenden dies meist bedauerte und weinerlich, fast wie ein kleines Mädchen war, das wieder »lieb« sein wollte.

Doch Monica war nicht lieb, sie war krankhaft eifersüchtig. Das war sie bereits, bevor Pierre etwas mit einer anderen Frau angefangen hatte. Monica würde immer eifersüchtig bleiben, auch wenn Pierre inzwischen mit seiner Geliebten auf der MS »Azzuro« Schluss gemacht hatte. Er musste darüber nachdenken, wie er das weiterhin aushalten konnte. Monicas stetige Eifersucht. Diese Ehe. Das Leben mit ihr. Außerdem die Drohungen seiner Geliebten. Niemals hätte Pierre gedacht, dass diese fröhliche Frau, die für die an Bord der MS »Azzuro« engagierten Künstler und deren Entertainmentprogramme verantwortlich war, so reagieren würde, wenn er sie bat, den Spaß, den sie fast zwei Jahre lang auf ihren gemeinsamen Kreuzfahrten gehabt hatten, zu beenden.

Nachdem sie begannen, sich heimlich in seiner Kabine zu treffen, hatten sie vereinbart, dass alles nur zum Vergnügen wäre, keiner zu etwas verpflichtet sei und sie damit aufhörten, wenn sie daran die Lust verlören. Wie sie sich verhielten, wenn nur einer von beiden die Lust verlor, darüber hätten sie wohl auch eine Vereinbarung treffen sollen. Eigentlich hatte Pierre nicht die Lust verloren, ganz im Gegenteil, in seinen erotischen Phantasien kam bis heute immer noch Marion vor. Doch sie hatte irgendwann angefangen, mehr von ihm zu wollen als nur Spaß. Ein Leben mit ihm. Offiziell auf dem Schiff und an Land ebenfalls. Pierre lehnte das ab. Daraufhin hatte Marion ihn gestalkt, wenn er in Travemünde bei seiner Frau war. Bombardierte ihn mit Anrufen und Mails, sodass es nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis Monica dahinterkam, dass Pierre eine Geliebte hatte. Seitdem spielten sich nicht nur an Bord der MS »Azzuro« für Pierre Dramen ab, sondern auch, wenn er daheim war.