40 Jahre "Der Hexer" - Wolfgang Hohlbein - E-Book

40 Jahre "Der Hexer" E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1883. Vor der Küste Schottlands erleidet ein Viermaster Schiffbruch. Nur wenige Menschen überleben die Katastrophe. Unter ihnen ein Mann, der gejagt wird von uralten finsteren Göttern ...

So begann im Juli 1984 eine Saga, die schnell Kultstatus erlangte und dazu beitrug, dass ihr Autor Wolfgang Hohlbein zu einem der bekanntesten Vertreter der Phantastik in Deutschland wurde. 40 Jahre später ist es Zeit für Robert Craven, in ein brandneues Abenteurer zu ziehen, das die bislang unbekannte Vorgeschichte zum Serienstart erzählt. Daneben präsentiert dieses Jubiläumsbuch Artikel, Fotos, Erinnerungen, Interviews und viele Hintergrundinfos rund um den HEXER und Wolfgang Hohlbein!

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Seitenzahl: 355

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Titel

Vorwort

Dem Meister auf der Spur

Ein Interview mit Wolfgang Hohlbein

Der HEXER und seine Welt

Erinnerungen an die Roman-Serie

Das NECRONOMICON

Mein Freund Howard

ERNTEZEIT – Der HEXER-Jubiläumsroman

Die GROSSEN ALTEN und andere Schattenwesen

Der private Wolfgang Hohlbein

Wussten Sie eigentlich …?

Die HEXER-Cartoons

Drei Anekdoten

Der Weg des HEXERS

Sämtliche HEXER-Romane

Danksagung

Bildteil

Von der Skizze zum Cover

Copyright

Bildnachweise der Hexer – Das Jubiläumsbuch

40 Jahre

DER HEXER

Das Jubiläumsbuch

Vorwort

von Kai Meyer

»Der Baumdämon« ist mein Favorit unter allen HEXER-Romanen, und ich will erzählen, warum. Ohne ihn wäre ich vielleicht kein Schriftsteller geworden.

Ich habe das Heft gleich bei Erscheinen gelesen – damals war ich fünfzehn –, weil mein bester Freund Peter Huth meinte, dieser Robert Craven klinge verdächtig nach Wolfgang Hohlbein. Ich las die ersten paar Seiten und war derselben Meinung: Gar keine Frage, Craven war Hohlbein. Der verschachtelte, aber immer klare Satzbau, bestimmte Lieblingswörter, die er häufig benutzt, vor allem seine Angewohnheit, Figuren über heftige Konflikte miteinander zu charakterisieren – das alles waren klare Indizien. Wir waren zwei Fünfzehnjährige, keine Literaturwissenschaftler, aber wir hatten das Gefühl, einem der größten Geheimnisse der Buchwelt auf die Spur gekommen zu sein.

Also rief ich Wolfgang Hohlbein an.

Ein paar Monate vorher hatte ich ihm einen Leserbrief zu seinen ersten ENWOR-Romanen geschrieben – von der Telefonauskunft hatte ich seine Adresse bekommen, 1984 war das noch möglich –, und freundlicherweise hatte er den Fehler begangen, mir zu antworten. Dabei hatte er erwähnt, dass er bislang kaum Fan-Post bekäme. Nun, einen Fan, den konnte er haben, und zwar einen, der nicht nur Briefe schrieb, sondern lieber gleich telefonierte. Ein-, zweimal hatte er das mit Engelsgeduld über sich ergehen lassen, ohne mich zu fragen, ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als ihn bei der Arbeit zu stören. Ich fühlte mich quasi im inneren Zirkel angekommen, deshalb gehörte auch nicht viel Courage dazu, ihn wegen dieser mysteriösen HEXER-Sache anzurufen.

»Sie sind Robert Craven, oder?«, fiel ich gleich mit der Tür ins Haus.

Langes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann die Frage, wie ich denn auf so was käme. Ich zählte die knallharten Beweise auf – Satzbau, Wörter, Konflikte –, woraufhin ein tiefes Seufzen ertönte. Ja, gut, es stimme, er sei Craven und wir die allerersten Leser überhaupt, die dahintergekommen seien. Immerhin muss ihn das ein wenig beeindruckt haben, zumindest amüsiert, denn als ich nun all meinen nervensägenden Mut zusammennahm und mich erkundigte, ob es nicht möglich sei, ihn zu treffen und ihm noch mehr Fragen zu stellen, sagte er zu. Vielleicht wollte er auch einfach endlich weiterarbeiten.

Einige Monate später fuhren Peter Huth und ich mit dem Zug zum vereinbarten Treffpunkt, dem Krefelder Hauptbahnhof. Wolfgang – wir durften ihn jetzt duzen – erwartete uns wie versprochen am Eingang. Kurz darauf saßen wir in einer Gaststätte, tranken Cola, redeten über die ENWOR-Reihe – die ich bis heute für einen der besten deutschen Fantasy-Zyklen halte –, über das Autorendasein im Allgemeinen und natürlich über den HEXER. Seit unserem Telefonat hatte Robert Craven eine eigene Serie bekommen – »Der Baumdämon« war noch in der GESPENSTER-KRIMI-Reihe erschienen –; die Nummer eins war gerade auf dem Markt. Wolfgang erzählte, wie es dazu gekommen sei und auch ein wenig über seine weiteren Pläne. Ich warte bis heute vergebens auf die Abenteuer des Hexers in einem spanischen Alcázar. Außerdem erwähnte er, dass er sich für die Leserbriefseite einen Gegner wünsche, mit dem er sich dann und wann launige Wortduelle liefern könne.

Am selben Abend, nachdem Wolfgang uns nach Stunden auch noch mit dem Auto nach Hause gefahren hatte, verfassten Peter und ich gemeinsam den Brief eines erzürnten Ökologen, der sich über die skandalöse Darstellung eines, nun ja, Baumes im »Baumdämon« echauffierte. Der Brief erschien unter dem Pseudonym »Eugen van Knokke« in Heft 6 und sollte nicht meine letzte Veröffentlichung im Bastei Verlag bleiben. Wenige Jahre später, mit zwanzig, schickte ich ein paar Dutzend Seiten eines eigenen Horrorromans an den HEXER-Redakteur Michael Schönenbröcher, der innerhalb weniger Tage antwortete und dafür sorgte, dass mein Manuskript in der Reihe MITTERNACHTS-ROMAN erschien. Bei Bastei lernte ich einen anderen Lektor kennen, Reinhard Rohn, der mir nicht nur meine ersten Taschenbuchverträge gab, sondern mich schließlich mit zu einem anderen Verlag ins Hardcover nahm.

Und auch Peter Huth wurde Autor. Fast vierzig Jahre nach unserem Treffen mit Wolfgang Hohlbein erscheinen unsere neuen Bücher im Herbst 2024 zeitgleich im selben Verlag.

Damals, im Frühjahr 1985, hatte uns Wolfgang mit einer einzigen großzügigen Geste – einem Treffen mit zwei jungen Fans – gezeigt, dass Schriftsteller keine abgehobenen Sonderlinge im Elfenbeinturm sein müssen. Dass tatsächlich jeder ein Autor werden kann, der über das nötige Talent und eine Portion Durchhaltevermögen verfügt. Und dass man sich über die aufgeregte Begeisterung seiner Leser freuen sollte, auch wenn sie manchmal ein wenig anstrengend sein kann.

Mit der HEXER-Zeichnung in Michael Schönenbröchers Büro, Oktober 2016

Im Laufe der Jahre habe ich Wolfgang dann und wann wiedergesehen. Als ich ihm einmal erzählte, dass ich einer dieser beiden Jungen war und wie viel mir unser Treffen bedeutet hatte, winkte er nur bescheiden ab und tat so, als wäre das gar nichts. Aber natürlich war es eine ganze Menge.

Ich könnte noch mehr über meine Begeisterung für den HEXER erzählen – etwa davon, wie ich 1986 einen Preis des Verlags für die beste HEXER-Zeichnung gewann (auch wenn auf dem Bild die Proportionen des Shoggoten naturgetreuer waren als die Robert Cravens), oder zum Beispiel auch die Anekdote, als meine Deutschlehrerin mich mit einem der Hefte erwischte, mir erklärte, ich sollte doch lieber »was Anständiges« lesen und mir eine Hardcoverausgabe von »Dracula« schenkte. Sie war eine wirklich tolle Lehrerin. Aber am Ende war es eben Der Baumdämon, mit dem für mich alles begann.

Erst kürzlich habe ich Terry Oakleys Gemälde gekauft, das damals auf dem Cover abgedruckt war; es hängt hier an der Wand neben einem der drei HEXER-Porträts von Les Edwards, die Wolfgang zur Figur des Robert Craven inspirierten. Auch nach all den Jahren kann ich nicht von der Serie lassen und lese immer mal wieder eines der Hefte; viel öfter übrigens als die Bücher von Lovecraft, der vieles falsch machte, was Wolfgang Hohlbein aus dem Effeff beherrscht. Charakterisierung, zum Beispiel, am liebsten durch Konflikte. Als angehender Autor habe ich mir einige solcher Kunstgriffe abgeschaut, die ich heute noch verwende.

Nicht nur dafür: Ganz herzlichen Dank, Wolfgang!

März 2024

Kai Meyer ist Autor von über siebzig Büchern, viele historisch, darunter nicht wenige Horrorromane. Seine HEXER-Hefte aus den 1980ern lagern lichtgeschützt in Plastikhüllen und sehen aus wie neu.

Dem Meister auf der Spur

Wolfgang Hohlbein, der meistgelesene Schriftsteller der Phantastik im deutschsprachigen Raum, und sein Alter Ego Robert Craven.

Eine biographische Spurensuche von Sophie Reyer, Dieter Winkler und Wolfgang Liemberger.

Prolog: Wer ist Wolfgang Hohlbein als Künstler und Persönlichkeit?

Das Genre der Phantastik boomt unaufhörlich, und ein Ende ist nicht abzusehen. Spin-Offs von George R.R. Martins »Game Of Thrones« und J.R.R. Tolkiens »Lord Of The Rings« oder die Amazon-Serie »Hohlbeins ›Der Greif‹« sind nur die Spitze des Eisbergs. Dabei hat niemand dieses Genre im deutschsprachigen Raum so stark geprägt wie Wolfgang Hohlbein. Geboren 1953 in Weimar, gilt er als Wegbereiter neuer deutscher Phantastik und Fantasy, deren Tore er in allen Facetten für eine breite Leserschaft neu »aufgestoßen« und damit eine Welle ins Rollen gebracht hat, die bis heute anhält. »Der erfolgreichste Schriftsteller Deutschlands« (Deutschlandfunk) ist mit weit über 200 Romanen und einer Gesamtauflage von 50 Millionen Bu¨chern der auflagenstärkste und meistgelesene deutsche Phantastik-Autor der Gegenwart. Seine zahlreichen Auszeichnungen erstrecken sich vom »Preis der Leseratten des ZDF« (1983) u¨ber den »Deutschen Phantastik Preis« (2006) bis zum internationalen Literaturpreis »Nyx« (2012).

Wolfgang Liemberger und Sophie Reyer zu Gast bei Hohlbeins 70. Geburtstag

Sowohl in Zahlen als auch in der Vielseitigkeit seines Werkes kommt Wolfgang Hohlbein eine einzigartige Stellung im Literaturbetrieb zu: Seine Romane decken alle Genres der phantastischen Literatur ab, von teils märchenhaften Jugendbucherfolgen wie »Ma¨rchenmond« oder »Der Greif« u¨ber die Nibelungensage in »Hagen von Tronje«, übersinnliche Abenteuer (»Das Druidentor«), Mystery-Thriller (»Azrael«), Historienromane (»Die Tochter der Himmelsscheibe«) bis hin zu Horror à la Lovecraft (»DER HEXER«, »Wyrm«, »Genesis«) und den Dark-Fantasy-Zyklen »Die Chronik der Unsterblichen« und »Enwor«.

Seine Werke wurden in den letzten Jahren für zahlreiche Hörbücher sowie für Bühne und Leinwand adaptiert, vom Familienmusical »Märchenmond« über die Rockoper »Chronik der Unsterblichen – Blutnacht« bis zum Kinofilm »Die Wolf-Gäng«, der inzwischen erfolgreich in den Streaming-Diensten läuft. In 2023 gestartet ist die aufwendig produzierte Amazon-Prime-Serie »Hohlbeins ›Der Greif‹«, dicht gefolgt vom Constantin-Kinofilm plus RTL-Serie zu »Hagen von Tronje«, die ab 2025 über RTL+ verfügbar sein soll.

1. Wolfgang Hohlbein – ein Erzähler entwickelt sich

Geboren wurde der Geschichtenerzähler in der Goethestadt Weimar, aufgewachsen ist er am Niederrhein – dort, wo seinerzeit die Kappesbueren Weißkohl (auch »Kappes« genannt) anbauten. »Kappes erzählen« bedeutet in der Gaunersprache des Rotwelschen so viel wie »Unsinn« oder »Unfug reden«. Womit wir auch schon beim Thema wären. Denn zugegeben: Die Redewendung passt zu dem jungen, eher zart gebauten Wolfgang, der in den 1960er-Jahren in Meerbusch-Osterath bei Düsseldorf die Grundschule besuchte und sich für Science Fiction und die gerade beginnende Fantasy- und Hardrock-Szene interessierte – also all das, was die Wirtschaftswundergeneration seinerzeit misstrauisch beäugte und für »Kappes« hielt. Später änderte sich das, und man warf Wolfgang Hohlbein Eskapismus vor – also die Flucht vor der Wirklichkeit. Aber ganz im Ernst: Laufen wir nicht alle manchmal ganz gerne vor der Realität davon?

Zu Wolfgangs Wirklichkeit jedenfalls gehörte es, dass sein Vater als KFZ-Meister bei Iseki arbeitete – einer japanischen Firma, die die Fertigung von Porsche-Diesel-Traktoren übernahm und deren deutsche Erfolgsgeschichte in den 1960er-Jahren nur ein paar hundert Meter von Wolfgangs Elternhaus begann. Dass japanische Unternehmen in Deutschland Fuß zu fassen versuchten, war neu, ebenso wie harte oder bombastische Klänge in der Rockmusik: Deep Purple, Led Zeppelin, Black Sabbath, aber auch der Schockrocker Alice Cooper und Pink Floyd faszinierten Wolfgang und seine Clique, zu der auch sein späterer Co-Autor und Manager Dieter Winkler gehörte – einem seiner besten Freunde, der sein Schaffen stark mitgeprägt hat.

Eines ist sicher: Ohne Reckturnen wäre es zu der künstlerisch fruchtbaren Freundschaft zwischen dem zwölfjährigen Wolfgang und dem zehnjährigen Dieter nicht gekommen. Damals gab es noch keine Hauptschulen, sodass man seine neun Schuljahre an der Volksschule verbrachte. Wolfgang hatte zuvor am Fichte-Gymnasium Krefeld die fünfte Klasse besucht, aber eine äußerst schlechte Note in Sport und ein solides Mangelhaft in Mathematik kassiert. Damals bedeutete dies das Aus für Fünftklässler, und statt ihn auf die Realschule zu schicken, entschieden Wolfgangs Eltern, dass er die Volksschule besuchen sollte: Schließlich konnte man auch damit etwas »Besseres« werden (was Eltern damals generell ungeheuer wichtig war), nämlich ein Industriekaufmann, der sich nicht »die Hände schmutzig machen muss«.

Doch zurück zum Fünftklässler Wolfgang am Fichte-Gymnasium. Rechnen war für ihn kein Problem, aber die Lehrsätze wollten einfach nicht in seinen Kopf: Er verstand nicht, welcher tiefere Sinn dem Satz des Pythagoras zugrunde liegt, wollte nicht bloß stumpfsinnig irgendwelche Formeln aufsagen, sondern begreifen, was sich hinter ihnen verbirgt. Eine solche Haltung stößt auch heute noch gerne auf Widerstände der Etablierten, damals aber bezeichnete man so etwas von oben herab als »altklug« oder »frech« – schließlich hatte man sich an das zu halten, was die Erwachsenen vorgaben.

Das war und ist nicht Wolfgangs Sache. Er war eher schüchtern und ruhig und sah jünger aus, als er war – aber in seinem Herzen war er ein kleiner Rebell. Eine Grundhaltung, die auch sein Werk prägt und ihn heute zu einem Menschen macht, der sich nicht den Mund verbieten lassen will.

Auf der Volksschule Osterath gelandet, wollte es der Zufall, dass die Schule 1966 verschiedene Jahrgangsstufen im Sportunterricht zusammenlegte. Es war Geräteturnen angesagt, und zur besonderen Unfreude von Wolfgang und Dieter ausgerechnet am Reck, worauf die beiden ungefähr so viel Bock hatten wie auf den Verzehr scharfer Chilischoten.

Sie waren beide nicht sonderlich beliebt bei ihren Mitschülern – Nerds halt, wie man sie heute bezeichnen würde –, und so hielten sie sich einfach abseits und unterhielten sich, während die anderen ihre Rollen und Schwünge absolvierten. Dabei stellte sich heraus, dass sie eine große Leidenschaft miteinander teilten: Science Fiction!

2. Kleiner Hochbegabter

Eine andere schulische Szene ist den beiden Freunden prägend in Erinnerung geblieben: Wolfgang, hinten in der Klasse sitzend, wurde vom Lehrer aufgefordert, seine Hausaufgabe, einen Aufsatz, vorzutragen. Er stand auf, räusperte sich – und die Worte flossen wie von selbst aus ihm heraus. Es kam Wolfgang in jener Deutschstunde beinahe so vor, als würde ihm jemand die Worte ins Ohr flüstern, während er sie sprach – jemand, den er bereits zu kennen glaubte und dessen Bedeutung sich in den kommenden Jahren zunehmend verstärken würde.

Wolfgang mit 18, maximal cool

Dieser Jemand sollte später zu Robert Craven werden, der Hauptfigur seiner frühen Heftromanserie DER HEXER. Doch dazu mehr in den nächsten Kapiteln. Für den Aufsatz kassierte Wolfgang jedenfalls eine Eins mit dem mahnenden Hinweis, dass die Arbeit doch etwas lang geraten sei. (Diese Aussage sollte er in den nächsten Jahrzehnten immer wieder von Lektoren und Verlegern hören.) Als Wolfgang in der Pause Dieter davon erzählte, verriet er grinsend den eigentlichen Clou: Er hatte die Hausaufgabe gar nicht gemacht, sondern sein Heft irgendwo aufgeschlagen und die Geschichte im selben Moment erfunden, in dem er sie vortrug. Dass Dieter dies ein paar Jahre später im Französisch-Unterricht ebenfalls versuchte, dabei aufflog und eine Sechs wegen Betrugsversuchs kassierte, ist eine andere Geschichte.

Das Erfinden packender Plots in mitreißender Sprache scheint also von jeher eine große Begabung Wolfgang Hohlbeins gewesen zu sein. Dass Bücher in andere Welten entführen und dabei helfen, die Langeweile in der realen zu ertragen, begriff Wolfgang früh – und seine Lieblingsautoren wurden bald schon die wichtigsten Lehrer für ihn, in deren Werke er sich vertiefte und an denen er sich sprachlich abrieb.

Was für ein Glück auch, dass er eine Schwester hatte, die Wolfgang unwissentlich mit der »Droge Lesen« in ihrer epischen Form bekannt machte, indem sie ihm ein Buch aus Karl Mays »Winnetou«-Reihe schenkte. »Schlauerweise nicht den ersten Band!«, erinnert sich der Autor heute ironisch grinsend im aktuellen HEXER-Interview. Aber es gab ja Bücherläden. So fing der junge Hohlbein Feuer und erwarb nach und nach alle Bände von Karl Mays packenden Wild-West-Fantasien.

Erster Lesestoff: Winnetou III

Mag sein, dass sich an den langen Leseabenden hin und wieder Robert Cravens Stimme in sein Hirn schlich und ihm geheimnisvolle Worte von Spiegelscherben, die wie magische Briefe aus der Anderswelt sind, zuwisperte. Doch dazu später. Jetzt galt es erst einmal, Winnetous Welt zu entdecken – und mit ihr das Reisen in die eigene Fantasie.

Karl May also war es, der Wolfgang Hohlbein breit ausgestaltete Fantasie-Welten nahebrachte – doch das war erst der Anfang einer großen und sehr spannenden Suche. Denn bald schon packte Hohlbein die Begeisterung für ein weiteres Genre: Science-Fiction. So traten nach und nach Jules Vernes, H.P. Lovecraft sowie Robert Silverberg, Philip K. Dick und Robert Heinlein in sein Leben, bis hin zu PERRY RHODAN. Und auch wenn Wolfgang früh begriff, dass die besten Stoffe immer aus der Wirklichkeit kommen, tauchte er tief in futuristische, utopische und dystopische Welten ein.

Phillip K. Dick galt seinerzeit als ein Autor, den man entweder bewunderte – oder komplett ablehnte. Heute ist er längst anerkannt – auch dank der filmischen Adaptionen seiner Utopien wie »Blade Runner« oder »Minority Report«. Hohlbein zählte zweifellos zu seinen Bewunderern, und das von Anfang an.

Ein Instrument, das dem Nachwuchsschriftsteller dabei half, seine Vorstellung für das Genre zu schärfen, war der Fernseher: Bis heute denkt Wolfgang Hohlbein stark filmisch, und seine Romane sind am Visuellen orientiert. Die Liebe für die Serien-Highlights seiner Jugend wie »Raumpatrouille Orion«, »Invasion von der Wega«, »Raumschiff Enterprise« – aber auch Kinofilme wie Stanley Kubricks Meisterwerk »2001: Odyssee im Weltraum« – mögen zu seiner Denk- und Arbeitsweise beigetragen haben.

Und noch einen Aspekt hat sich Wolfgang Hohlbein vom Science-Fiction-Genre abgeguckt: Seine Frauenfiguren sind ähnlich stark wie die Männer. Wen wundert es, dass viele seiner Romane die Geschichte besonderer Frauenfiguren erzählen und später auch Robert Craven erzählerisch immer wieder starke Frauen an die Seite gestellt bekam?

Schon Ende der 1960iger-Jahre beginnt diese Zeit des Aufbruchs, in der starke, wenn auch umstrittene Frauenfiguren wie Jane Fonda in »Barbarella« ganz selbstverständlich Zentrum einer Handlung werden. Wen wundert es, dass es im HEXER eine mächtige alte Magierin ist, die den Zirkel der Magier anführt? Und das Schöne dabei ist: Für Wolfgang Hohlbein ist es unerheblich, ob seine Helden männlich oder weiblich sind. Weder für den Plot noch für die Wahl der Sprache oder die »Message« – wenn man seine Werke so verkürzt überhaupt lesen will – hat das Geschlecht eine entscheidende Relevanz. Wen wundert es, dass schon bald eine Frau in sein Leben trat, die ihn bis heute begleitet und deren Stärke er nicht nur ohne jede Furcht akzeptiert, sondern sie sogar bewundert? Richtig, die Rede ist von Wolfgang Hohlbeins Lebensliebe und Co-Autorin Heike.

3. Seine große Liebe Heike und andere Mitstreiter

Wolfgang Hohlbein akzeptierte also starke Frauen von Anfang an – und so war es für ihn ganz klar, als er die achtzehnjährige Heike in seiner Neusser Stammdisco kennenlernte: Sie und er gehörten zusammen. Was folgte, war selbstverständlich und trotzdem nicht weniger schön:

1974 heiratete der junge Wolfgang und wurde Vater. Bald schon bewohnte man eine kleine Wohnung in Meerbusch-Osterath, die zwar etwas eng war – aber da sowohl Heike als auch Wolfgang ja im Kopf reisen konnten, stellte das kein Problem dar. Heike begann, in ihrer Wohnung Pflanzen aufzustellen, aus denen sich später ein regelrechter Märchengarten entwickelte. Und Wolfgang fing an, Zinnfiguren zu sammeln und zu bemalen, die sich heute zu Tausenden in seinem Bastelzimmer tummeln, wo er auch historische Gebäude und Burgen nachbaut oder – seit einigen Jahren – mit dem 3D-Drucker erstellt.

Heike und Wolfgang auf dem Standesamt, im Oktober 1974

Während sich zu ihren Erstgeborenen noch zwei weitere Kinder gesellten, dachten sie sich passend dazu Geschichten für Heranwachsende aus. Damit einher gingen nicht nur Tage der Wärme und des Behagens, sondern auch finanzielle Sorgen – und Wolfgang Hohlbein versuchte sich und seiner Familie neben seinem Brotberuf als Industriekaufmann mit allen möglichen Arbeiten einen angenehmen Lebensstandard zu verschaffen. Vor seinem Durchbruch als Autor mit »Ma¨rchenmond« (Ueberreuter Verlag, 1982) arbeitete er in manch dunkler Nacht am Neusser Hafen als Nachtwa¨chter.

Vielleicht lag es an seiner inzwischen gewachsenen Beziehung zu Robert Craven, dem Alter Ego in seinem Kopf, dass er eine intensive Faszination gegenüber der Dunkelheit entwickelte und am liebsten nachts auf einer klapprigen roten Reiseschreibmaschine seine ersten Storys verfasste. Als Nachtwächter war das problemlos möglich, denn zwischen seinen Rundgängen hatte Wolfgang genug Zeit, seine Fantasie zu Papier zu bringen. Der erste Roman, den er »an den Lektor« bringen konnte, handelte jedoch nicht von Robert Craven, sondern war ein Grusel-Abenteuer der Bastei-Serie PROFESSOR ZAMORRA, erschienen im Januar 1981 als Band 173 »Zombie-Fieber«.

Als später dann die ersten Geschichten seiner erfolgreichen, von H.P. Lovecraft inspirierten HEXER-Serie gedruckt wurden, entwickelte die Geschichte schnell einen Sog, dem sich Hohlbein selbst schwer entziehen konnte.

Legionen von Zinnrittern vor dem Gefecht

Wie seine Hauptfigur Robert Craven akzeptierte er seine Bestimmung und begriff, dass es für ihn nur einen Weg gab: das Verfassen von Geschichten. Und so kam es, dass nach acht Romanen für den GESPENSTER-KRIMI eine ganze Heftromanserie entstand, die ab 1985 bei Bastei Lübbe erschien und in der Folge auch in Taschenbuchform zu einer Erfolgsgeschichte wurde, die bis heute anhält. Dabei fand er einige Mitstreiter, die, meist nach Wolfgangs Vorgabe, eigene Geschichten beisteuerten. So auch Frank Rehfeld, der insgesamt fünf HEXER-Romane verfasste.

»Als frisch gebackener Jungautor – ich war noch Schüler und hatte gerade meinen ersten Roman verkauft – wurde ich Anfang 1984 zu einem Treffen von Horrorfans eingeladen, an dem auch zahlreiche Autoren teilnahmen«, erinnert sich Rehfeld. »Dort lernte ich auch Wolfgang kennen, der damals gerade sein Bestseller-Jugendbuch ›Märchenmond‹ und den Fantasy-Roman ›Der wandernde Wald‹ veröffentlicht hatte. Mir war er allerdings eher als Henry Wolf bekannt, denn unter diesem Pseudonym hatte er bereits zahlreiche Grusel-Heftromane geschrieben.

Wir kamen ins Gespräch und verstanden uns auf Anhieb gut, woraus sich eine bis heute andauernde Freundschaft und zeitweilig auch eine berufliche Zusammenarbeit entwickelte. Zu einem beträchtlichen Teil lag es an ihm, dass ich damals den Mut aufbrachte, mich ebenfalls als Schriftsteller selbstständig zu machen.«

Frank Rehfeld war es auch, der eine Story zu dem HEXER-Brettspiel beisteuerte, das im Jahr 2008 im Kosmos-Verlag erschien. »Von Anfang an beeindruckte mich am HEXER, dass es sich um ganz andere Geschichten und Monster handelte, als sie sonst im Grusel-Heftroman vorkamen«, so Rehfeld. »Eine ganz andere Art von Magie und ein oft an sich zweifelnder Antiheld in einer sehr stimmungsvollen, manchmal geradezu apokalyptischen Atmosphäre.«

Den gleichen Anspruch hatte auch Dieter Winkler, als er für die aufwendig gestalteten Pegasus-Rollenspielbände gleich mehrere HEXER-Storys schrieb.

Für das Rollenspiel-Projekt wurde die Handlung von den 1880er in die Mitte der 1920er Jahre verlegt. Daraus ergaben sich ganz neue Herausforderungen für den Hexer.

Wolfgang Hohlbein erschrieb sich mit Robert Craven nach und nach eine Figur mit einer eindrucksvollen Vita, die quer durch die Welt- und Literaturgeschichte reist und dabei auf historische und literarische Personen trifft.

Wolfgang mit Frank Rehfeld und Wolfgang Kehl um 1995

Ganz nebenbei und sehr spielerisch rollte Hohlbein dabei auch noch den Kosmos der GROSSEN ALTEN auf, zwar auf den Spuren des großen Schriftstellers H.P. Lovecraft, der diese Dämonen vor fast genau hundert Jahren schuf (erstmals 1926 in der Erzählung »The Call of Cthulhu«), doch mit einem ganz eigenen und unvergleichlichen Ansatz.

4. Sagen und Mythen kräftig durchgeschüttelt

»Die Heldenreise ist genau das: Dass man bei einem Punkt anfängt und nach einem großen Kreis, den man zieht, zurückkommt – aber nicht als derselbe Mensch, der man war!«, erklärt Wolfgang Hohlbein im exklusiven Gespräch zum Jubiläumsband.

Fu¨r ihn steht die Familie im Zentrum seines Lebens und Schaffens: »Ich genieße es, stundenlang im Auto durch die Nacht zu fahren, aber auf der anderen Seite bin ich so ein Familienmensch, dass ich, selbst wenn ich im 700 Kilometer entfernten Passau eine Lesung habe, danach unbedingt heimfahren will.« Der sechsfache Familienvater arbeitet sowohl mit seiner Frau Heike als auch mit Tochter Rebecca zusammen, wobei »Heikes Ma¨rchengarten« im heimischen Neuss mit Dutzenden Koi-Karpfen, Katzen und Hunden als kreativer Ru¨ckzugsort eine große Rolle fu¨r ihn spielt.

Mit Heike hat er erfolgreich märchenhafte Stoffe wie »Märchenmond« umgesetzt. Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt aber eher auf den düsteren Stoffen für ein erwachsenes Publikum, wobei er sich häufig der Vorbilder aus Mythen, Sagen und Legenden bedient und sie mit zeitgemäßen Erzählweisen kombiniert. Dazu bereist Hohlbein die Welten seines eigenen Geistes. Selbst im Urlaub der inzwischen 13-köpfigen Hohlbein-Familie dominieren diese Innenwelten – auch bei Reisen in ferne Länder. So hat Wolfgang Hohlbein beispielsweise in der sonnigen Karibik seinen ebenfalls von Lovecraft inspirierten Horror-Roman »Wyrm« (Droemer Knaur Verlag, 2005) verfasst.

Familie Hohlbein im heimischen »Märchengarten«, um 1990

Es geht bei Wolfgang Hohlbein immer um Werte: Gut und Böse, Krieg und Frieden, Liebe, Freundschaft und die Konflikte, die daraus entstehen, eben die klassische Heldenreise. Er will unterhalten, doch Hohlbeins Bücher sind mehr als reine Unterhaltungsliteratur. Er ist jemand, der sich mit seinen literarischen Wurzeln – den Sagen, Mythen und Märchen – intensiv auseinandersetzt und diese weiterspinnt.

Schwerpunktmäßig bewegt sich der »Meister der Phantastik« momentan im Zuge der Kino-Verfilmung seines Romans »Hagen von Tronje« auf den Spuren des germanischen/nordeuropäischen Sagenguts der Edda und der Nibelungen. In vielen anderen Werken präsentiert er ebenfalls die verschiedensten Facetten uralter Stoffe – und darin spiegelt sich auch sein ganz individueller Zugang als Autor dazu wider.

Dabei steht Wolfgang Hohlbein mit seinen literarischen Arbeiten nicht allein da. In den vergangenen Jahrzehnten fand die Phantastik, deren Erfolgsgeschichte hierzulande mit J.R.R. Tolkien (»Lord Of The Rings«, deutsch ca. 1970), Ottfried Preußler (»Krabat«, 1971) oder Michael Ende (»Die Unendliche Geschichte«, 1979) begann, vermehrt einen Platz in den Herzen der Leser. Ihr Siegeszug wurde dann in den 1980er-Jahren fortgesetzt, von Autoren und Autorinnen wie Wolfgang Hohlbein (»Ma¨rchenmond«, 1982), Cornelia Funke (»Tintenherz«, 2003), Markus Heitz (»Die Dunkle Zeit«, 2003) oder Bernhard Hennen (»Die Elfen«, 2004), die von den Verlagen Seite an Seite mit internationalen Star-Autoren wie Stephen King (»ES« 1986,), George R.R. Martin (»Game of Thrones«, seit 1996) oder Joanne K. Rowling (»Harry Potter«, seit 1997) publiziert wurden und werden.

5. Grusel und Horror: Die Chronik der Unsterblichen startet durch

Aber auch das Grusel- und Horror-Genre, das ja an die Fantasy grenzt und sich mit ihnen zum Teil überlappt, faszinierte Wolfgang Hohlbein seit jeher enorm. Das Unbekannte, das Monströse übt eine große Faszination auf den Autor aus. Wen wundert es da, dass Hohlbein am liebsten nachts arbeitet? Die Grenze zum Unterbewusstsein ist dann nicht mehr so dicht, wenn um Mitternacht die irdische und die Anderswelt miteinander verschwimmen und sich die Tore zum Unfassbaren, Mystischen öffnen…

Der von Orks bewachte »Tatort« in Neuss

Eine ganz besondere Zwischenwelt, auf deren Hauptfigur Robert Craven vielleicht sogar ein bisschen eifersüchtig ist, hat Wolfgang Hohlbein mit »Die Chronik der Unsterblichen« (Bastei Lübbe, seit 1999) geschaffen.

Dieser Vampir-Zyklus kreist um den unsterblichen schwertkämpfenden Helden Andrej Delany – und er ist ähnlich packend, kurzweilig und düster geschrieben wie Hohlbeins HEXER-Serie. Auch hier ringt ein verzweifeltes Individuum mit seiner Vergangenheit und dem Geheimnis seiner Herkunft.

Delany und sein Begleiter, der Krieger Abu Dun, ziehen quer durch das dunkle Europa vergangener Jahrhunderte und kämpfen gegen unsterbliche Götter und Dämonen von schauerlicher Gestalt, die eigentlich unbesiegbar sind – ohne je aufzugeben.

6. Hohlbein On Stage: »Blutnacht« und Powerrock

Zeit seines Lebens ist Wolfgang Hohlbein offen geblieben für verschiedene Genres. »Mich festlegen, welches Genre mir besonders wichtig ist, kann ich gar nicht. Man isst ja auch nicht immer im selben Restaurant, ganz egal, wie lecker es dort ist«, erzählt er im Interview. »Was mir Spaß macht – quasi meine Lieblingsmahlzeit – ist die Phantastik, also alles, was zwischen einem halben Millimeter und fünf Lichtjahren neben der Wirklichkeit steht. Die sogenannte Mainstream-Literatur schätze ich auch, aber ich brauche sie nicht für mich; wenn ich etwas über Eheprobleme wissen will, frag ich die Nachbarn. Die Phantastik ist die einzige Literaturform, die grenzenlos ist – der Punkt, an dem jede Logik auserzählt ist, existiert hier nicht. Nach jeder Tür, die man aufmacht, kommt nicht die ultimative Antwort, sondern die nächste Tür.« Und: »Die Grenze ist unsere eigene Fantasie – aber im Allgemeinen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ich mag auch nicht ein Genre lieber als das andere – Schubladendenken finde ich scheußlich.«

Das wird bei der Analyse seines Werkes deutlich – denn Wolfgang Hohlbein hat sich immer weiter entwickelt. Und die Reise ist noch lange nicht zu Ende! So hat er gerade wieder Robert Craven zum Leben erweckt: »Es steckt noch viel Potential in meinem Lieblingshelden, der mich nun schon mein ganzes Schriftstellerleben lang begleitet. Es macht mir Spaß, andere Seiten an ihm auszuloten, so auch im neuen Roman, den ich für den vorliegenden Jubiläumsband verfasst habe. Und wenn es nach mir geht, wird der Hexer in den nächsten Jahren noch ganz andere Herausforderungen bestehen müssen.«

Vielleicht wird Craven dann sogar zur gefeierten Bühnenfigur, so wie unter anderem schon die vom bösen Magier Boraas entführte Rebekka, ihr heldenhafter Bruder Kim oder der tapfere Steppenreiter Priwinn in »Märchenmond.« Dass darüber hinaus die »Märchenmond«-Adaption von Christian Gundlach erfolgreich in die Musical-Charts auf Platz 4 einstieg, hat sie mit der Hohlbein-Rockoper »Blutnacht« (2012) von Andy Kuntz, Dieter Winkler und der Prog-Metal Band Vanden Plas gemein. Deren Leadsänger Kuntz verkörperte selbst den unsterblichen Hauptcharakter Delany auf der Bühne und produzierte im Zuge dessen mit Vanden Plas das zweiteilige Konzeptalbum »Chronicles of the Immortals«, das im Doppelpack die Top 20 diverser Album-Charts eroberte.

Konzeptalbum und Rockshow »Glut und Asche« begleiteten 2009 den gleichnamigen Hohlbein-Roman

Der Rockoper zugrunde liegt Hohlbeins zweiter großer Serienerfolg »Die Chronik der Unsterblichen«. »Obwohl es eine komplett andere Geschichte ist, ist ihr Held Andrej Delany dem Hexer Robert Craven gar nicht so unähnlich«, schildert Wolfgang Hohlbein. »Beide werden immer wieder mit den Verlockungen der Macht konfrontiert – und müssen sich dann zwischen dem entscheiden, was wir gut und böse nennen.« Mit von der Partie im Ensemble von »Blutnacht« in der Rolle von Delanys Ziehsohn ist auch Alea, Sänger der deutschen Mittelalter-Rockband Saltatio Mortis. Das »Necronomicon«, jenes dämonischste aller Bücher, das auch in Hohlbeins HEXER-Zyklus eine nicht unwesentliche Rolle spielt, taucht übrigens im Saltatio Mortis Song »Abrakadabra« ihres deutschen Nummer-Eins-Albums »Das schwarze Einmaleins« auf. Wolfgang Hohlbein selbst war als Liebhaber harter Rockklänge von der musikalischen Adaption seiner »Chronik« übrigens äußerst angetan und ließ sich auch einen Bühnen-Gastauftritt nicht nehmen.

Als Hohlbeins wachsendes »Vermächtnis« kann man seine Legion aus Autoren, Filmschaffenden und Rock-Musikern bezeichnen, die als Fans mit seinen Büchern aufgewachsen und mittlerweile selbst zu namhaften Vertretern ihrer Zunft herangereift sind. Darunter finden sich populäre Bestseller-Autoren wie die engen Hohlbein-Freunde Bernhard Hennen, Jens Schumacher, Dieter Winkler und Frank Rehfeld sowie Kai Meyer und Markus Heitz und die Autorin Cornelia Funke. Des Weiteren Mittelalter-Rock- bzw. Heavy-Metal-Bands wie Schandmaul, Blind Guardian oder die bereits erwähnten Vanden Plas und Saltatio Mortis. Und Filmproduzenten wie Christian Becker und Regisseure wie Sebastian Marka, Cyrill Boss, Tim Trageser, Wolfgang Liemberger und Philipp Stennert.

Udo (U.D.O.) Dirkschneider, Metal-Ikone der Kultformation Accept, hat in den 1990er-Jahren für eine von Wolfgang Hohlbein persönlich eingelesene Hörbuchreihe des HEXER-Prequels »Die Spur des Hexers«, das die Abenteuer von Robert Cravens Vater Roderick Andara beleuchtet, »Necrons Song« beigesteuert. U.D.O.s rockig-mystische Soundkulisse umrahmt Wolfgang Hohlbeins Erzählerstimme in einer geglückten Symbiose und macht diese zu einem ganz speziellen Erlebnis unter den verschiedenen HEXER-Hörbuchausgaben. Man spürt, dass sich der deutsche Metal-Titan und der Meister der Phantastik auch privat bestens verstanden haben.

Mit MANOWAR und der Asgard Saga auf der Loreley 2009

Um noch vieles intensiver verlief die hart-metallische Kooperation zwischen Wolfgang Hohlbein und der US-amerikanischen True-Metal-Legende Manowar für das Transmedia-Projekt um die »Asgard Saga« (2009). Begleitend zu Hohlbeins preisgekröntem Roman »Thor« erschufen die Jungs um Joey de Maio, der als bekennender Wagner-Fan mit der deutschen Sagenwelt bestens vertraut ist, als Konzeptalbum die EP »Thunder In The Sky«. Stilecht wurde die Zusammenarbeit beim Loreley-Festival vor Tausenden Fans harter Klänge und sagenhafter Geschichten abgefeiert. Wie nahe Hohlbeins phantastische Sagenwelten und epischer Heavy Metal in Wechselwirkung stehen, bewies einmal mehr das dortige Publikum, unter das sich Hohlbein, der einen Gastauftritt während des Manowar-Konzerts auf der Loreley-Bühne absolvierte, am Nachmittag vor Konzertbeginn mischte. Stilecht in Lederrüstung und mit wallender Mähne wurde Hohlbein, am Loreley-Gelände umherstreunend, von zahlreichen deutschen und internationalen Fans erkannt und gefeiert.

Epilog

Natürlich hat sich die Art, wie Wolfgang Hohlbein Geschichten erzählt, über die Jahre hinweg geändert. »Ich weiß nicht, ob ich reifer geworden bin. Mit zunehmendem Alter sehe ich jedenfalls manche Dinge anders«, sagt der Erfolgsautor zurückblickend. Wie seine Fans wollte Hohlbein einfach tun, was ihm Freude macht: Geschichten erleben. Dass er froh ist, seinen alten Beruf nicht mehr ausüben zu müssen, gibt er unumwunden zu: »Ich war zutiefst unglücklich als Industriekaufmann und in meinem Alltag; es hat alles nicht gepasst. Ich habe keine Sekunde bereut, als ich ins kalte Wasser gesprungen bin und gesagt habe: Ich tue, was ich will! Ich denke, alles, was ich erlebt habe, wirkt sich auf meine Geschichten aus.« Erfolg stand dabei an zweiter Stelle. »Ich hatte zwar den verrückten Traum, der erfolgreichste deutsche Fantasy-Autor zu werden, aber ich dachte, wenn es nicht passiert, ist es auch okay – ich schreibe einfach gern und werde das immer tun.«

Nach Inspiration, um die Tore der Fantasie zu öffnen, musste der Autor nie lange suchen. Vieles ist einfach da, entsteht aus dem richtigen Leben. »Ich setze mich nicht hin und denke mir eine Geschichte von A bis Z aus«, erklärt er. »Meistens habe ich eine ungefähre Ausgangssituation und eine Vorstellung davon, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Die Story selbst entwickelt sich beim Schreiben. Zum Prozess des Schreibens selbst gibt es kein Patentrezept. Jeder muss seine eigene Methode für sich finden. Ich glaube, so wie ich es gemacht habe, ist es eigentlich am besten: es einfach immer wieder versuchen. Das Wichtigste ist, dass man Spaß daran hat!«

Feier zu Wolfgangs 25. Jubiläum bei Bastei, mit Dieter Winkler (links) und Verlagsleiter Rolf Schmitz (rechts), Juli 2006

Dass der Funke überspringt, zeigen seine Verkaufszahlen in aller Deutlichkeit. 4,5 Millionen Mal hat sich »Märchenmond« verkauft – und »DER HEXER« seit 1984 über verschiedene Ausgaben und nachgegliederte Sonderausgaben wie die millionenstarke Weltbild-Hardcover-Ausgabe insgesamt an die 10 Millionen mal.

Das Bedürfnis nach Helden scheint dabei so alt zu sein wie die Menschheit selbst – und als Gegenpol zu unserer technisierten Welt ist es heutzutage größer denn je. Zugegeben: Träumen wir nicht alle davon, besondere Taten zu vollbringen? Das Bild des mutigen Draufgängers, der trotz aller Widerstände für seine Ideale eintritt, zieht sich von den antiken Mythen bis in die Gegenwart und ist in der Literatur, im Kino, im Superhelden-Comic und in der Sportarena, vom leuchtenden Hollywood-Star bis hin zu ikonischen Rockidolen gespannt. Oder, auf Hohlbein gemünzt, von seinem Alter Ego Robert Craven bis zur nordischen Halbgöttin Brunhild als starke Gegenspielerin von Hagen von Tronje. Seine Leserschaft heute, »das sind vor allem junge und jung gebliebene Erwachsene«, meint der Autor.

Das gilt es natürlich sofort zu überprüfen: Also: Auf in den nächsten Bücherladen!

Die Anzeige zum Start der Serie 1985

Ein Interview mit Wolfgang Hohlbein

Kaum jemand hat die deutsche Phantastik der Gegenwart so stark mitgeprägt wie Wolfgang Hohlbein. Die Autorin Sophie Reyer (SR) und der Filmemacher Wolfgang Liemberger (WL) haben den Autor getroffen, der im letzten Jahr seinen 70. Geburtstag feierte.

WL: Vielen Dank, dass du dich unseren Fragen stellst! Legen wir gleich los: Was waren und sind deine Einflüsse beim Schreiben?

Das werde ich öfter gefragt. So genau weiß ich das selbst nicht. Am Anfang hat mich sicher beeinflusst, dass ich als Kind und Jugendlicher viel gelesen habe. Es fing an mit Karl May, mit dem ich sozusagen das Lesen und den Umgang mit Texten gelernt habe, und dann habe ich mich quasi durch die ganze Phantastik hochgearbeitet, also beginnend mit der klassischen Science-Fiction von Jules Vernes, Lovecraft und anderen bis hin zu PERRY RHODAN. Meine besten Ideen kommen aus der Realität. Wenn ich vor dem Computerbildschirm sitze, fällt mir nichts ein, aber wenn ich ins richtige Leben eintauchen kann, bin ich wie ein Staubsauger, der alles in sich einsaugt. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, ein Blick, ein Bild – Bilder sind für mich eine große Inspiration –, und diese Kleinigkeiten bleiben.

Wolfgang Hohlbein im Jahr 2002

SR: Was inspiriert dich am meisten?

Es gibt nicht die Quelle der Inspiration; es sind hunderttausend Kleinigkeiten, oft Dinge, die ich selbst erlebt, gesehen, gehört habe. Die werden dann natürlich abgewandelt und fließen in die Geschichten ein.

WL: Wann kannst du am besten arbeiten?

Ich arbeite fast ausschließlich nachts. Das hat keine tiefenpsychologischen oder mythischen Gründe – das war einfach eine praktische Entscheidung. Anfangs hatten meine Frau Heike und ich eine relativ kleine Wohnung, aber schon zwei Kinder, und die Nacht war die einzige Zeit, in der ich in Ruhe arbeiten konnte – wenn die Kinder im Bett waren. Das hat sich dann immer weiter verschoben, weil ich fand, dass es meinem persönlichen Rhythmus entgegenkommt – ich bin einfach eine Nachteule. Aus diesem Grund habe ich damals auch als Nachtwächter gearbeitet – als junger Möchtegern-Autor muss man seine Miete zahlen, und nachdem ich meinen verhassten Beruf aufgegeben hatte, war es eine Möglichkeit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Das ging aber nur ein halbes Jahr so, weil der Job schlecht bezahlt wurde. In dieser Zeit konnte ich auch schreiben, und das in aller Ruhe. Es war zwar nur eine Übergangsphase, aber die Geschichte wird natürlich sehr gern gehört und erzählt, weil sie aus dem Rahmen fällt. Es gibt Leute, die bezeichnen mich noch heute als Nachtwächter, aber ich glaube, die meinen das anders.

WL: Wie schaffst du es, zwischen den verschiedenen Genres zu wechseln?

Der Wechsel zwischen den verschiedenen Genres ist für mich eigentlich gar keiner. Ich sehe auch die Abgrenzung nicht so. Alles, was fantastisch ist, gehört irgendwie zusammen; ob die Story nun auf einem fremden Planeten, im Jahr 1490-irgendwas oder in einer reinen Fantasy-Welt angesiedelt ist, ändert daran eigentlich nichts. Ich finde dieses Schubladendenken eigentlich scheußlich und habe mir schon immer einen Spaß daraus gemacht, diese Genres zu mischen. Ein Beispiel dafür ist »Enwor«, die erste Taschenbuchreihe, die ich geschrieben habe. Sie fängt als Fantasy an, entwickelt sich aber immer mehr zu einer Science-Fiction-Geschichte, die jedoch so weit in der Zukunft spielt, dass den Menschen das, was von unserer Zivilisation übrig geblieben ist, wie Zauberei erscheint. Das würde uns ganz genau so gehen. Es gibt auch heute noch Völker im Dschungel, die keinen Kontakt mit modernen Menschen haben – und wenn man denen ein Smartphone zeigt, dann ist das natürlich Zauberei. Auch bei den historischen Geschichten – zum Beispiel »Die Chronik der Unsterblichen« – ist es ein pseudohistorischer Ansatz, denn die Akteure sind Vampire, die sich nicht von Blut ernähren, sondern von Lebenskraft. Es ist eine Horror- oder Fantasy-Geschichte mit historischem Background, denn vieles fußt auf realen Begebenheiten.

SR: Es ist über 40 Jahre her, dass du »Märchenmond« geschrieben hast. Bitte erzähl uns, wie dieser Roman, der ja dein großer Durchbruch war, entstanden ist.

Unser erstes gemeinsames Buch »Märchenmond«, das mit meiner Frau Heike entstanden ist – das war eigentlich ein Text für einen Wettbewerb, den der Ueberreuter-Verlag in Wien 1982 ausgeschrieben hat. Die haben schlicht und einfach neue Autoren gesucht, weil das die Zeit war, in der selbst deutsche und deutschsprachige Verlage gemerkt haben, dass man mit Fantasy tatsächlich Geld verdienen kann – und dass es auch deutsche Autoren gibt und nicht nur anglikanische oder amerikanische Schriftsteller, die Fantasy schreiben können.

Es gab zwei Bedingungen für den Wettbewerb: Der Text musste phantastisch sein, und er musste ein Erstlingswerk sein – also keine Profis. Wir haben nachgedacht, Heike und ich, und sie kam auf den Titel »Märchenmond« – also eigentlich nur auf das Wort, ohne eine Geschichte dahinter. Die Grundidee war eine Weltraumgeschichte: Ein Astronaut stürzt auf einen Mond ab und begegnet Märchenfiguren. Dann hat sich die Story wie alle meine Geschichten verselbstständigt, und aus den ersten drei Seiten wurde etwas ganz anderes!

SR: Das ist spannend. Wie gehst du generell ans Schreiben heran?

Ich plane nicht wirklich viel. Ich bin jemand, der einfach beginnt und es gerne laufen lässt. Ich halte nichts davon, eine Geschichte schon von Vornherein durchzustylen und ganz genau zu wissen, was in welchem Kapitel oder gar auf welcher Seite passiert.

WL: Wie genau sieht eure Zusammenarbeit denn aus?

Wir haben ein paar Eckpunkte – also von Heike kommen meistens die Ideen, manchmal aber auch nur Fragmente oder Worte –, und ich darf dann eine Geschichte daraus machen. Aber wir ergänzen uns da hervorragen, weil ihr Detailideen und Wendungen einfallen, auf die ich gar nicht käme. Wir mögen zwar dieselben Geschichten, schauen auch dieselben Filme, aber wir gehen von völlig unterschiedlichen Standpunkten aus.

Ich glaube, wenn man das vereinfacht ausdrücken will, dann bin ich mehr der Mann fürs Grobe und Heike die Märchentante. Und diese Mischung würde ich allein gar nicht hinkriegen. So ist auch »Märchenmond« entstanden: Sie nannte mir die Grundidee – und irgendwie, obwohl ich sie zuerst gar nicht so gut fand, hat mich die Geschichte nicht mehr losgelassen. Als ich Heike dann den Anfang des Manuskripts zeigte, haben wir uns die Bälle gegenseitig zugespielt. Wir haben nicht länger als zwei Monate gebraucht, und es machte einen solchen Spaß, dass wir es seither immer wieder so machen und dabei inzwischen 25 Romane entstanden sind – und es wird auch weitere geben, hoffe ich. »Wolfgang und Heike Hohlbein« ist eigentlich ein Brand-Name für die Fantasy-Romane der 90er-Jahre geworden – es waren damals die erfolgreichsten Bücher.

SR: Wie war die Situation des Fantasy-Genres Ende der 70er und in den 80er-Jahren?

Das Wort »Fantasy« gab es eigentlich noch gar nicht, und wenn, dann wurde es ein wenig mit spitzen Fingern angefasst. Die Frage »Ist das was Unanständiges?« habe ich zwar nie gehört, aber doch in so manchen Augen gelesen, wenn ich sagte, dass ich das mache. Aber wenn man genau hinschaut – lassen wir mal den Begriff »Fantasy« weg –, dann sind die großen Werke der Weltgeschichte meist phantastische Geschichten: das Gilgamesch–Epos zum Beispiel, das Alte Testament, der Koran, die Tora – es ist alles phantastisch! Die Odyssee ist ein reinrassiger Fantasy-Roman. Das wurde nur nicht so wahrgenommen, und ich bin seinerzeit auch beschimpft worden, als ich das behauptet habe. Da sind mich gestandene Germanisten übelst angegangen, wie ich es denn wagen könne, an der großen Literatur zu kratzen. Dabei will ich das gar nicht; ich finde sie toll! Nur diese an den Vorwurf der Gotteslästerung grenzende Wut, wenn man es wagt, Teile der »hehren« Literatur – und auch Goethes »Faust« hat ja phantastische Elemente – ein Stück weit in die Unterhaltung herüberzuholen, habe ich nie verstanden. Und ich amüsiere mich auch mehr darüber, als dass es mich trifft.

WL: Was war dein Lieblingsbuch in jungen Jahren?

Das Lieblingsbuch gab es gar nicht. Ich habe, wie bereits erwähnt, sozusagen mit Karl May das Lesen gelernt. Ich war zehn oder elf, als mir meine ältere Schwester den ersten Karl-May-Roman schenkte, intelligenterweise »Winnetou III« – den hab ich dann gelesen. Und nachdem ich aufgehört hatte zu heulen, weil Winnetou tot war, hab ich mir die beiden anderen besorgt. Ich glaube, danach habe ich zwei oder drei Jahre lang nichts anderes gelesen als Karl May.

Ein Lieblingsbuch habe ich nicht. Es gab ein paar Autoren, die mich lange begleitet haben, wie May oder George R.R. Martin oder auch H.P. Lovecraft, aber es gibt so viele gute Bücher, dass ich mich schwer tue, eines zu favorisieren.

SR: Wenn ich Schreibklassen abhalte, müssen die Kinder nicht auf Fehler achten. Formt eine korrekte Rechtschreibung den Geist anders? Worum geht es im kreativen Prozess?

Wenn ich das wüsste, würde ich das Geheimnis für viel Geld verkaufen und mich dann auf eine einsame Insel in der Karibik zurückziehen. Auch auf die Gefahr hin, dass es arrogant klingt: Entweder kann man es, oder man kann es nicht. Ich halte nichts davon, mir eine Geschichte auszudenken und schon auf Seite 17 zu wissen, was auf Seite 308 passiert. Ich schreibe einfach drauflos. Und bin manchmal selbst überrascht, was dabei herauskommt. Kreativen Schreibklassen stehe ich eher skeptisch gegenüber.

WL: Wie weit thematisierst du Mythologie in deinen Werken?

Inspiration ziehe ich natürlich auch aus der Mythologie – der erste Roman in diese Richtung, den ich geschrieben habe, bezog sich auf die Edda – das war »Midgard«. Und im »Armageddon«-Zyklus (2017 und 2019) habe ich die Geschichte der Apokalypse in die Neuzeit versetzt, so wie sie passieren könnte – aber hoffentlich nie passieren wird. Es spielen auch Engel und Dämonen mit – das Übliche eben, wenn es um den Weltuntergang geht.