Pulverrauch und blaue Bohnen - Joe Juhnke - E-Book

Pulverrauch und blaue Bohnen E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Vor vier Jahren schon wollte Clifton Hill seinen alten Freund Hank Intyre in Roy Mills besuchen, um mit ihm einen netten, kleinen Schwatz zu halten und um eine alte Schuld zu begleichen. Clifton Hill war ein Mensch, der so schnell nichts vergaß, auch nicht, daß er dem Freund vierhundert Dollar schuldete, die dieser ihm, kurz bevor ihr gemeinsamer Trail endete, geliehen hatte. Im Gegensatz zu ihm stand Hank Intyre fest auf den Beinen. Heute besaß er in der Nähe von Roy Mills 'ne kleine Ranch. Und er, Clifton Hill? Mit einem schwachen Lächeln strich der schlanke sonnenverbrannte Reiter über das glatte samtfarbene Fell der Stute und blickte dabei über das grüne blühende Weideland zu der nahen Stadt hinüber, deren Dächer neugierig über einen sanften Hang hinausragten. Was er besaß, war ein guter Gaul, 'nen alten Büffelsattel, eine durchgerutschte Hose, zwei große, blitzende und wohlgepflegte Eisen an den Schenkeln, 'ne Büchse im Futteral und ein zweites Hemd in dem Schlafsack. Dazu vierhundert Dollar im Gurt, die dem Freund gehörten. Dazu kamen noch ein Dollar und achtzig Cent in der Hosentasche für den ersten gemeinsamen Drink in Roy Mills. Das war Cliff Hills armselige Ausbeute von vier vergeblichen Jagdjahren nach dem Glück. Die ersten Häuser tauchten aus dem Schatten der Hügel auf. Niedriggehaltene Lehmhütten mit verwitterten Büffelgrasdächern, Holzhütten, deren Dächer mit aufgeschnittenen Konservendosen gedeckt waren und rostig in der Sonne glänzten. Aus irgendeiner der vielen Kneipen wehten wimmernde Gitarrentöne über die windstille Straße. Eine schmalzige Frauenstimme sang dazu eine mexikanische Serenade. Einige Mädchen winkten ihm zu, und auch er hob lächelnd die Hand. Sicher gehörten sie in eine der vielen Tanzdielen hier. Er kannte diese Art der Kundenwerbung zur Genüge aus anderen Städten. Doch Cliff Hills Lächeln gefror plötzlich in jähem Umschwung seiner Gefühle. Mit einer harten Bewegung brachte er seine Stute zum Stehen. Eine mächtige Eiche zog seine Blicke mit fast magischer Kraft an.

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Die großen Western Classic – 12 –

Pulverrauch und blaue Bohnen

Joe Juhnke

Vor vier Jahren schon wollte Clifton Hill seinen alten Freund Hank Intyre in Roy Mills besuchen, um mit ihm einen netten, kleinen Schwatz zu halten und um eine alte Schuld zu begleichen.

Clifton Hill war ein Mensch, der so schnell nichts vergaß, auch nicht, daß er dem Freund vierhundert Dollar schuldete, die dieser ihm, kurz bevor ihr gemeinsamer Trail endete, geliehen hatte.

Im Gegensatz zu ihm stand Hank Intyre fest auf den Beinen.

Heute besaß er in der Nähe von Roy Mills ’ne kleine Ranch.

Und er, Clifton Hill?

Mit einem schwachen Lächeln strich der schlanke sonnenverbrannte Reiter über das glatte samtfarbene Fell der Stute und blickte dabei über das grüne blühende Weideland zu der nahen Stadt hinüber, deren Dächer neugierig über einen sanften Hang hinausragten.

Was er besaß, war ein guter Gaul, ’nen alten Büffelsattel, eine durchgerutschte Hose, zwei große, blitzende und wohlgepflegte Eisen an den Schenkeln, ’ne Büchse im Futteral und ein zweites Hemd in dem Schlafsack. Dazu vierhundert Dollar im Gurt, die dem Freund gehörten. Dazu kamen noch ein Dollar und achtzig Cent in der Hosentasche für den ersten gemeinsamen Drink in Roy Mills.

Das war Cliff Hills armselige Ausbeute von vier vergeblichen Jagdjahren nach dem Glück.

Die ersten Häuser tauchten aus dem Schatten der Hügel auf. Niedriggehaltene Lehmhütten mit verwitterten Büffelgrasdächern, Holzhütten, deren Dächer mit aufgeschnittenen Konservendosen gedeckt waren und rostig in der Sonne glänzten.

Aus irgendeiner der vielen Kneipen wehten wimmernde Gitarrentöne über die windstille Straße. Eine schmalzige Frauenstimme sang dazu eine mexikanische Serenade.

Einige Mädchen winkten ihm zu, und auch er hob lächelnd die Hand. Sicher gehörten sie in eine der vielen Tanzdielen hier. Er kannte diese Art der Kundenwerbung zur Genüge aus anderen Städten.

Doch Cliff Hills Lächeln gefror plötzlich in jähem Umschwung seiner Gefühle. Mit einer harten Bewegung brachte er seine Stute zum Stehen.

Eine mächtige Eiche zog seine Blicke mit fast magischer Kraft an. Ihm war auf einmal, als kratze eine eiskalte Hand seinen Rücken blutig, und ein seltsames Würgen ging durch seine Kehle.

Diese Eiche hatte einen recht seltsamen, schaurigen Schmuck. Es war eine Zierde in Gestalt eines Menschen, der schlaff in einer Hanfschlinge hing. Es war ein verzerrtes Gesicht, das Hill da entgegenstarrte.

Cliff Hills blaue Augen blitzten plötzlich kalt und glänzend in kristallener Härte, seine Lippen schlossen sich zu einem messerscharfen Strich.

»Hank Intyre«, kam es über die blutlosen Lippen, »mein Freund Hank!«

Und dann schoß jäh alles Blut in seinen Schädel.

Seine Rechte machte eine kurze Bewegung. In der Sonne blitzte der kalte Stahl eines Fünfundvierzigers auf, und eine harte Detonation brach sich an den Fassaden der Häuser.

Durch die Gestalt des Hängenden ging eine Bewegung, denn der Strick barst. Die Füße knallten in den Staub, und mit einer grotesken Bewegung fiel der Tote zusammen.

Clifton Hill war schon aus dem Sattel geglitten. Zwei Schritte brachten ihn neben den toten Freund. Er kniete nieder und bettete den Kopf Intyres in seinen Schoß.

Clifton Hill war ein verdammt harter Mann und zeigte selten seine Gefühle. Aber er schämte sich nicht der Tränen, die aus den Augenwinkeln direkt auf das längst erstarrte Gesicht des Freundes fielen. Seine Finger fuhren immer wieder über das zerfallene, von Leichenblässe bedeckte Gesicht des toten Freundes.

Da berührte eine Hand seine Schulter, eine Stimme drang an sein Ohr, knarrend wie altes, brüchiges Leder.

»Wer hat dir erlaubt, Intyre von der Eiche zu nehmen, Bursche?«

Sanft ließ Cliff den Toten in den Sand zurückgleiten. Im Aufrichten schob er die Hand von seiner Schulter und drehte sich um.

Vor ihm stand ein Mann, klein, gedrungen, ein wahres Muskelpaket mit niederer Stirn und tiefliegenden Augen. Der lang herabhängende Schnauzbart zuckte unruhig, und unruhig war auch das Licht seiner Augen.

»Wer hat Intyre aufgehängt?« fragte Clifton Hill mit einem bösartigen Unterton in der Stimme. Seine Finger schlossen sich zu Fäusten. Sein Atem ging röchelnd, und er streifte den hastig Zurücktretenden.

»Ich«, erwiderte der andere und deutete auf das Schild an seiner Brust. »Ich, Rondo Sullivan, in meiner Eigenschaft als Town-Marshal. Und nun möchte ich wissen, wer du bist, Bursche.«

Cliftons Fäuste sprangen jäh vor. Sie bohrten sich in das aufreizend feiste Gesicht des Town-Marshals und rissen diesem die Beine weg. Er schlug auf die Straße, der Staub wirbelte hoch. Cliff setzte sofort hinterher.

Vorbei war es mit seiner Beherrschung, die er bisher noch in jeder Situation zeigte, vorbei seine Achtung vor dem Gesetz, die er bisher nie verweigert hatte.

Es sah verdammt schwarz aus für den Marshal, weil Cliff eben rot sah, und Sullivan wäre bestimmt für den Rest seines Lebens ein Invalide geworden, wenn Cliffs Groll nicht unvermutet einen Dämpfer bekommen hätte.

Und dieser Dämpfer war der bleierne Griff eines Schießprügels.

Clifton Hill küßte dieses Eisen und legte sich stumm ebenfalls in den Straßenstaub.

»Beim Satan, ich werde dich aufhängen«, nuschelte der verprügelte Marshal, während er wankend auf die Beine kam, »und ich werde dir den Knoten so setzen, daß du erst noch ’ne Weile luftschaukelst, ehe du in die Hölle abfährst. Ich danke dir, Head.« Sullivan wischte sich mit dem Rockärmel das Blut aus dem Gesicht, dann knallte er seinem Gehilfen die Stiefelspitze in die Nieren, »steh auf, du Stinktier, hast doch den ganzen Tag Zeit, dich auszuruhen. Jetzt, wo du mal gebraucht wirst, willst du wohl hier ein kleines Schläfchen halten.«

Kim Flesch hob stöhnend den Kopf. Mit einem stumpfen Blick aus glasigen Augen grinste er den Marshal an, ehe sein Gesicht wieder in den Staub zurückfiel.

»Kalkuliere, Rondo, dein Gehilfe ist noch nicht ganz fit.«

Tom Head lächelte geringschätzig, während er seine Kanone unter dem Rock verstaute, »werde dir helfen, den Burschen ins Jail zu bringen. Das ist ein ganz bösartiger Puma, und ich glaube, der ist am ungefährlichsten, wenn er hinter festen Gittern hockt.«

Tom Head machte ganz den Eindruck eines feinen Pinsels. Er trug einen erstklassigen Schneideranzug mit einer taubengrauen Seidenweste. Eine makellose Erscheinung. Er packte nun ohne alle Umschweife zu, und Sullivan blieb keine andere Wahl, als es ihm gleichtzutun.

Eine breite Schleifspur zog sich durch den Sand, und sie endete unter dem Vordach des Jails.

Clifton Hill träumte hinter Gittern, ohne etwas davon zu ahnen, wo er sich befand.

»Wie kam es denn eigentlich zu dieser stürmischen Auseinandersetzung?« Der Gentleman Head reinigte sich die Hände im Wasserbottich und bot danach dem Marshal einen schwarzen Zigarillo an.

»Verdammt harte Fäuste hatte er.« Fluchend spuckte Sullivan eine Ladung Blut aus dem offenen Fenster. »Aber er wird mir büßen.«

»Sicher, Rondo.« Head hob beschwichtigend die Hand und lächelte. »Schätze, er ist ein guter Freund Intyres, drum wird es auch nicht schwer sein, ein Freiticket für den Höhentrail auszustellen.«

Rondo Sullivan schwieg einen Augenblick überrascht. Seine Stirn legte sich in tausend Falten, stupide starrte er zu dem smarten Mr. Head hoch. Tom Head lächelte gleichgültig.

»Der Fremde ist gefährlich, Tom«, sagte er, sich abwendend, »und Intyre war ein Viehdieb. Wahrscheinlich wird er auch einer sein. Wir sehen uns doch heute abend in der ›Oase‹.«

Klappernd schlug die Tür ins Schloß.

*

Roy Mills war eine aufstrebende junge Stadt. Vor fünfzehn Jahren grasten hier noch völlig ungestört die Kühe, und nur das Postgebäude von Roy Mills stand an der Straße. Nach und nach kamen dann noch ein paar Hütten dazu. Einmal war es ein Store, dann eine Schnapskneipe, die sich rentierte, weil die Route gut befahren war.

Yeah, und dann war aus Roy Mills armseliger Poststation plötzlich eine Stadt geworden. Eine Stadt, mit Stores und Kneipen, mit Händlern und Bürgern, mit halbwilden Burschen und hübschen Tanzmädchen. Und sie wurde mit jedem Tag größer.

Doch was kümmerte Clifton der Werdegang und der rasche Aufstieg dieses Drecknestes, das seiner Ansicht nach auch immer ein Drecknest bleiben würde. Hier ging es um seinen Hals.

Der Marshal wollte ihn mit aller Gewalt hängen, und er hatte auch schon eine Handhabe dafür, dabei wußte Sullivan bestimmt ebenso gut wie er, Clifton Hill, daß er kein Viehdieb war. Aber der Marshal wollte seine Rache.

»Zum Satan mit dir«, knurrte Hill wütend. »Ich komme geradewegs aus Montana und habe mit den Viehdiebstählen hier nicht das geringste zu tun, und mein Freund auch nicht, das sage ich dir, Marshal.«

»Hank Intyre wurde aber überführt«, sagte Sullivan durch die Gitterstäbe, »die Posse fand auf seiner Weide Longheadschen Brand. Intyre sagte zwar, daß die Tiere sich auf seine Weide verlaufen hatten, aber das glaubten ihm die Richter nicht. Wie sollte das auch gehen, denn es waren Longheadsche dreijährige Kühe. Die prächtigsten, die er besaß, und sie grasten am Rapid Ear, also hundert Meilen von Intyres Grenze entfernt. Aber was erzähle ich dir alles. Du weißt es bestimmt viel besser als ich.«

Hill hockte sich auf die Pritsche. Durch seine halb geschlossenen Lider betrachtete er den Marshal und ließ sich dessen Worte durch den Sinn gehen.

*

Tom Head wanderte ungeduldig wie ein Tiger durch das große Zimmer im Obergeschoß der »Oase«.

Die »Oase« war eines der größten Hotels am Platz, und Head hatte hier gewissermaßen den Direktorposten inne. Der Boß war Lo Garret, eine bildhübsche Endzwanzigerin.

Lo hatte ein bildhübsches Gesicht, zwei kluge, wache smaragdgrüne Augen und eine gerade Nase. Die hohe Stirn, die schmalen Augenbrauen, leicht nach oben abgewinkelt, zeigten, daß sie neben Verstand auch die nötige Portion Willen hatte, ein einmal gestecktes Ziel zu erreichen.

»Du machst mich langsam verrückt, Tom«, begann sie und blickte im Spiegel zu dem Mann hinüber, der nicht nur ihr Geschäftsführer, sondern auch ihr Geliebter war, »trinke einen Schnaps und setz dich hin. Hast doch sonst so eiserne Nerven, und nun kommt da ein Bursche an, der dich einfach aus dem Gleichgewicht bringt.«

»Er ist ein Freund von Intyre«, knurrte Head heiser und unterbrach einen Augenblick seine unstete Wanderung, »das paßt mir eben nicht.«

»Du sagtest aber doch selbst, daß ihr ihn einfach aufhängen werdet.«

»Bei Intyre gab es schon böses Blut. Der Rancher hatte einen verdammt guten Ruf.«

»Ha, ein Rancher, der Kühe klaut?« spöttelte der hübsche Vamp und färbte sich kunstvoll ihren hübschen Kirschenmund. »Es gibt eben zu viele Leute, die daran zweifeln. Intyre war tatsächlich ein korrekter Geschäftsmann. Wir hätten es eben anders drehen müssen, vielleicht so wie bei Yanter.«

»Eine Kugel in den Rücken bringt die Siedler ebenfalls in Fahrt. Marshal Yanter hat viele Freunde, Sullivan aber nicht.«

»Weil er ein Trottel ist«, knirschte Head wütend.

»Du hast aber doch selbst alles darangesetzt, um ihn zum Marshal zu machen.« Silberhell klang das Lachen der Frau durch den Raum.

»Weil ich ihn brauche. Aber er begeht in der letzten Zeit Fehler über Fehler. Als der Fremde ihn heute morgen angriff, hätte er ihn umlegen können. Kein Mensch hätte dann erfahren, daß der Fremde ein Freund Intyres war.«

»Konntest du das denn nicht besorgen?«

»Du kennst doch mein Prinzip, Lo.« Head trat neben die Frau und fuhr mit der Rechten über ihre nackte Schulter. Er beugte sich impulsiv nieder und küßte die weiße, mattschimmernde Haut, »ich lege niemanden um.«

»Du meinst, das tun andere für dich, oder aber es geschieht unter dem Deckmantel des Gesetzes.« Bittend blickte sie zu dem Geliebten hoch. »Wäre es nicht besser, du gäbst die Sache ganz auf? Wir beide haben doch genügend Geld auf der Bank, und mein Laden wirft doch eine ganze Menge ab. Wir könnten ganz bestimmt ein ruhiges, glückliches Leben führen.«

»Er läßt mich aber doch nicht aus den Klauen, Lo«, ein gequälter Zug trat in Heads Gesicht, »nicht, bevor er das ganze Land zwischen dem Pease River und den Wichitas besitzt.«

»Nun sag’ mir doch endlich, Tom, wer eigentlich dieser geheimnisvolle, unheimliche Mann ist, für den du arbeitest?«

»Ich kenne ihn nicht, er aber kennt leider meine Vergangenheit. Ein Wort von ihm genügt, um mich an den Galgen zu bringen. Ich sage dir, er ist ein Teufel.«

»Weshalb fliehen wir dann nicht, Tom? Ich würde hier gern alles aufgeben. Allein deinetwegen, denn du weißt doch, wie sehr ich dich liebe.«

»Wir kämen nicht weit. Er kennt jeden meiner Schritte, und er warnte mich noch vor zwei Tagen vor irgendeiner Dummheit. Er drohte, mir einen Strick zu drehen, wenn ich jemals auf dumme Gedanken käme. Und ich traue ihm auch alles zu.«

»Und weshalb willst du denn den Fremden überhaupt baumeln lassen?« forschte sie neugierig.

»Weil er ein Freund Intyres ist, Darling. Es wird genauso Ärger geben, wie wir ihn mit Intyre hatten.«

»Du meinst, wenn es bekannt wird, daß ihr dieses Mal einen Freund des Ranchers hängen wollt.«

»Well, das meinte ich damit«, bestätigte Head.

»Dann lasse ihn doch einfach laufen«, riet der rothaarige Vamp.

»Bist du vielleicht verrückt, Mädchen? Wenn wir ihn auf freien Fuß setzen, wird er das ganze Tal durchschnüffeln. Die Jungs sind uns zwar sicher, aber ich bezweifle kaum, daß der eine oder andere umfällt, wenn mit einer Frage auch eine Kanone vor seiner Nase steht. Dann schon lieber ein wenig Aufregung.«

»Du verstehst mich falsch, Darling.« Sie trat nahe an den Schminkspiegel heran und betrachtete ihr Antlitz. »Du brauchst ihm doch gar keinen Prozeß zu machen. Laß ihn laufen, wenn er eine ordentliche Ordnungsstrafe bezahlt hat. Sagen wir, hundert Dollar. Das würde für die Prügel genügen, die Sullivan bezogen hat.«

»Und dann?«

»Läßt du ihn einfach gehen.«

»Total verrückt.«

Unbeherrscht sprang Head auf.

»Wieso?« tat sie ganz erstaunt und wandte sich langsam um. Mit leicht wiegenden Hüften trat Lo auf den Geliebten zu. »In den Rock Falls ist schon so mancher unauffällig verschwunden, der euren Interessen im Weg stand. Dieser Hill ist für euch ein unbequemer Kunde, außerdem ist er völlig fremd im Land. Weshalb sollte nicht auch er in einer der grundlosen Schluchten enden? Niemand wird nach ihm fragen, und wenn es doch einer tut, könnte man tausenderlei Erklärungen geben, weshalb dieser Hill fort ist.«

»Wenn es so einfach wäre, wie du es dahinredest.« Nachdenklich schüttelte Head den Kopf und nahm seine unterbrochene Wanderung wieder auf.

»Aber noch kennt doch Hill seine Gegner nicht«, stichelte sie weiter.

»Und wer sollte es tun?«

»Duke Landy, Cress Limit und Flam Bred sitzen unten. Ich hatte sowieso das dumme Gefühl, als langweilten sie sich zu Tode. Sie wären sicher froh, mal wieder einen kleinen Nebenverdienst ergattern zu können.«

Lo Garret starrte in das Halbdunkel des Raumes. Ein Fenster war klirrend zersprungen, und über den dicken Teppich rollte ein Gegenstand.

»Was bedeutet das?« hauchte sie leise und starrte Head an, der sich zögernd niederbeugte und den Gegenstand aufhob.

Es war ein faustgroßer Stein, der mit einem beschriebenen Blatt Papier umwickelt war.

Nervös bewegte sich Heads Zunge über die Lippen, als er das Blatt auseinanderfaltete.

»Eine Botschaft vom Boß.« Head schluckte schwer. Seine Augen überflogen hastig das Schreiben, das als Unterschrift lediglich das Initial »R« trug, dann schüttelte er unmutig den Kopf.

»Was schreibt er denn?«

»Ich soll keine Dummheit begehen. Der Mann dürfe nicht öffentlich gehängt werden. Der Boß fürchtet, daß die ganze Geschichte dann erst breitgetreten wird. Er möchte vor allen Dingen, daß Gras über die Geschichte mit Intyre wächst. Sie scheint ihm irgendwie unangenehm zu sein. Vor allem deshalb, weil die Erregung der Leute nicht abflaut.«

»Will er den Fremden denn laufen lassen?« Lo Garret atmete erleichtert auf.

Doch es war zu früh, denn Tom schüttelte langsam den Kopf.

»Er meint, es gäbe da noch viele andere Möglichkeiten, um solch einen unbequemen Kunden unauffällig beiseite zu schaffen. Er denkt an die Rock Falls.

Lo, geh, schicke mir jetzt die Jungs herauf. Ich möchte mit ihnen sprechen.« Er küßte flüchtig ihre Stirn und schob sie sanft zur Tür.

Sie trat auf den schmalen Gang, der nach unten führte.

Seufzend schloß Tom Head die Tür hinter ihr.

Zehntausend Dollar gäbe er gern, nur um aus den Klauen dieses mysteriösen Mr. »R« zu kommen, zehntausend blanke Gold-Dollar, sofort auf den Tisch.

Aber es schien, als wäre er dem unbekannten Anführer der Bande eine Stange mehr wert, als diese wirklich nicht gerade schäbige Summe, mit der Tom Head in Gedanken spielte.

*

Nicht ohne Erstaunen begann Hill seine Barschaft nachzuzählen, als man ihn am anderen Morgen ohne große Erklärung aus dem Jail holte. Eigentlich hatte er erwartet, daß man ihn zu einer Gerichtsverhandlung schleppen würde, aber da drückte ihm der große breitschultrige Mann, der sich Richter Head nannte und ein recht sympathisches Gesicht besaß, mit einem breiten Lächeln seine Barschaft in die Hand. Den Waffengurt legte er dabei auf den Schreibtisch.

Clifton unterbrach plötzlich seine Beschäftigung und starrte auf eine Bank­note.

»Stimmt etwas nicht, Hill?« fragte der Richter Hill sehr freundlich.

Der schlanke Hüne hob den Kopf und blickte in das Gesicht des Fragestellers. »Hier stimmt so manches nicht, Mister«, begann er gelassen. »Zuerst fand ich meinen besten Freund mit einer Schlinge um den Hals, dann traf ich diesen komischen Sheriff, oder Town-Marshal, wie er sich nennt, der behauptete, mein Freund Intyre sei ein dreckiger Rinderdieb gewesen.«

»Dafür haben Sie ihn dann ja wohl auch niedergeschlagen.«

»Es hat mich hundert Dollar Strafe gekostet. Aber das ist es ja nicht, was mir nicht in den Schädel will«, umständlich begann Hill seinen Kanonengurt um die Hüften zu binden und schnallte die Halftertaschen auf die Schenkel. Dann trat er einen Schritt zurück. Er probte den Sitz der Waffen und ließ sie unvermutet aus den Halftern springen.

Erschreckt starrten Head und Sullivan in die schwarzen, drohenden Mündungen. Es waren weniger die schwar­zen Mündungen, die sie erschreckten, als die Tatsache, mit welcher Schnelligkeit dieser blonde Bursche die Kanonen aus dem Gurt brachte.

Sie warfen sich einen kurzen Blick zu, ehe Tom Head unmutig zu knurren begann.

»Was soll denn der Unsinn, Hill?«