Ein Mann aus Texas - Joe Juhnke - E-Book

Ein Mann aus Texas E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Die beiden Reiter ritten auf staubbedeckten Pferden den breiten Fahrweg hoch und kletterten vor der Schmiede aus den Sätteln. Sie gingen über den Stepwalk zur nahen City-Bank. Sie standen einen Augenblick rauchend am Straßenrand und beobachteten Dick Morris, der drüben beim Mail Office fluchend seine Gäule vor die Kutsche schirrte. Durch die halbhohe Tür des Nugget-Saloons trat ein Lieutenant der US-Kavallerie, blieb gelangweilt im Schatten des Vordaches stehen und streifte die hellen Handschuhe über. Die beiden Fremden wechselten einen kurzen Blick, schnippten ihre Zigarettenstummel in den braunen Staub und wandten sich um. Gelassen nahmen sie die fünf Stufen zum Portal der Bank. In der nahen Schmiede formte der Besitzer glühendes Metall mit wuchtigen Hammerschlägen zu einem Hufeisen. Die Fremden hatten den Schalterraum erreicht. Ein einzelner Mann stand vor dem Zahltisch und diskutierte mit dem weißhaarigen Kassierer John Barkey. Es war Fred Lincoln, Rancher in South Dakota, auf der Durchreise. Ein Mann Ende der Dreißig, von knochigem Körperbau und mit kräftigen Fäusten. Seine Haut war dunkel gegerbt von der Glut sonnenheißer Tage. Er hob leicht erstaunt den Kopf, als der Bankclerk plötzlich beide Arme über den Kopf streckte. »Was gibt's, Mr. Barkey?« fragte Lincoln überrascht. Er sah die Augen des alten Mannes, die vor Angst fast aus den Höhlen quollen, und wollte den Kopf wenden. In diesem Augenblick bohrte sich ein harter Revolverlauf brutal in seinen Rücken. »Eine dumme Bewegung, mein Freund, und du bist ein toter Mann«, knurrte eine Stimme. Gleichzeitig glitt eine Hand zum Gurt, wo Lincolns Sechsschüsser in dem Halfter steckte. »Und nun zurück zur Wand, Mister«, forderte

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Die großen Western – 181 –

Ein Mann aus Texas

Joe Juhnke

Die beiden Reiter ritten auf staubbedeckten Pferden den breiten Fahrweg hoch und kletterten vor der Schmiede aus den Sätteln.

Sie gingen über den Stepwalk zur nahen City-Bank. Sie standen einen Augenblick rauchend am Straßenrand und beobachteten Dick Morris, der drüben beim Mail Office fluchend seine Gäule vor die Kutsche schirrte. Durch die halbhohe Tür des Nugget-Saloons trat ein Lieutenant der US-Kavallerie, blieb gelangweilt im Schatten des Vordaches stehen und streifte die hellen Handschuhe über.

Die beiden Fremden wechselten einen kurzen Blick, schnippten ihre Zigarettenstummel in den braunen Staub und wandten sich um.

Gelassen nahmen sie die fünf Stufen zum Portal der Bank.

In der nahen Schmiede formte der Besitzer glühendes Metall mit wuchtigen Hammerschlägen zu einem Hufeisen.

Die Fremden hatten den Schalterraum erreicht. Ein einzelner Mann stand vor dem Zahltisch und diskutierte mit dem weißhaarigen Kassierer John Barkey. Es war Fred Lincoln, Rancher in South Dakota, auf der Durchreise. Ein Mann Ende der Dreißig, von knochigem Körperbau und mit kräftigen Fäusten. Seine Haut war dunkel gegerbt von der Glut sonnenheißer Tage.

Er hob leicht erstaunt den Kopf, als der Bankclerk plötzlich beide Arme über den Kopf streckte.

»Was gibt’s, Mr. Barkey?« fragte Lincoln überrascht. Er sah die Augen des alten Mannes, die vor Angst fast aus den Höhlen quollen, und wollte den Kopf wenden. In diesem Augenblick bohrte sich ein harter Revolverlauf brutal in seinen Rücken.

»Eine dumme Bewegung, mein Freund, und du bist ein toter Mann«, knurrte eine Stimme.

Gleichzeitig glitt eine Hand zum Gurt, wo Lincolns Sechsschüsser in dem Halfter steckte.

»Und nun zurück zur Wand, Mister«, forderte der Unbekannte.

Lincoln spürte leichtes Kribbeln unter der Haut.

Er war kein Feigling. Aber er sah nun einen zweiten Fremden, der über die Theke sprang und Barkey zum offenen Safe trieb. Er zog den Kopf in den Nacken, stellte sich mit dem Gesicht zur Wand und hielt brav die Hände über den Kopf.

Er hörte harte, fordernde Stimmen. Dazwischen das Jammern des Kassie­rers.

Plötzlich gab es einen dumpfen Schlag. Barkeys Gestammel endete mit einem tiefen Seufzer. Aus den Augenwinkeln heraus sah der Rancher, wie der alte Mann blutüberströmt zusammenbrach.

»Warum tust du das, Kid?« fragte einer der Verbrecher zornig.

»Weil ich sein Geheul nicht mehr ertragen kann. Verdammt, pack zu!«

Fred Lincoln hatte leicht den Kopf gewandt.

Die beiden Banditen füllten wahllos den großen Leinensack mit Scheinen.

In diesem Moment betrat ein weiterer Fremder die Bank. Seine blaue Uniform mit den Goldtressen wies ihn als Offizier der US-Kavallerie aus.

Lincoln sog tief Luft in die Lungen.

»Vorsicht, Lieutenant. Überfall!« brüllte er und warf sich blitzschnell zu Boden. Dabei riß er das Schreibpult um, das ihm als Deckung dienen sollte.

Lieutenant Cloud Mitchel war jung. Aber er hatte gewisse Erfahrungen. Er hörte den Ruf, wirbelte herum und sprang zurück. Sofort fuhren die Geschosse aus den Revolvern der Banditen nur krachend in die Holzfüllung.

Lincoln duckte sich tiefer.

Im Echo der Detonationen hörte er wilde Flüche. Fast gleichzeitig sprangen die Banditen über den Schalter hinweg in den Raum.

Wieder krachte es.

Drei – vier – fünf Geschosse drangen tief in Lincolns massigeichenes Schutzschild.

»Ich bringe ihn um!« brüllte der jüngere Mann.

»Halt’s Maul, Landy!« tauchte sein Begleiter. »Wir müssen weg.«

Sie stürzten aus dem Haus, während Lincoln auf die Beine kam. Schüsse fielen.

Der junge Lieutenant lag hinter einer Regentonne und schoß wie auf dem Schießstand.

In diesem Augenblick erreichten die Verbrecher ihre Pferde.

Während sich Landy Youngers mit einem Sprung in den Sattel schwang und dem Falben die Sporen in die Flanken trieb, glitt aus dem Schatten der Schmiede ein junger Fremder. Er sprang Kid Youngers an und riß ihn zu Boden.

Kid Youngers gab sich nicht geschlagen. Er kämpfte mit allen Mitteln um seine Freiheit. Erst als der Schmied dazwischenfuhr, fiel die Entscheidung. Der Schlag seiner knöchernen Faust schmetterte Kid zu Boden. Sein Bruder hatte inzwischen die Straße erreicht. Er hing seitlich im Sattel und bot kein Ziel.

Er schoß, daß der Laut seines Peace­maker heiß wurde.

Überall sah man Menschen in überstürzter Flucht davonhasten.

Nur einer bewahrte den Kopf. Dick Morris, der alte Coachman der Overland Line.

Mit heftigem Ruck löste er die Fußbremse, schwang die Peitsche und lockerte einseitig die Zügel.

»Go on!« brüllte sein heiserer Baß, und die Pferde schwenkten im rechten Winkel zur Straße.

Der flüchtige Bandit hatte nur Augen für das, was hinter ihm vorging.

So war der Zusammenprall zwischen seinem Pferd und dem Gespann so fürchterlich, daß er, aus den Bügeln rutschend, pfeilschnell über den Pferderücken hinwegflog und bewußtlos im Straßenstaub landete.

»Brrr!« Morris trat die Bremse durch und zerrte an den Zügeln. »Schön brav, ihr lieben Pferdchen!«

Noch während er vom Bock sprang, schnellte an den Köpfen der schnaubenden Gäule Lieutenant Cloud Mitchel vorbei. In der Faust hielt er den rauchenden Army-Revolver.

Landy Youngers lag verkrampft im Straßenstaub, als die beiden Männer sich über ihn beugten. Er rührte sich nicht.

»Ich wette, der Gauner hat sich das Genick gebrochen«, raunzte Old Morris und schob den Priem von der einen in die andere Wangentasche.

Cloud Mitchel drehte den Bewußtlosen auf den Rücken. Er starrte in ein verschmutztes Antlitz.

»Hoh!« Morris schlug sich überrascht auf den Oberschenkel. »Ich will keinen Bock mehr besteigen, wenn das Früchtchen nicht Landy Youngers ist!«

»Sie haben recht.« Mitchel lächelte. »Ohne Ihre Hilfe wäre er entwischt.«

»Zum Teufel, Lieutenant.« Morris trat einen Schritt zurück. »Es gibt eine Menge Dollars für seinen Kopf. Aber ich verzichte auf meinen Anteil. Und wissen Sie warum, Lieutenant? Weil Landy noch drei Brüder hat, und ich durch die Gegend kutschiere, die zu ihrem Bereich gehört.«

»Es sind nur noch zwei Brüder, Freund.« Lächelnd deutete Mitchel auf die Gruppe Männer, die den noch halb bewußtlosen Kid Youngers heranschleppte. »Und Sie können nicht mehr zurück. Mitgehangen, mitgefangen. Ich wette, in einer Woche weiß jeder auf Ihrem Trail, daß Sie mitgeholfen haben, zwei der gefährlichsten Banditen des Mittelwestens unschädlich zu machen. Man wird Sie wie einen Helden feiern.«

»Und wie einen Helden begraben, wenn Frank und Allan Youngers meinen Weg kreuzen.«

Dick Morris seufzte und spie wütend eine Ladung Tabaksaft in der Sand.

»Hätte ich mich in diese Geschichte nur nicht eingelassen.«

*

Für Dick Morris gab es kein Zurück mehr.

Patrick O’Neil, der Sheriff von Clay Center, schloß zufrieden die Jailtür hinter den Gefangenen. Der Schlüsselbund rasselte in seiner Faust, als er hinter den Schreibtisch trat und sich niedersetzte.

»Sie sind Glückspilze, Gentlemen, und unserer Stadt ist Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Auf Kid und Landy Youngers stehen zwanzigtausend Dollar Kopfgeld. Das bedeutet pro Kopf fünftausend Dollar.«

O’Neil fuhr sich mit dem Handrücken über den rostfarbenen Schnauzbart. »Allerdings auch einige Tage Zwangsaufenthalt in der Stadt. Aber seien Sie versichert, Gentlemen, die Bürger hier werden alles tun, um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.«

»Und wie lange wird das sein?« fragte Rancher Lincoln. »Ich werde auf meiner Ranch erwartet.«

»Nun, Mr. Lincoln«, Sheriff O’Neil lächelte bedauernd, »eine Woche wird es schon dauern, bis Richter Sarin sein Urteil fällt. Ich werde meinen Gehilfen noch heute in die Distriktstadt schicken und alle Vorbereitungen für den Prozeß treffen.«

»Ich muß ins Fort zurück, Sheriff.« Lieutenant Cloud Mitchel hob bedauernd die Schultern. »Die Zeit des Soldaten mißt man mit anderen Maßstäben als die des Zivilisten.«

»Ich werde Sie rechtzeitig benachrichtigen, Lieutenant. Vermutlich wird Captain Hogeman Sie für Ihre Handlungsweise öffentlich loben. Dies dürfte sich wiederum nicht nachteilig auf Ihre Karriere auswirken. Sie können gehen, Lieutenant.«

Mitchel verabschiedete sich von den Männern mit korrektem Gruß und verließ das Office.

»Die Armee, immer zackig«, sagte O’Neil lachend.

»Sie, Mr. Nash, wollen zum Süden?«

Doug Nash schüttelte den Kopf. »Nach Südosten, Texas. Dorther komme ich. Ich will die Ranch meiner Eltern übernehmen.«

»Sie leben nicht mehr?«

»Nein, sie sind vor vier Jahren gestorben. Irgendeine Seuche. Ebenso meine beiden Geschwister.«

»Dann treibt es Sie wohl nicht?« Der junge Mann schüttelte abermals den Kopf.

»Auf ein paar Tage kommt es nicht mehr an, wenn man fünf Jahre von zu Hause fort war. Und dann werde ich für die Wartezeit ausreichend entschädigt. Wie denken Sie darüber, Mr. Lincoln?«

»Für fünftausend Dollar muß ein kleiner Rancher eine Weile schuften. Der alte Coachman wird sich bestimmt über die Belohnung freuen.«

»Dick Morris gönne ich sie.« Sheriff O’Neil hatte sich erhoben. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«

Beide Männer nickten zustimmend.

*

Es wurde eine anstrengende Woche für Lincoln und Nash. Jeder Bürger der Stadt wollte mit ihnen anstoßen. Und alle feierten sie die Männer wie Helden.

Endlich, nach fünf Tagen, erschien der Richter.

Zum gleichen Zeitpunkt wurde ein Reiter nach Fort Pottawatomie geschickt, der Lieutenant Mitchel holen sollte. Gleichzeitig wurde Dick Morris in Clay Center von einem anderen ­Coachman abgelöst.

Der Prozeß war kurz. Es dauerte nur einen halben Tag, bis die Geschworenen und somit das Gericht ihr Urteil fällten.

Kid und Landy Youngers wurden für schuldig des verbrecherischen Überfalls auf die Bank befunden, sowie des versuchten Mordes an Mr. Barkey, dem Kassierer.

»Tod durch den Strang«, verkündete Richter Sann das Urteil und schloß mit drei Hammerschlägen die Verhandlung.

Unter Schmährufen wurden die Verbrecher ins Jail zurückgebracht. Von diesem Zeitpunkt an – bis zur Urteilsvollstreckung in zwei Tagen – wurden die Gefangenen scharf bewacht.

»Das nimmt kein gutes Ende für uns«, unkte Dick Morris, als sie in Begleitung des Sheriffs die Bank betraten, um die fällige Belohnung abzuholen. »Frank und Allan schicken uns allesamt zur Hölle, wenn sie’s erfahren.«

Doch Morris’ innere Sorge verflüchtete sich schnell, als er den Dollarberg sah, den Barkey vor ihnen zu vier gleichen Teilen aufstapelte.

Fünftausend Dollar waren so etwas wie eine Existenzgrundlage. Er konnte die Gegend verlassen und irgendwo seßhaft werden, wo ihn niemand kannte. Als er die Straße betrat, verschwanden die düsteren Gedanken. Optimismus zog in sein Herz und die Absicht, in den nächsten Tagen seinen Job bei der Overland Line zu kündigen.

Am Abend jedoch war Dick Morris Ehrengast der Stadt Clay Center und hatte den Ruhm und die Ehre, zur Linken von Richter Sarin zu sitzen. Es wurde bis tief in die Nacht hinein gezecht und mancher Toast ausgesprochen. Der Morgen graute bereits, als die letzten Zecher das Hotel verließen und heimatlichen Gefilden entgegenstrebten.

Zu diesem Zeitpunkt saßen Kid und Landy Youngers auf den harten Pritschen ihrer Zelle und lauschten dem Lärm der Betrunkenen.

»Sie versaufen schon unsere Haut«, knurrte Kid Youngers. »Und du trägst die Schuld an unserer Lage. Du hättest den Rancher besser im Auge behalten müssen.«

»Schuld oder nicht Schuld«, knurrte Landy wütend, »wir müssen hier raus, ehe sie uns den Strick um den Hals legen. Ob Frank und Allan es schon wissen?«

»Bestimmt. So etwas spricht sich rund. Sicher sind sie schon auf dem Weg hierher. Ich befürchte nur, sie kommen zu spät.«

Während Landy auf der Pritsche kauerte, stand Kid schweigend am Fenster. Frühnebel lagen auf der Straße. Der Tag schien heiß zu werden.

Von Zeit zu Zeit trat einer der Deputies ans Gitter und leuchtete mit der Lampe in die Zelle.

Sie rauchten und registrierten mit Entsetzen, wie schnell die Zeit verrann.

Gegen Mittag erschien O’Neil und schob ihnen schweigend das Essen durch die Gitter.

Graupensuppe.

Kid schnupperte an dem Napf.

»He, O’Neil!« donnerte er los. »Das ist ein Fraß für Schweine. Ich hoffe, das willst du uns nicht anbieten, wie?«

Der Sheriff wandte sich leicht erstaunt um. »Wir sind hier kein Sanatorium, Boys. Eure Wunschkost könnt ihr morgen abend bestellen. So ist es allerorts üblich für jemand, der am nächsten Tag hängen soll. Inzwischen aber eßt ihr, was unsere Küche bietet. Wenn euch das nicht paßt, schiebt es einfach unter dem Gitter durch. Ich lasse nachher abräumen.«

Kid Youngers strich sich zornig über die wulstigen Lippen. »Der Teufel soll dich holen, O’Neil, samt deinem Fraß.«

Er schleuderte den Napf unter dem Gitter durch und wandte sich ab.

Sheriff O’Neil schien diese wenig frommen Wünsche nicht zu hören.

Er trat hinter den Schreibtisch, ließ sich nieder und legte seufzend die Beine auf die Platte. Umständlich begann er, seine Pfeife zu stopfen.

Kid tobte. Jähzornig rüttelte er an den Gitterstäben, bis Landy ihn hart anfuhr.

Da schwieg auch Kid.

Er stand lange am Fenster und beobachtete die Menschen, die über den Sidewalk gingen. Nach einiger Zeit wandte er den Kopf.

»Landy, komm mal her.«

Landy rutschte von der Pritsche und trat neben den Bruder, der auf drei Reiter deutete, die gemächlich die Straße hinuntertrabten.

Fred Lincoln – Dick Morris – Doug Nash.

»Merk dir genau ihre Gesichter, Landy, und vergiß nicht den Blaurock aus Pottawatomie. Sollten Frank und Allan es rechtzeitig schaffen, holen wir uns die Burschen vor den Revolver.«

Landy nickte. Was Kid an Brutalität besaß, hatte Landy an Gehirn. Während der Verhandlung hatte er sich fest Namen und Adressen der Zeugen eingeprägt.

Er wußte, wo sie zu finden waren.

*

Während die drei Reiter ahnungslos Clay Center verließen und jedermann seinen Weg nahm, begann der Zimmermann mit seinem Gehilfen die Arbeit in der Stadt. Auf dem freien Platz, direkt vor dem Jail, bauten sie den Galgen auf. Und während Kid und Landy mit gemischten Gefühlen der Vollendung des Werkes entgegensahen, hetzten zwei Reiter über die Straße am Smoky Hill River ihre Gäule fast zu Tode.

Frank und Allan Youngers…

Vor drei Tagen hatten sie vom Mißgeschick ihrer Brüder gehört. Da steckten sie in Garden City am Arkansas River in einer harter Pokerrunde.

Zunächst hielten sie es für ein Gerücht. Aber als sie Näheres hörten, gab es kein Zögern. Noch in der Nacht klemmten sich die Youngers in den Sattel und verließen die Stadt.

Sie schonten weder sich noch ihre Gäule und erreichten am Vorabend der Hinrichtung einen kleinen Fluß, an dessen Nordufer sie das Nachtlager aufschlugen. Ihre Pferde benötigten Schonung. Sie waren ziemlich fertig.

Lustlos saßen sie in einer Senke und starrten in den sinkenden Tag.

»Nach Clay Center sind es etwa zwei Reitstunden. Wenn wir gegen Mitternacht aufbrechen, haben wir noch Zeit, in der Stadt Pferde für Kid und Landy zu besorgen. Ich denke, es wird nicht ohne Schießerei abgehen, Allan.«

Franks knochige Fäuste zerlegten den Patterson-Colt, während der Bruder fein säuberlich ein Tuch ausbreitete und Pulver und Blei in die Reservetrommeln stampfte.

Sie waren beide gleich groß, sehnige, hochgewachsene Hünen. Wilde Burschen, deren Namen im Westen einen mehr als zweifelhaften Ruf hatten.

Sattelwölfe – Revolverschwinger – Mörder…

In Missouri, Oklahoma und weiter im Süden, in Texas, wurden sie gesucht.

Auch in Kansas klebte seit jüngster Zeit ihr Steckbrief an allen Anschlagbrettern größerer Ortschaften.

*

Drei gezielte Schüsse zerfetzten das Schloß. Ein harter Fußtritt schleuderte die Tür ins Innere des Office.

Zwei Männer standen auf der Schwelle.

Patrick O’Neil fuhr schlaftrunken vom zerschlissenen Sofa hoch. Im Halbdunkel der herabgedrehten Lampe erkannte er zwei Männer.

Instinktiv glitt seine Rechte zum Halfter.

Doch auf halbem Wege erschlafften seine Bewegungen.

Aus der Finsternis spritzten zwei grelle Flammen. Wilder, glühender Schmerz zerriß seine Brust. Mit dumpfem Stöhnen sank er zurück und verlor das Bewußtsein.

Frank hatte bereits den Docht der Lampe höher gedreht.

Hinter dem Gitter erkannte er die Gesichter der Brüder.

»Der Schlüssel liegt auf dem Schreibtisch«, rief Kid geistesgegenwärtig. »Macht schnell, denn bei eurem Krach bringt ihr die ganze Stadt auf die Beine.«

Ungeduldig umspannten seine Fäuste die Gitterstäbe.

Allan trat näher. Sein Blick war zornig. »Für eure Dummheit möchte ich euch stundenlang ohrfeigen.«

Der Schlüssel rasselte im Schloß, die Tür war offen.

Rasch huschten die Gefangenen über die Schwelle.

An der Wand hingen ihre Revolver. Sheriff O’Neil stöhnte in tiefer Bewußtlosigkeit.

Frank schraubte die Lampe nieder.

»Raus hier«, kam sein scharfer Befehl. »Beim General Store stehen die Pferde!«

Das alles dauerte keine zwei Minuten. Als sie die Pferde von der Halfterstange lösten, gingen die ersten Fensterläden auf. Verschlafene Gesichter blickten auf die Straße, aus deren Hausschatten plötzlich vier Reiter sprengten.

Nur langsam schienen die Menschen zu begreifen, was geschehen war.

Plötzlich wehte ein gellender Ruf über die verschlafene Stadt.

»Überfall – die Youngers sind ausgebrochen!«

Die mutigsten Männer schlüpften hastig in die Hosen, nahmen ihre Gewehre und stürzten auf die Straße. Alle hatten das gleiche Ziel.

Das Sheriff Office.

Patrick O’Neil bot einen jämmerlichen Anblick. Er war vom Sofa gerutscht und lag am Boden.

Doc Edwards kniete neben dem Schwerverletzten, während eine Mauer hilfloser Männer sie umgab.