80 Jahre Leben - Hildegard Willms - E-Book

80 Jahre Leben E-Book

Hildegard Willms

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Beschreibung

Eine Familie, die Kontinuität hat, über einen langen Zeitraum lebendig besteht, das ist nicht gerade verbreitet und war immer schon ein seltenes Gut. Hildegard Willms, aufgewachsen im Bühlertal im Gasthaus Zur Traube, und zwar in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, blickt auf 80 Jahre Leben zurück, das rasant verlief, und in dem es geschafft wurde, eine Familie zu begründen und zu erhalten, die in all ihren Zeiten lebendig war und, bei allen Schwierigkeiten, die nicht ausblieben, einen Zusammenhalt stiftete, der das Wort »Heimat« nahelegt.

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80 Jahre Leben

Eine besondere Biographie

von

Hildegard Willms

© 2020 / Hildegard Willms

1.Auflage

Herausgeber: Ralf Willms

Autor: Hildegard Willms

Umschlaggestaltung, Illustration: Ralf Willms

Lektorat, Korrektorat: Dr. Ralf Willms

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,22359 Hamburg

ISBN: 978-3-347-13024-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Hab Sonne im Herzen,

ob’s stürmt oder schneit,

ob der Himmel voll Wolken,

die Erde voll Streit!

Hab Sonne im Herzen,

dann komme, was mag!

das leuchtet voll Licht dir

den dunkelsten Tag!

Hab ein Wort auch für Andre

in Sorg und in Pein

und sag, was dich selber

so frohgemut läßt sein:

Hab ein Lied auf den Lippen,

verlier nie den Mut,

hab Sonne im Herzen,

und Alles wird gut!

(Cäsar Flaischlen)

Das Büchlein widme ich

meinen Söhnen Ralf und Olav.

Heute, am 9. Juni 2020, habe ich, Hildegard Willms, mir vorgenommen, mein Leben, von hinten angefangen, aufzuschreiben. Es ist mir ein sehr großes Bedürfnis, jeden Tag wenigstens eine Stunde nur von mir und meiner kleinen, über alles geliebten Familie zu schreiben. Am 25. September 2020 werde ich 80 Jahre alt.

An diesem Tag sollte eine große Feier stattfinden mit den noch lebenden Geschwistern meines Mannes und den noch lebenden Geschwistern von mir und all deren Kindern. Im März 2020 ist bekanntlich eine Pandemie über die Welt hereingebrochen, sodass auch meine Feier wohl nicht stattfinden wird. Die Menschen tragen Mund- und Nasenschutz (genannt Masken), müssen 1,5 Meter Abstand voneinander halten, dürfen sich nicht mehr gegenseitig besuchen. Die Kitas, Schulen, die Kirchen, Theater, Kinos, die Restaurants, ja selbst die Friseure – alles ist geschlossen. Zusammenkünfte in Vereinen und öffentliche Veranstaltungen finden nicht statt. Die Geschäfte haben nur vereinzelt offen. Nur die großen Lebensmitteldiscounter haben noch geöffnet. Es fing sogar damit an, dass die Menschen die Ware im wahrsten Sinne des Wortes »hamstern«; auch steht man in der Schlange, es wird nur eine bestimmte Zahl an Menschen in die Läden hereingelassen. Die Frauen und Männer an den Kassen haben Unglaubliches zu leisten. So ist es auch in den Krankenhäusern. Die Intensivbetten, die Masken für die Ärzte, die Schutzanzüge, alles ist nun knapp, sodass die Schwerstkranken kaum beatmet und versorgt werden können. Viele Operationen müssen zurückgestellt werden. In allen Ländern sterben Tausende von Menschen. Von daher, wenn also kein Wunder geschieht, wird auch das Fest zu meinem 80. Geburtstag nicht stattfinden können.

Der unsagbare Konsum der Menschen, die Umweltschäden, der Größenwahn der Firmen, der Umgang mit Wald, Wasser und Tieren, die Verschwendung, die Großmannssucht, der große Reichtum – mit den Folgen großer Armut, all das hat sicherlich zu diesem elenden Desaster geführt.

Mein Mann Peter wurde am 11. Juni 2020 83 Jahre alt. Die Geburtstagsfeier war eher schlicht, dabei sehr angemessen. Es waren unsere beiden Söhne, Ralf, 57 Jahre, und Olav, 56 Jahre, mit Schwiegertochter Angie hier, in unserer Wohnung, und natürlich auch ich, und wir haben unseren allerliebsten Mann und Papa sehr geehrt. Ganz viele Anrufe, Briefe trafen ein. Handy-Musik, frisch gebackene Torte, viele Geschenkgutscheine um auszugehen, wenn wir es wieder dürfen, wurden geschenkt; es war ein wunderschöner Tag, auch mit einem Spaziergang durch unsere herrliche Natur.

Ralf wohnt, wie wir, in Rheine. Er hat eine kleine Eigentumswohnung, die er alleine bewohnt. Ralf hatte sich sehr schwergetan, sich hier im Emsland einzugewöhnen. Peter und ich hatten es damals nicht überschauen können, wie schwer es ein 15-jähriger Junge haben kann, der in Dortmund aufgewachsen war, aber davon später.

Auch unser 14-jähriger Sohn Olav hatte es sehr schwer in dieser Region, schulisch und auch menschlich war es für unsere Jungs ein sehr großes Desaster. Peter und ich hatten so große Sorgen, überhaupt hier Fuß zu fassen, sodass unsere Jungs wohl oft gar nichts von ihren Problemen uns gesagt haben.

Peter und ich haben doch schon mehr Anschluss bekommen; die Menschen, da muss man halt, wenn man dazuzieht, auch auf sie zukommen. Peter konnte im Gesangsverein und auf Festen mit seiner herrlichen Tenorstimme sehr viele Menschen begeistern, ein großes Geschenk, dass ihm diese weiche, wunderbar klingende Stimme in die Wiege gelegt wurde. Sein Vater hatte auch diese einmalige Stimme, sowie auch Peters Bruder Franz und Bruder Herbert, so war der Umzug wohl für uns beide nicht so schlimm. Wir hatten neben dem Gesangsverein, den Peter donnerstagsabends aufsuchte, auch einen Fahrradclub. So fuhren wir mit 14 Ehepaaren jedes Jahr über Pfingsten 3 Tage mit dem Rad weg. Ein Paar musste die Tour planen, so war es für alle anderen eine Überraschung. Wir hatten alle sehr viel Spaß in unserem Verein KBFC, d. h. »Kleinberliner Fahrradclub«; man erklärte uns, dass Mesum den kleinsten Bahnhof und Berlin den größten Bahnhof in Deutschland habe. Auch ich hatte mit 7 Frauen einen Club, der hieß »Sieben auf einen Streich«. Wir sind dann, wenn die Männer gesungen haben, schnell gelaufen, da hatten wir auch immer sehr viel Spaß. Jeder musste jedes Mal 5 Euro bezahlen, und irgendwann machten wir mit dem Geld eine Radtour und sind zusammen schön essen gegangen. Auch konnten Peter und ich an vielen Einladungen wie zu Geburtstagen und Silberhochzeiten teilnehmen, das war immer sehr schön.

Die schlimmen Geschichten waren die, die ich erst viel, viel später erfahren musste, und dazu gehörte, was da alles an Mobbing lief in den Schulen. Ralf kam nach Hause, da hatte er vorgespielt an Weihnachten, er hatte keine einzige Saite mehr an seiner Gitarre. Ralf war auch ein sehr guter Fußballer, da hatte er auch schlimmes Mobbing erfahren müssen. Dennoch hatten beide auch Freunde. Bei Ralf war es Michael, bei Olav war es Hermann, bei Ralf waren es Petra, Doro, Hennes, da war das »Albatros«, bei Olav war es Karin, mit der er sich dann verlobte. Wir lasen es in der Zeitung: »Unsere Eltern geben unsere Verlobung bekannt.« Peter und ich waren auf Norderney, ja wir waren erstaunt … Es gab ein sehr großes Fest in der »Kolge«. Ja, es schien alles noch zu werden. Ralf machte Interrailtouren mit Petra nach Griechenland. Auch das waren für unsere Jungs doch gute Erfahrungen. Aber da kam noch die Entscheidung des Berufes. Ralf war in dieser Zeit nicht gewillt und auch nicht in der Lage, wirklich für sich selbst etwas zu entscheiden. Die Schule war für ihn ein Gräuel, und das war schon nach der Grundschule so, er hatte den Übergang in ein Schulsystem zu absolvieren, wo man selbst fast ohne Führung war, ich weiß nicht wie ich das nennen soll, ohne dass eine gewisse Begeisterung bei den pubertierenden Jugendlichen erzeugt wurde, ich habe es nie ganz herausfinden können, woran es lag. Aber ich denke, dass Peter und ich da nicht mutig genug waren, da gemeinsam mit Ralf etwas zu erarbeiten. Ich bin heute noch sehr traurig darüber, dass wir dies nicht gemeinsam angegangen sind. Ralf hatte sich stets sehr »abgelenkt« mit Musik. Er hatte in Elte mal eine Ferienbeschäftigung so zur Probe an einer Tankstelle, er hatte vergessen den Tankdeckel draufzuschrauben, da wurde er wieder heimgeschickt. Da kam ihm die Idee, doch mal zu Tante Dorle in den Schwarzwald zu fahren. Er ist dann mit deren Mann Hubert mit zur Baustelle gefahren. Hubert war selbstständig und er hatte sich spezialisiert auf das Pflastern von Vorgärten, spezielle Mauern an Friedhöfen. Er konnte sehr viel, er war ein einfacher Mann, aber sehr gefragt in seinem Fach. Da kam Ralf nach einer Woche wieder heim, er war voll begeistert, was er da alles erlebt und gesehen hatte. Da war ein Bauingenieur gewesen, der war an dieser Baustelle mit seinem Porsche vorgefahren und hatte die frisch gelegten Steine kontrolliert; da hatte Ralf beobachtet, wie dieser Mann zum Auto gegangen und seinen Blaumann übergezogen und nachgemessen hatte; er sagte, »Das ist so und so besser«. Ralf war so beeindruckt, dass er nach Hause kam und sagte, ich möchte Bauingenieur werden, da verdiene ich 80.000 DM im Jahr und kann dann die ganze Welt sehen. Peter hatte sofort seine Beziehungen spielen lassen, einen früheren guten Kunden angerufen und gefragt, ob er Ralf als Lehrling nehme. Peter hatte aber zu Ralf gesagt: »Junge, es reicht auch, wenn Du ein sechswöchiges Praktikum da machst, das reicht, da brauchst Du keine 3 Jahre zu lernen«; nein, Ralf bestand auf diese 3-jährige Lehre, und er ist fast daran zerbrochen, aber er hat es uns nicht gesagt, er hat die Gesellenprüfung gemacht. Sich dann informiert, weil er nicht zum Bund gehen, sondern Zivildienst machen wollte, als Rettungssanitäter. Er hat das ganz allein durchgezogen, in Osnabrück, dann hat er in Bremen den Rettungssanitäter gemacht. Zuvor mit viel Glück die Mittlere Reife bestanden, da war Papa noch eingesprungen und hatte mit dem Schulleiter gesprochen. Ralf ist dann nach Aachen, um dort das Abitur zu machen. Er hat dort auch Freunde gefunden, Franz und Ingo, sie waren sehr oft unterwegs und Ralf hat es mit der Schule nicht so genau genommen. Ich hatte mal den Namen des damaligen Deutschlehrers von Ralf ergattert, ja ich rief ihn tatsächlich an und er sagte mir: »Wer sind Sie, die Mutter von Ralf? Nein, dieser Junge bekommt von mir kein Abiturzeugnis, der macht mich fertig. Er kommt jeden Morgen zu spät, mit einem Becher Kaffee in der Hand, er blamiert mich bis auf die Knochen, alles in allem ist er in Deutsch viel besser als ich, nein ich bin froh, wenn ich den nicht mehr sehen muss.« Also Ralf kam zurück, jetzt was tun? Interesse hatte er an nichts. Wir waren damals selbstständig, da komme ich aber noch zu. Da hat Peter gesagt: »Du kannst bei uns im Betrieb die Angebote machen.« Er saß dann bei mir im Büro, er konnte alles, wenn er wollte, aber wollte sein eigenes Ding machen, kommen und gehen wann er wollte. Peter sagte: »Egal ob er mit zerrissenem T-Shirt kommt oder mit offener Hose, der Junge bleibt, dann hat er wenigstens einen kleinen Rentenanteil im Alter.« Das Geschäft ging auf einmal schlechter, unsere Nische war eingebrochen, unsere Lieferwerke lieferten wieder selber aus. Da sagte eines Tages Peter: »Wir müssen immer billiger werden, der Gewinn wird immer mickriger, es lohnt sich nicht mehr, alle Grenzen sind offen, jeder liefert, billig, billiger, am billigsten, wir legen Geld drauf, wir haben 20 Festangestellte, das Geld kommt immer schlechter rein, wir hören auf.« Olav, der neben Papa saß, und den Betrieb übernehmen sollte, hatte uns schon manches Mal vertreten, wenn wir nach der Saison, immer erst ab November, in Urlaub fahren konnten. Da er schon Geschäftsführer war, wollte er das Geschäft unbedingt weiterführen. Und sah dennoch ein. Denn: Wenn wir noch mehr umgesetzt hatten – hatten wir zugleich schon wieder sehr viel Geld verloren. Es war eine schreckliche Zeit für Peter und Olav, diese Abwicklung, die Ware wurde bei uns immer mit 3 % Skonto bezahlt, nun verlangten die langjährigen Lieferanten Vorkasse, wir hatten sehr großes Glück, dass wir eine GMBH hatten und nichts von unseren Immobilien verloren, keinem etwas schuldig blieben. Und dass Olav seinen Beruf, den er so sehr liebte, anderswo weitermachen konnte. Er hat seinen Beruf immer geliebt bis heute, er wollte einfach immer so werden wie sein Papa. Und wenn er heute noch alte Kunden trifft, die mich und meinen Mann kannten, werden schöne Grüße an uns bestellt, und einige sagten zu Olav: »Sie brauchen Ihren Namen gar nicht zu nennen, Sie sind ihr Vater wie ausgeschlüpft in Stimme, Aussehen und verkäuferischem Talent.« Olav ist von Rheine weggezogen, er wohnt mit seiner Frau Angie in Übach-Palenberg, ganz in der Nähe von Aachen, Holland, Belgien, Eifel. Er fühlt sich sehr wohl dort, die beiden unternehmen sehr viel und sie feiern gern.

Im Jahr 2002 feierten Peter und ich unsere Rubinhochzeit im ganz großen Stil. Ja, es war ein großes Familientreffen, 105 Personen für 2 Tage. Wir waren der Meinung, dass wir nicht alt werden, deshalb dieses große Fest, auch aus großer Dankbarkeit, dass wir bis dahin all das hinter uns lassen konnten.

Ja, während der Selbstständigkeit von Peter hatten wir Kontakt zu einer großen holländischen Firma, sodass wir mit diesen Produkten auf den deutschen Markt gingen. Und waren zusätzlich vernetzt mit zwei Herstellern aus Deutschland, die uns jede Sondergröße, Sonderwünsche in Holz- und Farbart herstellten. Ja wir beide, Peter und ich, haben tatsächlich angefangen mit fünf Mustertüren in unseren eigenen Kellerräumen.

Peter war rund um die Uhr unterwegs. In unserer gering bemessenen Freizeit sind wir mit dem Fahrrad die Baustellen abgefahren, um unser Programm auf Handzetteln, die Peter entworfen hatte, auszuteilen; wenn wir niemanden angetroffen haben, haben wir uns einfach einen großen Stein gesucht und damit unser Angebot in Türen mit Anschrift und Telefon-Nummer hinterlassen. Da fällt mir, ja zum Schmunzeln, ein Tag ein: Es standen einige Handwerker oben auf dem Dach und riefen mir zu, »Was wollen Sie denn verkaufen?« Jung, frech waren sie und sehr mutig in kurzer Hose, »Sollen wir mal runterkommen?« Ich sagte: »Nein, Sie können unsere Ausstellung besuchen, wir können in dieser Hinsicht Ihrem Baukunden jeden Türenwunsch erfüllen.« So haben wir viele wunderbare Kunden getroffen; und es ging so im Schneeballeffekt bei den Häuslebauern rund, sodass wir in kurzer Zeit sehr viel Arbeit hatten und sogar einen Schreiner einstellen konnten. Meine Halbtagsarbeit befand sich immer noch in Rheine bei der alten Dame. Ich radelte um 14 Uhr nach Hause, hörte den Anrufbeantworter ab, notierte die Telefonnummern der Teilnehmer, legte das am Abend Peter vor. Da entschloss er sich, eine Sekretärin einzustellen, die den Papierkram aufarbeiten konnte. Da hab ich gesagt, »Das bin nur ich«, hab bei der alten Dame aufgehört und mich nun von meinem Mann einarbeiten lassen. So konnte ich das Telex bald bedienen, dann das Telefax, für die doch immer mehr werdenden Anfragen; ja es war viel Arbeit, aber es machte uns großen Spaß, unser sehr stark vorhandenes verkäuferisches Talent einzusetzen.

Nach einer kurzen Zeit, es war Feiertag Christi Himmelfahrt, haben Peter und ich eine Fahrradtour nach Emsdetten gemacht. Wir kamen in einen fürchterlichen Platzregen, und zu Hause angekommen, kam uns Ralf entgegen und sagte, »Ich war das nicht«, der gesamte Keller stand unter Wasser, und nicht nur Wasser, die gesamten Toiletten unserer Nachbarn waren übergelaufen, wir konnten einige Farben Klopapier wahrnehmen und einen enormen Gestank dazu. Da kamen Männer von der Feuerwehr, die uns geholfen haben, mit diesem Dreck fertig zu werden. Die fünf ausgestellten Türen waren völlig aufgeweicht, wir waren verzweifelt, aber aufgegeben haben wir nicht. Wir haben einfach weitergemacht.

Es kamen auch schon gute Aufträge, sodass wir uns einen LKW und einen Lieferwagen und ein kleines Lager leisten konnten. Peter hat am 17. März 1983 den Lieferwagen beladen und wollte ins Ruhrgebiet nach Bochum bei einem Kunden ausliefern. Da fiel ihm im Lager ein Stapel Türen auf Kopf und Rücken, er blutete stark, und als er wegfahren wollte, sagte der Vermieter, der es gesehen hatte, »Stopp, Du kannst doch so nicht wegfahren, ich rufe einen Krankenwagen«. Peter kam ins Jakobi-Krankenhaus, ich wurde angerufen, sofort eilte ich dorthin. Da hörte ich, wie Peter drinnen auf den Arzt einredete, »Ich will sofort nach Hause und meine Frau soll dies hier nicht erfahren, sie würde sich nur aufregen«. Der Arzt sagte: »Sie bleiben erstmal hier, dann wird man sehen.«

Als ich Peter besuchte, war er recht guter Dinge. Da kam Pfleger Franz rein, und Peter sagte zu ihm, »Das ist doch eine ganz kurze Sache hier«. Er erhielt die Antwort: »Da wären Sie der Erste, der da so schnell rauskommt, der Arzt sagte, es dauert so 14 Tage.«

Nun, es dauerte fast ein halbes Jahr, bis Peter wieder auf die Beine kam. Er hatte einen Lendenwirbel angerissen, da konnte er machen was er wollte, es war so.

Bei mir ging dann die Arbeit auf Hochtouren. Ich war ja noch im Lernbereich, und nicht nur, dass ich nun ganz alleine stand zusammen mit einem Schreiner, der von mir eingewiesen werden wollte und sollte. Auch das Büro war eigentlich nicht meine Welt, und Peter war so ein grausam genauer Chef, dass ich ihm manchmal nicht nur das Beste wünschte. Aber so habe ich alles, oder sagen wir mal, sehr vieles gelernt. In dieser Zeit kam dann hinzu, dass ich das erste Mal von zu Hause wegfuhr, um mit meinem Clübchen, den sieben Frauen, zu meiner Schwester Dorle ins Bühlertal – in meine Heimat – zu fahren, nicht zuletzt, um ihr und Hubert sowie ihrem Schwiegervater Franz beim Herbsten zu helfen. Die hatten so viele Rebberge, und beim Herbsten, also wenn die reifen Trauben zu ernten waren, wurde jede Hand gebraucht. Wir hatten unsere Zimmer im »Gasthaus Zur Traube« in der Liehenbach, da bin ich aufgewachsen, und musste sehr früh hart arbeiten, aber davon später. Wir haben auch mit Egon und Gertrud, meiner Schwester und ihrem Mann, einen Ausflug nach Baden-Baden gemacht. Wir waren im Brenners Park, in der Stourdza-Kapelle, in der »Trinkhalle«, ja sogar im Spielcasino. Wir Frauen machten zusammen einen Ausflug zur Bühlerhöhe Schreckenstein und stiegen sogar die Gertelbach-Wasserfälle hinauf, ja, es hat allen sehr gut im nördlichen Schwarzwald gefallen.

Auf der Heimfahrt bekam ich unglaubliche Unterleibsschmerzen. Sie wurden immer schlimmer, das hieß, zu Hause sofort zum Arzt zu gehen. Unser Hausarzt Dr. Holling rief im Krankenhaus selbst an und sagte nur – »Kennt Ihr Peter Willms? Das ist der Mann, dessen Frau ich jetzt sofort zu euch einweise. Sie muss sofort operiert werden«. Ja so war es, auch die Gebärmutter musste rausgenommen werden, da alles entzündet war. Und . . . da wurde eine sehr sensible und wunderbare Frau auf mein Zimmer verlegt, Monika, wir haben uns schnell angefreundet. Ja schon sehr witzig über unseren Doktor gesprochen, ja wir genossen sogar unseren Klinik-Aufenthalt. Da kam nach 10 Tagen der Arzt, und er sagte zu mir: »Sie können morgen nach Hause gehen.« Ich stammelte nur noch »Das geht nicht, ich habe keinen Menschen, der mir helfen könnte, mein Mann ist viel unterwegs«. Wir hatten inzwischen noch eine zusätzliche Bürokraft, dann meine beiden Jungs, wie sollte ich das alles versorgen? Nun, so weit so gut, am nächsten Morgen kam der Arzt wieder, und ich sagte zu ihm: »Soll ich Ihnen mal zeigen, was mit mir passiert ist?« Ich schlug die Bettdecke zurück, da sah er, wie mir das ganze Wundwasser über den Bauch lief. Er sagte nur: »Sie bleiben noch eine Woche hier.«