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Mit Beginn des Apfelblütenfestes, traditionell im Mai, am Freitag nach Christi Himmelfahrt, nimmt ein unheilvolles Geschehen seinen Anfang. Ein skrupelloser Mörder mordet erbarmungslos Frauen im mittleren bis späteren Alter. Die Ermittler finden schnell heraus, dass die Damen eines gemeinsam haben - sie waren alle irgendwann in ihrem Leben, Apfelblütenkönigin beim Höchster Apfelblütenfest! Doch warum hat er es gerade jetzt, auf gerade sie abgesehen und ganz besonders auf die Älteren? Die Ermittler tappen anfangs im Dunkeln. Der Mörder mordet so schnell nacheinander, dass sie kaum Zeit zum Durchatmen haben. Es scheint, als habe er einen geheimen Plan, der diese vielen Tötungen erfordert, um ihn zu erfüllen. Anfangs ratlos, doch sehr engagiert und fast ohne Pause ermittelt das Team um Magda und lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. Sie tun alles, um den Mörder ausfindig zu machen und das Apfelblütenfest zu retten. Zum Glück unterstützt diesmal Wolfi ihre Ermittlungen mit seinen Profiler-Kenntnissen, denn plötzlich wird es persönlich für die Ermittler und ganz besonders für Ben. Die Spannung steigt kontinuierlich an, als Magda und ihr Team die Witterung aufnehmen, tatkräftig von Riesendackel Fränzchen dabei unterstützt, der von Herbert eifrig in Spurensuche trainiert wurde. Die Jagd führt von Höchst, nach Pfirschbach, Mümling Grumbach, Dusenbach nach Hetschbach und wieder zurück und wird immer mehr zu einem Wettlauf zwischen Mörder und Ermittlern. Hoffentlich schaffen sie es bald, ihn zu stoppen, denn seine Mordlust steigert sich mehr und mehr!
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2024
Birgid Windisch
Apfelblütentwist
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Die Kommissare des Höchster Polizeireviers:
1 - Freitag - der Anfang
2 - Verhängnisvoller Fund
3 - Schmerzhafte Entdeckung
4 - Das geheime Versteck
5 - Die erste Besprechung
6 - Auf dem Weg ins Revier
7 - Atempause
8 - Hitzige Beratung
9 - Die zweite Leiche
10 - Qualmende Köpfe
11 - Spurensuche
12 - Mörderische Pläne
13 - Es lebe der Twist!
14 - Verhängnisvolles Vertrauen
15 - Vergebliche Suche
16 - Auf dem Fest
17 - Eine Frau wird vermisst!
18 - Der Druck steigt
19 - Mörderische Auslese
20 - Kleine Luder
21 - Gefährliches Angebot
22 - Eine unpassende Gelegenheit
23 - Verhängnisvoller Streich
24 - Gedankenspiele und Sorgen
25 - Verhängnisvolle Entdeckung
26 - Versäumte Gelegenheit
27 - Seltsame Beobachtungen
28 - Im Krankenhaus
29 – Mallorca-Party
30 - Verzweifelte Suche nach den Vermissten
31 – Mördersuche
32 - Finsterer Plan
33 – Zeuginnen
34 – Auf der Suche
35 – Apfelblütenköniginnen-Challenge
36 - Krankenhausblues
37 – Gefangen!
38 – Herr über Leben und Tod
39 – Ein prima Kumpel
40 – Hilfsbereit
41 – Hilflos
42 – Präsentation
43 - Zusammenhalt
44 – Ein geliebter Ort
45 – Finaler Plan
46 – Die Gartenhütte
47 – Zweifelhafte Ehre
48 – Kurze Pause
49 – Düsterer Plan
50 – Verzweifelte Suche
51 – Zeitdruck
52 – Fränzchen, der Spürhund
53 – Das Floß
54 – Aufregende Verfolgung
55 – Showdown
56 – Apfelblütentwist
Das Höchster Apfelblütenfest,
Übrigens:
Danke….
Entschuldigung
Impressum neobooks
Birgid Windisch
Apfelblütentwist
MÜMLINGTALKRIMI
Für meine ehemaligen Kolleg/innen
der Sozialstation Höchst und für meine Klienten, die ich während meiner Dienstzeit betreuen durfte.
Es war mir eine Ehre!
Magdalena Wild, 54, manchmal unbeherrscht und wild, arbeitet perfekt mit ihrem Partner Ben zusammen, mit Namen Lieb. Deshalb werden sie oft verlacht als Wild und Lieb.
Ben Lieb 31, schüchtern, ruhig und ausgeglichen, verfügt über gutes Gedächtnis und gesunden Menschenverstand.
Herbert Büchler, 56, ruhig und besonnen, ist Leiter des SEK in Darmstadt. Er und Magda sind seit Steinbruchpolka ein Paar.
Eddie Appel, 41, Spusi, wirkt ein wenig naiv. Bei der Spurensuche ist er unübertroffen und findet das kleinste Haar.
Anne Klotz, 46, Spusi, ist ein alter Hase. Sie ist etwas schneller bei allem, als ihr etwas transusiger Partner Eddie, doch zusammen sind sie unübertroffen.
Susi Kullmann, Gerichtsmedizinerin, 35, klein und mollig, isst leidenschaftlich gern. Sie und Eddie sind ein Paar und haben zusammen die kleine Ronja, 1 Jahr.
Freddy Feller, Tatort-Fotograf, 41, immer gut gekleidet, lebt mit seinem Freund Adalbert zusammen Er ist groß, schlank und bekannt für seine Adleraugen. Wenn es auf Fotos oder Filmen etwas zu finden gilt, ist
Wolfgang Weber, genannt Wolfi, Computergenie, 35, hat dunkle Haare, ist 190cm groß und mager, oft zerstreut, weil er gedanklich technische Probleme wälzt. Er hat eine Zusatzausbildung zum Profiler und arbeitet, wo er gebraucht wird, meist in Höchst oder Erbach. Zeitweise geht das Gerücht um, dass er langsam am Stuhl festwächst!
Und das Fränzchen – Magdas Riesendackel - die Seele des Reviers!
Am Freitag nach Christie Himmelfahrt, dem traditionellen Beginn des Höchster Apfelblütenfestes, legte eine der vorjährigen, ehemaligen Apfelblütenköniginnen letzte Hand an ihre Frisur und ihr Makeup. Unzufrieden betrachtete Silvana ihr Gesicht und trat noch einen Schritt zurück, um ihre ganze Erscheinung im Spiegel anzusehen. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst und ihr Unvermögen, einem guten Essen, oder gar einem Eis, zu widerstehen.
Heute Abend würde eine neue, weitaus jüngere und wahrscheinlich hübschere Apfelblütenkönigin vorgestellt und gekrönt werden und sie, als frühere Königin, würde mit anderen verflossenen Königinnen, am Sonntag wieder einen kleinen Auftritt haben. Ob es nach dem Bieranstich wieder ein großes Feuerwerk geben würde? Oder war das nur beim 70. Jahrestag so gewesen? Ein wenig traurig war sie schon. Es war wirklich schön damals, als sie zur Apfelblütenkönigin gekürt wurde! Sie hatte ihre Krone mit Stolz und Würde getragen. Jetzt interessierte sich kein Mensch mehr für sie.
Das Dirndl war inzwischen ganz schön ausgefüllt und ihre Oberweite quoll etwas zu sehr aus der Bluse. Sie wusste, dass es bei einem Dirndl durchaus so gewollt war und Flachland nicht wirklich gut darin zur Geltung kam, aber ihr kam es so vor, als sei die Bluse doch etwas arg voll geworden.
Sie seufzte leise und schüttelte den Kopf über ihre Gedanken, die wild umhergaloppierten und nahm sich vor, sich nicht mehr ablenken zu lassen und lieber auf das zu konzentrieren, was heute auf sie zukam. Sie wollte, mit einigen anderen Ehemaligen, die Neue ein wenig einweisen und beruhigend auf sie einwirken. Sie erinnerte sich noch gut an ihre Aufregung im Frühjahr vor einigen Jahren, als sie selbst gekrönt worden war. Sie war froh gewesen, einige ihrer Vorgängerinnen noch ein Stück weit an ihrer Seite gehabt zu haben und genauso wollte sie es selbst nun auch handhaben. Am Sonntag, nach dem Festzug, bei dem sicher viele der bisher 70 Apfelblütenköniginnen mitliefen, oder gar in einer Kutsche fuhren, würde dann das Königinnentreffen sein, wo all die früheren Apfelblütenköniginnen von der Feuerwehr im Feuerwehrhaus verköstigt werden sollten. Danach war erst einmal Schluss! Na gut, nächstes Jahr würde sie zwar auch wieder am Königinnentreffen teilnehmen, nach diesem Fest war wieder ein Jahr Ruhe.
Sie zuckte nachdenklich die Schultern, ging die Treppe hinunter, um sich ihren betagten Eltern noch einmal zu präsentieren, bevor sie aufbrach zu ihrem Auftritt, denn als solchen betrachtete sie ihren Festbesuch. Seit ihrer Scheidung, vor einem halben Jahr, wohnte sie, mit ihren knapp vierzig Jahren, wieder bei ihren Eltern. Die waren, wie erwartet, total begeistert von ihrem Outfit. „Hauptsache mal keine Jeans“, meinte die Mutter mit lächelnder Miene. Dann durfte sie endlich gehen. Da sie später noch etwas trinken wollte, entschloss sie sich, zu Fuß zu laufen. Sie schlenderte vom Haus ihrer Eltern den Gehweg entlang, bis sie, nach der Einmündung zur Straße „am Taubenbrunnen“, in den Hermann-Kahn-Weg einbiegen konnte, der ziemlich steil, neben dem alt ehrwürdigen Kloster Höchst, nach unten führte. So gelangte sie am schnellsten zur Kreuzung an der Polizei und konnte von dort das Fest besuchen. Als sie sich auf dem abschüssigen Fußweg befand und schon fast unten angekommen war, hörte sie plötzlich ein Surren und fühlte eine schmerzhafte Berührung, fast wie von einem Bienenstich, am Hals. „Mama!“, dachte sie erschrocken, wie als Kind, wenn sie Angst hatte und unwillkürlich wollte ihre Hand zur schmerzenden Stelle greifen, doch bevor sie den Betäubungspfeil zu fassen bekam, war sie bereits bewusstlos. Zum Glück bekam sie nicht mehr mit, wie sie unter einen Busch gezogen, ihr hinterrücks ein Seil um den Hals gelegt und mit der Hebelwirkung eines Holzknebels zusammengezogen wurde. Durch ihre gnädige Ohnmacht fühlte sie nicht mehr, wie ihr Herz zu schlagen aufhörte.
Seufzend leinte Magda ihr erwartungsvoll zu ihr aufsehendes, schwanzwedelndes Fränzchen an. „Ja, ich beeile mich doch!“, erklärte sie liebevoll dem aufgeregten Hund, bevor sie ihrem Kollegen Ben noch einmal zuwinkte und das Polizeirevier verließ. Aufgeregt sah sich der Hund um, als sie über den Parkplatz hinter dem Revier liefen, den Kirchberg überquerten und durch einen weiteren Parkplatz, das Gelände des früheren CAP-Marktes erreichten. Hier fand der Hund reichlich Gelegenheit, das Bein zu heben an den zahl-reichen Bäumen und Büschen. Sie liefen langsam zur Frankfurter Straße hoch und bogen kurz danach in den Hermann-Kahn-Weg ein, um die kleine Runde abzuschließen und weiter unten, wieder zum Revier zu gelangen.
Das Apfelblütenfest war in vollem Gange, wie man, unschwer am Stimmengewirr und der Musik, mit dem rhythmischen Bass, erkennen konnte, die vom Marktplatz hochschallten. Dankbar registrierte sie auf dem Hinweg das Abnehmen der Lautstärke mit zunehmender Höhe. Kaum hatten sie den Weg zurück erreicht und waren an den ersten Häusern vorbeigelaufen, als der Hund sie wie verrückt zu einem Gebüsch, vor einem Grundstück im Hermann-Kahn-Weg hinzog. Nachsichtig ließ Magda die Leine locker, um ihn dort schnuppern zu lassen, doch damit nicht zufrieden, wollte der Hund unbedingt mitten in die Büsche springen. Magda jedoch, die nicht sehr sportlich war, hatte keine Lust auf einen ungraziösen Sturzflug, über den sich eventuelle Passanten schieflachen würden und hielt die Leine krampfhaft fest, doch der Hund zog derart, dass sie schließlich nachgeben musste. Mit aufgeregtem Gebell verschwand er im Blättergewirr und jaulte und japste, bis Magda sich zähneknirschend erbarmte und ihm gebückt folgte. Sofort fiel ihr Blick auf ein Paar weißbestrumpfte Beine. Das dazugehörige Dirndl war sittsam herunterzogen und bedeckte die Knie und Waden. Böses ahnend arbeitete sie sich bis zu Fränzchen vor, der schwanzwedelnd neben dem Kopf einer Frau saß, die mit weit offenen Augen in das Blätterdach über ihnen starrte. Ohne ihren Puls fühlen zu müssen, war Magda klar, dass die junge Frau keine ärztliche Hilfe mehr benötigen würde. Seufzend zog sie ihr Smartphone aus der Tasche und rief im Revier an. Fränzchen hatte sich brav neben die tote Frau gesetzt und schaute ihr dabei aufmerksam zu. Seine unerschütterliche Anwesenheit übte, wie immer, eine beruhigende Wirkung auf sie aus und dankbar streichelte sie ihm über den Kopf. Dann wartete sie auf ihre Kollegen und ließ dabei ihren Blick konzentriert über die Frau und ihre Umgebung wandern. Betroffen registrierte sie das Kränzchen im Haar, sogleich ahnend, was es bedeutete. Die Hände der Frau waren leer und auch um sie herum lagen keine persönlichen Gegenstände. „Wahrscheinlich hat der Mörder ihre Handtasche mitgenommen“, erklärte Magda ihrem Hund, der sie nicht aus den Augen ließ. Bald hörten sie schon lautes Keuchen vom Weg weiter unten, ein sicheres Zeichen, dass ihre, größtenteils unsportlichen, Kollegen nahten.
Als erstes erschien Eddie in ihrem Blickfeld, laut schnaufend, die schwere Ausrüstung hinterherziehend. „Ein Glück hat das Ding Rollen!“ Mit Schwung hob er den Koffer hoch und knallte ihn auf die Rückseite. Anne, die kaum außer Atem schien, schob ihn rigoros zur Seite und klappte den Deckel auf. „Was haben wir denn?“ Neugierig trat sie einen Schritt vor. Magda sah sie bedrückt an. „Ich glaube, wir haben hier eine der früheren Apfelblütenköniginnen vor uns.“ „Was?“ Mit einem Satz stand Anne neben dem Kopf der Frau und musterte mit Kennerblick das Kränzchen im Haar. „Du hast recht! Fast genau das gleiche hat meine Cousine getragen, als sie vor drei Jahren zur Apfelblütenkönigin gekrönt wurde.“ Mit zusammengepressten Lippen drehte sie sich um. „Das nehme ich persönlich!“ Magda nickte, schluckend. Eddie hatte bereits begonnen, die Spuren zu sichern und scheuchte Magda und Fränzchen beiseite. „Habt ihr wieder etliche Hinweise vernichtet?“ Wie immer war er die Freundlichkeit in Person. „Du Trampeltier musst gerade etwas sagen“, wies ihn seine Spurensicherungskollegin Anne zurecht, während sie mit triumphierender Miene ein schmutziges Damentaschentuch aufhob. „Das muss gar nichts bedeuten“, wandte ihr Kollege Eddie mürrisch ein. „Es wird langsam zur fixen Idee bei dir, mit all den Taschentüchern, die du jedes Mal am Tatort findest! Wir brauchen bald ein Extra-Zimmer dafür!“ „Wer kann, der kann!“, schoss sie grinsend zurück. „Du bist ja nur neidisch, weil ich einen besseren Blick dafür habe!“ Achselzuckend wandte sich Eddie um und reichte seiner ebenfalls heftig schnaufenden Frau, der Gerichtsmedizinerin Susi, die endlich oben angekommen war, die Hand. Sie zur Leiche ziehend, erklärte er ihr mit wichtiger Miene: „Hier ist deine Arbeit, mein Schatz!“ Er drückte ihr einen herzhaften Schmatz auf den Mund, da er sie an diesem Tag noch gar nicht gesehen hatte. Als er zur Arbeit aufgebrochen war, half sie anscheinend wieder einmal ihrer Schwester, Ställe auszumisten. Dafür hütete diese wahrscheinlich jetzt die kleine Ronja, die lebhafte kleine Tochter der beiden.
Betroffen ließ Susi den Blick über die Tote gleiten. „Ich kenne sie!“ Mitfühlend legte ihr Magda die Hand auf die Schulter. „Es ist eine gute Bekannte von mir, aus der Kindergartenzeit“, erklärte Susi leise. Sie überlegte angestrengt und legte die Stirn in Falten, dann hob sie aufgeregt den Kopf – „sie heißt Silvana Becker.“
„Der Nachname wird nicht mehr stimmen“, dachte Anne laut. Susi nickte zustimmend. „Denke ich auch. Sie wird wahrscheinlich inzwischen verheiratet sein.“ „Wer hat ihr das bloß angetan?“ Behutsam schloss Susi ihre gebrochenen Augen und betrachtete sie traurig. „Wir kriegen ihn!“ riefen ihre Kollegen wie auf Kommando und sahen sich grimmig an. Bisher hatten sie noch jeden Mörder gefasst und sie waren wildentschlossen, auch diesen zur Strecke zu bringen.
Der Mörder saß in einem fensterlosen Kellerraum, den er bei einer seiner nächtlichen Exkursionen zufällig entdeckt hatte, direkt neben dem Kloster und in unmittelbarer Nähe der Polizei. Wie gebannt saß er vor dem Bildschirm seines Laptops, den er vorhin mitgebracht hatte. Feixend beobachtete er die Kommissare durch die Wildkamera, die er am Zaun des früheren Grundstücks seiner verstorbenen Oma befestigt hatte. Er hatte sie kurzerhand mit der gleichen Farbe gestrichen, die er letzten Sommer für den Zaun verwendet hatte. Wie es der Zu-Fall wollte, wohnte sie genau gegenüber der Mordstelle, beziehungsweise des Leichenfundortes. Er grinste stolz. Natürlich hatte er vorher alles genau geplant und nichts dem Zu-Fall überlassen. Er hatte sozusagen die idealen Voraussetzungen für einen perfekten Mord geschaffen, seinen ersten! Und dass der Keller sich in unmittelbarer Nähe der Polizeidienststelle befand, bereitete ihm besonderes Vergnügen. Wahrscheinlich hatte er früher als Eiskeller gedient, entweder dem Kloster, oder dem Hotel Burg Breuberg. Damals, als es noch keine Kühlschränke gab. Er brummte verächtlich.
Diese blöden Schönheitsköniginnen bildeten sich wer weiß was auf dieses protzige Krönchen ein. Dabei waren sie auch nicht schöner als andere Frauen, nur eben mehr zurechtgemacht und angemalt bis unter die Haarwurzeln. Er zuckte abfällig die Schultern. Es tat ihm nicht leid. Um oberflächliche Larven war es nicht schade, fand er. Er zog ein Album aus der Schublade des uralten Schreibtisches, den er vom Sperrmüll im Herbst, im Schutze der Dunkelheit heruntergeschafft hatte und blätterte mit angespannter Mine darin. Ein hübsches Mädchengesicht von höchstens 17 Jahren lächelte ihm daraus entgegen. Unwillkürlich entspannten sich seine Gesichtszüge und er streichelte zärtlich über die Wange des zarten Gesichtchens. Sie hätte es weiß Gott eher verdient gehabt die Krone zu tragen, als all diese – er schrieb verächtlich Anführungszeichen in die Luft – „Schönheitsköniginnen“. Wahrscheinlich verfügten sie über reichlich Vitamin B, wie man nützliche Beziehungen im Volksmund nannte. Schönheit, dass er nicht lachte! Schönheit lag immer im Auge des Betrachters und durch die Missachtung der Jury hatten sie das Leben eines Menschen zerstört. Das Leben eines wertvollen, hoffnungsvollen, begabten und überaus attraktiven Menschen! Er stieß verächtlich die Luft aus. Sie würden schon noch merken, was sie davon hatten. Sicher hatten sie die junge Frau schon längst vergessen, die sich auf der dritten Seite, eines vergilbten Faltblattes aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, in einem gut geschnittenen Dirndl präsentierte. Vielleicht hatten alle dieses wunderschöne Mädchen lange vergessen, aber er, er – er würde sie nie vergessen! Niemals diesen Blick - diese ängstliche Hoffnung auf Anerkennung in den Augen, die grob zerstört wurde. Nie! Er klappte das Album mit einem Knall zu und warf es wütend zurück in die Schublade.
Jetzt war die Zeit endlich gekommen! Seine Zeit – ihre Zeit. Die Zeit, des Zahlens alter Schulden. Die Begleichung alten Schmerzes! Jetzt würden sie am eigenen Leib spüren, wie das war, wenn man keine Chance hatte, ha! Er würde es ihnen zeigen und sie den gleichen Schmerz um den Verlust eines geliebten Menschen spüren lassen, den er damals empfunden hatte und jetzt immer noch fühlte! Er zog sich die dicke Decke fest über den Kopf, um die feuchte Kälte auszusperren, die ihm allmählich in die Knochen drang, im vergessenen Raum, tief unter der Erde, bevor er sich seufzend aufmachte, um seine wichtige Mission fortzuführen.
Die Höchster Ermittler trafen sich zur ersten Besprechung im Mordfall Silvana Becker. Magda hatte, ausnahmsweise mit Susi, deren Eltern aufgesucht und erfahren, dass Silvana nach ihrer schmutzigen Scheidung wieder ihren Mädchennamen, Becker, angenommen hatte. Nichtsahnend hatten die betagten Eltern die Haustür geöffnet und verständnislos ihren Blick auf Susi ruhen lassen. „Willst du Silvana besuchen?“, wollte die Mutter wissen und sah Susi heftig den Kopf schütteln. „Aber was wollt ihr denn dann hier?“ Der Vater schob sich schützend vor seine Frau, als spürte er die Gefahr eines kommenden Unheils, vor dem er sie bewahren wollte.
Magda räusperte sich verlegen. „Nein, wir kommen zu ihnen. Bitte lassen sie uns erst einmal hineingehen und uns drinnen zusammen hinsetzen.“ Erstaunt wandten sich die Eltern um und leisteten automatisch Folge. „Wawawas issst dddenn passiert?“, stotterte die Mutter aufgeregt und Susi legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Frau Becker, bitte setzen wir uns doch in ihre Küche. Dort ist es gemütlicher.“ Die Frau nickte und ließ sich von ihrem Mann, steif wie eine Marionette, in die kleine Küche führen und auf die Eckbank niederdrücken. Fragend hob der Mann den Kopf, nachdem er sich auch hingesetzt hatte. „So, wir sitzen, rückt jetzt raus damit, was ist los?“ Bekümmert sah ihm Susi in die Augen. „Es geht um Silvana.“ „Was ist denn mit ihr?“; wollte die Mutter erregt wissen. „Sie ist nicht da, sie wollte zum Apfelblütenfest gehen, das fängt doch heute an. Sie sah so schön aus!“ „Ich weiß“, antwortete Susi bedrückt. „Leider ist sie nie dort angekommen“, schaltete sich Magda wenig taktvoll ein. Sie hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Kurz und schmerzvoll, war ihre Devise, so, wie man ein Pflaster abriss. Susi gab ihr einen heftigen Stoß. Frau Becker hatte in stillem Begreifen die Hände vor den Mund geschlagen, während ihr Mann dasaß, wie versteinert. „Was ist passiert?“; krächzte er laut und Magda sagte, nun leise: „Sie wurde Opfer eines Verbrechens.“ „Aber sie ist doch noch gar nicht lange weg, das muss eine Verwechslung sein“, wandte die Mutter ein. „Sag du doch was, Susi, du kennst sie doch. Sag, dass sie es nicht sein kann! Sie ist doch so ein lieber Mensch und hat niemandem etwas getan!“ Susi sah sie traurig und still an und die Mutter verstummte sofort. Haltsuchend fasste sie nach der Hand ihres Mannes, der die ihre nun so fest umklammerte, dass sie ganz weiß wurde. Doch die Mutter spürte keinen Schmerz. „Wissen sie, ob sie sich mit jemand Bestimmtem treffen wollte?“ Magda betrachtete teilnahmsvoll das entsetzte Elternpaar. „Mmmmmmiiiitt ddddden aaaaandddderrennnn AAAppfffellkkköniggggginnnnenn“, stotterte die Mutter mit weit aufgerissenen Augen. Magda nickte mit unbewegtem Gesicht und drang nicht weiter in die Eltern mit ihren Fragen. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, sie waren komplett von der Rolle und konnten sichtlich keinen klaren Gedanken fassen. Susi und Magda sahen sich an und nickten sich in stillem Einvernehmen zu. „Soll ich ihnen jemanden vorbeischicken? Freunde, Verwandte, einen Seelsorger?“ Magda sah die beiden fragend an. Automatisch schüttelten sie die Köpfe. „Das nutzt eh nichts, sie ist ja schon tot und wird davon auch nicht mehr lebendig“, murmelte der Vater tieftraurig und die beiden Ermittler sahen zu, wie ihm die Mutter zärtlich über die Wange strich. Magda stand auf, mit dem sicheren Gefühl, die beiden allein lassen zu können. Sie waren sich gegenseitig Trost und Stütze und sie war erleichtert, dass sie wenigstens einander hatten.
„Was geht nur in so einem kranken Hirn vor?“, wollte Susi erbittert wissen. „Nichts Gescheites jedenfalls, das steht fest“, erwiderte Magda betroffen. Susi fehlten die Worte und still rannen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie war froh, dass Magda ein Mensch war, mit dem man gut reden, aber auch genauso gut schweigen konnte. Sie fühlte sich verstanden und innerlich nah. „Sie war keine Böse, das war sie wirklich nicht. Ein wenig naiv vielleicht und eitel, aber ruhig und verträglich. Sie wollte so gerne gemocht werden und dachte damals, bei Jungs könne sie nur mit Schönheit punkten. Dabei wäre sie auch schon ohne ihr attraktives Äußeres liebenswert gewesen.“ Magda legte ihr fest die Hand auf den Arm. „Wahrscheinlich war ihr das nicht klar.“ Susi nickte voller Trauer. „Dabei haben ihre Eltern sie immer gelobt und unterstützt. Sie waren so stolz auf ihre schöne Tochter, dass sie anscheinend dachte, ohne schön zu sein, sei sie nichts wert.“ „Dabei war sie sogar Apfelblütenkönigin!“ Magda sah empört zu Boden und kickte wütend einen Stein beiseite. Ohne auf den Weg zu achten, waren sie die Frankfurter Straße hinuntergelaufen und eben im Begriff, das ehemalige CAP-Gelände zu durchqueren, auf dem verschiedene Erd- Schutt- und Steinhaufen lagerten und palettenweise Pflastersteine, als Magda einfiel, man hätte doch auch über den Herrmann-Kahn-Weg gehen und die Mordstelle noch einmal besichtigen können! Seufzend fügte sich Susi und heftig atmend erreichten sie noch einmal den Ort des üblen Geschehens. Wenn das Absperrband nicht im Frühlingswind geflattert hätte, wären sie wahrscheinlich versehentlich daran vorbeigegangen. „So ein friedlicher Ort!“ Magda sah sich aufmerksam um und betrachtete die Büsche, die den Weg auf einer Seite säumten. „Er hat ihr anscheinend hier aufgelauert“, meinte Susi nachdenklich und Magda runzelte angestrengt die Stirn. „Sehe ich auch so. Er muss von ihrer Absicht, das Apfelblütenfest zu besuchen, gewusst haben!“ Sie sah Susi aufmerksam an. „Muss nicht unbedingt sein“, meinte diese jedoch und tippte sich dabei mit dem Finger an die Nase. „Sie kann auch ein Zufallsopfer gewesen sein.“ „Ja, das könnte sie“, räumte Magda gedankenverloren ein. „Aber das glaube ich eigentlich nicht.“ Sie sah mit glänzenden Augen auf und Susi spürte, dass ihr Jagdtrieb bereits erwacht war. „Er wartete auf sie und keine andere, das spüre ich hier!“ Sie legte die Hand auf ihr Herz. „Du bist die einzige Kommissarin die ich kenne, die es im Herzen spürt und nicht im Bauch“, äußerte Susi lächelnd.