Alvaro del Portillo - Salvador Bernal - E-Book

Alvaro del Portillo E-Book

Salvador Bernal

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Beschreibung

Alvaro del Portillo, der als junger Student 1935 seine Berufung zum Opus Dei entdeckt, erweist sich schon bald als Stütze Josemaría Escrivás in den Anfängen des Opus Dei und wird nach und nach seine rechte Hand. Er bleibt es bis zum Tode des Gründers 1975. Ohne zu zögern verzichtet del Portillo auf eine glänzende berufliche Karriere, die ihm Begabung wie Ausbildung ermöglicht hätten. Nach Temperament, Naturell und Talenten sehr verschieden, ergänzen sich beide gleichwohl effizient und harmonisch. Gewählt an die Spitze des Opus Dei als erster Nachfolger Escrivás leitet Alvaro del Portillo das Werk bis zu seinem Tode 1994. In ihrer frühen Begegnung nur einen glücklichen Zufall zu sehen, wäre wohl zu kurz gegriffen. Salvador Bernals Lebensbild del Portillos, der 1992 von Johannes Paul II. zum Bischof geweiht wird, deckt die tieferen Gründe dafür auf, dass Don Alvaro an der Seite und als Nachfolger des 2002 heilig gesprochenen Gründers des Opus Dei ein Stück Kirchengeschichte mitschrieb.

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Alvaro del Portillo

An der Seite eines Heiligen

Salvador Bernal

Alvaro del Portillo

An der Seite eines Heiligen

Aus dem Spanischen von Gabriele Stein

Originaltitel: Recuerdo de Alvaro del Portillo

© Fundación Studium, Madrid 1996

Für die deutsche Ausgabe:

© Adamas Verlag, Köln 2014

Paulistraße 22, D-50933 Köln

www.adamasverlag.de

eISBN 978 3 937626 94 9

Inhalt

Vorwort des Verfassers

1 Ein unverhoffter Ruf

2 Ein christliches Zuhause

3 Jugendjahre

4 Interessen

5 Der Ingenieur

6 Der spanische Bürgerkrieg

7 In Madrid und von Madrid aus

8 Schwere ·Stunden

9 Priester

10 In Rom

11 Von Pius XII. zu Johannes Paul I.

12 Das II. Vatikanische Konzil

13 Der Tod des Gründers

14 Geistliches Erbe

15 Nachfolger eines Vaters

16 Eifer für die Seelen

17 Apostolische Expansion

18 Prälat des Opus Dei

19 Ein kluger und fordernder Hirte

20 Die Seligsprechung von Josemaría Escrivá

21 Kultur und öffentliche Meinung

22 Die Bischofsweihe

23 Das Wohlwollen Johannes Pauls II.

24 Marianische Zeit

25 Dank sei Gott

26 Die endgültige Begegnung mit dem dreifaltigen Gott

Vorwort des Verfassers

Am Morgen des 23. März 1994 starb in Rom der Prälat des Opus Dei, Bischof Alvaro del Portillo. Kurz nach neun erreichte mich die Nachricht in Madrid. Als ich davon erfuhr, schrieb ich gerade an einem Artikel für eine Madrider Tageszeitung, den ich am selben Nachmittag um fünf Uhr abliefern sollte. Inmitten der Arbeitsanspannung überkamen mich dieselben Empfindungen, wie ich sie auch am 26. Juni 1975, dem Todestag von Msgr. Josemaría Escrivá, gespürt hatte. Und ich schrieb ähnliche Worte, wie der Vergleich mit dem Zeitungsartikel Convertir las lágrimas en oración (Die Tränen in Gebet verwandeln), den ich fast zwanzig Jahre zuvor veröffentlicht hatte, zeigte.

»Man weint, wenn jemand stirbt, und man fühlt Schmerz, und das Herz betrübt sich, und alles wandelt sich in Bitterkeit«, so schreibt der heilige Augustinus in seinen Bekenntnissen. Er kannte die Widersprüchlichkeit im Herzen des Menschen sehr genau, und er wusste, dass unsere Sehnsucht nach Glück nicht durch die geschaffenen Dinge gestillt werden kann. Ich fand an jenem Morgen im März keine Worte, die meine Gefühle besser beschrieben hätten. Dieser Eindruck verstärkte sich, als mir bewusst wurde, dass ich das liebenswürdige Gesicht dieses Mannes nicht mehr wiedersehen würde, der unzählige Schlachten geschlagen hatte und doch mit vollen Händen Liebe verschenkte – eine Liebe, die immer jung war.

Ich hatte viele Stunden an seiner Seite verbracht: von 1976 an bis unmittelbar vor seinem Tod. Gemeinsam mit anderen verbrachte ich viele Sommer mit ihm: Zeiten der Arbeit und Erholung, die nichts mit den Tätigkeiten zu tun hatten, denen er in Rom üblicherweise nachging; und ich reiste relativ häufig in die Ewige Stadt, um mich diversen Aufgaben zu widmen, die der Prälat des Opus Dei mir übertragen hatte. Schon bald verspürte ich das Bedürfnis, den umgänglichen Charakter und die starke Persönlichkeit von Alvaro del Portillo ins Licht zu rücken, der immer im Hintergrund bleiben und nie aus dem Schatten des Opus-Dei-Gründers heraustreten wollte: als sein »Sohn und Nachfolger« in »vorbildlicher Treue«, wie es in dem Gebet zur persönlichen Verehrung heißt.

Im Oktober 1976 erschienen meine Apuntes sobre la vida del Fundador del Opus Dei (Aufzeichnungen über den Gründer des Opus Dei), die eine weite Verbreitung fanden. Wenn ich jetzt ein Buch über Don Alvaro del Portillo vorlege, möchte ich den Leser deshalb darauf hinweisen, dass ich seine Person auf der Grundlage meiner eigenen Erinnerungen und Erlebnisse beschreiben will, was die Erwähnung anderer objektiver Fakten und Sachverhalte natürlich nicht ausschließt. Meine Informationen gruppieren sich um entscheidende Momente in der Biographie von Don Alvaro und sind inspiriert und gestützt von Geschehnissen, deren Augenzeuge ich gewesen bin.

Noch ein weiterer Hinweis erscheint mir notwendig: Die folgenden Seiten setzen eine gewisse Kenntnis der Geschichte des Opus Dei und seines Gründers voraus. Ich beziehe nur diejenigen Details mit ein, die unverzichtbar sind, um meine Darstellung einzuordnen oder meine Eindrücke in einen Kontext zu stellen. Wo es möglich oder erforderlich ist, wird die persönliche Erinnerung durch qualifizierte Zeugnisse, einige Bücher und öffentliche Dokumente und schließlich durch autobiographische Notizen ergänzt, die sich – allerdings nur sehr mühsam – aus dem gewinnen lassen, was Don Alvaro selbst geschrieben hat. Wenn er von sich selber sprach, dann nur im Scherz oder wenn er nicht umhin konnte, seine Anwesenheit in einer bestimmten Situation zu erwähnen, um einen konkreten Charakterzug des Gründers treu und präzise wiederzugeben. Denn die Treue als menschliche und christliche Tugend, natürlich und heroisch zugleich, hat das Leben von Alvaro del Portillo ohne jeden Zweifel wesentlich geprägt.

Überdies habe ich versucht, einen Leitgedanken im Blick zu behalten, den ich im August 1976 – er war damals mit historischen Recherchen beschäftigt – von ihm selbst gelernt habe: Er wollte zeigen, wie Josemaría Escrivá im Laufe der verschiedenen Etappen seines irdischen Lebens in den göttlichen und natürlichen Tugenden gewachsen war. Einerseits hielt er es für wichtig, dies an konkreten Ereignissen zu veranschaulichen, wollte andererseits jedoch – vor allem mit Rücksicht auf die, die erst kürzlich zum Opus Dei gekommen waren oder den Gründer nicht persönlich gekannt hatten – nicht den Fehler begehen, sich auf anekdotische Begebenheiten zu beschränken, ohne die tiefe Heiligkeit seiner christlichen Antwort auszuloten.

Diese Vorsicht erweist sich auch in einem Buch über Alvaro del Portillo als unerlässlich, denn seine Existenz war von jenem Charisma der Normalität bestimmt, wie es die demütigen Menschen kennzeichnet, die den Gipfel der Vollkommenheit erreichen, ohne jemals etwas Außergewöhnliches oder Spektakuläres zu tun. Eines Abends im Jahr 1985 machte ich mir folgende Notiz: »Wieder ein ganz normaler Tag, erfüllt von Gebet, Arbeit und der typischen Heiterkeit, die man an Don Alvaros Seite immer verspürt.« Er verkörperte die laikale Spiritualität des Opus Dei so vorbildlich, dass man den Eindruck hatte, in ihm wäre ein Text lebendig geworden, den der heilige Josemaría Escrivá in Christus begegnen (148) über die Gottesmutter geschrieben hatte: »Maria heiligt das Allergewöhnlichste, sie heiligt, was viele irrtümlich für etwas ohne tieferen Sinn und Wert halten: die tägliche Arbeit, kleine Aufmerksamkeiten gegenüber den Menschen, die wir lieben, Gespräche und Besuche bei Verwandten und Freunden. Gesegneter Alltag, der erfüllt sein kann von so viel Liebe zu Gott!«

Wenn ich mir Szenen in Erinnerung rufe, die ich mit Don Alvaro erlebt habe, kommen mir so antithetische Formulierungen in den Sinn wie: natürliche Übernatürlichkeit, Heroismus im Alltag, außergewöhnliche Normalität. Ich bin aufrichtig davon überzeugt, dass die gewöhnlichen und normalen Umstände eines jeden Tages durch seine Art, der Gnade Gottes zu entsprechen, heilig – göttlich – geworden sind. Er verwandelte – um es mit den Worten des Opus-Dei-Gründers zu sagen – die tägliche Prosa in epische Dichtung. Für ihn war das alltägliche Leben, waren die kleinsten Dinge vom Pulsschlag der Ewigkeit durchdrungen. Und in alledem legte er eine tiefe Demut an den Tag, die aus Sanftmut und Selbstlosigkeit erwuchs. In ihm wiederholte sich das Paradox der Männer und Frauen Gottes, die sich zu verbergen suchen, damit allein Jesus ins Licht tritt – um es erneut mit den Worten des heiligen Josemaría zu sagen – und damit die Seelen den göttlichen Pfad seiner außerordentlichen Demut entdecken.

Seit seinem Tod ist nun schon einige Zeit vergangen. Alle, die ihn gekannt haben, sind sich einig: Alvaro del Portillo war zutiefst treu, ein guter und liebevoller Mensch. Wie es Stanislaw Dziwisz, der Sekretär von Papst Johannes Paul II., in seinem spontanen Kommentar zusammengefasst hat, als er die ersten Gebetszettel zur privaten Verehrung von Don Alvaro in polnischer Sprache erhielt: »Was war der Prälat für ein guter Mensch!«

Nie werde ich den Frieden und die Gelassenheit vergessen, die er ausstrahlte und einflößte und die ein offenkundiger Beweis seiner Einheit mit Gott waren. Ich möchte jedoch vermuten, dass diese Güte und Ausgeglichenheit – seine gewinnende Heiterkeit –, die er als älterer Mensch an den Tag legte, weniger seinem Temperament entsprachen als vielmehr die Frucht eines asketischen Kampfes waren, in dem ein energischer Charakter letztlich von Willensstärke, Vernunft und dem Gehorsam gegenüber der Gnade Gottes besiegt worden war. Ich habe versucht, dies auf den folgenden Seiten deutlich zu machen: Don Alvaro war – selbst unter den schwierigsten Umständen – überaus treu und ein Mann des Friedens mit einem aufgeschlossenen und festen Charakter, hohen Ansprüchen gegenüber sich selbst und großem Verständnis für andere. Diese Eigenschaften fügen sich zu dem Bild eines vorbildlichen Hirten im Dienst der Kirche zusammen.

1

Ein unverhoffter Ruf

Am 6. Juli war ich mit Don Alvaro zusammen; er war gerade aus Rom gekommen und wollte eine Zeit lang in Spanien bleiben. Am nächsten Tag sollte sich seine Admission ins Opus Dei zum 58. Mal jähren. Als wir darüber sprachen, sagte er – und es klang, als hätte er lange darüber nachgedacht:

»So viele Jahre! Ich werde Gott darüber Rechenschaft ablegen müssen! Wie sehr brauche ich eure Hilfe!«

Am darauf folgenden Vormittag nach der Messe dachten wir wieder an jenen 7. Juli 1935 zurück, als er im Studentenwohnheim Ferraz (Madrid) an einem Einkehrtag teilgenommen hatte, der von Josemaría Escrivá gehalten wurde. Don Alvaro wusste nicht mehr, um wie viel Uhr genau er um die Admission ins Opus Dei gebeten hatte, aber er wusste noch, dass es nach der zweiten Betrachtung am Vormittag gewesen war (damals war es üblich, dass der Gründer an den monatlichen Einkehrtagen vormittags drei und nachmittags zwei Betrachtungen hielt). Damit, bemerkte Don Alvaro schmunzelnd, hätte er sich noch vor seiner eventuellen Aufnahme ins Werk einen Schnitzer geleistet, denn der heilige Josemaría hatte gesagt, dass sie bis zum Nachmittag warten sollten … Doch »er hielt eine Betrachtung über die Liebe zu Gott und die Liebe zur Muttergottes, und ich war fix und fertig«.

Ähnlich lakonisch pflegte er sich über jene neue Unruhe zu äußern, mit der der Heilige Geist sein Herz erfüllte und – so fügte er hinzu – ihn dazu brachte, sein eigentliches Leben zu beginnen. Einmal erwähnte er, dass weder im Juli 1935 noch in den Monaten davor irgend etwas darauf hingewiesen hätte, dass der Herr im Begriff war, ihn zum Opus Dei zu berufen. Er war zwar in einem christlichen Umfeld aufgewachsen – er kommunizierte praktisch täglich und betete jeden Tag den Rosenkranz –, war aber kein Mann, der frommen Vereinen oder kirchlichen Organisationen zugeneigt hätte. Er selbst nannte diesen Prozess »die Geschichte des vertrauensvollen und beharrlichen Betens unseres Gründers, der seit etwa vier Jahren – ohne mich überhaupt zu kennen, nur weil eine meiner Tanten ihm von mir erzählt hatte – darum betete, dass der Herr mir diese so große Gnade zuteil werden ließ: nach dem Glauben das größte Geschenk, das Gott mir hatte machen können.«

Besagte Tante – die außerdem seine Patentante war – hieß Carmen del Portillo. Gemeinsam mit ihrer Schwester Pilar lebte sie in demselben Haus in der Calle del Conde de Aranda in Madrid, wo auch Alvaros Familie zuhause war. Die beiden tiefgläubigen unverheirateten Frauen besaßen eine eigene Hauskapelle mit schönen Statuen vom heiligen Josef und der Unbefleckten Empfängnis. Sie engagierten sich in verschiedenen Werken der Nächstenliebe und beteiligten sich vor allem an den Initiativen des Patronato de Enfermos, eines Krankenwohlfahrtsverbands der Damas Apostólicas. Sie standen in engem Kontakt zu dem 1985 seliggesprochenen Jesuitenpater José María Rubio, der der Stiftung von Luz Rodríguez Casanova nahestand. Schon bald lernten sie auch Josemaría Escrivá, den Hausgeistlichen des Patronato de Enfermos, kennen und erzählten ihm von ihrem Neffen. Von diesem Tag an betete er für ihn.

Alvaro lernte den Gründer des Opus Dei nicht durch seine Tanten, sondern durch Manuel Pérez Sánchez kennen, der gemeinsam mit ihm die Schule für Bauingenieure in Madrid besuchte. Manolo, der ein paar Semester weiter war, hatte es Alvaro ermöglicht, sich an den karitativen Tätigkeiten zu beteiligen, die die angehenden Bauingenieure und die Architekturstudenten bei den Vinzenzkonferenzen übernahmen.

Als Alvaro sich für diese apostolische Initiative interessierte, erläuterte Manolo ihm das allgemeine Konzept und erzählte ihm, dass es in der Pfarrei San Ramón (Puente de Vallecas) in einem Gebäude, das »La Acacia« hieß, eine Konferenz gebe, der einige ältere Personen und fünf oder sechs Studenten angehörten. Um neuen Schwung in die Arbeit zu bringen, hatte man eine weitere Konferenz geschaffen, die nur aus Jugendlichen bestand. Guillermo Gesta de Piquer, der dieser Gruppe angehörte, berichtet, dass die Pfarrei San Ramón praktisch in einem Elendsviertel lag, dessen Hütten aus Wellblech und Pappe bestanden. Die Vinzenzkonferenz half auf vielfältige Weise: mit Geldspenden, Essensgutscheinen, die in Geschäften eingelöst werden konnten, Medikamenten und medizinischer Versorgung.

Nach seinem Gespräch mit Manolo begann Alvaro an den Versammlungen teilzunehmen, die samstagnachmittags in der Zentrale der Konferenzen in der Calle de la Verónica stattfanden. Nach einer Zeit der geistlichen Lesung wurde über erzielte Erfolge und über Notstände berichtet, die man bei den Besuchen der vorangegangenen Woche festgestellt hatte; anschließend sprach man detailliert über die erforderlichen Maßnahmen bei der Betreuung der Personen oder Familien, die in den folgenden Tagen besucht werden sollten. Sie gingen immer zu zweit. Alvaro und Manolo gingen häufig gemeinsam, weil sie sich an der Ingenieurschule sehr leicht verabreden konnten:

»Vom ersten Augenblick an«, erinnert sich Manuel Pérez Sánchez, »konnte ich feststellen, mit welcher Hingabe Alvaro sich diesen Aufgaben widmete. Besonders auffällig waren sein Mitleid und seine Liebe zu den Kindern.«

Zu dieser Gruppe gehörten Angel Vegas, Alfredo Piquer, Guillermo Gesta de Piquer und sein Bruder, der selige Jesús Gesta de Piquer, der 1936 für seinen Glauben gestorben war; des Weiteren – die Angaben stammen von Angel Vegas Pérez – Carlos Valdés Ruiz, César Granda, Florencio Caballero, José María und Alfonso Chico de Guzmán, Marquis von Campillo, und sein Cousin Rafael Moreno. Sie waren Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen und taten ihre Arbeit in den Außenbezirken von Madrid bei Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen leben mussten, und in einem nicht selten kirchenfeindlichen Klima.

Angel Vegas Pérez, ehemaliger Professor an der Fakultät für Politik- und Wirtschaftswissenschaften der Universidad Central (Madrid), denkt noch gerne an jene Gruppe und ihren spirituellen und menschlichen Tatendrang zurück. Und er erinnert sich, wie überrascht er von Alvaro del Portillo war:

»Er besaß große menschliche und intellektuelle Autorität. Er war bei jener Arbeit mit den Bedürftigen wirklich vorbildlich. Ich sage, dass er mich überraschte, weil er einer der brillantesten Schüler unserer Schule und gleichzeitig ein sehr umgänglicher und einfacher Mensch war; sehr intelligent, fröhlich, gebildet, sympathisch, liebenswert und vor allem – und genau das erregte meine Aufmerksamkeit – zutiefst demütig, von einer außergewöhnlichen Demut, die Spuren hinterließ (…), Spuren der Herzlichkeit, der Güte, der Gottesliebe.«

Die äußeren Umstände waren damals nicht gerade erbaulich, wie mir Mercedes Santamaría berichtete, die viele Jahre im Haushalt der Del Portillos in Madrid angestellt war. Ich lernte sie in ihrem Zuhause in La Granja de San Ildefonso (Segovia) kennen; ihr Haar war schlohweiß und ihr Auftreten würdig. Sie war die Mutter von Carmen Fernández; Carmen wiederum war eine Schülerin meiner Mutter gewesen, die in La Granja Lehrerin war, und hatte bis zu ihrer Hochzeit im Haus meiner Eltern in Madrid gearbeitet. Als Señora Mercedes Jahre später erfuhr, dass ich Mitglied des Opus Dei war, sprach sie voller Zuneigung mit mir über Don Alvaro, »der jetzt in Rom beim Papst arbeitet«, wie sie immer wieder sagte, wobei sie mir stolz ein Foto zeigte, auf dem er und Josemaría Escrivá gemeinsam mit Johannes XXIII. zu sehen waren.

Mercedes hatte die dreißiger Jahre bei der Familie von Don Alvaro noch sehr genau im Gedächtnis. Besonders gut erinnerte sie sich daran, wie er eines Sonntags mit einer klaffenden Kopfverletzung und blutigem Jackett nach Hause kam. Der Zwischenfall ereignete sich – das belegen unterschiedliche Quellen – am 4. Februar 1934. Seine Eltern waren ausgegangen, und um die kleineren Geschwister nicht zu beunruhigen, sagte er nur, er sei gestürzt. Ihr schien das einleuchtend, denn an diesem Tag hatte es in Madrid geschneit. Als sie jedoch sah, wie tief die Wunde war, begleitete sie ihn zu einer Erste-Hilfe-Station in der Calle de Claudio Coello.

Die medizinische Behandlung war schlimmer als die Krankheit selbst – dieser Verdacht kam Mercedes, als der Sanitäter ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen ein Röhrchen, das er offen in seiner Tasche getragen hatte, in die Wunde einführte. Sie entzündete sich, und Alvaro hatte eine Zeitlang hohes Fieber. Er musste täglich von einem Arzt versorgt werden, und obwohl dies zweifellos schmerzhaft war, beklagte Alvaro sich nie.

Auch danach äußerte er sich nicht zu dem Vorfall, bis die Familie schließlich erfuhr, dass man ihn und einige seiner Freunde angegriffen hatte, als er zur Katechese in der Pfarrei San Ramón gegangen war. An jenem Sonntag hatte ihnen eine Gruppe von etwa fünfzehn Personen aufgelauert, um ihnen eine Tracht Prügel zu verpassen. Die Sache war von langer Hand vorbereitet worden, und auf den Balkonen standen Leute, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Alvaro wurde von einem Schraubenschlüssel hart ins Genick getroffen. Einem anderen rissen sie fast das Ohr ab. »Zum Glück gab es in der Nähe einen U-Bahn-Schacht«, erzählte Don Alvaro 1987 in Manila beiläufig. »Dorthin flüchteten wir, und im selben Augenblick kam eine Bahn. Wir stiegen ein, ich schloss die Türen, und wir entkamen.«

Gott bediente sich der Großzügigkeit, mit der der junge Alvaro sich in den Außenbezirken von Madrid für die Armen einsetzte, um ihn zum Opus Dei zu führen. An einem Tag des Jahres 1935 hörte er, wie sich drei oder vier seiner Gefährten miteinander unterhielten. Er wurde neugierig und fragte sie, wovon sie sprachen. Von Josemaría Escrivá und seiner apostolischen Arbeit, gaben sie zur Antwort. Daraufhin bat er sie, ihn ihm vorzustellen. Nach all den Jahren erinnert sich Manuel Pérez Sánchez noch genau, wie es damals war: Sie waren unterwegs zum Arroyo del Abroñigal, um eine bedürftige Familie zu besuchen, und kamen dort, wo heute der Barrio de la Estrella liegt, an einigen Weizen- und Gerstefeldern vorbei; an einem dieser Felder erzählte er Alvaro vom Gründer des Opus Dei – dem Vater, so nannten sie ihn einfach – und lud ihn ein, mitzukommen und seine Bekanntschaft zu machen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Alvaro ein solides christliches Leben geführt, jedoch weder regelmäßigen Umgang mit Priestern gepflegt noch jemals einen Hinweis auf eine mögliche Berufung erhalten. Das erste Gespräch mit dem heiligen Josemaría beeindruckte ihn tief, wie er 1975 in Rom erzählte:

»Dann fragte er mich: Wie heißt du? Bist du der Neffe von Carmen del Portillo? Sie war meine Patin, Schwester meines Vaters, die sehr alt geworden ist und dem Vater mit ihren Krankenbesuchen in den Armenvierteln von Madrid sehr geholfen hatte. Und da sie nicht nur meine Tante, sondern auch meine Patin war, hatte sie dem Vater erzählt, sie habe einen sehr gescheiten Neffen. Deshalb erinnerte sich der Vater an mich und an ein Detail, das meine Patentante ihm erzählt hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass ich als kleiner Junge sehr gerne Plátanos, Bananen, gemocht, jedoch Schwierigkeiten mit der Aussprache gehabt und daher immer Palátanos gesagt hätte. Deshalb fügte der Vater hinzu: Dann bist du also der, der so gerne Palátanos mag?«

Zwischen den Zeilen dieses anekdotenhaften Details, dieser denkbar kurzen Unterredung von knapp fünf Minuten spürte er, dass der Gründer des Opus Dei ihn ernst nahm. Er war sehr liebenswürdig und herzlich und gab ihm zu verstehen, dass er sich gerne länger und ausführlicher mit ihm unterhalten würde. Dann nahm er sein Notizbuch heraus, und sie verabredeten sich für vier oder fünf Tage später. Doch als Alvaro kam, war er nicht da.

»Er hat mich versetzt«, erzählte er Jahre später mit einem Schmunzeln. »Er war zu einem Sterbenden gerufen worden und konnte mir nicht Bescheid geben, weil ich ihm meine Telefonnummer nicht hinterlassen hatte.«

Dennoch hatte sich Alvaro das Bild jenes jungen Priesters tief eingeprägt. Und nach einiger Zeit, gegen Ende des Studienjahrs 1934/35, entschloss er sich, ihn erneut aufzusuchen. Er wollte sich vor den Ferien von ihm verabschieden.

»Er empfing mich, und wir unterhielten uns in aller Ruhe über viele Dinge. Dann sagte er zu mir: Morgen – es war Samstag – haben wir einen Einkehrtag; warum nimmst du nicht daran teil, ehe du in die Sommerferien fährst? Ich traute mich nicht, nein zu sagen, auch wenn ich nicht begeistert war, denn ich wusste nicht, worum es ging.«

Während dieses Einkehrtags im Wohnheim Ferraz erkannte er mit aller Klarheit einen göttlichen Ruf, den er nicht erwartet hatte, und entschied sich, sein Leben dem Opus Dei zu widmen. Der Gründer erklärte ihm, er müsse ihm dazu einige Zeilen schreiben. Das war mit Sicherheit das erste Mal, dass er sich mit den Worten lieber Vater an den heiligen Josemaría wandte.

»Ich schrieb vier Zeilen«, erinnerte er sich geraume Zeit später, »im Stil eines Ingenieurs. Ich sagte ungefähr: Ich habe den Geist des Werkes kennengelernt und möchte um die Admission bitten. Etwas in der Art.«

Vier Monate zuvor, am 11. März, war Alvaro 21 Jahre alt geworden.

Obwohl der Gründer in diesen Tagen des Jahres 1935 großen Belastungen ausgesetzt war, nahm er sich ausreichend Zeit, um ihn in den grundlegenden Aspekten der Spiritualität des Opus Dei zu unterrichten. Da er nicht an den Unterrichtsstunden teilgenommen hatte, die Josemaría Escrivá den jungen Leuten erteilte, wurde eigens für ihn ein Kurs eingerichtet, damit er die elementaren Bestandteile dieses Plans kennenlernte.

Alvaro seinerseits verschob seinen Sommerurlaub. Bis in den August hinein traf er sich mit seinen Eltern und Geschwistern in La Granja, während der Gründer in Madrid blieb. Die dort verbrachte Zeit nutzte er für das Apostolat unter seinen Freunden. Einigen von ihnen zeigte er das weite Panorama eines christlichen Lebens im Alltag, das die Spiritualität des Opus Dei ihnen eröffnete. Der eine oder andere entschied sich daraufhin ebenfalls, sich dem Opus Dei anzuschließen. In den Noticias des Monats September – hektographierte Blätter, die die Einheit derjenigen gewährleistete, die sich im Umkreis des Wohnheims Ferraz menschlich und geistlich bildeten – ist zu lesen, dass Alvaro »sich in La Granja mit Erfolg dem ruhmreichen Fischfang widmete, von dem der heilige Markus im ersten Kapitel seines Evangeliums spricht«.

Vom 7. Juli 1935 an lässt sich Alvaros Biographie mit wenigen Worten zusammenfassen: Treue gegenüber seiner christlichen Berufung im Opus Dei. Ihm war vom ersten Augenblick an bewusst, dass sein Ja zu Gott eine lebenslange Verpflichtung war:

»Herr, wie gut bist du! Wie gut bist du, dass du mich erwählt, dass du mich ohne irgendein besonderes Verdienst von meiner Seite unter so vielen Menschen ausgesucht hast!«, rief er in meinem Beisein im August 1991 in Barcelona aus.

Seine Beharrlichkeit war – ebenso wie seine Entscheidung – zutiefst frei und geriet auch dann nicht ins Wanken, wenn die Emotionen ausblieben oder menschliche Träume scheiterten. Am 50. Jahrestag seiner Zugehörigkeit zum Opus Dei bekannte Don Alvaro in aller Einfachheit, dass er diese Lektion schon in seiner ersten Zeit im Werk gelernt habe:

»Wie es am Anfang immer ist, schenkte der Herr mir neben einer tiefen spirituellen Freude auch eine spürbare Begeisterung für die empfangene Berufung. Im Laufe der Monate wurde dieses menschliche Gefühl schwächer und schwächer und machte einer übernatürlichen Sehnsucht Platz, die immer die Wurzel unserer Beharrlichkeit sein muss. Als ich unserem Vater davon erzählte, verstand er mich vollkommen und nahm das, was ich ihm anvertraut hatte, zum Anlass für einige Betrachtungen, die all seinen Kindern helfen sollten.«

Auf diese Weise – bestätigte Don Alvaro – entstand Punkt 994 im Weg: »›Meine Begeisterung ist verflogen‹, hast du mir geschrieben. – Du sollst nicht aus Begeisterung arbeiten, sondern aus Liebe: mit Pflichtbewusstsein, und das bedeutet Selbstverleugnung.«

Und in wenigen Zeilen fasste Don Alvaro die tiefe Bedeutung des göttlichen Rufs und der Antwort des Menschen zusammen:

»Es ist kein Gemütszustand, und es hängt auch nicht von der Gesundheit, der beruflichen oder der familiären Situation ab, in der man sich befindet. Über dem Wellengang unseres Lebens – mit seinen Höhen und Tiefen, seinen Schmerzen und Freuden – strahlt unsere göttliche Berufung immer wie ein Stern in der Nacht und weist uns unmissverständlich den Kurs, auf dem wir zu Gott gelangen können. Das ist es, was zählt, meine Töchter und Söhne. Das ist das Entscheidende. Alles Übrige, dass uns widerfahren kann, ist vorübergehend. Vergesst das nie!«

Er verkörperte die Lehre des heiligen Josemaría, der die Antwort auf den göttlichen Willen als eine Pflicht der Liebe ansah: Der Verliebte füllt den Tag mit Zärtlichkeiten, scheut weder Opfer noch Einsatz und lässt sich nicht auf Ausflüchte und Entschuldigungen ein. Seine Seele ist zwar glücklich, doch mit ihrem Einsatz für den Geliebten niemals zufrieden: schon gar nicht, wenn Gott das Ziel ihrer Liebe ist.

2

Ein christliches Zuhause

An einem Tag im Juli 1977, als sich beim Mittagessen alle bedienten, nahm Don Alvaro, ins Gespräch vertieft, außer dem üblichen Gemüse auch Kartoffeln. Als er es bemerkte, gab er sie an Joaquín Alonso und Florencio Sánchez weiter, die neben ihm saßen. Dabei fiel ihm ein, was seine Mutter zu ihm gesagt hatte, als er noch klein war. Alvaro hatte sich mit dem Mittagessen immer beeilen müssen, um rechtzeitig zum Nachmittagsunterricht in die Schule zu kommen. Schon im Aufbruch nahm er sich noch rasch etwas vom Nachtischteller seiner Mutter, die dann zu sagen pflegte:

»Deine Kinder werden dir auch einmal die Bissen vom Mund wegschnappen!«

Er hätte, wenn er an diese Szene zurückdachte, immer gemeint, seine Mutter habe sich geirrt, sagte Don Alvaro, und doch …

Sollano gehört zur Gemeinde Zalla im Baskenland. Dieser Ort wurde einst von zehn Brüdern beherrscht, von denen »jeder gleichermaßen zu bestimmen hatte« und deshalb immer mit »einer der zehn von Sollano« unterschrieb. So entstand der Name Diez de Sollano, Zehn von Sollano.

Clementina Diez de Sollano Portillo war hübsch und elegant und eine gute Christin. Sie war in Cuernavaca (Mexiko) zur Welt gekommen, wo ihre Eltern lebten, bis sie wegen der revolutionären Entwicklungen, die 1910 ihren Anfang nahmen, nach Spanien auswanderten. Sie behielt ihre mexikanische Staatsbürgerschaft und den sanften, weichen Akzent, der ihre Herkunft verriet. Einen Teil ihrer Ausbildung absolvierte sie in London an der Schule der Mägde des Heiligsten Herzens Jesu: Zum einen perfektionierte sie dort ihr Englisch, das sie zeit ihres Lebens gut beherrschte; zum anderen war dies vielleicht auch der Ort, an dem sie lernte, ihr Christentum gradlinig, flexibel und unsentimental, mit gesundem Menschenverstand und übernatürlicher Sicht zu leben. Sie war eine gebildete Frau, die gerne las, und zu ihrer bevorzugten Lektüre zählten Biographien und geistliche Literatur. Thomas von Kempen hatte sie stets griffbereit. Sie ging täglich zur Messe.

Ihr Sohn Alvaro hatte einige ihrer menschlichen Charakterzüge geerbt: seine aufgeschlossene und taktvolle Art im Umgang mit anderen; das Lächeln, das auch noch die energischsten seiner Entscheidungen begleitete; sein aufrichtiges Verständnis, das ihn daran hinderte, jemals schlecht über andere zu sprechen oder andere zu kritisieren. Und er erbte etwas noch viel Grundlegenderes: die Fähigkeit, die schärfsten europäischen Gerichte zu essen, ohne mit der Wimper zu zucken, denn sie reichten ja doch nie an das alte mexikanische Chipotle-Chili heran.

Das Rosenkranzgebet in der Familie prägte seiner Seele die Liebe zur Muttergottes ein, und von den Lippen seiner Mutter lernte er ein volkstümliches und unverfälschtes Mariengebet, das er täglich betete:

Liebe Mutter, sei mir nicht fern,

wende deinen Blick nicht von mir ab,

sei immer an meiner Seite,

und lass mich nie allein.

Und da du mich beschützt

wie eine echte Mutter,

schenk mir auch den Segen

des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Als Don Alvaro 1983 zu Besuch in Mexiko weilte, fühlte er sich dort sehr zuhause: »Auch wenn ich«, so scherzte er, »jetzt so ›knatternd‹ spreche; als ich klein war, habe ich genauso weich gesprochen wie ihr.« Und dann fügte er gutgelaunt hinzu, dass seine Großmutter ihm als Schlaflied immer die Nationalhymne der Republik Mexiko gesungen habe.

Auch im August 1977 bezog er sich auf seine mexikanischen Wurzeln, als er davon sprach, dass die Muttergottes – »als Ausdruck von Zuneigung, Vertrauen, Liebe« – in Asturien Santina genannt wird. In diesem Zusammenhang vertraute er uns an, dass er seine Mutter als Kind Mamasita genannt und später vom heiligen Josemaría gelernt habe, die seligste Jungfrau als Madre, Mutter, und sogar mit der Koseform Madrecita anzusprechen.

Einige Wochen zuvor, ebenfalls im Sommer 1977, hatte er – an den genauen Kontext erinnere ich mich nicht mehr – beiläufig ein heroisches Detail aus dem christlichen Leben seiner Mutter erwähnt. Obwohl ihre Seele zu zartfühlend war, um darüber zu sprechen, hatte ihr Sohn herausgefunden, dass sie sehr früh aufstand – gegen vier Uhr morgens, meine ich verstanden zu haben –, sich zur Abtötung mit kaltem Wasser wusch und dann eine Stunde lang betete. Don Alvaro brachte diese Einzelheiten mit Doña Clementinas Sorge um den Glauben eines ihr nahestehenden Menschen in Verbindung, den sie sehr liebte.

Ihr Ehemann, Ramón del Portillo Pardo, war in Madrid geboren und studierte Jura an der damaligen Universidad Central. Er arbeitete bei der Versicherungsgesellschaft »Plus Ultra« und war ein ordnungsliebender und arbeitsamer Mann, »in allem sorgfältig und korrekt«, wie sich seine Tochter Pilar erinnert, »sehr kultiviert und elegant; äußerst pünktlich und sehr exakt«. Seine hervorstechenden Charakterzüge waren Präzision, Genauigkeit und Ernsthaftigkeit. »Er war«, ergänzt sein Sohn Carlos, »in jeder Weise ernsthaft, aber nicht streng. Ich habe ihn in keiner Weise als spröde, steif oder kalt in Erinnerung.«

Dieser menschliche und liebenswürdige Mann hegte eine große Leidenschaft für den Stierkampf und für Bücher. Mit den Jahren ließ seine Sehkraft nach, was in der Familie offenbar erblich war, denn ich habe gehört, wie Don Alvaro einmal Folgendes von seinem Großvater erzählte: Er lebte in der Calle del Caballero de Gracia und ging häufig ins Real Oratorio an der Red de San Luis; eines Tages erzählte er seiner Frau sehr erzürnt, dass er von einer dieser Betschwestern angerempelt worden sei, die in die Kirche gehen, ohne die Augen aufzumachen … Daraufhin erwiderte sie:

»Ach, dann warst du das? Du hättest mich um ein Haar umgerannt!«

Clementina und Ramón lebten zu Beginn ihrer Ehe ebenfalls in der Calle del Caballero de Gracia. Doch schon bald zogen sie in ein größeres Haus in der Calle de Alcalá 75, das kurz vor der Puerta de Alcalá von Cibeles kommend auf der linken Seite liegt. Dort wurde Alvaro geboren. Fast genau gegenüber befand sich »El Sotanillo«, eine alteingesessene Schokoladenherstellung, die heute nicht mehr existiert, jedoch eng mit den apostolischen Aktivitäten des Opus-Dei-Gründers in den dreißiger Jahren verbunden ist. Später dann siedelten sie in das oberste Stockwerk eines anderen Gebäudes in der nicht weit entfernten Calle del Conde de Aranda Nr. 16 um. Sie hatten acht Kinder: Ramón, Paco, Alvaro, Pilar, Pepe, Angel, Tere und Carlos.

Alvaro kam am 11. März 1914 zur Welt und wurde sechs Tage später in der Pfarrkirche San José getauft; diese Kirche liegt in der Calle de Alcalá, genau am Anfang der Gran Vía de Madrid. Paten waren sein Onkel Jorge Diez de Sollano und María del Carmen del Portillo Pardo. Sie gaben ihm den Namen Alvaro José María Eulogio (letzteres war, gemäß einer damals in Spanien sehr weit verbreiteten Sitte, der Name des Tagesheiligen). Am 28. Dezember 1916 wurde er vom Bischof von Sigüenza, Eustaquio Nieto y Martín, in der Kirche der Unbefleckten Empfängnis gefirmt. In Spanien war es damals üblich, dieses Sakrament schon den kleinen Kindern zu spenden.

Am 11. März 1989, seinem 75. Geburtstag, zelebrierte Don Alvaro die Messe in der Prälaturkirche Unsere Liebe Frau vom Frieden. In der Predigt ließ er voller Dankbarkeit all das Gute Revue passieren, das Gott ihm im Lauf seines Lebens geschenkt hatte, und erwähnte dabei vor allem anderen die Tatsache, in eine christliche Familie hineingeboren worden zu sein und dort Frömmigkeit gelernt zu haben. Er erinnerte sich an Doña Clementina, »die mich eine besondere Liebe zum Heiligsten Herzen Jesu und zum Heiligen Geist und eine besondere Verehrung der seligsten Jungfrau unter dem Namen Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel lehrte.« Und er fügte hinzu: »Gott unser Herr wollte, dass ich ein Freund meines Vaters wurde, was mich zweifellos vor schlechten Freundschaften bewahrt hat.«

Mercedes Santamaría erzählte mir, dass Alvaro schon als ganz kleiner Junge besonders durch seine Kontaktfreudigkeit auffiel: Wenn sie mit ihm von der Conde de Aranda zu dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Retiro-Park spazieren ging, wurden die Leute oft auf ihn aufmerksam und sahen ihn an; mehr als einer fühlte sich veranlasst, ihn anzusprechen, und der Kleine antwortete ganz natürlich und schien die Unterhaltung gerne fortsetzen zu wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob Mercedes sich hier von ihrer verständlichen Zuneigung hat täuschen lassen. Jedenfalls erwähnte Don Alvaro selbst zuweilen, dass er ein schüchterner Junge gewesen sei: Er nannte dies beispielsweise als Grund dafür, dass er nicht wie sein Vater Anwalt werden wollte; ein anderes Mal spielte er darauf an, wie leicht er rot wurde … und manchmal berief er sich aus Bescheidenheit auf seine Schüchternheit – insbesondere dann, wenn er mit Nachdruck und Kraft zu Tausenden von Menschen sprach.

Schon früh begann er unter nicht unerheblichen Schmerzen zu leiden. Mit gerade einmal zwei oder drei Jahren wurde er von rheumatischen Anfällen heimgesucht. Nach dem Essen durften seine zwei älteren Brüder ein großes Glas Milch mit einem geschlagenen Eigelb trinken, während man ihm seine Medizin verabreichte. Neidisch und mit mexikanischem Akzent sagte er zu ihnen: »Was ihr für ein Glück habt: Ihr kriegt Eigelb und ich Sanatogén.« Sanatogén war ein Medikament auf der Basis von Salicylaten und hatte einen unangenehmen Geschmack. Offenbar beruhte die Krankheit bei ihm auf einer erblichen Veranlagung, denn viel später, als beinahe Zwanzigjähriger, litt er erneut unter Rheumaschüben. Der behandelnde Arzt hieß Dr. Gregorio Marañón. Pilar del Portillo erinnert sich noch an sein Rezept, vielleicht, weil es so originell war: gehackte Knoblauchzehen in Alkohol.

Seine Streiche und Dummheiten waren die eines normalen Jungen, und gelegentlich sah sein Vater sich gezwungen, ihn zu bestrafen. Doch Alvaro entwischte ihm: Manchmal stand sein Vater schon hinter ihm und streckte gerade die Hand aus, um ihn zu packen und zu bestrafen – da flüchtete sich der Junge blitzschnell unter den großen Tisch im Esszimmer.

Als er noch klein war, nahm Don Ramón ihn und die übrigen Geschwister an den Sonntagen mit in die Messe. Von ihrem Haus in der Conde de Aranda gingen sie zu der ganz in der Nähe gelegenen Kirche San Miguel y San Benito. Danach überquerten sie die Calle de Alcalá, um im Retiro-Park spazieren zu gehen, wo ihr Vater ihnen Pommes Frites und eine Limonade spendierte. Seiner Schwester Pilar zufolge, die nach ihm geboren wurde, war Alvaro ein sanftmütiges, fröhliches und einfaches Kind, ein bisschen pummelig, mit einem sympathischen und heiteren Wesen. Sie erinnert sich nicht, aus seinem Mund je eine Unwahrheit gehört zu haben. Dagegen erinnert sie sich sehr wohl an einige kindliche Streiche und später an viele mehr oder weniger lustige Scherze. Er war so fromm, wie man es in einer christlichen Familie eben war. Das Typischste an Alvaro war, so glaubt Pilar, über die Jahre hinweg seine Beständigkeit; sie ist davon überzeugt, dass er »sich im Grunde seines Herzens jene Unschuld, jene Einfachheit und jene aufrichtige Suche nach Gott bewahrt hat, die ihn schon als Kind geprägt haben«.

3

Jugendjahre

Alvaros menschliche und christliche Bildung erhielt in dem von den Marianisten geleiteten in der Calle Castelló Nr. 46 in Madrid ihre Abrundung.

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