Die großen Western 101 - Joe Juhnke - E-Book

Die großen Western 101 E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dicky Samson ist ein äußerst verzogener Bursche von 19 Jahren. Die einzige Beschäftigung, der er nachgeht und die ihm die Zeit vertreibt, sind Parties und alle denkbaren Vergnügungen. Oder er hängt träge in der Hängematte unter den schattenspendenden Pinien, die im Park des elterlichen Anwesens stehen, und stiehlt dem lieben Herrgott den Tag. Dieser schmächtige Bursche trägt ständig beide Hände tief in den Taschen vergraben, was zur Folge hat, dass sein Rücken gebeugt und die Brust eingefallen ist. Eine krankhafte fahle Blässe bedeckt sein Gesicht, so wie man sie bei Menschen findet, die an Tuberkulose oder sonst einer schleichenden Krankheit leiden. Das dachten auch eine Zeit lang seine Eltern, doch die ärztliche Untersuchung ergab, dass Dicky trotz seines schmächtigen Aussehens und der Bleichheit ein kerngesunder Mensch ist, aus dem, wenn er endlich einmal körperliche Arbeit leiste, ein stattlicher Mensch werden könne. Aber arbeiten? Brrr, bei diesem Gedanken läuft immer eine Gänsehaut über Dickys Rücken. Arbeit? Psawh, welch ein Wort. Es ist überhaupt nicht in Dickys Lexikon zu finden. Weshalb auch. Dickys Eltern gehören zu den oberen Hundert Detroits. Ihr Bankkonto besitzt eine ordentliche Anzahl von Nullen am Ende. Dicky ist noch jung, sonst hätte er sich bestimmt schon einmal Gedanken darüber gemacht, woher der Reichtum – das viele Geld – kommt. Seinen Eltern wurde bestimmt nichts geschenkt. Wie viele schlaflose Nächte, welcher Schweiß mag an dem Geld hängen, das Dicky mit vollen Händen ausgibt. Sein Taschengeld ist bedeutend höher als der Monatslohn eines Vaters von einer vierköpfigen Familie. Und wenn dieses nicht reicht, dann hilft heimlich die Mutter ihrem "Sonny" aus.

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Die großen Western – 101 –

Die Todfeindschaft

Joe Juhnke

Dicky Samson ist ein äußerst verzogener Bursche von 19 Jahren. Die einzige Beschäftigung, der er nachgeht und die ihm die Zeit vertreibt, sind Parties und alle denkbaren Vergnügungen. Oder er hängt träge in der Hängematte unter den schattenspendenden Pinien, die im Park des elterlichen Anwesens stehen, und stiehlt dem lieben Herrgott den Tag.

Dieser schmächtige Bursche trägt ständig beide Hände tief in den Taschen vergraben, was zur Folge hat, dass sein Rücken gebeugt und die Brust eingefallen ist. Eine krankhafte fahle Blässe bedeckt sein Gesicht, so wie man sie bei Menschen findet, die an Tuberkulose oder sonst einer schleichenden Krankheit leiden.

Das dachten auch eine Zeit lang seine Eltern, doch die ärztliche Untersuchung ergab, dass Dicky trotz seines schmächtigen Aussehens und der Bleichheit ein kerngesunder Mensch ist, aus dem, wenn er endlich einmal körperliche Arbeit leiste, ein stattlicher Mensch werden könne. Aber arbeiten? Brrr, bei diesem Gedanken läuft immer eine Gänsehaut über Dickys Rücken.

Arbeit? Psawh, welch ein Wort. Es ist überhaupt nicht in Dickys Lexikon zu finden.

Weshalb auch.

Dickys Eltern gehören zu den oberen Hundert Detroits. Ihr Bankkonto besitzt eine ordentliche Anzahl von Nullen am Ende.

Dicky ist noch jung, sonst hätte er sich bestimmt schon einmal Gedanken darüber gemacht, woher der Reichtum – das viele Geld – kommt. Seinen Eltern wurde bestimmt nichts geschenkt. Wie viele schlaflose Nächte, welcher Schweiß mag an dem Geld hängen, das Dicky mit vollen Händen ausgibt.

Sein Taschengeld ist bedeutend höher als der Monatslohn eines Vaters von einer vierköpfigen Familie. Und wenn dieses nicht reicht, dann hilft heimlich die Mutter ihrem »Sonny« aus. Er ist der einzige Sohn, und den soll man verwöhnen.

Obwohl Vater Samson oft über die Faulheit seines Sohnes schimpft, er ihm immer wieder Vorhaltungen macht, Dicky bleibt derselbe Faulenzer. Arbeiten will er nicht, nur Vergnügen und nochmals Vergnügen.

Well, das ist Dicky Samson, der verzogene Sohn eines Millionärs.

Dicky kann sich alles leisten, alles kaufen.

Und trotzdem bleibt er ein einsamer Mensch, denn das Einzige, was mit Geld nicht zu erwerben ist, ist Freundschaft – echte Freundschaft.

Die Menschen, mit denen Dicky verkehrt, suchen seine Freundschaft nicht uneigennützig. Sie sehen in dem schmalbrüstigen Fant mit dem aufgeblasenen Wesen und den schlechten Manieren nichts anderes als ein Werkzeug, mit dessen Geld sie sich allesamt amüsieren können.

Wehe, wenn Dickys Taschengeld einmal gesperrt würde. By Gosh, alle, die ihn im Augenblick wie Schmetterlinge umschwärmen, würden sich von ihm abwenden, denn im Grunde genommen verachten sie den bleichsüchtigen Dicky Samson.

*

Samson senior ist ein rast- und ruheloser Geschäftsmann. Ständig arbeitet sein Geld, er selbst ist Besitzer der größten Bank Detroits. Von der Detroit Evalcin-Zentralbank besitzt er bis auf einen kaum nennenswerten Teil sämtliche Aktien. Und auch sonst steckt er in verschiedenen gewinnbringenden Geschäften.

Wie allabendlich, wenn er nach einem anstrengenden Geschäftstag nach Hause kommt, wirft er einen kurzen Blick in den Park, wo lässig zwischen zwei Pinien Dicky auf der Hängematte schaukelt. Seit einer Woche ist das Dickys Platz. Vom Morgen bis zum Abend liegt er dort und starrt gen Himmel. Nicht einmal zu Tisch erscheint er, sondern lässt sich das Essen bringen. Eigentlich könnte Samson senior mit dem Sohn zufrieden sein, denn solange Dicky im Park bleibt, gibt er kein Geld aus und macht keine Dummheiten. Und doch beunruhigt ihn diese Tatsache. Es ist gegen Dickys Gewohnheit, den ganzen Tag still auf einem Platz zu liegen.

Irgendetwas ist geschehen.

Ich muss mir den Burschen einmal vorknöpfen, denkt der Alte und tritt auf die breite Marmorveranda.

»Hallo, Dicky!«, dröhnt sein Bass durch den Park. Erschrocken richtet Samson junior sich auf und starrt zu dem Rufer hin.

»Was gibt’s, Pa?«

»Komm doch mal in mein Arbeitszimmer.«

»Hast du etwas Besonderes?«

»Du wirst es schon sehen. Ich erwarte dich in einer Viertelstunde.«

»Gut.«

Mit gerunzelten Augenbrauen blickt Dicky hinter der hünenhaften Gestalt des Vaters her.

Als Dicky sich nach einiger Zeit erhebt, erkennt man erst, wie schmächtig der Bursche ist. Wie ein wandelndes Skelett schleicht er in gebeugter Haltung dem Hause entgegen.

Schmal und eingefallen sind seine Wangen, tief in den Höhlen liegen seine Augen.

Je näher Dicky dem Hause kommt, um so zögernder werden seine Schritte.

Ohne Zweifel. Samson senior hat recht. Mit Dicky stimmt etwas nicht. Wie der Junge dahinschleicht, verkörpert er das schlechte Gewissen in Person.

Und Dicky hat ein schlechtes Gewissen, ein verdammt schlechtes.

Vor einer Woche war er in einem Spielklub und hatte gespielt. Nicht etwa um einen Dollar oder zehn.

By Gosh, nein, im Flamingoklub geht es gleich um Hunderte und Tausende. Und Dicky hat dort mitgehalten.

Verbissen wie ein Fanatiker spielte er, setzte so lange sein Geld reichte, und als seine Taschen leer waren, tat er das, was sein Vater ihm niemals verzeihen wird. Er stellte Schuldscheine aus, in der Hoffnung, sein Geld zurückzugewinnen. Aber Fortuna stand auf der anderen Seite. Immer tiefer verstrickte er sich. Bald waren es 10.000, 20.000 und schließlich 50.000 Dollar.

50.000 Dollar! Mit einem Male erkennt Dicky, welcher Reichtum das ist.

Zehn Tage blieben ihm, um diesen Betrag aufzutreiben.

Zwei Tage lief er sich fast die Sohlen heiß, ging von Freund zu Freund. Doch keiner borgte ihm einen Cent. Überall das gleiche: »Bedaure, Dicky, aber im Augenblick bin ich selbst pleite. Versuche es doch mal bei Clinn.«

Bei Clinn war es auch nicht anders. Bei Patty Lerdey ebenfalls – Immer und immer wieder dieses Bedauern.

Die einzige Person, die ihm helfen konnte, war Betty Lourd. Die Lourds sind ebenso reich wie die Samsons, und Betty erzählte ihm einmal, dass sie 100.000 Dollar auf der Bank liegen hätte, über die sie jederzeit verfügen könnte. Betty Lourd würde bestimmt helfen, aber gerade diesen Menschen würde Dicky niemals anpumpen. Irgendetwas ist es, was ihn davon abhält.

Betty war immer so nett zu ihm, stand immer auf seiner Seite, auch wenn er im Unrecht war.

Nein, Betty Lourd kommt in keinem Falle in Frage.

Nach zwei Tagen gab Dicky es auf. Mit einem Male erkannte er, was überhaupt mit seinen Freunden los war. Nichts als Vamps waren es, Blutegel, die er mit seinem Taschengeld durchschleppte.

Angeekelt zog er sich in die Einsamkeit des Parkes zurück.

Er will keinen Menschen mehr sehen.

So ging es acht lange Tage. Tage, denen noch längere Nächte folgten. Und in keiner dieser Nächte konnte Dicky schlafen.

Heute ist der Stichtag. Ob man Vater schon angerufen hat? Nein, dann wäre er nicht so freundlich gewesen.

Vielleicht ist etwas anderes, vielleicht ein Ausweg.

Dieser Hoffnungsstrahl lässt unwillkürlich Dickys Schritte beschleunigen. Die Kühle des Vorzimmers nimmt den jungen Mann auf. Mit weit ausgreifenden Schritten wandert Dicky über die dicken, kostbaren Teppiche, die jeden seiner Schritte dämpfen. Kurze Zeit später steht er vor der großen reichverzierten Eichentür, die zum Zimmer des Vaters führt.

Einen Augenblick zögert Dicky und lauscht der Stimme des Vaters. Scheinbar spricht er gerade mit jemandem.

Ja, nun hallt auch eine zweite, bedeutend hellere Stimme auf. Leise öffnet der junge Mann die Tür einen Spalt weit.

»Aber, Persey, beruhige dich doch!«, hört er die Mutter sprechen. »Dicky ist bestimmt kein schlechter Mensch.«

»Dieser Taugenichts. Fünfzigtausend Dollar in einer Nacht zu verspielen. Erinnerst du dich noch. Vor dreißig Jahren, was haben wir da im Monat verdient? Mitunter waren es kaum dreißig Dollar, dabei hast du dich krummgeschuftet. Und wofür? Für deinen Sohn? Aus diesem Weichling wird niemals etwas oder vielleicht ein Verbrecher. Zeige mir die Schuldscheine des Klubs.«

Wie unter Peitschenhieben zuckt der heimliche Lauscher zusammen. Was sagt sein Vater? Aus ihm würde ein Verbrecher?

Geräuschlos zieht Dicky die Tür hinter sich zu und hastet den Flur entlang, springt drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hoch und verschließt sich in seinem Zimmer.

Dicky Samson junior fühlt sich zu Tode gekränkt. Immer wieder hämmert das eine Wort gegen seine Schläfe.

Verbrecher, Verbrecher!

Ho, dieser alte Geizkragen. Was sind fünfzigtausend Dollar für ihn?

In zwei Stunden kann er sie verdienen. Aber dem eigenen Sohn helfen, nein, das will er nicht!

Mit fliegendem Atem reißt Dicky den Koffer vom Schrank, wirft blindlings einige Kleidungsstücke hinein, nimmt sein letztes Geld, etwa dreihundert Dollar, und eilt wieder die Treppe hinunter.

Kein Mensch merkt, wie Dicky das Haus verlässt.

Der gekränkte Stolz Dickys lässt es nicht zu, noch länger als eine Minute mit dem Vater unter einem Dach zu wohnen.

Dicky Samson sieht nur die eine Seite. Es will ihm gar nicht einleuchten, wie recht sein Vater hat.

Was kann er denn? Worauf beruht denn sein ganzer Stolz?

Diese Frage stellt Dicky sich nicht, oder will sie nicht stellen.

Sein nächstes Ziel ist der Bahnhof.

Weg von hier, weg von all den Menschen, die ihn enttäuschten.

Da gerade ein Zug aus dem Bahnhof fährt, schwingt er sich kurzerhand auf den Perron.

In südwestlicher Richtung dampft das eiserne Ross aus der Stadt, einem fernen, unbekannten Ziel entgegen. In einer Ecke des Wagens hockt Dicky Samson, sein Inneres ist vollkommen in Aufruhr.

Er denkt an die harten Worte des Vaters, dann wieder an die Mutter. Sie besaß seine Schuldscheine, ohne ihm gegenüber ein Wort zu erwähnen oder eine Erklärung zu fordern. Oh, auch in ihr hat er sich getäuscht. Wie konnte sie sich an den Vater wenden.

Und wieder einmal betrachtet Dicky alles von seiner Perspektive aus. Dickys Mutter ist eine herzensgute Frau, die nur das Beste wollte. Deshalb wandte sie sich erst an den Vater, um ihn milde zu stimmen. Also wollte sie doch nur dem Sohn helfen.

Aber daran will Dicky nicht denken.

Auch nicht, welche Sorgen er den Eltern durch die Flucht bereitet.

Während er einem unbekannten Ziel entgegenfährt, sucht ein gebrochenes Mutterherz den Sohn.

Eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag. Im Haus, im Park, bei allen Freunden und Bekannten ihres Sohnes.

Aber Dicky Samson ist verschwunden.

Samson senior, der anfangs dachte, Dicky hätte sich aus Furcht vor der Strafe versteckt, ändert nach dem dritten Tag ebenfalls seine Meinung. Die besten Detektive der Stadt beordert er, seinen Sohn zu suchen. Eine Woche später hängen überall im Lande große Plakate, deren Bild Dicky Samson darstellt. 5.000 Dollar Belohnung werden für das Auffinden Dicky Samsons geboten.

Wochen vergehen, Wochen, die eine bangende Mutter um Jahre altern lassen, doch Dicky bleibt verschollen.

*

Bully gilt weit im Lande als Raufbold und Revolverheld ersten Ranges. Überall, wo er auftaucht, fließt gewöhnlich Blut.

Nicht das Blut Bullys. Der grobknochige Revolverheld kennt seine Stärke. An Schnelligkeit im Pistolenschießen ist ihm auf 500 Meilen kaum ein Mensch überlegen, und was die Kraft seiner Fäuste anbelangt – nun, Bully haut mit einem Schlag eine eichene Tischplatte durch.

Jeder im Lande fürchtet den bullenstarken Koloss, dessen Hände die Ausmaße eines Tellers und dessen lange behaarten Arme unverkennbar Ähnlichkeit mit den Muskelwülsten eines Gorillas haben.

Bully ist gut acht Fuß hoch und wiegt etwa 250 Pfund. Keine Unze Fett findet man an seinem Körper. Muskeln, nichts als Muskeln. Ein kurzes rotes Bartgeflecht umrahmt das Gesicht, aus dem eine verknorpelte Nase und hässliche, aufgeworfene Lippen hervorschauen. Eine breite, schlecht verheilte Narbe verläuft vom Haaransatz der linken Schläfe quer über die zerfurchte Stirn und endet unterhalb der Stirnhöhle. Vor Jahren wurde Bully vom Huf eines wilden Pferdes getreten. Daher das verunstaltete Gesicht.

Dieser hünenhafte Gorilla verkörpert die Hässlichkeit in einer Person. Gemein und abstoßend wie er aussieht, ist auch sein ganzes Wesen. Mit jedem sucht er Streit, und seltsam, obwohl jeder Mann zwischen dem Missouri und dem Arkansas River Bully und seine Gefährlichkeit kennt, dieser Raufbold findet immer wieder ein Opfer.

In Eldorado, wo Bully sich seit einiger Zeit aufhält, munkelt man, dass er mit den sich häufenden Überfällen auf einzelne Farmer oder Kaufleute in Verbindung zu bringen sei. Aber weder Sheriff Webb aus Eldorado noch Sheriff Patters vom Whichita-Tal hat dafür Beweise.

Bully kann man nichts nachweisen, obwohl er jeden Menschen anpöbelt und ihn zum Zweikampf fordert.

Nun, der Zweikampf ist im Westen keine ungesetzliche Handlung, solange der Überlebende als letzter zur Waffe greift.

Ein geübter Revolvermann wie Bully kann es sich leisten, dem Gegner den Vortritt zu geben. Von dieser Seite ist ihm nicht beizukommen. Manch braver Cowboy glaubte sich mit Bully messen zu können. Aber diese Männer liegen längst einige Fuß unter der Erde.

Am heutigen Nachmittag steht Bully an der hohen Theke Cowleys in Eldorado.

Seit Stunden schon brütet er vor sich hin. Mit der Regelmäßigkeit einer Uhr kippt er sich von Zeit zu Zeit einen doppelten Whisky in den Rachen.

Mit leichtem Unbehagen beobachtet der dicke Wirt seit einiger Zeit den einzigen Gast.

An den dicht zusammengezogenen Augenbrauen und der glühend leuchtenden Narbe Bullys erkennt Cowley, dass sein Gast ziemlich gereizt ist.

Bully sucht einen Streit, und wenn nicht bald etwas dazwischenkommt, wird er, Cowley, darunter zu leiden haben.

Deshalb atmet er hörbar auf, als die Pendeltür aufgestoßen wird und ein neuer Gast eintritt.

Doch sofort tritt ein Zug der Enttäuschung in sein Gesicht, als er den Neuankömmling mustert.

By Gosh, dieser klapprige Bursche, der sich durch die Tischreihen zur Bar schlängelt, ist bestimmt nicht das Objekt, an dem sich Bully vergreifen könnte. Überhaupt, der Jüngling mit der ungesunden Gesichtsfarbe trägt keinerlei Waffen, und seine zerschlissene städtische Kleidung macht nicht den besten Eindruck auf den Wirt.

Cowley bezweifelt, dass der Bursche überhaupt zahlungsfähig ist.

»Sie wünschen, Fremder?«, fragt er deshalb ziemlich unhöflich.

»Einen Whisky. Aber ein großes Glas, wie das da.« Dicky Samson, er ist der Fremde, deutet auf das hohe Glas Bullys.

»Können Sie auch zahlen?«

»Keine Sorge, Mann!«

»Gut!«

Cowley schiebt dem Burschen ein volles Glas hin. »Zum Wohle!«

»Danke!«

Erstmalig wendet Bully den Kopf und mustert mit stierem Blick Samson.

Ein widerliches Grienen gräbt sich in seine Mundwinkel.

»He, Baby, denke, du überlässt das Schnapstrinken Männern.« Wie dumpfes Grollen eines entfesselten Vulkanes kommen diese Worte aus Bullys Mund. Dumpf und dröhnend, ganz auf die schwere Gestalt des Mannes abgestimmt.

Dicky Samson scheint schon etliche Glas Whisky getrunken zu haben, denn erstaunt setzt er das Glas auf die Theke zurück und mustert den Hünen herausfordernd.

»Denke, Sie kümmern sich um Ihre eigenen Angelegenheiten«, erwidert Dicky und setzt das Glas abermals an die Lippen.

Bullys gewaltige Kinnlade sinkt vor Erstaunen herab, und auch Cowley reißt voller Entsetzen die Augen auf.

By Gosh, der schwindsüchtige Bursche hat eine scharfe Zunge. Mit einem Seitenblick zu Bully stellt Cowley fest, dass dieser sich langsam von der frechen Antwort des anderen erholt.

Die rote Narbe schillert plötzlich gelblich, und die Augenlider ziehen sich zu schmalen Schlitzen zusammen.

Unverhofft zuckt Bullys Hand zur Hüfte. Ein Feuerstrahl schießt seitlich der Theke hoch, das Glas in Dickys Hand zersplittert in tausend Teile. Cowley atmet auf. Bully hat es nur auf das Whiskyglas abgesehen.

»Sagte, du überlässt das Whiskytrinken Männern!«, grollt der Hüne und schiebt mit einem niederträchtigen Grienen die Waffe ins Halfter zurück.

»Und ich denke, Sie bezahlen mir einen frischen Whisky!« Drohend richtet Dicky sich auf und tritt dicht vor Bully.

Ein grotesker Anblick. Der schmalbrüstige Dicky Samson neben dem hünenhaften, kraftstrotzenden Bully, auf den wohl eher der Name Samson gepasst hätte.

»Scher dich weg, Baby!« Mit einer lässigen Geste stößt Bully dem jungen Burschen vor die Brust.

Wie eine Puppe fliegt Dicky quer durch den Raum und bleibt einige Sekunden benommen unter einem Tisch liegen.

Stöhnend richtet er sich auf.

Dickys Hirn ist so vom Alkohol umnebelt, dass er nicht die Gefahr bemerkt, in der er nun blindlings stürzt.

Wie zwei Windmühlenflügel drehen sich seine schmächtigen Arme, während er schimpfend auf Bully lossteuert.

»Du Abschaum der Menschheit!«, ruft Dicky wütend, »du hässliches Narbengesicht, das wirst du büßen.«

Jäh verändert sich Bullys Gesicht.

Sah er anfangs grienend dem Heranstürmenden entgegen, so liegt nun ein gefährlicher, gemeiner Ausdruck in seinen Augen.

Dieser kleine Affe hat ihn tief beleidigt. Macht sich lustig über sein verunstaltetes Gesicht.

By gove, das muss er büßen.

Urplötzlich schießen seine Hände vor, bekommen den Tobenden zu packen. Wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelt Dicky einen Augenblick in der Luft, ehe er hart auf der Tischplatte aufschlägt.

»Du kleiner Lümmel, dir werde ich es eintränken!«, grollt Bully heiser, und schon fährt die Rechte klatschend auf Dickys Hosenboden nieder.

Bei jedem neuen Schlag zuckt der junge Samson zusammen. Wild und hilfeheischend gellen seine Schreie. Doch niemand ist da, der ihm helfen könnte. Endlich lässt der Riese von ihm ab.

Wie angeekelt schleudert er den Jüngling vom Tisch. Stühle und Tische fliegen auseinander, und mitten in diesem Chaos landet Dicky Samson. Wimmernd, auf dem Bauch rutschend, sucht er den Ausgang. Solche Prügel hat er noch nie in seinem Leben erhalten.

Aber dieses hässliche Fratzengesicht soll es büßen.

Wilde Rachegedanken pulsieren durch Dickys Adern. »Ich brauche eine Waffe«, murmelt er unentwegt, rappelt sich taumelnd auf und hastet über die Straße.

Im Schaufenster des Stores sah er vor einer Stunde einen langläufigen Colt liegen. Sein ganzes Sinnen und Trachten gilt dieser Waffe, und sollte der letzte Dollar draufgehen.

Jewell, der Storebesitzer, wundert sich nicht schlecht über den Dreikäsehoch, der aufgelöst in seinen Laden stürzt und einen Schießprügel und Munition begehrt. Nun, die Geschäfte in Eldorado sind schlecht, und ein Colt kostet immerhin vierzig Dollar. Deshalb händigt er achselzuckend und ohne Widerspruch dem Jüngling die Waffe nebst der dazugehörigen Munition aus.

Dicky wirft das geforderte Geld auf den Tisch und stürzt wieder ins Freie.

»Büßen sollst du das, büßen«, lallt er und torkelt schwer angeschlagen über die Straße. Immer stärker nimmt der Alkohol von ihm Besitz. In diesem Augenblick weiß Dicky nicht, was er tut.

Krachend stößt er die Tür zum Saloon auf.

»Du Schuft!«, geifert er und schwingt wild die Waffe über dem Kopf.

Lässig wendet Bully sich um. Beim Anblick der Waffe ändert sich seine Stellung.

Kalt und gefährlich glitzern seine Augen.

Langsam sinkt die Rechte zur Hüfte, und plötzlich liegt wie hingezaubert ein Colt in der Pranke.