Tom Horn und der Younger-Clan - Joe Juhnke - E-Book

Tom Horn und der Younger-Clan E-Book

Joe Juhnke

0,0

Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Sie kamen unauffällig mit der Morgendämmerung und zogen in kleinen Gruppen über die hölzerne Brücke, die den Osage River überspannte und verteilten sich zwischen den Häusern der Stadt. Taberville lag im tiefsten Schlaf und nur der Drugstorebesitzer kehrte vor seinem Laden den Stepwalk. Corner blickte nicht einmal auf, als die Reiter die Straße hochzogen. Als James Younger, Eddy Correl und Finch Dawson zum Marktplatz einschwenkten, war die Aktion soweit abgeschlossen. Sie hielten ihre Pferde an der Tränke, und während Correl den Pumpenschwengel betätigte und den Wassertrog füllte, nickte Younger zufrieden. Links und rechts des Platzes standen die massiven Gebäude der Jeffs- und der Cornerbank. Ihr Ziel. Drüben vor Bettys Saloon, keine zehn Schritte von Corners Bankhaus entfernt, standen French Deville, der Franzose, Pancho Santes und Earl Swatter und beschäftigten sich mit dem Sattelzeug. Unter dem Vordach des Saloons saßen Holiday und Guadalupe, der Puertoricaner. Sie gehörten zu Frenchs Gruppe. Im vor Wochen abgebrannten Haus des Eisenwarenhändlers sah Younger fünf Männer, die sich im Schatten des Mauerwerks hielten und den Rückzug aus der Stadt decken sollten. Mit einem Blick zur Brücke sah Younger Swatter, der sein buntes Halstuch schwenkte, zum Zeichen, daß seine Vorbereitungen abgeschlossen waren. Fünfundzwanzig Mann bewegten sich unauffällig um das Geviert des Platzes. Als Younger die Uhr aus der Tasche zog, grinste er breit, denn gerade schwenkte Jones Carter, der Kassierer von Jeffs Bank, ahnungslos in den Platz ein und näherte sich dem massiven Gebäude. Und zur gleichen Zeit kam auch Linner in Sicht, der in Corners Bankinstitut das Sagen hatte. Es war inzwischen fünf Minuten vor Neun, und Younger nickte zufrieden. »Sie sind pünktlich. Fertig, Eddy?« Eddy Correl ließ den Pumpenschwengel fahren und nahm die Zügel in die Hand. Gemeinsam näherten sie sich Jeffs Bank.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 149

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western Classic – 77 –

Tom Horn und der Younger-Clan

Kein Fluchtweg aus dem flammenden Inferno

Joe Juhnke

Sie kamen unauffällig mit der Morgendämmerung und zogen in kleinen Gruppen über die hölzerne Brücke, die den Osage River überspannte und verteilten sich zwischen den Häusern der Stadt.

Taberville lag im tiefsten Schlaf und nur der Drugstorebesitzer kehrte vor seinem Laden den Stepwalk. Corner blickte nicht einmal auf, als die Reiter die Straße hochzogen.

Als James Younger, Eddy Correl und Finch Dawson zum Marktplatz einschwenkten, war die Aktion soweit abgeschlossen. Sie hielten ihre Pferde an der Tränke, und während Correl den Pumpenschwengel betätigte und den Wassertrog füllte, nickte Younger zufrieden. Links und rechts des Platzes standen die massiven Gebäude der Jeffs- und der Cornerbank. Ihr Ziel. Drüben vor Bettys Saloon, keine zehn Schritte von Corners Bankhaus entfernt, standen French Deville, der Franzose, Pancho Santes und Earl Swatter und beschäftigten sich mit dem Sattelzeug. Unter dem Vordach des Saloons saßen Holiday und Guadalupe, der Puertoricaner. Sie gehörten zu Frenchs Gruppe. Im vor Wochen abgebrannten Haus des Eisenwarenhändlers sah Younger fünf Männer, die sich im Schatten des Mauerwerks hielten und den Rückzug aus der Stadt decken sollten. Mit einem Blick zur Brücke sah Younger Swatter, der sein buntes Halstuch schwenkte, zum Zeichen, daß seine Vorbereitungen abgeschlossen waren. Fünfundzwanzig Mann bewegten sich unauffällig um das Geviert des Platzes.

Als Younger die Uhr aus der Tasche zog, grinste er breit, denn gerade schwenkte Jones Carter, der Kassierer von Jeffs Bank, ahnungslos in den Platz ein und näherte sich dem massiven Gebäude. Und zur gleichen Zeit kam auch Linner in Sicht, der in Corners Bankinstitut das Sagen hatte.

Es war inzwischen fünf Minuten vor Neun, und Younger nickte zufrieden. »Sie sind pünktlich. Fertig, Eddy?«

Eddy Correl ließ den Pumpenschwengel fahren und nahm die Zügel in die Hand. Gemeinsam näherten sie sich Jeffs Bank. Die Tür stand einladend weit offen.

Als sie die Treppe hochstiegen, blickte Younger noch einmal zurück. French Deville, Holiday und Guadalupe waren bereits in Corners Bank verschwunden und wie er zu sehen glaubte, streckte Mr. Linner gehorsam die Arme zur Decke.

»Es wird Zeit, Jungs«, Younger betrat in Begleitung den Schalterraum, hinter dessen Absperrung Mr. Carter im Begriff war, den schweren Tresor zu öffnen.

Jones Carter mochte vierzig Jahre alt sein, doch war er für sein Alter ein verknöchertes altes Männchen, der vom vielen Sitzen am Schalter und der schlechten Luft alt geworden war. Der Kneifer hing schräg auf der Nase und seine Hand fiel vom Kombinationsschloß, als er drei schwere Revolver sah, die über den Schalter direkt auf ihn gerichtet waren.

»Was soll das, Gentlemen?« Jones Carters Atemzüge pfiffen wie die rostige Pfeife einer Dampflok der Kansas Pacific, und er suchte mühsam seine Beherrschung. Eddy und Finch sprangen über die Abdeckung, während Younger den Schalter überwachte.

»Öffne den Tresor, Carter, und spiele nicht den Helden«, sagte Finch und schob dem Kassierer drohend die Revolvermündung zwischen die Rippen. Er drängte ihn nahe an den mächtigen Safe und deutete auf das Schloß. »Dir bleibt eine Minute.«

Carter starrte verwirrt Younger an. Dieser Mann war gestern in der Bank gewesen und hatte eine Zehndollarnote gewechselt. Mein Gott, dachte er, das sind Verbrecher. Der Gedanke ließ ihn erstarren.

»Das Ding ist offen«, rief Correl und schob die gepanzerte Tür auf. Ein Dollarberg grinste ihm entgegen, und er nahm einen der Lederbeutel auf, die den Namen von Jeffs Bankhaus trugen und begann die Geldbündel einzuräumen.

Draußen fiel ein Schuß.

Younger fluchte. »Die Idioten wecken die ganze Stadt auf. Macht schneller.«

Der Schuß schien Mr. Carster aus seiner Erstarrung zu reißen. Er taumelte mit unsicheren Schritten

rücklings bis zum Schalter und dachte, sie nehmen Rancher Morgans Lohngelder, die heute fällig sind, und die Ersparnisse der Bürger der Stadt.

Wieder fielen draußen Schüsse. Das hohle Echo zeigte, daß der Franzose Schwierigkeiten hatte. Finch Dawson trat neben Correl, um die Arbeit zu beschleunigen, da traf ihn unvermutet ein Schuß in den Rücken. Der Schmerz riß ihn förmlich um die Achse, und Finch Dawson sah den rauchenden Colt in Carters magerer Faust. Noch während er Carters entsetzten Blick aufnahm, schoß Younger den Mann nieder.

Jones Carter spürte nur kurz den Schmerz, dann fiel er, vom harten Aufprall des Geschosses getroffen, vornüber aufs Gesicht.

Auch Finch Dawson brach röchelnd in die Knie. »Diese Kanaille«, heulte er, der wühlende Schmerz in seinen Lungen ließ den mächtigen Körper erzittern.

Eddy Correl lauschte dem stärker werdenden Schußwechsel auf der Straße und riß die Tasche hoch. »Los, wir türmen.«

»Und Finch?« rief Correl, als der Boß zur Tür eilte.

»Er wird es nicht überleben!« schrie Younger zurück. »Wir müssen aus der Stadt.«

Finchs sterbende Augen hingen flehend an dem Freund. »Laß mich nicht hier liegen, Eddy. Sie werden mich hängen.«

Das wirst du nicht mehr erleben, dachte Correl und sprang mit einem Satz über den Schalter.

Gewehrfeuer schlug ihm entgegen. Die Stadt schien im mächtigen Aufruhr. James Younger saß ungeduldig im Sattel und warf Correl die Zügel zu.

»Über die Brücke«, rief er und sah, wie drüben French Deville und drei seiner Leute aus Corners Bank stürmten. Zwei blieben auf der Treppe liegen und nur Holliday und Guadalupe, die bei den Pferden zurückgeblieben waren, saßen bereits im Sattel und stoben wie die Teufel die Straße herunter.

Younger sprengte über den Platz. Die Pferde hatten sich losgerissen und folgten den Flüchtigen aus der Stadt.

»Steig auf«, schrie Younger und streckte seinen Arm aus. Der Franzose schwang sich auf die Hinterhand und Younger schlug dem struppigen Gaul die Sporen in die Flanken.

Blei flog ihnen um die Ohren. Aus der niedergebrannten Ruine sprangen sechs Männer direkt ins wütende Feuer der Bürgerwehr, die sich hinter dem Getreidespeicher zusammenrotteten. Younger sah ihre wütenden Gesichter. Sie waren zum Teil noch in der Unterhose und mit Karabinern bewaffnet. Aber sie schossen, als wären die Banken ihr Eigentum, das es zu verteidigen galt.

So wütend hatte Younger noch keine Stadt erlebt. Und das sollte was heißen, denn Banken und Eisenbahnen waren Youngers Spezialgebiet.

Nur wenige der Männer erreichten die Pferde. Sie ritten im Staub, den

Youngers und Correls Pferd aufwirbelten, zur rettenden Brücke, und als die Hufe hohl und dröhnend auf die Planken schlugen, tauchte Swatter mit einer brennenden Fackel auf.

»Jag die Brücke in die Luft«, schrie Younger im Vorbeireiten.

»Unsere Jungs«, rief Swatter erschreckt. »Es sind nicht viele übriggeblieben.«

Man sagte James Younger nach, daß er eiserne Nerven besaß, doch diesmal hatte er es verdammt eilig. Er sprengte den Hügel hoch und hörte den donnernden Hufschlag auf der Brücke. »Verdammt, worauf wartet Swatter noch?«

Swatter wartete, bis die Abteilung über die Brücke war. Erst dann zündete er die Ladung, und als die hölzernen Pfeiler mit Donnerschlag auseinanderplatzten, dachte Swatter, es waren nur acht, die ich zählen konnte, dabei waren wir mit fünfundzwanzig Männern am Morgen in die Stadt geritten.

Steine und Gebälk flogen ihm um die Ohren, und er hatte Mühe, aus der Gefahrenzone herauszukommen.

Sie ritten bis Mittag, ehe sie einen schmalen Creek erreichten, der einen kleinen Wald durchfloß, French De­ville zog Bilanz. »Sechzehn Leute haben wir verloren. Ich hoffe, es hat sich gelohnt.«

»In Jeffs Bank schon«, erwiderte Younger und deutete auf den prallen Lederbeutel, der aus den Nähten zu platzen drohte. »Wie steht es bei dir?«

»Linner spielte verrückt«, fluchte der Franzose. »Wir hatten ihn im Griff, aber dann sprang der Kerl wie ein Hase über den Schalter und noch ehe wir ihm folgen konnten, war er durch eine Seitetür verschwunden. Wir versuchten, die Tür aufzubrechen«, French deutete auf sein blutverschmiertes Hemd, »da schoß Linner bereits zwei Posten groben Buckshot durch die Füllung. Verdammt, meine Schulter brennt, als habe der Kerl mich mit einem glühenden Brandeisen gestempelt.«

»Ihr seid Idioten«, sagte Younger enttäuscht und befahl den Aufbruch. Correl tauchte neben dem Franzosen auf. »Wir haben wenigstens dreißigtausend Dollar erbeutet. Es war ein guter Fischzug. Ich hole dir heute abend den Schrot aus dem Fell.« Er setzte seinen Pinto in Bewegung und folgte dem Boß.

James Younger hatte es verdammt eilig. Nicht ohne Grund, denn als sie die offenen Plains erreichten, sahen sie die dunkle Staubwolke am Himmel.

Tabervilles Bürgerwehr war im Anmarsch, und wie er an dem Staub erkennen konnte, mußte ganz Taberville im Sattel hocken.

Am Nachmittag durchquerte die Bande an einer seichten Stelle den Osage River und bewegte sich im Hügelland zwischen Rich Hill und Appleton City.

In der Nacht stießen sie auf ein schmales Schienenband, das schnurgerade die Plains durchzog und Younger sagte, während sie kurze Rast hielten: »In Hunder nehmen wir den Missouri Expreß und verschwinden irgendwo im Inidanerterritory, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«

French Deville fluchte. »Die Missouri Company hat uns noch nicht vergessen, es ist noch keine drei Monate her, daß wir den Expreß ausgeraubt haben. Glaubst du vielleicht, über diese Sache sei schon Gras gewachsen?«

»Wer sollte uns erkennen? Wir nehmen den Nachtzug. Und nachts sind alle Katzen grau. Well, damit nichts schiefgeht, werden wir uns vor der Stadt trennen und einzeln den Expreß besteigen.«

»Und am Tage? Wir brauchen zwei Tage bis zur Grenze«, wollte Finch wissen.

»Fange nicht an zu unken«, sagte Younger grob. »Reibe lieber deinen Gaul ab. Er muß dich noch eine Weile tragen.«

*

Man hatte Tennessee Carter von der PX Ranch gerufen und ihm erklärt, daß sein Bruder Jones in der Leichenhalle von Taberville läge. Tennessee, der seinen Bruder mochte wie den eigenen Vater, sattelte seinen Gaul und ritt in die Stadt.

Jones lag in einem schlichten Kiefernsarg. Tennessee regelte das Begräbnis und zwei Dutzend dunkelgekleideter Frauen schritten schweigend, in Trauer gehüllt, hinter der Leichenkarre zum Boothill auf dem Hügel.

Tennessee blickte in das schwarze Loch, in das sie Jones Sarg senkten, und er dachte, daß Jones viel für ihn getan und ihm manches Praktische im Leben beigebracht hatte. Jones, der nach dem Tode der Eltern die Vaterstelle übernommen hatte. Tennessee war kein Kind von Traurigkeit, und er hatte Jones Redsamkeit und sein Gewissen strapaziert, daß er oft sehr zornig wurde, weil Tennessee das Kaufmannsfach ausschlug und sich lieber draußen auf den Weiden herumtrieb und eine Vorliebe für den Sechsschüsser zeigte.

Als Tennessee aus seinen Gedanken aufwachte, stand nur noch der Reverend an seiner Seite. Die Frauen schritten den Hügel hinunter, an der zerstörten Brücke vorbei in die Stadt. Reverend Isaaks tröstende Worte prallten von ihm ab wie Regentropfen auf einer imprägnierten Haut, und seine Gedanken waren seiner Zeit voraus. Er bedankte sich beim Reverend und schritt den Weg hinunter. Er wollte Jack Linner sprechen, der den Überfall hautnah erlebt hatte.

Linner stand noch unter der Wirkung des Schocks und saß deshalb zu Hause vor seiner Hütte, in einem Korbstuhl. Linner entschuldigte sich, daß er dem Begräbnis ferngeblieben war.

Tennessee winkte ab. »Hast du einen von den Kerlen erkannt, Jack?« wollte er wissen.

Linner überlegte. »Es ging alles so schnell, Tennessee, und ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut nahm, zu fliehen. Aber wenn ich recht überlege...«

Linner legte eine Kunstpause ein, ehe er heftig mit dem Kopf nickte.

»Einer von ihnen fluchte in französischer Sprache. Und einen würde ich an dem Buckshotposten wiedererkennen, den er durch die Tür schlucken mußte.«

»Hast du einen der Toten erkannt?«

Linner schüttelte den Kopf. »Nein, aber im Jail sitzen sechs Burschen der Bande, die Doc Flimmer notdürftig für den Galgen zusammengeflickt hat. Der alte Back bewacht sie, und Back erzählte mir, daß sie das Maul nicht aufkriegen.«

Tennessee bedankte sich und ging zum Office.

Back hielt die Tür verschlossen und war sich seiner Aufgabe bewußt. Doch als er Tennessee erkannte, öffnete er den Riegel und ließ Tennessee in das Office treten.

Das Jail glich einem Lazarett und Tennessee roch Karbol durch die Gitterstangen. Tennessee trat vor die Zelle und musterte die Kerle finster. »Wer ist euer Boß?« fragte er hart.

Die Burschen grinsten nur durch das Gitter und Back rief vom Schreibtisch: »Sie sind stumm wie Fische. Sie lassen sich eher die Zunge herausreißen, als deine Fragen zu beantworten. Vielleicht werden die Kerle reden, wenn ihnen die Hanfkrawatte um den Hals hängt.«

»Ich könnte nachhelfen«, sagte Tennessee zornig und seine Hand fiel schwer auf den Revolverknauf.

Back schob die gestutzte Schrotflinte über die Schreibtischplatte und entgegnete lächelnd: »Ich bin für sie verantwortlich, Tennessee. Mach also keine Dummheiten. Ich müßte dich erschießen.«

Tennessee Carter erkannte, daß Back seine Aufgabe sehr ernst nahm. Schweigend ging er zur Tür und trat auf die Straße.

Tennessee ging über die Straße zu Butterfields Drugstore. Überall an den Wänden und zerschossenen Scheiben sah er die Narben einer harten Auseinandersetzung. Mrs. Butterfield bezeugte ihre Anteilnahme. Tennessee kaufte Bisquitt, eine Seite Speck und andere Lebensmittel, die man für eine lange Reise brauchte.

Er trug den schweren Beutel zum alten Pieter in den Mietstall und borgte sich ein zweites Pferd. »Ich werde es dir bald zurückbringen, Pieter. Vielleicht in zwei oder drei Tagen«, sagte er, und der alte Mann lachte aus zahnlosem Mund.

»Um James Younger zu erwischen, brauchst du mehr als drei Tage, Tennessee. Ihn und seine Bande jagen bereits drei Staaten.«

»Du hast den Mann erkannt?« fragte Tennessee überrascht.

Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Nur seine Arbeit. Es gibt nur einen Mann, der es wagt, in einer Stadt gleichzeitig zwei Banken zu plündern. Younger, James Younger. Reite nach St. Louis und da zur Union Pacific Company. Sie wird dir mehr über Younger und seine Bande erzählen können.«

Tennessee glaubte nun den Namen des Mörders seines Bruders zu wissen, aber nach St. Louis zog ihn nichts. Die Stadt lag im Osten, die Spur aber, auf die er hinter der zerstörten Brücke stieß, und die von Marshal Carson und der Bürgerwehr war, führte gerade westwärts in die Plains. Ihr wollte er folgen.

*

»Santa Maria.« Pancho Santes schlug heftig ein Kreuz an die Stirn und riß am Zügelband seines Mustangs. Er stieß dem Gaul die Sporen in die Flanken und jagte den Hügel hinunter ins Tal.

Younger und seine Leute ritten in loser Formation. Sie waren müde und ihre Gäule abgehetzt, denn erst vor zwei Tagen waren sie der Bürgerwehr von Taberville mit knapper Not entwischt, und mußten von der Missouri-Linie nach Süden ausweichen.

»Pancho scheint es eilig zu haben«, sagte Swatter und deutete auf den Reiter, der wie der Teufel den Hang heruntersprengte.

Younger hob die Hand und zügelte seinen Gaul. Pancho Santes jagte heran und riß an dem Zügel.

»Reiter hinter dem Hügel. Es sind wenigstens zwanzig schwerbewaffnete Männer. Sie reiten direkt auf uns zu.«

French Deville drängte sein Pferd näher. »Es kann unmöglich das Aufgebot aus Taberville sein. Die reiten meiner Berechnung nach weiter südlich am Sedar Peak.«

»Wer sollte uns sonst hier jagen?« fragte Younger unwirsch. »Wir sind hundert Meilen von Taberville entfernt.«

»Oder im Kreis geritten«, warf Holiday ein.

»Idiot«, sagte Younger und tippte an die Stirn. Die Gegend hier war ihm zwar fremd, aber an der Sonne konnte er noch immer die Richtung bestimmen. Und in den klaren Nächten brauchte er sich nur nach dem Großen Bären zu richten, der, unverändert seiner Bestimmung folgend, den Polarstern umkreiste.

Nein, sie waren nicht vom Wege abgekommen. Dieser Marshal von Taberville hatte seine Finte einfach erkannt, und sie in der letzten Nacht umgangen. Nun griffen sie von Süden her an.

Younger sah die ersten Reiter über den Hügel ziehen.

»Die sind nicht von Taberville«, rief French, der verdammt scharfe Augen hatte. »Das ist ein anderer Haufen.«

»Vielleicht eine Crew auf dem Wege zur Ranch.«

»Bis an die Zähne bewaffnet?« Der Franzose grinste spöttisch, »das wäre grotesk.«

French Devilles Lächeln verging von einer Sekunde zur anderen, denn oben auf dem Hügel hob wildes Geschrei an, und die Reiter formierten sich in breiter Front. Sie hörten den harten Schlag galoppierender Hufe und schon flogen ihnen die ersten Kugeln um die Ohren.

»Zurück zum Creek«, rief Younger, riß blitzschnell die Winchester aus dem Scabbard und jagte dem Haufen eine Ladung Blei entgegen. Seine Leute flohen in wilder Hast. Nur French Deville blieb an seiner Seite.

»Du solltest nichts aufs Spiel setzen«, Deville deutete auf den schweren Lederbeutel am Sattelhorn. »Du bist uns zu kostbar, James. Verschwinden wir, ehe es zu spät ist.«

Younger riß sein Pferd herum. Die fremden Reiter schwärmten aus, so daß die Gefahr bestand, daß ihre Flanke sie umging und einschloß.

Tief geduckt, um wenig Ziel zu bieten, sprengten sie in vollem Galopp durch das filzige Grasland hinter der Bande her, die bereits in den langgestreckten Waldgürtel eingedrungen war. Ein letzter Sprung über den schmalen Creek, noch fünfzig Schritte, und sie verschwanden ebenfalls im filzigen Unterholz.

Auf einer Lichtung sammelten sie sich und lauschten den fremden Geräuschen, die auf sie eindrangen.

Irgendwann rief eine durchdringende Stimme: »Hier spricht Marshal Swatter aus St. Clair. Macht keine Dummheiten und ergebt euch. Ich verspreche euch eine faire Verhandlung vor dem Distriktgericht.«

French lächelte Earl Swatter an, der sich in seiner Nähe aufhielt. »Der Marshal könnte dein Bruder sein, Earl.«

Worauf Swatter mißmutig die Nase rümpfte und zu grinsen begann. »Ich hatte nur zwei Brüder. Die wurden vor zwei Jahren in Chanute gehängt. Das hier ist eine Mißgeburt.« Und er schoß eine ganze Karabinerladung ins Unterholz, daß die Kugeln als Querschläger wie Hornissen heulten.

»Spare dein Pulver«, sagte Younger verärgert, »vielleicht brauchen wir bald jede Patrone. Weiter.«

Sie kämpften sich durch das Unterholz und ritten zwischen hohen Buchen. Stunden waren sie unterwegs, und wenn Younger einmal ein Zeichen gab, und sie sich still verhielten, hörten sie am brechenden Astwerk, daß ihnen die Posse folgte.

Am Nachmittag lichtete sich der Wald, sattes grünes Weideland leuchtete durch die hohen Stämme und über die Hügel zog eine Longhornherde ihre Kreise um die gewaltige Hickory, unter der eine einfache Hütte stand.

»Dort sind wir gestern vorbeigezogen«, fluchte Buck Holiday, der sich an die Hickory genau erinnern konnte, weil sie wie ein Galgenbaum aussah.

»Trotzdem«, rief Younger, »wir müssen hier raus.«

Doch noch ehe sie den Wald verließen, sah French Deville das verdächtige Blitzen im Borkengras, so, als spiegelten sich die Strahlen der Sonne auf blankem Metall. Und zugleich hörte er heftiges Schnauben von Pferden, das über den Hügel drang.