Die großen Western 121 - Joe Juhnke - E-Book

Die großen Western 121 E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Sie waren Brüder … Als sie den Red River überquerten, fragte sich Jimmy Goodnight, wie es nun weitergehen sollte in ihrem Leben. Drei Jahre schon trugen sie die lumpige graue Uniform der Konföderierten, hatten Staub geschluckt und Schlamm gefressen, die Hitze des Sommers und die Kälte des Winters erlebt. Sie hatten gekämpft und an den Sieg der Konföderation geglaubt, bis zu jenem Tage, als der Norden das Land überrannte und General Lee zur Kapitulation zwang. Und nun, da dieser Krieg beendet war, trugen sie noch immer diese verschlissene Uniform, ritten einen Präriebastard, wie sie ihr Rinderpony bezeichneten, besaßen einen Karabiner, ihren Armeecolt, eine Wolldecke und je dreihundert Dollar in Goldbucks in der Tasche. Der Ertrag dreier verlorener Jahre, und ein paar Yankeelöcher im Fell als Souvenir. Vor ihnen lag ein verwüstetes Land, und in den Städten und Settlements, wo sie auftauchten, wimmelte es von herumlungernden, arbeitslosen Cow­boys und den verhassten Blauröcken. Das schlug aufs Gemüt. Jimmy blickte recht hoffnungslos in die Zukunft. Charles Goodnight war von anderem Schlage. Er sah sein Ziel vor Augen. Drei Jahre Krieg hatten das Land verwüstet. Die Rancher und ihre Leute kämpften in der Armee, das Vieh stand weit verstreut in der Range als halb verwilderte Herden. Auch Charles trug seine verschlissene Uniform, einfach, weil er sonst nichts zum Anziehen hatte. Wie Jimmy stand er drei Jahre im Militärdienst der Konföderierten und hatte sich als Texas Ranger mit Comanchen und Kiowas herumgeschlagen. Als Scout war er mehrmals bis zu den Staket Plains vorgedrungen, und auf diesen einsamen Wegen wurde sein Gedanke geboren. "In der

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Die großen Western – 121 –

Kampf um die Range Mavericks

Joe Juhnke

Sie waren Brüder …

Als sie den Red River überquerten, fragte sich Jimmy Goodnight, wie es nun weitergehen sollte in ihrem Leben. Drei Jahre schon trugen sie die lumpige graue Uniform der Konföderierten, hatten Staub geschluckt und Schlamm gefressen, die Hitze des Sommers und die Kälte des Winters erlebt.

Sie hatten gekämpft und an den Sieg der Konföderation geglaubt, bis zu jenem Tage, als der Norden das Land überrannte und General Lee zur Kapitulation zwang.

Und nun, da dieser Krieg beendet war, trugen sie noch immer diese verschlissene Uniform, ritten einen Präriebastard, wie sie ihr Rinderpony bezeichneten, besaßen einen Karabiner, ihren Armeecolt, eine Wolldecke und je dreihundert Dollar in Goldbucks in der Tasche. Der Ertrag dreier verlorener Jahre, und ein paar Yankeelöcher im Fell als Souvenir.

Vor ihnen lag ein verwüstetes Land, und in den Städten und Settlements, wo sie auftauchten, wimmelte es von herumlungernden, arbeitslosen Cow­boys und den verhassten Blauröcken. Das schlug aufs Gemüt.

Jimmy blickte recht hoffnungslos in die Zukunft.

Charles Goodnight war von anderem Schlage. Er sah sein Ziel vor Augen. Drei Jahre Krieg hatten das Land verwüstet. Die Rancher und ihre Leute kämpften in der Armee, das Vieh stand weit verstreut in der Range als halb verwilderte Herden.

Auch Charles trug seine verschlissene Uniform, einfach, weil er sonst nichts zum Anziehen hatte. Wie Jimmy stand er drei Jahre im Militärdienst der Konföderierten und hatte sich als Texas Ranger mit Comanchen und Kiowas herumgeschlagen. Als Scout war er mehrmals bis zu den Staket Plains vorgedrungen, und auf diesen einsamen Wegen wurde sein Gedanke geboren.

»In der offenen Range stehen Millionen Rinder, Jimmy«, hatte Charles oft am Feuer erzählt und dabei stets glänzende Augen bekommen. »Halb verwildert und zum großen Teil ohne Brandzeichen. In Dallas werden wir die Grundrechte eintragen lassen und rauf zum Oberlauf des Brazos ziehen. Wir werden eine Herde Mavericks zusammentreiben und ihnen unser Zeichen ins Fell brennen. Goodnight-Brandzeichen.«

Jimmy hatte dafür nur ein müdes Lächeln. »Für jedes Rind, das wir nehmen, wird der Besitzer uns an den nächsten Baum hängen.«

Es hatte lange gedauert, bis Charles dem Bruder klarmachen konnte, dass Mavericks herrenlose Rinder waren, so lange sie keinen Brand in der Flanke trugen.

Sie zogen am Ufer des Red River westwärts nach Fort Sill und sahen auch hier viele junge Burschen, die der Krieg aus geordneten Bahnen gerissen hatte, bettelnd und lungernd auf den Straßen herumziehen.

»Sie haben kein Ziel vor Augen«, meinte Charles, der wie sein Bruder Jim ein Rinderpony ritt. Ein Gemisch aus wilden Mustangs der offenen Mesa, die Händler für teures Geld der Armee verkauft hatten. »Die Jahre haben ihnen die Sicherheit genommen, weil die Armee das Denken für sie übernommen hatte. Sie sind heute hilflos wie kleine Kinder und sehen keinen Weg, sich auf die Gegenwart umzustellen.«

Er sah ein paar junge Burschen, die wie sie die graue Uniform trugen und sich um die Kippe eines blauröckigen dunkelhäutigen Soldaten herumtollten, und er spürte, wie Jimmy das Blut in den Kopf schoss. Jimmy war ein Hitzkopf, und für ihn war ein Farbiger ein Nigger. Charles hatte diesen Rassenkomplex längst abgeschüttelt. Vielleicht, weil er die Zukunft voraussah oder die Entwicklung. Die Konföderation hatte einen Krieg verloren. Einen Krieg, in dem es um die Abschaffung der Sklaverei ging. Was sollte es also …

»Halte dich raus aus der Sache«, warnte Charles den Bruder, »sie sind es allesamt nicht wert.«

Der dunkelhäutige Soldat trat die Stufen des Stepwalks herunter und verstellte den beiden Reitern den Weg. Er schien Jimmys Abneigung gegen seine Hautfarbe zu spüren.

»Gefällt dir etwas nicht an mir?«, fragte er und blickte Jimmy herausfordernd entgegen, »du brauchst es nur zu sagen.« Der Mann war ein Hüne, fast sechs Fuß hoch, mit breitflächigem Gesicht und dunklen Augen. Seine Muskelwülste sprengten fast die Uniform.

Charles ließ Jimmy keine Zeit für die Antwort. »Du bist schön wie der liebe Gott, Sergeant«, sagte er schnell und lockerte die Zügel. »Ein Prachtexemplar von einem Mann. Und nun gib den Weg frei. Wir suchen keinen Streit, nur unsere Heimat.«

»Dir gefällt meine Hautfarbe wohl auch nicht, Bruder?« Seine starken Fäuste griffen ins Zaumzeug. Er bleckte seine starken Zähne und spürte seine Überlegenheit, bis zu jenem Augenblick, wo er in Charles’ Revolvermündung blickte. Charles hielt den Colt verdeckt zwischen Sattelhorn und Schenkel, und sein Daumen lag lose auf dem Hammer.

»Ich mag nicht, dass du mein Eigentum berührst, Yankee, denn wir Texaner haben unseren eigenen Kodex. Lass das also und spiele dich nicht auf wie der liebe Gott. Du bist noch zu jung, um zu wissen, was Freiheit bedeutet, deshalb versuchst du, sie zu missbrauchen.«

Das Grinsen im Gesicht des Dunkelhäutigen fror ein. Er rief mit dunklem Bass einige Worte, worauf ein halbes Dutzend Uniformierter aus der Schenke eilte. Recht angeheiterte Burschen, mit offenen Jacketts und schief sitzenden Baretts.

Charles Goodnight spürte, dass sie in etwas hineinschlitterten, das ganz und gar nicht in sein Konzept passte. Er brauchte seine Freiheit für die sich gestellte Aufgabe. Er wollte nichts mit Yankee-Soldaten zu tun haben, deshalb stieß er seinem Pony hart die Sporen in die Flanken und überrannte den Farbigen einfach.

»Los, Jimmy«, schrie er aufmunternd dem Bruder zu, »hier lohnt es nicht zu verweilen.« Er hörte den Hufschlag von Jimmys Gaul und ein paar Schüsse, die fielen. Dazwischen die dunkle Stimme des Farbigen, der nach seinem Pferd schrie. Seite an Seite jagten sie den ausgefahrenen Weg hinunter, schwenkten vor den Palisaden der Forts westwärts und sprengten in die offene Ebene hinaus.

»Mit diesem Niggerbastard wäre ich fertig geworden«, brüllte Jimmy Goodnight aufgebracht. »Ich hätte ihm sein schwarzes Fell über die Ohren gezogen!«

»Sicher«, lachte Charles, »dafür hätten die anderen uns zu einem einfachen Begräbnis verholfen, ohne Sarg und ohne Decke. Sie sind die Herren in unserem Lande. Wir Texaner haben mit dem Krieg auch unsere Rechte verloren. Irgendwann wird sich das ändern, aber im Augenblick …«

»Sind wir Freiwild für Nigger?«, fluchte Jimmy. »Wenn sich dieses Sklavenpack breitmacht, geht Texas bald unter.«

Charles blickte über die Schulter. Er hörte den harten Schlag ihrer Pferde und sah den betrunkenen Soldatenhaufen über den Hügel sprengen. Schreiend und grölend.

»Los, Jimmy, reiten wir durch den Fluss.«

»Es ist nicht meine Art zu fliehen, wenn sie den Kampf wollen, nehmen wir ihn auf.«

»Bist du im letzten Jahr nicht genug vor den Yankees geflohen?«, fragte Charles lachend. »Und hattest du nicht genug vom Kämpfen? Wir müssen versuchen, in friedlicher Koexistenz mit ihnen zu leben. So lange wenigstens, wie sie sich als die Herren in unserem Lande aufspielen wollen.« Charles schlug dem Mustang die Sporen ins struppige Fell und trieb ihn die Böschung hinunter in den Fluss. Wasser klatschte dem Pony in die Flanken, dennoch lief das Pferd sicher durch die seichte Furt.

Als sie das jenseitige Ufer erreichten, standen die Yankee-Soldaten in breiter Formation auf dem jenseitigen Hügel und schossen wild um sich.

Eine verirrte Kugel erwischte Jimmys Pony, und er schlug kopfüber ins Wasser.

Charles riss seinen Gaul herum und trieb ihn in den Fluss zurück. Er spürte nicht die fliehenden Geschosse, die ins Wasser schlugen, nicht die Gefahr. Sein Bruder war in Gefahr …

Noch während er ihm die rettende Hand entgegenstreckte und Jimmy sich auf die Hinterhand schwang, sah Charles am diesseitigen Ufer eine Reiterschar, die von ihren Pferden aus das Feuer erwiderte und die Yankee-Soldaten in die Flucht trieben.

Als sie die Uferböschung hochtrabten und bei den Reitern hielten, sah Charles einen wilden, bunt zusammengewürfelten Haufen Männer, die an ein Waffenarsenal erinnerten.

Einer von ihnen ritt den Brüdern entgegen. Ein schlitzäugiger Bursche, der ein breites Bowiemesser am Gürtel trug, an dem ein paar schwarzhaarige Skalps als Berlocke baumelten.

»Sie mögen euch nicht«, sagte er und deutete mit dem Karabiner über den Fluss.

»Wir mögen sie auch nicht«, erwiderte Jimmy Goodnight zornig.

»Dann seid ihr bei uns in guter Gesellschaft, Jungs. Es wird nicht lange dauern, und wir jagen das stinkende Yankeepack aus dem Land. Cron«, der Sprecher stieg in die breiten Steigbügel, »gib dem Jungen einen Gaul.«

Irgendeiner aus der Meute führte ein Handpferd heran und reichte Jimmy die Zügel. Als er den Sattel wechselte, sah Jimmy für einen Augenblick an der Flanke des Wallachs das Brandzeichen der Yankeearmee.

»Folgt uns«, forderte der Schlitzäugige sie auf, »Black Flag sucht immer brauchbare Burschen.« Er gab ein Zeichen, und sie zogen über die Hügel.

Jimmy hob die Schulter und trieb den Wallach an, um den Anschluss nicht zu verlieren. Die Kerle mochten so mies aussehen, wie sie wollten, dass sie gegen Blauröcke ritten, machte sie sympathisch. So dachte wohl Jimmy, und ihm schien, als habe er eine neue Aufgabe gefunden, eine Aufgabe, die sich wirklich lohnte.

Charles folgte nur zögernd. Er glaubte, diese Männer zu kennen. Im Osten wurde viel von der Black Flag Brigade gesprochen. Man nannte sie Renegaten, Banditen, die sich aus desertierten Soldaten rekrutierten und aus Abenteurern. William Quantrills Desperados …

»Wir werden bald die Garnison auf den Fersen haben, Jimmy«, sagte sein Bruder Charles, als sie Seite an Seite hinter der Meute herritten, und deutete auf das Brandzeichen im Fell des Wallachs, den Jimmy ritt. »Wir werden uns absetzen und dir einen neuen Gaul besorgen.«

»Wir sollten bei ihnen bleiben«, erwiderte Jimmy, und Charles sah Jimmys leuchtende Augen, »und gegen die Yankees kämpfen.«

»Der Haufen gehört zu Quantrills Leuten«, erwiderte Charles zornig. »Sie sind plünderndes Banditengesindel, das nicht nur gegen die Armee kämpft, sondern Farmen und Städte überfällt, um reiche Beute zu machen. Möchtest du ein Leben lang ein Outlaw sein, Jimmy? Ein Gejagter, bis dich eine Kugel trifft?«

»Es ist besser, als sinnlos durch das Land zu rennen. Bettelnd wie ein dreckiger Bastard.«

»In der Range liegt die Zukunft, Jimmy«, entgegnete Charles verärgert, »nicht bei Quantrill.«

Sie erreichten bald das Lager, das in einem dichten Mischwald lag, und sie stießen hier auf hundert Leute vom gleichen Schlage, wie sie ihnen am Fluss begegnet waren. Verwildert, verkommen, bis an den Hals bewaffnet.

Es gab reichlich Verpflegung und auch einen guten Tropfen, und Jimmy fand, dass diese Männer ein üppiges Leben führten.

»Ich bleibe bei ihnen«, sagte Jimmy in der Nacht, als sie unter wärmenden Decken am Feuer lagen. »Ich reite mit ihnen zu Quantrill.«

Charles schwieg. Jimmy war vierundzwanzig, keine zwei Jahre jünger als er selbst. Er hatte kein Recht, Jimmys Willen zu beeinflussen. Dafür war er selbst alt genug. Und Charles spürte unbewusst, dass sich bald ihre Wege trennen würden, denn er wusste, er würde Jimmy diese Absicht nicht ausreden können.

»Wenn du irgendwann keinen Ausweg weißt, Jimmy«, sagte er fast väterlich zu seinem Bruder, »du findest mich am Oberlauf des Brazos in der offenen Range.«

Jimmy wandte den Kopf, und sie blickten sich für lange Zeit zum letzten Mal in die Augen. »Es hätte wohl keinen Zweck, dass ich versuche, dich umzustimmen, Charles?«, fragte Jimmy leise, und es lag Bedauern in seinen Worten.

»Ich sehe kein Ziel in ihrer Aufgabe«, erwiderte der Bruder, und seine Hand streifte kurz die Schulter des Bruders, so, als nähme auch er Abschied. »Sie leben wie gehetzte Hunde und besitzen nie die Möglichkeit, sesshaft zu werden und eine Familie gründen zu können. Gute Nacht, Jimmy.«

»Gute Nacht, Charles …«

Als Jimmy Goodnight beim Morgengrauen erwachte, war sein Bruder Charles verschwunden.

Auch dem schlitzäugigen Capo Quantrills fiel es gleich auf. »Wo steckt der andere?«, fragte er unwirsch.

Jimmy dachte an Charles, der wohl auf dem Weg zur Brazosmündung war und trügerischen Träumen nachjagte. Er lächelte. »Mein Bruder geht seine eigenen Wege.« Worauf der Capo lächelnd die Schultern hob. »Er wird es bald bereuen. Leute, wir brechen auf, der General erwartet uns in Pietsborn.«

*

Charles Goodnight sah den unermesslichen Reichtum des Landes. Rinderherden, wohin das Auge blickte, weitverstreut bis zum Horizont. Ohne Führer, ohne Wächter, und während er zwischen der Herde hindurchtrabte, erkannte er bald, dass zwei Drittel der Tiere ohne Brandzeichen liefen.

Mavericks …, herrenloses Vieh.

Drei Wochen lang durchstreifte er die einsamen Täler, berührte Weideland, das durch Grenzpfähle abgesteckt war, und traf Abel Pierce, der sich aus irgendeinem Grunde Shanghai nannte. Sein Anwesen stand auf einem Hügel. Schmucke, langgestreckte Flachbauten mit riesigen Stallungen, Bunkhäusern und Gattern, in denen sich Hunderte von Pferden tummelten. Von ihm hörte Goodnight, dass ihm die Range gehörte bis zum offenen Grasland, und seine Leute nannten ihn den reichsten Rancher von Texas. Rinderbaron …

Welch überheblicher Name, dachte Charles Goodnight, als er am anderen Tage die Range durchquerte und fünf Tage brauchte, um ins offene Weideland zu treffen.

In diesen Tagen konnte er sich den gewaltigen Reichtum des Mannes erklären, der eine Million Hektar Land für sich beanspruchte und über hunderttausend Rinder sein Eigen nannte.

Ein schwindelnder Gedanke, von dem sich Charles erst befreite, als er, eingebettet zwischen flachen Hügeln, ein Land entdeckte, das bis zu den fernen Llanos Estacados reichte. Unermesslich in seinen Ausmaßen. Freies Weideland. Die offene Range …

Charles Goodnight begann sein Land abzustecken. Er ritt eine Woche nach Norden, eine Woche nach Westen und eine Woche nach Süden, bis er auf die heiße Wüste der Staket Plains stieß. Von hier kehrte er zu seinem Ausgangspunkt zurück. Sein Land war abgesteckt, und wenn er es in Dallas registrieren ließ, gab es niemanden, der es ihm streitig machen könnte. So zog er voller Optimismus den Brazos hinunter bis Limastane und folgte hier dem Weg der Overland-Route, die nach Dallas und weiter nach Kansas City führte.

An einem heißen Sommertag betrat er das Landvermessungsbüro und legte die Lederkarte, auf der er sein Land eingezeichnet hatte, auf den Tisch. Daneben packte er zweihundert Dollar, fast seine gesamte Habe, und nannte seine Ansprüche.

Zum ersten Mal wurde sein Optimismus gedämpft, denn Mr Soraight von der Landagentur erklärte mit müdem Lächeln: »Die Regierung verkauft das Land in der offenen Range zu Schleuderpreisen, aber sie verschenkt es nicht. Der Hektar kostet einen halben Dollar, Mister Goodnight. Sie müssen Ihre hochtrabenden Pläne schon einschränken. Zweihundert Dollar machen vierhundert Hektar Land. Sie können noch wählen. Den Streifen an den Stakets oder im Ostteil an den Mesa Range. Mehr ist nicht drin.«

Goodnight überlegte nur einen Augenblick. Er sah den glasklaren See im Gebirge und den schmalen Bach, der ins Tal hinunter zum Brazos floss. »Ich nehme das Land an den Mesa Range, und im nächsten Jahr kaufe ich den Rest dazu …«

Mr Soraight lächelte, während er Charles’ Ansprüche eintrug. Dieser Mann war voller Optimismus und wusste nicht, was ihn in der Wildnis erwartete. Nicht mal Mr Abel Pierce hatte Interesse an der offenen Range, weil ihm die Gegend zu trocken war.

Als Charles Goodnight das Haus verließ, nannte er das erste Stück Land sein Eigen. In Millers Mietstall kaufte er ein Zugpferd und einen altersschwachen Gaul. Im Drugstore etliche Vorräte, die für den Winter bestimmt waren. Beim Schmied ließ er sich schließlich ein Eisen schmieden. Zwei übereinanderlaufende Hörner, die der geschwungene Buchstabe G miteinander verband. Goodnight-Ranch, so würde sein Besitz heißen. Zu diesem Zeitpunkt war Charles voller Hoffnung für die Zukunft und besaß noch fünfzehn Dollar.

Er suchte den nächsten Schankraum auf, um sein Glück mit einem Glas Brandy zu begießen. Vielleicht fand er auch noch ein paar Leute, die einen Winter lang auf ihren Lohn warten würden.

*

Das, was westwärts seinem beladenen Wagen folgte, war ein ausgelaugter Männerhaufen zwischen fünfzehn und siebzig, die so betrunken waren, dass sie eigentlich gar nicht begriffen, auf welches Abenteuer sie sich eingelassen hatten.

Neben Charles auf dem Bock saß Snowie, ein vertrockneter Greis, der im Suff vor sich hin lallte. Er hatte nicht mal mehr einen Gaul zum Reiten, und Tunder, der Wirt in Dallas, hatte ihn aufgeklärt, dass Snowie ein Trunkenbold sei, der erst sein Gewehr und den Colt versoffen hatte, später sein Pferd und zuletzt noch den Sattel. Ein Tramp also, einer ohne Pferd und Sattel.

Die beiden, die auf den Getreidesäcken lagen und ihren Rausch ausschliefen, waren Hillerway und Grundert, zwei abgewrackte Cowboys, die ein Leben lang im Sattel verbracht hatten und keinen Job mehr fanden, weil genügend Männer, die jünger waren, ihre Aufgaben übernehmen konnten.

Es war schon eine verrückte Zeit …

Die beiden am Ende der Karawane nannten sich Slim Hoggert und Dan Tornado.

Tornado war kein Wirbelwind, nur ein mickriger, ziemlich unterernährter Halbwüchsiger, der im Krieg seine Eltern verloren hatte. Siebzehn behauptete er zu sein, Charles schätzte ihn auf vierzehn. Sein Alter war erlogen wie wohl auch sein Name. Slim Hoggert schließlich trug einen tief hängenden Revolver, und Charles wurde das Gefühl nicht los, dass Hoggert sich eine Weile in die Einsamkeit absetzen musste, weil irgendein Marshal oder das Militär hinter ihm her waren.

Wer die Wahl hat, hat die Qual – Charles Goodnight hatte keine Wahl.

Während sie sich dem Brazos näherten und die ersten Missstimmungen auftauchten, wobei Charles seine männliche Stärke und Überredungskünste gebrauchen musste, dachte er über die Gerüchte nach, die in Dallas umgingen.

Quantrills Horden sollten Pietsborn dem Erdboden gleichgemacht haben und auf dem Wege nach Bascom sein, um die Stadt auszuplündern. Und in solch einem Haufen ritt sein Bruder Jimmy, eine schreckliche Vorstellung.

Zwei Wochen später erreichten sie Pierces Land. Das Gras war verbrannt, und von den fernen Staket Plains wehte der erste kühle Wind. Sie lagerten einen Tag nahe Mr Pierces Anwesen, und der mächtige Rancher besuchte Goodnight.

»Ich habe erfahren, du willst dich in der freien Range ansiedeln, Goodnight«, sagte er zur Begrüßung, und Charles fragte sich, woher Pierce die Nachricht wohl hatte. »Dort draußen findest du nichts als Gras, Goodnight, und der Hollercreek gibt im Hochsommer Wasser für ein paar hundert Kühe ab. Im Winter ist die Mesa ein weites Schneefeld, in der alles Leben erstickt.«

Charles Goodnight lächelte. Er dachte an den mächtigen Bergsee, den er entdeckt hatte. Irgendwo gab es eine unterirdische Ader, die er aus dem Fels sprengen musste. Aber das war sein Geheimnis.

»Ich versuche es trotzdem«, sagte er gelassen. Abel Pierce lächelte niederträchtig und deutete mit dem Zeigefinger auf seine Brust. »Ich habe es vor Jahren dort draußen versucht. Es ist Badsland und wenn es Wasser dort gäbe, Shanghai hätte es entdeckt. Ist das dein ganzer Haufen?« Er lächelte geringschätzig Goodnights Begleiter an.

»Für den Anfang, Mister Pierce. Im nächsten Jahr werden wir bald mehr sein.«

»Wenn der Winter vorüber ist, haben Hyänen eure Knochen abgenagt, darauf kannst du dich verlassen.«

Mit diesem Orakel zogen Charles und seine Mannschaft weiter. Und irgendwann begannen sie aus der mächtigen Herde freie Rinder herauszutreiben, die sie am Abend mit Goodnights Brand versahen.