Alabama - Joe Juhnke - E-Book

Alabama E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Seine Wiege stand am Black Warrior zwischen Eutawa und Jasper im Staate Alabama. Seine Eltern waren ehrsame Kaufleute und betrieben ein gut gehendes Handelsgeschäft. Sie hießen Piet und Elsa Gorda und lebten als angesehene Bürger im Biringham County. Ihren einzigen Sohn nannten sie Jack. Er wuchs einer sorgenfreien Zukunft entgegen und sollte später einmal das Geschäft seiner Eltern übernehmen. Doch Jack hatte seine eigenen Zukunftspläne. Er fühlte sich nicht zum Kaufmann geboren und wollte ein freier Mann sein. Mit vierzehn Jahren konnte er einen wilden Broncho zureiten, mit fünfzehn Jahren das Schießeisen führen, dass es seine Eltern in Schrecken versetzte. Die einfachen Menschen erkannten immer deutlicher, dass ihr über alles geliebter und verwöhnter Jacky einen eigenen Weg verfolgte, einen Weg, der einmal in einem tiefen Abgrund enden musste. Und es erfüllte sie diese Erkenntnis mit großem Schrecken und bitterer Sorge. Trotzdem aber wuchs Jack Gorda voller Achtung und Ehrfurcht vor seinen Eltern auf. Er wurde groß und stark, zäh und sehnig, er wurde ein wahrer Prachtbursche mit breiten Schultern und Kräften, von denen man im ganzen County sprach. Aber mit dem weiteren Wachstum seiner Gestalt und seines Geistes wuchs auch sein Wille. Er wollte mit aller Gewalt hinaus in die große Welt, er wollte das verheißungsvolle Abenteuer und die Gefahren kennen lernen. Ihn lockte der ferne Westen, der damals noch wild und unerschlossen war. Das Leben unter dem freien Himmelszelt, im Urwald und auf der Prärie, in den Bergen und den rauschenden Wassern der großen Ströme und der stillen Seen, kurz, das Abenteuer. Ihn trieb es unaufhaltsam in das Land der Hoffnung, den goldenen Westen, in dem er aber doch nur Enttäuschung fand, ihn trieb es in ein Abenteuer, so gefährlich, wie er es sich nur je gewünscht hatte, und er verschaffte sich auch tatsächlich einen berühmten und rühmlichen Namen. Aber man nannte ihn stets nur im Zusammenhang mit einer wilden Verwünschung, mit einem ellenlangen Fluch, man sprach ihn auch nur unter besten Freunden laut aus, weil auf ihm ein Fluch, der Tod, ruhte. »Alabama«. Aus Jack Gorda wurde »Alabama« .

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Die großen Western Classic – 67 –

Alabama

… war sein Name und sein Fluch zugleich

Joe Juhnke

Seine Wiege stand am Black Warrior zwischen Eutawa und Jasper im Staate Alabama. Seine Eltern waren ehrsame Kaufleute und betrieben ein gut gehendes Handelsgeschäft. Sie hießen Piet und Elsa Gorda und lebten als angesehene Bürger im Biringham County.

Ihren einzigen Sohn nannten sie Jack. Er wuchs einer sorgenfreien Zukunft entgegen und sollte später einmal das Geschäft seiner Eltern übernehmen. Doch Jack hatte seine eigenen Zukunftspläne.

Er fühlte sich nicht zum Kaufmann geboren und wollte ein freier Mann sein. Mit vierzehn Jahren konnte er einen wilden Broncho zureiten, mit fünfzehn Jahren das Schießeisen führen, dass es seine Eltern in Schrecken versetzte.

Die einfachen Menschen erkannten immer deutlicher, dass ihr über alles geliebter und verwöhnter Jacky einen eigenen Weg verfolgte, einen Weg, der einmal in einem tiefen Abgrund enden musste. Und es erfüllte sie diese Erkenntnis mit großem Schrecken und bitterer Sorge.

Trotzdem aber wuchs Jack Gorda voller Achtung und Ehrfurcht vor seinen Eltern auf. Er wurde groß und stark, zäh und sehnig, er wurde ein wahrer Prachtbursche mit breiten Schultern und Kräften, von denen man im ganzen County sprach.

Aber mit dem weiteren Wachstum seiner Gestalt und seines Geistes wuchs auch sein Wille. Er wollte mit aller Gewalt hinaus in die große Welt, er wollte das verheißungsvolle Abenteuer und die Gefahren kennen lernen. Ihn lockte der ferne Westen, der damals noch wild und unerschlossen war. Das Leben unter dem freien Himmelszelt, im Urwald und auf der Prärie, in den Bergen und den rauschenden Wassern der großen Ströme und der stillen Seen, kurz, das Abenteuer.

Ihn trieb es unaufhaltsam in das Land der Hoffnung, den goldenen Westen, in dem er aber doch nur Enttäuschung fand, ihn trieb es in ein Abenteuer, so gefährlich, wie er es sich nur je gewünscht hatte, und er verschaffte sich auch tatsächlich einen berühmten und rühmlichen Namen.

Aber man nannte ihn stets nur im Zusammenhang mit einer wilden Verwünschung, mit einem ellenlangen Fluch, man sprach ihn auch nur unter besten Freunden laut aus, weil auf ihm ein Fluch, der Tod, ruhte.

»Alabama«.

Aus Jack Gorda wurde »Alabama«, der Mann, den es ruhelos durch das Land trieb, gejagt, gehetzt und gefürchtet. Eine typische Erscheinung seiner Zeit, ruhmsüchtig, blutgierig und gottlos.

Er vergaß die Gesetze des Landes und der Menschlichkeit, er vergaß seinen Glauben. Er wurde geachtet und gefürchtet, er wurde gehasst und geliebt zugleich. Er erreichte die Pforte der Hölle, ehe ihn sein zweites »Ich«, der gute Kern, den ihm seine Eltern mitgegeben, zurückriss.

Doch da war es auch schon zu spät für ihn, den Mann, der immer nur Held, kein Verbrecher sein wollte, der als Jack Gorda geboren wurde und dennoch ­immer und überall nur »Alabama« hieß.

*

Es zog ihn hinaus in die weite, schöne und wilde Welt, die er genießen, die er erleben wollte. Er war wie der Zugvogel, den der natürliche Trieb und Instinkt immer wieder weiterziehen lässt, er war wie ein Ahornblatt, das sich aus den Ästen löst und vom Spiel des Windes über das Land hinweggetrieben wird. Sein Blut wallte unruhig und begehrlich auf, wenn er etwas länger an einem und demselben Ort verweilte. Und er wusste nicht, woher diese Unruhe, diese verfluchte Unruhe kam, die ihn immer wieder weiter- und vorwärtsriss.

Planlos zieht er durch das Land, rastlos, ruhelos, von seinem zweiten Ich gehetzt und gejagt, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern, nach Männern von großem Ruf, mit denen er sich messen kann.

*

Das Tal, das sich vor Alabama ausbreitet, ist unendlich weit und von duftenden Bärengräsern überzogen. Es liegt zwischen dem Concho River und dem Colorado, wahrhaftig in einem der schönsten Landstriche der Staaten, mitten im Herzen von Texas und bietet alljährlich riesigen Rinderherden vortreffliche Weiden. Für die umliegenden Ranchen bilden sie den Grundstock der Wohlhabenheit ihrer Besitzer. Schweigend nehmen die Augen des einsamen Reiters dieses herrliche Landschaftsbild in sich auf, und er hält seinen Braunen eine Weile an. Doch schon bald schweifen die Augen des Ruhelosen weiter und bleiben auf der allmählich vor ihm auftauchenden Silhouette der Stadt haften, die jenseits des herb duftenden, blühenden Grasteppichs liegt.

Diese Stadt nennt sich San Angelo und ist Jack Gordas vorläufiges Ziel.

Seinem Pferd leicht die Sporen gebend, galoppiert er auf dieses Ziel zu.

*

Von weither kommen viele Menschen nach San Angelo, denn die Stadt ist bekannt wegen ihres berühmten Rodeos.

Cowboys, Farmer und von weither gekommene Abenteurer kämpfen hier in friedlichem Wettstreit um die ausgesetzten, meist wertvollen Trophäen und um den Ruf eines »Königs der Zureiter«, den »Pistolenkönig« oder den Ruf, der beste Lassowerfer des ganzen Landes zu sein. Eine recht wilde und raue Gesellschaft versammelt sich an diesen Tagen in San Angelo. Hagere, knorrige und ledergegerbte Cowboys, die den wilden Broncho, den zweijährigen Stier brechen.

Sie fangen die wildesten Tiere ein und reiten sie ohne Sattel, so verlangt es die Kampfregel. Und es kommen auch Männer, deren ganze Stärke nur im Colt und seiner Handhabung liegt. Sie treffen hier auf Gegner mit bereits berühmten Namen, sie versuchen alle ihre Leistungen noch mehr zu steigern, um nur einmal in ihrem Leben die wertvolle Trophäe, den silberbeschlagenen Colt, die modernste Winchester zu gewinnen. Sie wachsen über sich selbst hinaus und zeigen tatsächlich höchst erstaunliche Leistungen.

Doch es sind fast immer dieselben, die den Rahm abschöpfen. Garry Sramford von der Ahorn-Mannschaft als Puncher, Lime Kenedy von der Vier-Tannen-Ranch als Pistolenschütze. Sie besitzen bereits eine ganze Galerie von wertvollen Preisen, und ihre Namen sind bekannt.

Nur ganz selten gewinnt irgendein Fremder einen der ausgesetzten Preise.

Doch heute erlebt San Angelo seine große Sensation.

Im letzten Stechen stehen Lime Kenedy und ein Fremder, der sich Milton Water nennt, gegenüber.

Es geht um ein modernes, prächtiges Schießeisen, eine handgeschmiedete Arbeit der Firma Samuel Colt, und sie wurde eigens für das Rodeo in San Angelo hergestellt. Die Waffe liegt neben den anderen ebenfalls wertvollen Preisen in einer mächtigen Glasvitrine und ist der Anziehungspunkt für viele neugierige Gaffer. Man betrachtet die Waffe voller Neid, und die beiden Männer, die im letzten Durchgang gleich stark vor den Scheiben stehen, mit missgünstigen Blicken.

Das Herz eines jeden biederen Bürgers schlägt beim Anblick des kostbaren Schießeisens schneller. Der Lauf ist mit malerischen Ornamenten geschmückt und funkelt im Licht der Sonne, das sich an den Wänden der Glasvitrine bricht wie eine Handvoll Silber in der Rüttelpfanne. Die Trommel ist mit denselben Zeichen verziert, und der Hahn hat eine besondere Erhebung, die eine rasche Handhabung gestattet. Dieser Colt ist keiner von der herkömmlichen Fabrikware. Mit ihm zu schießen, muss wahrlich eine Freude sein. Schlank und zierlich gegen das Ungetüm selbst wirkt der schmale, mit silbernen Platten beschlagene Kolben. Er ist geradezu geschaffen für eine schlanke, aber sehnige Faust.

Kein Wunder also, dass die Beteiligung gerade in dieser Kür besonders stark war.

Doch sie waren alle nur Stümper gegen Lime Kenedy, der ja schon von vornherein als ausgemachter Favorit galt. Er knockte sie auch alle der Reihe nach aus. Nur ein Fremder, der gestern erst in die Stadt kam, zeigt ihm noch die Zähne. Seine Schüsse liegen mit genau derselben Präzision im Schwarzen wie die von Kenedy.

Aber Lime Kenedy fühlt sich stark und sicher. Schon seit fünf Jahren ist er der ungeschlagene Pistolenkönig im County, und auch dieses Mal wird ihm niemand den Rang streitig machen, auch der Fremde nicht.

Das Stechen der beiden erwartet man mit demselben Interesse, das man dem wertvollen Colt entgegenbringt, und obwohl sich jeder selbst dieses Schießeisen wünscht, gönnt man es lieber Lime Kenedy als dem überheblichen Fremden.

»Old Trinidy dancing Box«, die am Rande der Stadt steht, scheint wie leergefegt, und die wenigen Männer, die da schnarchend an den langen Tischen hocken, sind nur deshalb zurückgeblieben, weil ihre Beine nicht mehr die nötige Kraft besitzen, sich zum Kampfplatz zu schleppen. Der Alkohol ist doch stärker als ihr Wille.

Ansonsten steht alles draußen auf dem Feld. In gespannter Erwartung verfolgen sie die Auseinandersetzung zwischen diesem Milton und Kenedy.

Mr Lehare, der Bürgermeister von San Angelo. Sheriff Eldoro und Rancher Chris sind die Kampfrichter. Die Distanz liegt bei dreißig Schritt.

Lime Kenedys Schießeisen hat bereits gesprochen, und nun wartet man mit Ungeduld und Spannung auf das Ergebnis.

Eine große Tafel am Ende der Gasse steigt hoch. Sie zeigt von sechs Schuss sechs Treffer an.

Nun bricht der Jubel der Menge los.

»Linie Kenedy«, schrien seine Anhänger und wirbeln begeistert ihre Hüte durch die Luft. »Ein Hoch auf den neuen Pistolenkönig des Angelo County!«

Und während die Begeisterung in immer neuen Wellen über die Masse hinwegflutet, macht sich der Fremde in aller Ruhe zum Schuss bereit. Seine Bewegungen sind ohne die geringste Erregung, als er den Colt hebt und das winzige Ziel in der Ferne anvisiert. Sein Mund hat sich leicht geöffnet und zeigt ein zufriedenes Lächeln.

In dieser Sekunde tritt eine fast tödliche Stille ein. Alle Augen starren wie gebannt auf die Scheibe am Ende des Platzes.

Nun bellen Schüsse auf, verdammt schnell und in der Reihenfolge präzise wie im Takt einer ablaufenden Uhr.

Die beängstigende Stille bleibt auch noch, als sein Colt leergeschossen ist.

Und wieder steigt die Tafel hoch.

Sechs Schuss, sechs ins Schwarze!

Ein erstauntes Raunen geht durch die Zuschauermenge. Sie betrachten den schwarzhaarigen Fremden mit Misstrauen und zweifelnder Überraschung. Das hätte doch niemand gedacht, dass er es auch diesmal schaffen würde. Man blickt sich gegenseitig ratlos in die Augen und dann zum Preisgericht hinüber, wo man bereits die Köpfe zusammengesteckt hat und miteinander spricht.

Schließlich erhebt sich der Friedensrichter und tritt zu den beiden Schützen hin.

»Wieder ohne Entscheidung«, murrt er ungeduldig, »ihr seid beide gleich gute Schützen, aber ich kann den Colt doch nicht teilen. Ich bin jetzt wirklich ratlos.«

»Legen Sie doch einfach zehn Schritt zu, Sir«, meint Milton Water lächelnd, »es wäre doch bestimmt die allereinfachste Lösung.«

Mr Lehare blickt fragend zu dem Richtertisch hin, dann auf Kenedy, der, ziemlich blass, aufgeregt hin und her geht.

»Was meinst du, Linie?«

»Mir ist es recht«, druckst der Cowboy hervor und zwingt sich ein Lächeln ab. »Er mag beginnen.«

Mr Lehare hebt die Hände trichterförmig an den Mund.

»Ladys und Gentlemen«, ruft er mit tiefer, mächtiger Stimme, »wir erleben hier das interessanteste Duell seit fünf Jahren. Mr Milton schlägt eine Distanz von vierzig Schritt vor. Diese Distanz wurde noch nie bei einem Rodeo gewählt, da sie unseres Erachtens nicht mehr für die Treffsicherheit eines Colts garantiert. Wir respektieren aber den Wunsch Mr Waters.« Der Bursche, der die Scheiben bedient, packt den ganzen Kram und schleppt ihn zehn Schritt weiter. »Ihr habt also den ersten Schuss«, sagt Lehare.

Milton Water nickt lächelnd. Er lädt sein Schießeisen auf und verschafft sich festen Stand, ehe er die Kanone wieder in den Gurt zurücksteckt.

»Worauf warten Sie denn noch?«, bellt Lehare erregt. »Ich sagte doch, Sie haben den ersten Schuss.«

»Ich habe es wohl verstanden«, grinsend fixiert Water den aufgeregten Bürgermeister, »und da ich Ihre Ratlosigkeit inzwischen erkannt habe, wollen wir dem grausamen Spiel ein Ende bereiten.«

Noch während er spricht, zuckt die Rechte zum Gurt. Sie springt hoch, und schon bellt der Colt auf. Wieselflink fährt die flache Linke über den heißen Lauf und betätigt den Hahn. Drei-, vier-, fünf-, sechsmal, und dann springt die Waffe in den Gurt zurück.

»Zum Teufel, was soll das«, knurrt Lehare, und eine steile Falte steht auf seiner Stirn, »wollen Sie das Schießeisen etwa verschenken?«

»Wer weiß«, lächelt Water und tritt einen Schritt zurück. Er dreht sich lässig eine Zigarette und pafft, während er ein hübsches Mädchen in der Nähe ziemlich ungeniert mustert, blaue Wolken in die Luft.

Da geht ein dumpfes Raunen durch die Reihen der Zuschauer. Es ist ein Gemisch zwischen Furcht und Hochachtung, das aus den Stimmen der Zuschauer aufschwingt und das nicht abflauen will.

Er spürt plötzlich eine zitternde, feuchte Hand auf der Schulter. »Das kann doch nicht sein, Mister«, forscht die raue Stimme des Bürgermeisters, »das waren sechs Treffer, und ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass Sie überhaupt nicht gezielt haben. Da hat doch bestimmt der Teufel seine Hand mit im Spiele?«

»Wer weiß, vielleicht bin ich auch der Sohn des Teufels«, lächelt der andere und wendet sich ab, »vielleicht auch nur ein guter Freund von ihm, und er hat mir diesmal geholfen. Aber warum schießt denn der Cowboy nicht?«

»Er hat verzichtet. Sie sind auf jeden Fall der Bessere. Lime Kenedy hat es erkannt.«

»Dann kann ich mir wohl das Schießeisen nehmen?«

»Klar, wenn sich kein neuer Gegner mehr findet.«

»Sie sollten dann besser erst noch einmal fragen.« Gelassen bläst Water dem Bürgermeister eine dicke Rauchwolke ins Gesicht. Er zeigt ganz offenkundig, dass er keinerlei Konkurrenz befürchtet. Er fühlt sich so stark und sicher, diese ganzen Nieten von Cowboys schlagen zu können. Und er ließ erst die Katze aus dem Sack, als er selbst das Interesse an der Auseinandersetzung verlor.

»Hahaha.« Hämisch lacht der Wunderschütze. »Dieser armselige Cowboy dachte wohl, Bovina glatt zu schlagen.«

Eine Minute später steht der Bürgermeister wieder vor ihm.

»Es hat sich doch noch ein Mann gemeldet, Mr Water«, sagt er nervös und zaust an dem breiten Kragenband, das über dem Revers herausragt, »ein gewisser Mr Gorda. Jack Gorda. Nehmen Sie seine Forderung an?«

Über Waters Stirn läuft eine steile Falte. Sekunden nur, dann ist sie wieder verschwunden.

»Selbstverständlich«, sagt er so herablassend wie möglich und nicht ohne Stolz. »Wo ist der Mann?«

»Hier.« Jack Gorda tritt in die Bahn. Er lächelt den Fremden freundlich an.

Seine Augen wandern die Gestalt hinauf, heften sich an den Augen des Mannes fest und suchen dann ihren Weg zu seinem Haarschopf.

Ein seltsames Gefühl durchfließt Jacks Körper, es lässt ihn unsicher werden und zieht ihn in den magischen Bann dieser seltsamen Augen des Fremden.

Es sind grelle Lichter, die ihm entgegenblicken. Sie liegen halb verdeckt unter müde herabhängenden Augenlidern. Ihre Farbe ist bernsteinbraun, fast gelb, wie die Augen eines Raubtieres, wie das Licht der Sterne. Und sein Haar liegt unter dem weit zurückgeschobenen Sombrero in festen Wellen auf dem Kopf.

»Was starrst du mich denn so blöde an?«, fragt Water unwirsch. Und wieder schiebt sich die drohende Falte auf seiner Stirn zusammen.

Diese aufreizenden Worte aber bringen Gorda sofort wieder in die Gegenwart zurück.

»Du bist ein sehr schneller und sicherer Schütze, mein Freund. Ich möchte bloß wissen, wer dir den Trick beibrachte?«

»Willst du eigentlich nur von mir lernen, oder willst du dich mit mir messen?«, ist die abweisende Antwort.

»Messen, mein Freund, nur messen«, lacht Gorda laut. »Gib acht!«

Jack Gorda steht mit dem Rücken zum Ziel. In seiner Rechten liegt plötzlich der Colt. Nur den Kopf wendet er, und der linke Arm hebt sich leicht. Unter der Achsel hindurch zucken feurige Flammen, durchschneiden die Luft und suchen ihr fernes Ziel. Dann springt auch schon die zweite Waffe hoch, sein Körper wirbelt herum, unwahrscheinlich schnell ist die Bewegung, wie die einer Raubkatze, und es sind weitere Detonationen, die rasch einander ablösen.

Dann senkt Jack Gorda seine Schießeisen blitzschnell in die Halfter zurück.

Er lächelt breit. Es ist ein unbeschwertes Jungenlächeln, und trotzdem liegt ein gefährlicher Glanz in dem Samtbraun seiner Augen.

»Siehst du, das war ein Trick von mir, mein Freund«, meint er bedächtig.

Die unheimliche Lautlosigkeit, die über dem weiten Rund der Arena liegt, wirkt lastend auf die Nerven der vielen Zuschauer. Sie starren alle wie gebannt die schmale Gasse hinab auf die Zielscheibe, ihre Hälse recken sich, denn sie warten auf das Ergebnis dieses anscheinend verrückten Fremden.

Da kommt eiligst der Bursche von den Scheiben zum Richtertisch gelaufen. Er rudert wie ein Trunkener durch die Reihen der immer dichter herandrängenden Menschen. Schwer atmend bleibt er vor dem Preisgericht stehen und verkündet dann nach einer kleinen Atempause mit lauter Stimme:

»Elf Treffer, Bürgermeister, elfmal ins Schwarze, und jeder Schuss sitzt daumenbreit neben dem anderen. Es ist ein glatter Kreis, und nur ein Schuss hätte gefehlt, um auch den schwarzen Punkt noch herauszuschießen.«

Jack Gorda hört die Worte. Er lächelt, er lässt sich wie ein Wunder betrachten, und er fühlt sich überlegen, stolz unter den Blicken der Zuschauer. Das war ein Schauspiel, so ganz nach seinem Geschmack, das war die Atmosphäre, in der er sich wohlfühlte und ein zufriedener Mensch wurde, der endlich mal wieder seine Ruhe gefunden hatte.

»Mensch, Mister«, atemlos taucht der Bürgermeister hinter Gorda auf, »das war aber eine Leistung, die man in den ganzen Staaten so schnell nicht mehr wiedersehen wird. Mann, wer sind Sie, dass Sie solch teuflische Künste beherrschen? Lime Kenedy ist ja die reinste Niete gegen Sie und Mr Water ein elender Stümper. Wenn das …«

Dem Bürgermeister geht die Puste aus, denn Mr Water hält plötzlich sein Schießeisen in der Faust. Sein Gesicht ist hassentstellt, und die Augen blitzen unwahrscheinlich grell.

Aber schon hält auch Jack Gorda einen Colt zwischen den Fingern. Es ist der, mit dem er gerade geschossen hat. Er ist aber ungefährlich, weil er leer ist, leergeschossen auf die Scheibe des Rodeos in San Angelo.

»Du hast mich übertölpelt, Bursche«, grollt Milton Water, »ganz hinterhältig hereingelegt. Dafür werde ich dir jetzt eins aufs Fell brennen.«

»Sei vorsichtig, mein Freund«, mahnt Gorda, und erhebt seine Waffe leicht an.

Höhnisch lacht da aber der andere auf. »Dein Schießeisen taugt nichts, Gorda, hahaha, es ist wie ein Puma ohne Krallen. Die Trophäe gehört mir, mir ganz allein, und ich möchte gern den sehen, der Bovina die Waffe streitig machen wollte.«

»Ich«, erwidert Jack Gorda mit gefährlicher Ruhe. Wie immer, so hat er auch in dieser brenzligen Situation die Oberlippe hochgezogen und zeigt seine prächtigen Zähne. O ja, es sind wirklich starke, gesunde Zähne, und sie erinnern an das gefährliche Gebiss eines Tigers.

»Dann schieß doch, wenn du kannst, tue es doch schon, du Narr, hahaha, jetzt kannst du deinen Trick am lebendigen Ziel probieren«, so hetzt der andere wild und voller Hass.