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Lene und Wernher glauben, einen alten Feind, aus dem 15. Jahrhundert entdeckt zu haben, verschweigen es aber zunächst, um Lenes Oma nicht zu beunruhigen. Das stellt sich als verhängnisvoller Fehler heraus, denn als sie sich in Sicherheit wähnen, bricht plötzlich das Unheil über sie herein und sie müssen eine schwere Bewährungsprobe überstehen.
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Seitenzahl: 213
Veröffentlichungsjahr: 2023
Birgid Windisch
Vereint im Odenwald
Gefährliche Zeit
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Impressum neobooks
Birgid Windisch
Vereint im Odenwald
Odenwaldabenteuer, Band, Nr. 4
Für Werner - in Liebe
Was bisher geschah:
Verloren im Odenwald: Lene, eine Frau unserer Zeit, fiel im Wald durch morsche Balken in ein Loch, wo sie auf Wernher traf, einen Mann aus dem 15. Jahrhundert. Er war von seinen Ziehbrüdern in eine Falle gelockt worden. Im ersten Band bestehen sie zusammen gefährliche Abenteuer in seiner Zeit und verlieben sich dabei ineinander. Da Wernher in der alten Zeit nichts hält, suchen sie einen Weg, zurück in Lenes Zeit.
Auf der Suche im Odenwald: In der neuen Zeit entdecken sie zufällig bei Recherchen im Internet, dass Wernhers totgeglaubte Mutter erst kurz nach Wernhers Zeitreise, durch gemeine Intrigen umgekommen war. Daraufhin suchen sie aufgeregt weiter und begeben sich schließlich zusammen wieder ins 15. Jahrhundert, wo sie bei dem Versuch, seine Mutter, Brida, zu retten aufregende Abenteuer miteinander erleben.
Gefahr im Odenwald: Zusammen beginnen sie ein Leben voller Liebe, bis sie einem gefährlichen Mann aus Wernhers Vergangenheit begegnen. Nacheinander geraten sie in Lebensgefahr und kämpfen mit aller Kraft um ihr Glück.
PS: Der 3. Band endet mit einer Vorschau, die erst in einem späteren Buch fortgesetzt wird.
Wo Odenwald und Spessart sich begegnen,
da lässt es sich ganz glücklich leben.
Natur, Geschichte, Wald und Glück
Hierher kehrt jeder gern zurück
Die Personen:
Lene - eine junge Frau unserer Zeit, die im Wald in ein Loch fällt, das von morschen Balken verdeckt war.
Wernher - ein Mann aus dem 15. Jahrhundert, zu seiner Zeit von seinen Ziehbrüdern in das Loch geworfen, mit der Absicht, ihn zu töten.
Michel-Josef (Michelchen) – ihr Sohn, inzwischen vier Jahre alt.
Helga - Lenes Oma, bei der sie nach dem Tod der Eltern aufgewachsen ist.
Horst - Ihr Lebensgefährte, der sie sehr liebt.
Jo und Michael - Lene und Wernhers Freunde, in der Nachbarschaft, die ihnen beistehen und Bescheid wissen.
Brida - Wernhers Mutter, die sie im zweiten Band aus Lebensgefahr retten und in die neue Zeit mitbringen
Gerda - Mutter Oberin aus einem Kloster, eine Urururur-urenkelin von Brida, die über die alte Zeit recherchiert, mit ihrer Freundin und Mitschwester Agnes. In ihrem Kloster gibt es eine Brida-Glocke, wodurch Wernher und Lene auf sie stoßen.
Anna - Schwester von Wernher, von der er nicht wusste, da sie erst nach dem Verschwinden seiner Mutter zur Welt kam. Sie wird im zweiten Band, zusammen mit ihrer Mutter Brida und ihrem Freund Aurelius, einem Mönch, der ihnen zu fliehen half, aus dem Kloster Lorsch. Sie heiratet ihn und be-kommt die kleine Katharina mit ihm.
Katharina - ihre Tochter, drei Jahre alt.
Ignaz - ein Knecht, aus der alten Zeit, der früher im Dorf Hausen, hinter der Sonne, unter anderem den Pfaffstangenhof bestellte. Er muss im dritten Band mit Lene und Wernher fliehen. Er heiratet in der neuen Zeit, Sandra und bekommt die kleine Ingrid mit ihr.
Willi - Wernhers Hund aus der Vergangenheit, den sie bei ihren Abenteuern in der Vergangenheit finden und retten in die neue Zeit
Melampus - eine sagenhafte Hündin, die auf der Starken-burg lebte und ihre Rettung ist und mit ihnen flieht.
Rosalinde - Wernhers treue Stute, die sie im dritten Band finden und bei der Flucht mitnehmen.
Lene und Wernher hatten vor kurzem Gerda und Brida an den Zug gebracht und sie mit gemischten Gefühlen wieder in ihr Kloster verabschiedet. „Ihr fehlt mir jetzt schon“, hatte ihnen Lene, mit Tränen in den Augen, gestanden. Wernher nickte, ebenfalls mit dickem Kloß im Hals. Das Leben war so gefährlich – es konnte jederzeit etwas passieren, das alles, was man liebte, vernichten konnte. Er blickte nachdenklich ins Leere. Ja, man konnte sogar sein Leben ganz schnell verlieren. Einmal nicht aufgepasst und schon war es vorbei, mit all den schönen Annehmlichkeiten, die diese Zeit bereithielt. Liebevoll ließ er den Blick zu Lene und dem Michelchen schweifen, welches diese zärtlich im Arm hielt. Seine beiden liebsten Schätze auf dieser Welt, für die er alles tun würde. Sogar töten, wenn es denn sein musste. Stirnrunzelnd dachte er an die schrecklichen Tage in der alten Zeit, wo genau dies vonnöten gewesen war und er diese Todsünde auf sich geladen hatte. Aber es hatte keine Alternative gegeben. Sonst wäre er selbst nicht mehr am Leben gewesen und was wäre dann aus Lene und dem Michelchen geworden? Er schüttelte den Kopf und Lene zog eben diesen, vorsichtig zu sich herunter, um ihm einen dicken Kuss zu verpassen. „Das musste jetzt einfach sein“, meinte sie, sichtlich zufrieden lächelnd. Wernher legte glücklich den Arm um seine beiden und drückte sie fest an sich. Das Michelchen öffnete die Augen und betrachtete ihn aufmerksam. „Gell, du guckst deinen Papa an?!“ Lene lächelte begeistert. „Einen tollen Jungen haben wir da auf die Welt gebracht!“ „Das will ich meinen!“ Wernher war sichtlich stolz auf seinen Sprössling. „Fahren wir heim, mein Schatz“, erklärte Lene und zog ihre Jacke über Michelchens Köpfchen. „Lange passt er nicht mehr in meine Jacke mit hinein“, murmelte sie dabei stirnrunzelnd und Wernher lachte glücklich und schob seine Frau zum Eingang des Schloss-Parkhauses hinein. Er zog ihr vorsichtig den Geldbeutel aus der Jackentasche, steckte den Parkschein in den Parkautomaten und zählte sorgfältig die Münzen ab, mit denen er die Maschine, nach deren Wunsch, fütterte. Er schob seine beiden Liebsten zum Aufzug hinein, der eben aufgegangen war und drückte die Taste U2. „Bald sind wir zuhause, mein Schatz“, erklärte er Lene dabei und zog sie aus dem Aufzug heraus, als er im gewünschten Stockwerk angehalten hatte. Lene stolperte mit ihrer süßen Last hinter ihm her, zu ihrem Auto, das sie dort abgestellt hatten. Wernher nahm ihr den Kleinen aus den widerstrebenden Händen und ließ sie schon im Auto Platz nehmen, während er den Kleinen im Kindersitz sorgfältig anschnallte. „Geschafft!“ Er tauchte mit rotem Kopf wieder aus dem Auto auf und schloss leise die hintere Tür, bevor er sich ans Steuer begab. „Da vorne hin, müssen wir, oder?“ Er deutete auf die Schranke. „Genau, Wernher. In das Ding da links, musst du das Parkkärtchen stecken!“ Sie nahm ihm die Karte aus dem Mund und deutete mit dem Kopf auf die Schranke, woraufhin er folgsam losfuhr und langsam zu dem besagten Kästchen, neben der Schranke manövrierte. „Was glotzt du denn so!“ Lene schaute den gaffenden Autofahrer, der anscheinend, rechts vor ihnen angehalten hatte und sie mit stechenden Blicken beobachtete, böse an, während Wernher das Kärtchen im Schlitz des Automaten versenkte. Als sich daraufhin die Schranke öffnete, lenkte er sofort das Auto hindurch und reihte sich, linker Richtung, in die Aufwärtsspirale ein. Wie Lene entrüstet feststellte, war es genau der weiße Van, in dem der Gaffer von vorhin saß. Jetzt drehte er sich sogar noch um und Lene deutete, zitternd vor Wut, auf ihn, um Wernher darauf aufmerksam zu machen. Sie warf Wernher einen Blick zu und stockte, als sie seinen starren Blick und die plötzliche Blässe bemerkte. „Was ist denn, mein Schatz?“ Sie sah ihn besorgt an. Richtig krank wirkte er auf sie. „Lass den blöden Depp doch. Er ist es nicht wert, dass wir uns derart aufregen.“ „Aber ich kenne ihn!“ Wernher raste mit quietschenden Reifen hinterher, nach links, über die Ampel an der Agatha-Kirche, gerade noch bei dunkelorange. „Spinnst du? Fahr vorsichtig, wir haben das Michelchen dabei!“ Lene fasste ihn fest am Arm. Zerknirscht drehte er sich ihr zu, als sie eben in die Unterführung einbogen. Hier durfte man eh nur dreißig Stundenkilometer fahren, worum sich dieser elende Hundsfott vor ihnen, jedoch leider nicht scherte. „Es tut mir leid, mein Schatz“, meinte er leise. „Mir dünkte, ich hätte Madern gesehen, den nichtsnutzigen Bruder von Hans von Bache.“ „Was?!“ Lene fuhr hoch, wie von der Tarantel gestochen. „Worauf wartest du, fahr ihm nach, gib Gas!“ „Aber hier ist doch dreißig!“ Empört warf er ihr einen Blick zu. „Woran sich diese Canaille vor uns, aber nicht hält, also los, fahr ihm nach!“ Das Auto tat einen Satz und sofort rückte der weiße Van wieder in ihr Blickfeld. Doch leider fädelten sich von rechts, zwei weitere Autos ein und sie verloren ihn nun endgültig aus den Augen. „Bist du sicher, dass es Madern war?“ Unsicher betrachtete Lene das immer noch blasse Gesicht ihres Mannes und dachte an all ihre Lieben, die möglicherweise, durch das Auftauchen dieses Mannes, in Gefahr waren. „Jetzt streiche diese Begebenheit erst einmal wieder aus deinem Kopf“, bestimmte Wernher ruhig. „Vielleicht sah er ihm nur ähnlich.“ Lene nickte beklommen und zog automatisch das Michelchen fester an sich.
Zuhause erzählten sie nichts von dem Vorfall, um Helga nicht zu ängstigen und taten, als ob nichts geschehen wäre. Es verging seither kein Tag, an dem sie sich nicht misstrauisch umsahen, wenn sie das Haus verließen, mit dem Auto unterwegs waren, oder einkaufen gingen. Egal, wo sie auch waren, hielten sie die Augen offen und beobachteten die Leute um sich herum. Irgendwann, morgens im Bett, stützte sich Wernher auf seinen linken Arm und sah auf Lene und das Michelchen hinunter. „Lene, wir müssen damit aufhören.“ Lene, die gerade am Stillen war, sah erschrocken auf. „Womit denn?“ „Mit dieser Angst!“, erklärte er nachdrücklich. „Ach so, du meinst, wegen diesem Madern?“ Fragend sah sie ihn an. Er nickte. „Hm“, machte Lene nachdenklich. „Aber wir haben das Michelchen und müssen es schützen.“ „Ich weiß“, antwortete Wernher unglücklich. „Aber wenn ich meine ganze Kraft für die Angst vergeude, habe ich keine mehr, wenn ich sie dann wirklich brauche!“ Lene dachte eine Weile nach. „Du hast recht. Wir dürfen uns von diesem elenden Kerl nicht ins Bockshorn jagen lassen und müssen unser Leben trotzdem leben und glücklich sein.“ Wernher nickte. „Wenn er nicht gesehen werden will, dann können wir noch so angestrengt nach ihm Ausschau halten – wir werden ihn den-noch nicht zur Kenntnis nehmen.“ Lene sah böse an die Decke. „Dieser Schweinehund versaut uns das ganze Leben!“ Bedrückt streichelte Wernher über ihr Haar. „Das dürfen wir nicht zulassen!“ Müde ließen sie die Köpfe aneinander rutschen und versanken in einen liebevollen Kuss. „Siehst du, das meine ich“, sagte Lene befriedigt. „Das kann und darf er uns nicht nehmen!“ Wernher nickte. „Nein, das schafft er nicht. Wir werden uns zwar vorsehen, aber nicht mehr in unseren Ängsten verlieren.“ Lene nickte lächelnd und nahm seine Hand. „Nein, das tun wir nicht. Außerdem gibt es immer noch die Möglichkeit, dass er einen Doppelgänger hat!“ Wernher lachte leise. „So eine Visage wünsche ich nicht meinem schlimmsten Feind!“ Lene kicherte hemmungslos. Und eng aneinander gekuschelt schliefen die drei noch einmal ein.
Mehr als vier Jahre später, feierten sie Helgas Geburtstag im Garten. Im Frühherbst war es oftmals noch so schön, dass sie bedenkenlos im Freien feiern konnten. Gerda und Brida waren auch da und in der Küche zugange, wo sie noch an einer Überraschung für Helga bastelten. Ignaz, mit seiner Frau Ingrid und der fünf Monate alten Sandra, Anna, mit Aurelius und der kleinen Katharina, die sich mit ihren fast vier Jahren schon gut ausdrücken konnte, waren auch eingeladen und alle freuten sich, endlich einmal wieder ein großes Treffen miteinander zu haben. Rosalinde, die auf der Wiese neben dem Haus graste, hatte heute Tag der offenen Tür und stand mit Willi und Melampus am Zaun parat, um die Gäste zu begrüßen. Das Pferd in der Mitte, die Hunde links und rechts von ihr. Adalbert, der Einzige der Welpen, den sie behalten hatten, saß neben den Gästen, um möglichst etwas Essbares abzustauben. Er liebte es, zu essen und leider sah man es ihm auch bereits ein wenig an. Wernher schüttelte missbilligend den Kopf, als er ihn am Tisch erblickte. Ignaz, der gerade mit seiner kleinen Familie den Garten betrat, entfuhr ein leises Prusten, woraufhin ihn Lene mahnend anschaute. „Lachst du uns etwa aus?“ Abwehrend hob er die Hände. „Das würde ich mir nie erlauben!“ Seine Frau Ingrid, der Hemmungen fremd waren, brach in lautes Gelächter aus. „Wie die heiligen drei Könige stehen sie da. Es fehlt nur noch Gold, Myrrhe und Weihrauch!“ Nun konnten Helga und Horst auch nicht mehr an sich halten und Lene und Wernher sahen sich zufrieden an. Es ging doch nichts über gut gelaunte Gäste. „Wo sind Gerda und Brida eigentlich?“ Wernher sah sich suchend um. „Die sind noch in der Küche und bereiten eine Überraschung vor“, erklärte Helga achselzuckend. „Dabei habe ich wirklich Kuchen genug.“ „Du kennst doch unseren gesegneten Appetit“, antwortete Lene lächelnd. „Stimmt auch wieder“, meinte Horst und drückte seine Helga auf die Sitzbank, damit sie endlich einmal zur Ruhe kam. Da sprang das Gartentor schon wieder auf und Jo, Michael, Anna und Aurelius mit ihrer kleinen Katharina, quollen fast gleichzeitig durch das schmale Törchen, was gar nicht so einfach war, da Jo einen strammen 8-Monats-Bauch vor sich herschob. „Eine fruchtbare Gesellschaft“, hörte Lene, Helga kopfschüttelnd murmeln. Ein schier unbezähmbarer Kicheranfall kündigte sich an und verging ihr erst, als sie einen Blick in Annas Gesicht warf, das blass wie ein Leichentuch wirkte „Was ist los, Anna?“ Wie der Blitz war Lene aufgesprungen und an deren Seite gehastet. Die brachte kein Wort heraus, was ein sehr seltenes Phänomen war. Eigentlich hatte sie so etwas noch nie erlebt, fuhr es Lene durch den Kopf. Die taffe Anna hatte vor niemandem Angst und war nie um deutliche Worte verlegen. Manches Mal musste sie sogar gestoppt werden, was meist Aurelius, seufzend, tat. Lene schüttelte sie leicht und sah ihr fest in die Augen, die langsam wieder lebendig wurden und ihren Blick erwiderten. „Es war Madern“, entfuhr es ihr stotternd. „Madern?“, gab Lene stirnrunzelnd zurück. „Kennst du ihn denn?“ Anna nickte mechanisch. „Ich habe ihn damals gesehen, als sie mich in der Starkenburg gefangen hielten. Er machte mit den Schergen gemeinsame Sache. Ein Menschenleben galt ihm nichts.“ Entsetzt betrachtete Lene die weitaufgerissenen Augen ihrer Schwägerin. „Bist du sicher?“ Anna nickte bekümmert und Lene ließ sich neben sie auf die Bank fallen und legte ihr den Arm um die Schulter. Inzwischen waren die anderen auch aufmerksam geworden. „Was ist denn passiert?“, wollte Helga besorgt wissen. „Wissen wir noch nicht genau“, warf Lene monoton hin. „Was meinst du denn damit?“ Misstrauisch stand ihre Schwiegermutter auf und baute sich vor ihrer Tochter auf. „Was ist los Anna?“ Mit leiser Stimme sagte diese wieder: „Ich habe Madern gesehen und das Schwein hat mir sogar noch frech zugezwinkert!“ Erschüttert schlug Lene die Hand vor den Mund. „Wir müssen etwas tun!“ „Aber was?“ Anna sah sie bitter an. „Wir wissen doch gar nichts Genaues!“ „Das stimmt allerdings. Dann war er es doch – damals, vor vier Jahren!“ Lene suchte Wernher mit ihrem Blick. Der nickte langsam. „Sieht ganz so aus.“ „Wieso, habt ihr ihn etwa damals bereits gesehen?“ Erregt sprang Brida auf und packte Wernher am Arm. „Ja, Mutter. Als wir euch vor vier Jahren, nach all den schrecklichen Erlebnissen zum Zug gebracht haben, war uns, als hätten wir ihn im Parkhaus gesehen und später auf der Straße vor uns.“ Er senkte beschämt den Kopf. „Leider ist er uns entwischt und wir beschlossen daraufhin, dieses Ereignis aus unserem Gedächtnis zu streichen und unser Leben weiterzuleben, denn sonst hätten wir nicht mehr aufgehört, ständig hinter uns zu schauen und überall Madern zu vermuten.“ „Aber das müssen wir sogar!“ Anna sah ihn wütend an. „Ihr hättet es uns sagen müssen!“ Lene räusperte sich laut. „Wir wollten euch nicht beunruhigen und dachten, wir hätten es uns nur eingebildet.“ Anna und Brida schüttelten missbilligend die Köpfe. „Trotzdem hättet ihr es uns sagen müssen!“ „Das ist mir jetzt auch klar“, murmelte Lene leise und Wernher legte schützend den Arm um sie. Er wusste, wie sehr sie Vorwürfe mitnahmen. Außerdem nutzten sie sowieso niemandem etwas. „Vielleicht hättet ihr aber auch gelacht und gesagt, dass sich junge Mütter gern Dinge einbilden“, hielt die Oma dagegen und Brida und Anna mussten zugeben, dass dies durchaus im Bereich des Möglichen lag. „Nun denn“, Horst sah alle bedeutungsvoll an, „dann wollen wir lieber nachdenken, ohne gegenseitige Vorwürfe, damit uns etwas Konstruktives einfällt.“ Helga lächelte ihn dankbar an. Er war immer auf Harmonie bedacht. Das mochte sie besonders gern an ihm. Alle setzten sich wieder und der Reihe nach, machte jeder einen Vorschlag. „Wir könnten Agnes anrufen“, meinte Lene zögernd. „Sie könnte noch einmal die Geschichtsbücher wälzen – nur zur Sicherheit, ob sich etwas verändert hat.“ „Eine gute Idee!“, lobte Brida und Wernher sah seine Frau lächelnd an. „Ich rufe sie gleich an!“ Gerda stand auf, ihre Schreibsachen schon in der Hand. „Bitte sag ihr, sie solle speziell nach Madern von Bache, Ausschau halten“, bat Lene schüchtern. „Mach ich!“ Gerda lächelte sie freundlich an. Wernher stand auf. „Von nun an, werden wir alle diesen Madern suchen.“ „Aber wie denn?“; klagte Jo verzweifelt. „Ich weiß doch gar nicht, wie der aussieht!“ „Hm“, da hat sie allerdings recht.“ Brida sah sie gedankenvoll an. „Anna, Wernher und Lene, was meint ihr? Wenn ihr euch zusammensetzen würdet und versuchtet, ein Phantombild zu erstellen – meint ihr, das bekommt ihr hin?“ Die drei genannten sahen sich unschlüssig an. Dann nickten sie, gleichzeitig, zögernd, sich dabei ansehend. „Ich male!“, verkündete Lene und warf sogleich mit schnellen Strichen, Maderns kantige Gesichtsform auf ihren Block. „Breiter!“, riefen Wernher und Anna wie aus einem Mund. Lene zuckte die Achseln und verbreiterte das Gesicht. „Kleine, verschlagene, braune Äuglein“, meinte Anna und schüttelte sich. „Eine breite, krumme Nase.“ Wernher deutete auf das Papier. „Und schmale, Lippen, kaum zu erkennen. Eigentlich nur eine Futterluke“, erklärte Anna. Lene folgte kopfschüttelnd ihren Anweisungen und erkannte staunend, kurz darauf das Gesicht des starrenden Mannes aus dem Parkhaus wieder. „Das ist er!“, riefen alle drei wie aus einem Mund. Brida beugte sich mit zusammengezogenen Augenbrauen darüber und nickte, kurz und knapp: „Ja!“ „Ein überaus hässliches Exemplar, männlicher Gattung“, mischte sich Helga ein. „Wie sah denn sein Bruder aus?“ Lene zuckte die Achseln. „Nicht ganz so hässlich, aber die Familienähnlichkeit ist nicht zu leugnen.“ „Gut, dass sie bei mir nicht durchgeschlagen ist.“ Dankbar grinste Wernher seine Lene an und die gab ihm eine leichte Kopfnuss. „Werde nur nicht gleich größenwahnsinnig, mein Schatz. Aber so einen, wie die beiden da, hätte ich mit der Beißzange nicht angerührt!“ Alle lachten. „Jetzt, wo wir wissen wie er aussieht, werden wir alle die Augen offenhalten.“ Wernher hing das Blatt an die Scheunenwand, neben der die Tische standen. „Vielleicht weiß er ja, wo wir wohnen und steht schon vorn am Tor!“ Anna war aufgesprungen, doch Aurelius war schneller und rannte vor, bis ans Hoftor. Heftig atmend stand er kurz darauf auf der Gartenmauer und ließ die Blicke von links nach rechts und wieder zurück gleiten. Dort zuckte er, für alle ersichtlich, die Achseln und kehrte wieder an den Tisch zurück. „Nichts zu sehen“, meinte er enttäuscht. „Was dachtest du denn?“ Anna schauderte sichtlich. „So langsam leide ich unter Verfolgungswahn.“ Sie schüttelte sich unwillkürlich, als wollte sie schlechte Gedanken vertreiben. „Bei Madern handelt es sich um einen bösartigen, bauernschlauen Artgenossen, der vor nichts zurückschreckt, aber gleichzeitig zur Feigheit neigt. Kurzum – er würde sich nie in Gefahr begeben!“ Wernher nickte, ihr beipflichtend, zu. „Er hatte schon immer ein sehr gutes Gespür für seinen eigenen Vorteil und ist ein ausgesprochener Egoist.“ „Scheinbar ein unangenehmer Zeitgenosse“, murmelte Brida müde und sah zu Gerda, die ihr mit strengem Gesicht zunickte. „Ich rufe Agnes an!“ Sie wählte bereits ihre Nummer. „Hast du etwas gefunden?“ Agnes war noch nicht einmal dazugekommen, ihren Namen zu sagen. „Hallo Gerda“, zwitscherte sie fröhlich. „Dir auch einen angenehmen Tag heute!“ Gerda rollte die Augen. „Wenn es nicht so wichtig wäre, Agnes, wäre ich auch freundlicher, aber so wie es aussieht, kann es richtig übel werden hier.“ „Entschuldige bitte“, antwortete Agnes zerknirscht. „Ich hab es nicht böse gemeint und wollte dich nur etwas auflockern.“ „Das ist dir gelungen“, antwortete Gerda trocken. „Noch einmal – hast du etwas gefunden?“ Zögernd antwortete Agnes: „Wie man es nimmt. Nichts Konkretes, aber eine kleine Erwähnung in der Vergangenheit, dass er das Erbe seines Bruders angetreten habe und auf der Suche nach dessen weiteren Reichtümern sei.“ „Mist!“, rief Brida und knallte ihre Tasse auf den Unterteller. „Das klingt nicht gut - gar nicht gut!“ Die anderen nickten bedrückt. „Behalte bitte seine Person im Auge, Agnes und lies jeden Tag nach, ob sich etwas verändert – bitte sei so gut!“ Sichtlich berührt von der gedrückten Stimmung, hörten sie Agnes antworten: „Aber natürlich mache ich das. Ich hätte es sowieso getan. Sollte sich also etwas ändern, rufe ich euch sofort an!“ „Prima!“, riefen alle, wie aus einem Mund. Und endlich konnten sie sich wieder der Geburtstagstafel widmen und die Köstlichkeiten genießen, die sie zusammen gezaubert hatten. Das verschlagene Gesicht, das aus dem Garten des Nachbarn zur Linken lugte, bemerkten sie nicht. Madern grinste zufrieden. Es war ein unerwarteter Glücksfall gewesen, dass der Nachbar eine Hilfe für seinen Garten gesucht hatte. Natürlich hatte er ihn sogleich eingestellt. Mit selbstgefälligem Gesicht zog er sich wieder zurück und kehrte halbherzig den Hof weiter, ohne den nachbarlichen Garten aus den Augen zu lassen. Sie würden schon noch merken, dass ihre sorglose Zeit vorbei war!“