Tod und rote Teufel - Joe Juhnke - E-Book

Tod und rote Teufel E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Mist! dachte Patrik McCanless im Niederstürzen. Während er ins Gebüsch flog, sah er den Braunen zusammenbrechen und hörte die peitschenden Abschüsse ihrer Winchester. Patrik machte sich keuchend von dem Astwerk frei, kroch zu seinem Pferd hinüber und zog den Spencer-Karabiner aus dem Scabbard. Der Braune hob noch einmal wiehernd den Kopf, ehe ein Zittern durch den Leib lief und das Tier stumm dalag. Das war der dritte Gaul, den sie ihm unter den Schenkeln weggeschossen hatten. Drei Pferde in zwei Monaten. Und fast immer an der gleichen Stelle. Wütend schob McCanless den Lauf über den Mochicca-Sattel und blickte zur Südplatte hinüber, an dessen Ufergrund das Gesindel in Sträuchern verborgen lag und ihn mit einigen gezielten Salven eindeckte. Staub und Steine spritzten auf, und einige Geschosse fuhren klatschend in den toten Körper des Braunen, der McCanless als Deckung diente. Er hatte den Stetson in den Nacken geschoben, um ihnen möglichst wenig Sicht zu bieten. Als er dann einige Rauchwölkchen ausmachte, jagte er vier Schüsse ins Gesträuch. Ein greller Aufschrei war die Antwort, und Patrik McCanless sah den verwilderten Burschen, der aus dem Chaparrel heraustaumelte und nach einigen Schritten lang hinschlug. Das Echo der Kanonade rollte über den Fluß hinweg, als McCanless bereits einen zweiten Gegner im Visier hatte. Er war ein wilder Junge von zwanzig Jahren und bereit zu kämpfen. Während seine Schüsse den zweiten Burschen aus dem Busch trieben, galten seine Gedanken Robert Haslam, der ihm die ersten Tricks auf der Pony-Route beigebracht und die hübschesten Mädchen auf der Strecke gezeigt hatte. Bob war sein Vorbild. Und sicher hätte Bob nicht anders gehandelt als er. Letzten Endes schleppte Patrik McCanless 25. 000 Dollar für Colonel Asher in Independence durch die Wildnis.

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Leseprobe: Pulverrauch in Abilene

Es war an einem Mittag im April. Der Himmel war basaltfarben und mit düsteren Wolken verhangen. Sonst erstreckte sich in dieser Jahreszeit über Kansas ein strahlendblauer Himmel. Aber in diesem Jahr war es anders. Der Frühling kam nur träge über das Land, über die Sandsteppen, über die Weite der Prärie. Das Büffelgras auf der Weide war noch genauso grau und verwaschen wie die tiefhängenden Wolken. Die Rinder ließen ihre Köpfe hängen. Die Cowboys saßen mit eingezogenen Schultern in den Sätteln. Es waren vier Männer, die an den Korrals vorbei auf die Stadt zuritten. Die Cowboys blickten auf und sahen zu den Reitern hinüber. Cass Hoxter war der erste. Viehagent nannte sich der Bandit neuerdings. Niemand wußte genau, wie er an die kleine Herde gekommen war, die er vor wenigen Tagen drüben in Topeka verkauft hatte. Sie hatten Bucks in den Taschen, die Männer, die zu seiner Crew zählten. Cass Hoxter mochte vierzig Jahre sein. Er war ein grobknochiger, hagerer Mann. Sein Gesicht war durch eine brandrote Narbe seltsam verzerrt. Ein Siouxindianer hatte ihm vor Jahren das Gesicht buchstäblich mit einem Messer in zwei Hälften gespalten. Die Narbe zog sich vom rechten Augenwinkel unter der vorspringenden Nase vorbei bis zur Kinnspitze. Aber auch ohne diese schauerliche Narbe wäre Cass Hoxters Gesicht abschreckend gewesen.

Die großen Western Classic – 13 –

Tod und rote Teufel

Joe Juhnke

Mist! dachte Patrik McCanless im Niederstürzen. Während er ins Gebüsch flog, sah er den Braunen zusammenbrechen und hörte die peitschenden Abschüsse ihrer Winchester.

Patrik machte sich keuchend von dem Astwerk frei, kroch zu seinem Pferd hinüber und zog den Spencer-Karabiner aus dem Scabbard. Der Braune hob noch einmal wiehernd den Kopf, ehe ein Zittern durch den Leib lief und das Tier stumm dalag.

Das war der dritte Gaul, den sie ihm unter den Schenkeln weggeschossen hatten. Drei Pferde in zwei Monaten. Und fast immer an der gleichen Stelle.

Wütend schob McCanless den Lauf über den Mochicca-Sattel und blickte zur Südplatte hinüber, an dessen Ufergrund das Gesindel in Sträuchern verborgen lag und ihn mit einigen gezielten Salven eindeckte.

Staub und Steine spritzten auf, und einige Geschosse fuhren klatschend in den toten Körper des Braunen, der McCanless als Deckung diente.

Er hatte den Stetson in den Nacken geschoben, um ihnen möglichst wenig Sicht zu bieten. Als er dann einige Rauchwölkchen ausmachte, jagte er vier Schüsse ins Gesträuch.

Ein greller Aufschrei war die Antwort, und Patrik McCanless sah den verwilderten Burschen, der aus dem Chaparrel heraustaumelte und nach einigen Schritten lang hinschlug.

Das Echo der Kanonade rollte über den Fluß hinweg, als McCanless bereits einen zweiten Gegner im Visier hatte. Er war ein wilder Junge von zwanzig Jahren und bereit zu kämpfen. Während seine Schüsse den zweiten Burschen aus dem Busch trieben, galten seine Gedanken Robert Haslam, der ihm die ersten Tricks auf der Pony-Route beigebracht und die hübschesten Mädchen auf der Strecke gezeigt hatte.

Bob war sein Vorbild. Und sicher hätte Bob nicht anders gehandelt als er.

Letzten Endes schleppte Patrik McCanless 25.000 Dollar für Colonel Asher in Independence durch die Wildnis.

Patrik zog den Kopf ein, denn die Kugeln flogen ihm verdammt dicht um die Ohren. Er hörte das Klatschen des Bleis, das sich ins Leder des Mochillas bohrte oder als Querschläger über ihn hinwegpfiff.

Es mußten noch wenigstens acht Gegner sein, die ihn unter Beschuß hielten. Zwei lagen auf der Decke.

Woher sie nur immer wußten, wenn eine kostbare Ladung durch die Gegend transportiert wurde? Irgendwo zwischen St. Joseph am Missouri und Frisco mußte ihr Informant auf einem einflußreichen Posten sitzen. Irgendwo auf den 190 Relaisstationen, die die beiden Städte verbanden.

Je länger Patrik nachdachte, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß der Verräter nur auf den Stationen an der Platte zu suchen war.

Das Feuer hatte nachgelassen. McCanless blieb trotzdem wachsam. Sie hatten ihn hier festgenagelt und wußten, daß er ohne Pferd nicht weiterkam.

Sicher wunderte sich Sam Haligan auf der Relaisstation, wenn Patrik nicht auftauchte. Und ebenso sicher schickte er dann bestimmt ein paar Leute auf den Weg.

Doch ehe sie ihn an der Platte gefunden hatten, war er längst ein toter Mann.

McCanless schob seine Navy neben sich und war entschlossen, seine Haut so teuer wie möglich zu Markte zu tragen.

Er zog aus der schmalen Satteltasche ein dickbäuchiges Kuvert, das er unter das Hemd schob, denn schon beschäftigten sich seine Gedanken mit Flucht. Er wollte hier nicht frühzeitig sein Leben aushauchen. Dafür war er zu jung, und er hatte sich noch einiges vorgenommen. Erst vor drei Tagen hatte er, als er sich mit Rebecca amüsiert hatte, die Annehmlichkeiten des Lebens genießen dürfen.

Rebecca war ein Teufelsweib, hübsch und verführerisch. Ihre Stimme brachte das Blut zum Wallen, und ihre Figur machte alle Männer verrückt, wenn sie im Crystal Palace in Boiler über die Bretter hüpfte und ihre langen Beine dazu schwang. Verdammt, sie war nicht prüde und geizte nicht sonderlich mit ihren Reizen. Doch wenn sie in Patriks Armen lag, war sie ein süßes, schnurrendes Kätzchen und zugleich ein erotischer Vulkan.

McCanless hatte unwillkürlich die Augen geschlossen. Er fühlte ihre Nähe, den verführerischen Duft, der ihrer Haut entstieg, die Leidenschaft, mit der sie ihn vor drei Tagen in den siebten Himmel entführt hatte. Eine Schande, daß er nach Independence mußte.

Oh, das war so recht nach seinem Geschmack gewesen.

Diese Gedanken entfachten Patriks Lebensmut. Er schob die Navy hinter den Gurt, faßte die Spencer am Lauf und rutschte ins blühende Gesträuch. Wenn er unbemerkt zum Fluß hinunterkam, hatte er eine Chance. Und einen Gaul konnte er bei den Forsyts auftreiben.

Patrik McCanless spannte seinen jugendlichen, sehnigen Körper, ehe er in die Knie ging und durch das flache Gras zum Ufer robbte.

Doch irgendwann verharrte seine Bewegung, und sein Herz begann zu klopfen. Ganz dicht hinter sich hörte er eine harte Männerstimme.

»Bleib liegen, Ponymann, ganz flach auf dem Bauch, und strecke die Arme weit von dir!«

Patricks Muskeln verkrampften sich. Sein Blut pulsierte schneller. Und während er den Spencer-Karabiner von sich schob, sah er unter der Achsel hindurch drei schmutzige Stiefelpaare, die breitbeinig im Gras standen. Und er erkannte die grauen Zipfel ihrer Regenmäntel, die ihre Körper umspannten, obwohl die Sonne am Himmel stand und es erbärmlich heiß war. Zugleich begriff er seinen Fehler.

Er hatte nur Augen für die Schützen im Gebüsch gehabt und dabei nicht bemerkt, wie ihn ein paar andere Rustler umgangen hatten.

»Das Geld ist nicht im Sattel«, schrie ein vierter Bursche.

Fast gleichzeitig drückte sich eine Gewehrmündung in Patriks Nacken.

»Hol’s aus dem Hemd, Ponyboy!«

Das war ein dunkler Baß, und McCanless kramte in seiner Erinnerung, wo er diese Stimme schon einmal gehört hatte.

McCanless schob die Hand unter den Stoff. Für eine Sekunde berührte er die Navy am Leibgurt, doch der Flintenlauf im Nacken warnte ihn vor einer Unvorsichtigkeit.

Einmal konnte ich ihnen entkommen, dachte Patrik wütend, zweimal haben sie mich hier an der Südplatte in den letzten Monaten ausgeraubt. Mich und ein halbes Dutzend anderer Ponyreiter, die größere Geldsummen überführt hatten.

Es war zum Haare ausraufen.

McCanless zog ruckartig den Umschlag aus der Tasche und warf ihn über die Schulter.

Der Druck im Nacken ließ nach. Er hörte ein zufriedenes Aufatmen. Und dann machte Patrik McCanless den entscheidenden Fehler in seinem jungen Leben.

Er drehte den Körper leicht zur Seite und hob neugierig den Kopf.

Vier Männer in langen grauen Regenmänteln standen dort. Einer riß hastig das Kuvert auf.

»Sie?« fragte McCanless fassungslos, und sein Kiefer klappte überrascht herunter. »Sie…« Da traf ihn ein feindseliger Blick des Mannes, der den versiegelten Umschlag in der Hand hielt.

»Du bist ein Idiot, McCanless. Ein neugieriger, dummer Narr. Gib’s ihm, Jack!«

Der, der neben ihm stand, hob seine Winchester. McCanless drehte sich wieder um, kam auf die Knie. Seine Rechte zuckte wie ein Blitz zum Gurt.

Doch noch ehe seine Hand die Navy erreichen konnte, machten die Banditen kurzen Prozeß. Patrik McCanless registrierte noch den unsagbaren Schmerz, glaubte in dunkle Tiefen zu stürzen, hörte den peitschenden Abschuß und fiel stumm hintenüber ins Gras.

»Holt die Pferde, wir müssen hier weg!« befahl ihr Anführer ohne große Regung. Sein Blick streifte den Toten, ehe er auf den nächsten Hügel stieg und seinen Leuten am Fluß ein Zeichen gab.

Minuten später sprengten acht Reiter in nördlicher Richtung durch das weite Tal und verschwanden in einer Senke.

Zurück blieb Patrik McCanless, der für seine Neugierde mit seinem Leben eingebüßt hatte.

Am Himmel bewegten sich mächtige Schatten, die immer enger werdende Kreise zogen und niederschwebten.

Geier.

*

Dan Forsyt zog mächtig an den Zügeln seines Gespanns und drehte gleichzeitig die Bremse. Noch ehe der schwere Wagen stand, riß Forsyt seine Henry aus der Halterung und jagte dem nächststehenden Kuttergeier eine Kugel zwischen die Federn.

Der Schall des Abschusses schreckte die Aasfresser auf, und sie flohen krächzend auf.

»Bleib zurück, Nancy!« sagte der Alte zu seiner Tochter und reichte ihr die Zügel. Mit einem Satz war er vom Bock und näherte sich der reglosen Gestalt im Gras. Der Mann lag auf dem Gesicht, und Forsyt erkannte auf den ersten Blick, daß ihm nicht mehr zu helfen war.

Er sah das Pferd etwa 20 Yards entfernt und stampfte mit wuchtigen Schritten darauf zu.

Nancy Forsyt starrte nachdenklich auf den Toten. Und als ihr Vater zurückkehrte, sagte er:

»Ein Mann vom Ponyexpreß. Ich erkenne es am Sattel. Er ist seit mindestens vier Stunden tot.«

Der Alte blickte zum Himmel. Die Sonne stand weit im Westen hinter den Bergen.

»Wir nehmen ihn mit zur Ranch und bringen ihn morgen zur Station. Sam Haligan wird ihn vermissen, wenn der Mann in diese Richtung geritten ist. Faß an, wir wollen Platz schaffen!«

Er stieg auf die Plane und wuchtete einige schwere Drahtrollen übereinander, die er am Morgen in Whooler gekauft hatte, um sein Land einzuzäunen. Nancy half ihm schweigend.

Sie war ein hübsches, natürliches Mädchen mit sonnenbrauner Haut und blauen Augen. Ein wenig korpulent, aber sie wußte zuzufassen.

Nancy sprach auch kein Wort, als sie den Toten auf die Karre luden und ihr Vater schließlich den Mochicca-Sattel in eine Ecke stopfte. Er warf die Satteldecke über den Toten, nahm die Zügel auf und löste die Bremse.

Als er nach einer halben Meile zurückblickte, stritten sich die Geier um den Kadaver des Pferdes.

»Kennst du ihn?« fragte Nancy, während sie ihren Vater von der Seite ansah.

Dan Forsyt schüttelte heftig den Kopf.

»Nicht daß ich wüßte, Mädchen. Er ist ein junger Bursche Wie alle Expreßreiter, die ständig unterwegs sind. Das Abenteuer lockt sie. Der Ruf, den die Burschen haben, schmeichelt ihnen. Und das schnelle Geld, das sie verdienen. Den schnellen Tod, der sie begleitet, übersehen sie in ihrem Eifer oft.«

Dan Forsyt blickte grimmig in den sinkenden Tag und dachte, wie leichtsinnig diese jungen Burschen ihr Leben fortwarfen.

Aus dem Grau des hereinbrechenden Abends tauchten drei Reiter auf. Sie zogen eine Weile am Flußufer entlang, bis sie Forsyts Wagen entdeckten und die Richtung änderten.

Der Oldtimer, der sie auch wahrnahm, entsicherte die Henry und legte sie quer auf die Oberschenkel. Mit der Linken führte er sein Gespann, und die Rechte umspannte fest den Schaft der Waffe.

In letzter Zeit trieb sich eine Menge Gesindel an der Südplatte herum. Wer wußte, welche Überraschung auf ihn zukam.

Doch als die Männer nahe genug waren, daß Dan sie erkennen konnte, schob er seinen Stutzen in die Halterung zurück.

»Sam Haligan«, sagte er und warf einen Blick über die Schulter. »Ich schätze, er vermißt seinen Reiter.«

Sam Haligan saß auf einem massigen Schecken. Er und seine Begleiter schwenkten ein und ritten nun neben dem Wagen.

»Du vermißt einen Expreßreiter, Sam?« fragte Forsyt, ehe Haligan den Mund aufmachen konnte.

»Patrik McCanless ist seit fünf Stunden überfällig«, erwiderte der Hüne.

»McCanless also«, murmelte Forsyt und dachte an den jungen, sympathischen Burschen, der ihm vor einiger Zeit in Boiler begegnet war, als er in der Distriktstadt neue Besitzrechte eintragen ließ. »Du brauchst ihn nicht zu suchen. Er liegt hinten auf der Plane.«

Haligan sah den Mochicca-Sattel und die graue Pferdedecke. Er stieß einen geharnischten Fluch aus, was ihm einen vorwurfsvollen Blick Nancys einbrachte.

»Also schon wieder einer der Jungs«, schimpfte er los, »und wieder an der Südplatte.«

»Hier treibt sich das meiste Gesindel herum«, bemerkte Don Forsyt und biß ein Stück Tabak von der Stange. »Vor drei Tagen habe ich erst ein paar Lobos verscheucht, die eines meiner Kälber gestohlen hatten und am Creasy brieten. Einer schleppt seitdem für seine Frechheit einen Posten Schrot im Hintern mit sich herum.«

»Streunende Cowboys.« Haligan winkte ab. »Die haben keine Arbeit und stehlen sich was zu fressen. Diejenigen, die den Ponyexpreß überfallen, sind von anderem Schlag. Sie tun’s nicht aus Hunger, sondern aus Gewinnsucht. Das sind gemeine Verbrecher, aber nicht zu erwischen. Haslam wird’s verdammt treffen, daß der Junge tot ist.«

»Pony-Bob?« Nancy hob interessiert den Kopf. »Er ist doch nicht mehr in dieser Gegend.«

»Nein, Nancy«, erwiderte Sam Haligan, »aber Patrik McCanless war sein Freund. Dan, wenn es dir nichts ausmacht, begleiten dich Tuffer und Brandt zur Ranch. Vielleicht leihst du ihnen morgen den leichten Wagen, damit sie den Toten nach Boiler bringen können. Die auf der Hauptstation sollen sich um den Jungen kümmern.«

Forsyt nickte. »Du kannst auch über Nacht bei mir bleiben.«

Haligan winkte ab.

»Ich muß zu meiner Relaisstation zurück. Der Expreßreiter aus Frisco kommt morgen früh durch und braucht frische Pferde. Er soll auch eine Nachricht nach St. Joseph mitnehmen. Vielleicht kennt man dort Patricks Verwandte, die benachrichtigt werden müssen. Bis später, Dan.«

Haligan hob die Hand zum Gruß, schwenkte nach Westen und ritt in die zunehmende Dunkelheit hinein.

Voller Bitterkeit dachte er an Patriks Tod und an die Tatsache, daß bald kein Expreßreiter mehr über die Platte reiten würde, weil die Strecke zu gefährlich geworden war.

*

»Verdammt, Doc, ich bin doch kein Bulle!« fluchte Henry Shutter und zuckte mit dem nackten Hinterteil, als Doc Mahler ihm die Bleistücke aus der Haut zwickte.

Shutter lag lang ausgestreckt auf Mahlers Operationstisch und preßte die Fäuste vor den Mund.

»Das Zeug muß raus, Cowboy«, sagte Mahler gelassen und kippte Brandy über die Wunden. »Und zwar alles, sonst krepierst du an einer Bleivergiftung. Wer, sagtest du, hat dich angeschossen?«

»Irgendein Verrückter an der Südplatte. Verdammt, und das nur, weil ich Kohldampf hatte.«

An der Haustür klopfte es. Als der Arzt den Kopf wandte, trat Rebecca Holm über die Schwelle. Groß und stattlich, im eleganten Tageskleid mit weiten Rüschen.

»Du bist es, Rebecca«, sagte Mahler lächelnd, als die Frau näher trat.

»Ich hörte, du behandelst jemanden mit einer Schußverletzung.«

Shutter vernahm die weibliche Stimme und erinnerte sich an seinen fast nackten Zustand.

»Wirf das Weib raus, Doc, verdammt!«

Shutter rollte sich herum und lief rot an, als er die Frau sah.

»Verzeihen Sie, Miss«, stammelte er, verwirrt von ihrer Schönheit, »ich bin nicht gerade in einer gesellschaftsfähigen Verfassung… Au, du verfluchter Pferdedoktor! Wer hat dir nur dein Diplom gegeben?«

Rebecca betrachtete den Rücken des Fremden, der der Kleidung nach ein Cowboy sein mußte. Sie hatte ihn nie in der Stadt gesehen. Irgendwelche Gedanken gingen durch ihren hübschen Kopf, denn sie winkte Mahler beiseite.

»Patrik McCanless wurde erschossen, Jeremie. An der Südplatte.«

»So?« murmelte der Arzt und blickte zu seinem Patienten hinüber, der sein Gesicht ins Lederkissen preßte und seinen Schmerz verbiß. »Was hat das mit ihm zu tun?«

Rebecca folgte seinem Blick.

»Er hat den typischen roten Staub der Südplatte an den Kleidern.«

»Du meinst…?«

Rebecca zuckte mit den Achseln.

»Halte ihn eine Weile fest.«

Während sie davonschwebte, trat Mahler an den Operationstisch zurück. Er kannte Patrik McCanless. Sie waren sich oft im Crystal Palace begegnet. Ein lustiger, aufgeschlossener, blutjunger Bursche.

Und nun war er tot.

Eine Schande.

Er starrte auf Shutters geschwollenes Hinterteil und fragte sich, was dieser Bursche mit McCanless zu tun hatte. Shutter machte nicht den Eindruck eines Mörders. Seiner rauhen Sprache nach war er Cowboy, der wie so viele seiner Zunft an den wirtschaftlichen Verhältnissen litt und ohne Arbeit herumstreunte.

Aber sieht man einem Menschen an, ob er ein Mörder ist?

»Warum machst du nicht weiter?« fragte der Cowboy ungeduldig. »Ich will hier nicht übernachten.«

»Es wird weh tun«, sagte Mahler und griff zur Pinzette.

»Verflucht, Doc! Glaubst du, ich hätte es bisher als Streicheln empfunden, als du das Blei aus meinem Hintern herausgepult hast?«

Mahler bemühte sich, vorsichtig zu sein. Er ließ sich Zeit bei der Arbeit.

Nach einer Weile waren draußen Schritte zu hören, die sich seinem Haus näherten. Er verklebte Shutters Hinterteil mit Pflaster und lauschte den aufgebrachten Stimmen.

»Was bedeutet das?« fragte der Cowboy nervös, als er den Hosenbund schloß und zum Gurt griff.

Draußen ging etwas vor. Er witterte die Gefahr. Dabei dachte er an die Geschichte mit der jungen Kuh, die sie gestohlen hatten. Der verdammte Rancher hatte ihnen nicht mal die Möglichkeit gelassen, einen Bissen vom Fleisch hinunterzuwürgen, so schnell war er mit der Flinte aufgetaucht.

Ob er seiner Spur gefolgt war?

Verdammt!

Ruckartig wurde die Tür aufgestoßen. Ein Dutzend Männer drängte über die Schwelle. Und einer rief mit sich überschlagender Stimme:

»Das ist der Kerl! Packt ihn!«

Shutter war mittelgroß, von sehniger Statur, und für einen Augenblick vergaß er den Schmerz im Hinterteil. Instinktiv schossen seine gewaltigen Fäuste dem ersten Angreifer entgegen und brachten ihn zu Fall.

Die Meute tobte vor Wut und drang auf ihn ein.

Shutter umklammerte den Operationstisch, den er hochhob und auf die Männer zuschleuderte. Gleichzeitig wich er zum Fenster zurück. Doch als er flüchtig nach draußen blickte, erkannte er weitere sechs Männer. Und inmitten dieser aufgewühlten Menge stand dieses Weib, das vor kurzem in diesem Zimmer gewesen war.

Schon kamen die Burschen heran. Wie Polypenarme griffen ihre Hände nach ihm. Shatter wich in eine Ecke aus und rammte dem nächsten Anstürmenden die Faust in den Magen. Dann trafen ihn die ersten Schläge. Hart und gezielt, so daß Shutter glaubte, unter einen Mühlstein geraten zu sein. Irgendwann brach er unter der Last ihrer Körper zusammen.

*

Als Shorter aufwachte, schleppten sie ihn an Armen und Beinen die Straße hoch.

»Mörder!« schrie jemand. »Wir haben ihn, diesen Mörder!«

»Hängt ihn auf!« brüllte ein anderer.

Die Menge tobte, und es wurden immer mehr Menschen, die sich dem Zug anschlossen. Die halbe Stadt mußte auf den Beinen sein.

»Hängt ihn an den Galgenbaum!« forderte der Mob, als sie den Marktplatz erreichten.

Henry Shutter sah die ausladenden Äste der Hickory auf dem großen Geviert, über die jemand ein Lasso warf und am Ende eine Schlinge knotete.