Kurschattenwalzer - Birgid Windisch - E-Book

Kurschattenwalzer E-Book

Birgid Windisch

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Beschreibung

Als Magda Wild und ihr Team zu einem Mord im Kurpark in Bad König gerufen werden, finden sie einen bizarren Schauplatz vor. Einem Mann in den 60ern in Tanzkleidung, wurde die Kehle durchgeschnitten und ein Blumenstrauß hineingesteckt. In den toten Händen hält er ein Schild: "Ich bin ein Gigoloschwein und vögle verheiratete Frauen!" Die Ermittler ahnen noch nicht, dass das erst der Anfang ist. Als der zweite Mord geschieht, wissen sie, dass sie es mit einem Serientäter zu tun haben, der nach einem bestimmten Schema mordet. Aber wo sollen sie den Täter suchen? Eine fast unlösbare Aufgabe für die Ermittler! Aber sie lassen sich auch diesmal nicht entmutigen und geben nicht auf, bis sie endlich eine Spur haben....

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Seitenzahl: 217

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Birgid Windisch

Kurschattenwalzer

MÜMLINGTALKRIMI

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

E I N S

Z W E I

D R E I

V I E R

F Ü N F

S E C H S

S I E B E N

A C H T

N E U N

Z E H N

E L F

Z W Ö L F

D R E I Z E H N

V I E R Z E H N

F Ü N F Z E H N

S E C H Z E H N

S I E B Z E H N

A C H T Z E H N

N E U N Z E H N

Z W A N Z I G

E I N U N D Z W A N Z I G

Z W E I U N D Z W A N Z I G

D R E I U N D Z W A N Z I G

V I E R U N D Z W A N Z I G

F Ü N F U N D Z W A N Z I G

S E C H S U N D Z W A N Z I G

S I E B E N U N D Z W A N Z I G

A C H T U N D Z W A N Z I G

N E U N U N D Z W A N Z I G

D R E I ß I G

E I N U N D R E I ß I G

Z W E I U N D R E I ß I G

D R E I U N D R E I ß I G

V I E R U N D R E I ß I G

F Ü N F U N D R E I ß I G

S E C H S U N D R E I ß I G

S I E B E N U N D R E I ß I G

A C H T U N D R E I ß I G

N E U N U N D R E I ß I G

V I E R Z I G

E I N U N D V I E R Z I G

Impressum neobooks

E I N S

Birgid Windisch

Kurschattenwalzer

Mümlingtalkrimi, Band Nr.4

Birgid Windisch

Kurschattenwalzer

Ein Mümlingtal-Krimi

Für alle Bad König- und Mümlingtalfans

Die Frau des Frühstücks-Cafè-Besitzers zog verschlafen ihre Joggingklamotten an. Ein prüfender Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass es noch leicht dämmrig draußen war und die Luft diesig-grau. Sie zuckte die Achseln. Seit sie ihr regelmäßiges Laufpensum aufgenommen hatte, machte ihr schlechtes Wetter nichts mehr aus.

Eigentlich gab es sowieso kein schlechtes Wetter, fand sie, sondern nur unpassende Kleidung. Bei ihrem Zwiebellook, konnte sie nichts falsch machen. Sollte sie schwitzen, band sie einfach eine Jacke um die Hüften und schon war das Problem gelöst. Sie stopfte ihre langen, dunkelbraunen Haare unter ihre leichte Baumwollmütze, dann band sie die Bauchtasche um, steckte das Handy hinein und lief los. Wie immer startete sie am Bäckerladen und lief geradeaus, an der Therme vorbei, über die Straße, die den Übergang von der Elisabethenstraße in die Schwimmbadstraße markierte und folgte der Schwimmbadstraße bis zur Mündung zu >am Bahndamm<, wo sie sich nach der Einmündung zur Werkstraße, links hielt. Sie betrachtete das imposante Gebäude, das in diesem Jahr, neben einer Gärtnerei entstanden und genau gegenüber dem Eingang zum Minigolfplatz, an den Seen, gelegen war. Ein neues, großes Kurhaus, mit allen Schikanen, eine orthopädische Reha-Klinik für Menschen, die ein neues Knie bekommen hatten, oder sonstigen Gelenkersatz. Gleich daneben, anscheinend vom gleichen Träger, befand sich ein runder Flachbau, ein Seniorendomizil, da konnten sie gleich die, denen in der Gelenkklinik nicht mehr zu helfen war, aufnehmen und schön weiter abkassieren. Kopfschüttelnd dachte sie, dass es kaum zu glauben war, wie schnell der große Bau ausgelastet war. Dadurch, dass die Menschen immer älter wurden, verschliss ihr Körper natürlich auch mehr und der Markt für künstliche Gelenke, meist Knie, oder Hüfte, boomte. Dankbar glitt ihr Blick zu ihren eigenen Knien, die noch brav und treu, fast ohne zu mucken, ihren Dienst versahen. Demnächst, oder besser, irgendwann, wollte sie auf Nordic Walking umsteigen und sich einer Frauengruppe anschließen, die täglich im Park beim gemeinsamen Walken, etwas für ihre Gesundheit tat. Aber noch fühlte sie sich zu jung, um das Joggen ganz einzustellen. Sie war durch ihre Arbeit auch nicht so flexibel und wenn sie den Park verließ, begannen normalerweise die Damen erst mit ihrer Walkingrunde. Sicher konnte sie ihren Knien noch eine Weile zumuten, sie beim Laufen um die Seen zu tragen. Die erste Runde führte sie zu dem kleinen See, wo morgens die Vögel schon um diese Zeit ihr Frühkonzert anstimmten, das sie so liebte. In gleichmäßigem Trab umrundete sie den kleineren See und bog in den Weg zum großen See ein, wobei sie den Blick nicht vom Boden nahm, damit sie nicht in Enten- und Gänsekacke trat. Heute war der Weg zwar relativ sauber, weil die Brutzeit vorbei war und die Wasservögel meist am kleinen See brüteten, aber sie wollte kein Risiko eingehen, dafür waren ihre Turnschuhe einfach zu teuer gewesen. Als sie an einer der zahlreichen, weißen Bänke vorbeikam, geriet ein Fuß in ihr Blickfeld. Als sie, ohne sich etwas dabei zu denken, schon fast daran vorbeigerannt war, registrierte sie unbewusst, dass etwas daran seltsam war. Mit einem Ruck blieb sie stehen und hob den Blick. Ungläubig sah sie, dass der Fuß zu einem älteren Mann gehörte, der auffällig gut gekleidet war, mit einem dunklen Anzug und schwarz-weißen Tanzschuhen. Er saß zurückgelehnt da und hielt ein weißes Schild in Din-a-4-Größe in den weißen Händen. Automatisch entzifferte die Frau die großen Druckbuchstaben:

„ICH BIN EIN GIGOLO-SCHWEIN UND VÖGLE VERHEIRATETE FRAUEN!“

Dann erst bemerkte sie den Schnitt über der Kehle, mit den bereits getrockneten Blutflüssen, die sich ihren Weg am faltigen Hals entlang gesucht hatten und im Kragen des weißen Hemdes versickert waren - sah die bunten Blumen aus dem Hals ragen, als würden sie direkt dort herauswachsen und den entsetzten Gesichtsausdruck, die aufgerissenen, blicklosen Augen des Mannes. Als ihr lauter, panischer Schrei die Morgenluft zerriss, sorgte er dafür, dass die Enten und Gänse, die auf der Wiese mit den Köpfen unter den Flügeln geschlafen hatten, erschrocken aufflogen und ihrerseits laut aufschreiend gegen diese Ruhestörung protestierten.

Z W E I

Das Geschöpf:

„Brichst du deines Nächsten Herz, folgt irgendwann dein eigner Schmerz!“

Magda dehnte sich genüsslich und gähnte dabei laut. Automatisch tastete sie neben sich das Kopfkissen ab – nichts. Im Unterbewusstsein registrierte sie die außergewöhnliche Ruhe im Haus. Sie runzelte die Stirn. Wo war denn Herbert? Sie waren doch gestern tanzen gewesen. Sie hatten ein Tanzcafé in Bad König aufgetan – ein Geheimtipp von einer Bekannten. Etwas außerhalb auf der Höhe gelegen – Buchenhöhe, oder so ähnlich, hieß es. Gut besucht und doch genug Platz zum Tanzen da, so wie sie es liebte. Ein Lächeln trat in ihre Augen, als sie an ihre ersten Walzerversuche dachte. Herbert hatte sich gar nicht so blöd angestellt. Irgendwann hatte er zugegeben, dass er das Walzertanzen von seiner Mutter gelernt hatte. Es war wunderschön, in seinen Armen zu liegen und fühlte sich an wie Schweben. Sie lächelte verträumt. Langsam wurde sie wacher und sie versuchte sich zu erinnern, was sie irritierte.

Sie setzte sich auf und warf einen Blick nach unten, wo normalerweise ihr Riesendackel Fränzchen, mit dem Aussehen eines Rauhaardackels, nur überdimensioniert, links neben ihrem Bett, in seinem Körbchen lag. Jedoch, kein Fränzchen zu sehen. Aha, ihre Männer waren bereits unterwegs! Gut so, fand sie und freute sich, dass Herbert sie schlafen gelassen hatte. Ächzend quälte sie sich aus dem Bett. Waren all die schmerzenden Stellen gestern auch schon da gewesen? Plötzlich erklang laute Musik – Bohemian Rhapsody, ihr Lieblingslied, von ihrer Lieblingsband Queen. Hatte sie nicht frei heute? Natürlich! Herbert und sie hatten heute beide Bereitschaft und wollten sich einen Tag zusammen gönnen, von denen es sowieso viel zu wenige gab, weil sie beide in ihrem Beruf oft sehr eingespannt waren. Während sie mühsam die Beine aus dem Bett schwang, sang sie laut mit. „Easy come, easy go, little hight, little low – anywhere the wind blows, doesn´t really matters“, sie nahm das Gespräch an. „Magda Wild!“ Annes aufgeregte Stimme drang an ihr Ohr. Mit gequältem Blick hielt sie das Telefon ein Stück weit weg.

„Du weißt aber schon, dass ich heute frei habe“, sagte sie freundlich, mitten in die aufgeregte Tirade hinein. „Nicht frei, nur Bereitschaft“, erinnerte sie Anne hilfsbereit. „Ja, stimmt“, seufzte Magda resigniert, „man kann es ja mal versuchen!“

Anne lachte laut. „In unserem Beruf kannst du das glatt vergessen.“ „Wohl wahr“, stöhnte Magda müde. „Jetzt werde mal wach, Chefin!“ Eddie rief laut aus dem Hintergrund und Ben pflichtete ihm bei: „Du wirst leider gebraucht, Magda!“. „Hab schon verstanden“, murmelte sie mit düsterem Blick. „Darf ich erst noch frühstücken?“ Sie nickte Herbert vielsagend zu, der eben, eine Brötchentüte schwenkend, im Türrahmen erschien. Sie deutete auf das Telefon und zuckte resigniert die Schultern. Herbert lächelte ihr beruhigend zu und Fränzchen wedelte freundlich und drückte sich an sie, damit sie ihn besser streicheln konnte. „Wollen wir mal nicht so sein“, riefen die Kollegen großzügig wie aus einem Munde. Anne hatte anscheinend auf LAUT gestellt. „Na dann!“, rief Magda. „Wenn wir uns die Bäuche vollgeschlagen haben, kommen wir!“ „Wir?“ Die Stimmen ihrer Mitarbeiter füllten den Raum. „Ja, wir!“ Magda zwinkerte Herbert grinsend zu. „Sag bloß, du hast deinen SEK-Tänzer noch bei dir?“ Anne kicherte schamlos laut. Würdevoll antwortete Magda: „Und wenn? Mein Tänzer ist privat und verwöhnt mich gerne.“ „Ja, ja!“, hörten sie Eddies lachende Stimme aus dem Hintergrund. „Bring ihn mit“, ergänzte Ben ernst. „Vielleicht kann er etwas zu unserem aktuellen Fall beitragen.“ „Dann lasst uns jetzt endlich essen“, gab Magda gut gelaunt zurück. „Sonst dauert es nur umso länger. Ihr wisst ja, bei jungen, frischverliebten Paaren dauert das seine Zeit!“ „Alles klar, Chefin, obwohl frischverliebt kann man das bei euch ja inzwischen nicht mehr nennen!“ Anne legte mit einem Knall auf und Magda setzte sich kopfschüttelnd an den Frühstückstisch, wo sie von Herbert lächelnd erwartet wurde. Sie nahm die Wiesenblumen auf dem Tisch im Marmeladenglas, den gut bestückten Brötchenkorb, die Kaffeekanne und die lustigen Servietten, mit der Aufschrift: „Für meinen Schatz nur das Beste“ aufmerksam in sich auf und genoss das Gefühl, geliebt und verwöhnt zu werden, in vollen Zügen. Dann wandte sie sich ihrem Herbert zu: „Das ist so lieb von dir, mein Schatz“, flüsterte sie ihm zärtlich ins Ohr und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Er drehte ihr sein Gesicht zu und legte leidenschaftlich seine Lippen auf die Ihren, aufmerksam von Fränzchen dabei beobachtet. Magda kicherte glücklich und deutete auf den Hund. „Fehlt nur noch, dass er missbilligend den Kopf schüttelt!“ Herbert musste lachen und endlich fielen sie heißhungrig über ihr Frühstück her.

„Wo fahren wir eigentlich hin?“, wollte Herbert stirnrunzelnd wissen, als sie nach höchstens zehn Minuten im Auto saßen. „Nach Bad König“, antwortete Magda und schaute über die Schulter, ob sie alles dabeihatte, was sie für sie beide und Fränzchen brauchte. Alles da, registrierte sie automatisch, dann waren sie auch schon in Bad König angekommen. „Zum Kurgarten müssen wir“, bedeutete Magda ihm und Herbert bog kurz nach den Supermärkten am Ortseingang, rechts ab. Dort konnte man vor dem Kurpark mit den beiden Seen parken, in der Nähe einer Gärtnerei und einer Gastwirtschaft und einem neuen, großen Gebäude. Magda stutze - was war denn das? Mit zusammengekniffenen Augen registrierte sie einen neuen, großen Kurhausbau und linkerhand ein kleines, rundes Seniorendomizil. Die bauten sie neuerdings so, dass die alten Leute, immer im Kreis laufen konnten, wenn sie unruhig wurden. Sie schüttelte missbilligend den Kopf, dann stiegen sie aus und nahmen Fränzchen an die Leine. Sie nahmen den direkten Weg zum großen See, am Minigolfplatz vorbei, an dem großen Schild - mit dem darauf gemalten Mann in der Badewanne und der Möglichkeit, den Kopf durch ein Loch zu stecken und sich als Badendem fotografieren zu lassen -als Bad Königer - denn natürlich trug der Nackte eine Krone auf den Haaren. Nach der ersten Kurve sahen sie von weitem bereits die Kollegen um eine Bank herumwuseln. „Bleibt ja mit dem Fränzchen auf Abstand!“, rief Anne mit finsterem Blick herüber und Magda zuckte die Achseln, band den Hund aber an den nächsten Baum, wo dieser sich sogleich seufzend niederließ. Er war schon gewohnt, dass er an den Arbeitsplätzen von Magda nicht zu nah herandurfte. „Nicht, dass er uns wieder alles vollpinkelt“, brummte Anne mit zusammengezogenen Augenbrauen und hielt Magda und Herbert je einen Anzug und Handschuhe hin.

Stöhnend schlüpfte Magda in ihren Einwegoverall, während Herbert seinen in Sekundenschnelle übergezogen hatte und ihr die Hand hielt, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor beim Hüpfen auf einem Bein.

Zusammen gingen sie zur Bank, auf der sie schon von weitem eine sitzende Gestalt erkannten. Als sie danebenstanden, sah Magda schaudernd auf den alten Mann, mit einem Schild in der Hand und bemerkte den Schnitt an der Kehle, mit den Blumen in der Wunde. Herbert beugte sich interessiert darüber, während Magda unauffällig einen Schritt zurücktrat. Sie betrachtete Tatorte in letzter Zeit lieber nicht mehr so gern ganz aus der Nähe, sondern verschaffte sich lieber ein paar Meter weiter einen Überblick über das Geschehen. Herbert wandte sich zu ihr um und schüttelte den Kopf. „Manchmal denke ich, du hast nicht den richtigen Beruf, sonst würdest du nicht immer weiter auf Abstand gehen.“ Magda nickte ihm beklommen zu. „Nein, ich habe leider sogar genau den richtigen Beruf. So schlimm ich jeden Mord finde, so gut bin ich darin, den Mörder aufzuspüren und so lange das so ist, werde ich, muss ich sogar, weitermachen.“ Leidenschaftlich sah sie ihn an. Anne, die das Gespräch am Rande mitbekommen hatte, pflichtete ihr sofort bei. „Das finde ich auch und du wirst lachen, mir geht es genauso. Je mehr Leichen ich sehe, desto fester bin ich entschlossen, die Mörder zu fassen, die das Gesetz in ihre eigene Hand nehmen.“ Wild sah sie um sich. „Das geht einfach nicht und ob wir wollen oder nicht, wir müssen sie zur Strecke bringen. Wer soll es sonst tun, wenn nicht wir? Wir sind nun mal die Besten!“ Sie lächelte die Anderen ohne falsche Bescheidenheit an, die unwillkürlich zurücklachten und ihr zunickten.

„Hallo zusammen“, rief Magda laut. „Hallo Susi!“, sie lächelte der kleinen Gerichtsmedizinerin freundlich zu. „Ist er am Kehlschnitt gestorben?“ Susi richtete sich stöhnend auf. Sie hatte längere Zeit, über die Leiche gebückt gestanden und das Kreuz tat ihr weh. Am Tag zuvor hatte sie ihrer Schwester mal wieder beim Misten im Kuhstall geholfen und nun forderte die eher ungewohnte Arbeit ihren Tribut. Sich an den Rücken greifend, sah sie zu Magda auf, die auch nicht die Größte war, mit ihren 164 cm. „Er ist hier gestorben, denke ich.“ Sie deutete auf das blutgetränkte Hemd und die dunkle Hose. „An der Hose sieht man das Blut nicht so gut, aber sieh mal, wie steif der Stoff ist, von dem getrockneten Blut.“ Sie deutete auf die schwarze Hose. „Und hier unten sieht man nur noch einen eingetrockneten Fleck, der relativ groß ist, aber da das Blut in der Erde versickert ist, lässt sich nicht mehr feststellen, wieviel er verloren hat.“ Magda nickte zufrieden, „danke Susi“, dann drehte sie sich Anne und Eddie zu. „Habt ihr schon etwas herausgefunden?“ Eddie räusperte sich und wollte eben loslegen, als Anne bereits mit ihrem Wissen herausplatzte. „Wir haben das Schild eingetütet, das auf den ersten Blick aus Pappkarton besteht, wie zum Beispiel bei Umzugskartons üblich und mit einem dicken wasserfesten, schwarzen Filzstift beschriftet ist.“ Sie hob die Tüte hoch, in der sich das Schild befand. Magda entzifferte angestrengt die Worte: „ICH BIN EIN GIGOLO-SCHWEIN UND VÖGLE VERHEIRATETE FRAUEN.“

Sie schüttelte sich unwillkürlich. „Was ist denn das für ein abartiger Zeitgenosse!“ Eddie zuckte die Schultern. „Entweder ein betrogener Gatte, oder seine verärgerte Ehefrau.“ „Dann müsste sie aber schon sehr verärgert sein“, meinte Magda kopfschüttelnd. „Wer weiß,“ sinnierte Anne. „Ich könnte mir schon vorstellen, meinem Mann Feuer im Hintern zu machen, wenn er mir Hörner aufsetzen würde.“ Ben grinste aus dem Hintergrund. So kannte und mochte er seine Kollegin, die er heimlich verehrte. „Hast du deshalb noch keinen festen Freund?“, wollte er feixend wissen. „Ach du“, meinte Anne wegwerfend. „Du musst doch nicht alles wissen. Vielleicht stehe ich ja auch auf Frauen?“ „Du?“ warf Eddie lachend ein, „eher frieren die Kur-Seen im Sommer zu.“ Anne gab ihm einen kräftigen Schubs und Magda und Susi warfen sich einen wissenden Blick zu. Sie kannten ihre Kollegen, die ihre Betroffenheit gerne hinter ihrer Schnodderigkeit versteckten. Magda räusperte sich, woraufhin sie alle erwartungsvoll ansahen. „Wenn ihr hier fertig seid, treffen wir uns im Revier, in ungefähr“- sie sah auf die Uhr – „drei Viertelstunden. Schafft ihr das?“

„Klar Chefin,“ riefen die drei im Chor. Drei? Magda sah sich suchend um. „Wo ist eigentlich Freddy?“ Anne deutete vage über den See. „Er wollte von dort drüben noch ein paar Fotos schießen. Du kennst ihn doch, er muss den Tatort von allen Seiten beleuchten und jetzt, wo er das neue, superscharfe Objektiv hat, mit dem er einen Floh in einem Kilometer Entfernung filmen kann, natürlich erst recht.“ Sie lachte und die anderen fielen zustimmend ein. Freddy war wohlbekannt für seine umfangreichen Tatortfotos, auf denen er schon oft, bei der späteren Sichtung, manch wichtiges Detail entdeckt hatte, das zur Lösung des Falles entscheidend beitrug. „Dein SEK-Schatz ist übrigens bei ihm, wie ich sehe“, ergänzte Ben und deutete über den See. Magda kniff erschrocken die Augen zusammen und erkannte Herbert neben Freddy auf der anderen Seeseite, der ihr lächelnd zuwinkte. Sie hob beide Arme und winkte zurück. Vor lauter Leiche, hatte sie gar nicht mehr an ihn gedacht. Sie schämte sich. „Dann geh ich mal rüber zu den beiden und sage ihnen Bescheid, meinte sie leise und Ben, der ihre Gedanken oftmals lesen konnte, weil er sie schon lange kannte, legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Macht doch nichts Magda. So eine üble Leiche kann einen schon aus dem Konzept bringen und ablenken.“ Magda lächelte ihn erleichtert an.

Der liebe Ben und die wilde Magda, waren schon durch ihre Namen überall bekannt und ergänzten sich, nicht nur dadurch, vorzüglich. Sie wandte sich nach rechts und lief den Weg weiter, bis sie auf der anderen Seeseite bei Freddy und Herbert angekommen war. „Hallo ihr Beiden, habt ihr noch etwas gefunden?“ Freddy nahm die Kamera herunter und strahlte sie an, während Herbert sie schnell verstohlen auf den Mund küsste. „Moin Chefin! Ich hab einfach mal vorsichtshalber, wie immer, ganz viele Bilder gemacht und dabei einen Fußabdruck in einem Entenkackehaufen entdeckt.“ Magda lachte laut auf. „Hab das Bild unseren beiden Spusi´s geschickt, damit sie es irgendwie eintüten, oder einen Abdruck machen können.“ Alle drei brachen in unkontrollierbares Kichern aus.

„Na, da bin ich mal gespannt, wie sie das hinbekommen“, japste Magda und wischte sich die Lachtränen mit Herberts Taschentuch ab, das er ihr hilfsbereit hingehalten hatte. „Ich auch,“, riefen die beiden Männer gleichzeitig lachend.

„Ich wollte euch eigentlich holen, damit wir ins Revier fahren, aber nun müssen Anne und Eddie erst noch ihre Kacktüten auspacken“, Magda hob die Hand und schwenkte eine Hundekacktüte, von denen sie immer einen ausreichenden Vorrat einstecken hatte. „Ich hätte ihnen gerne ausgeholfen.“ Herbert bekam einen unkontrollierbaren Lachanfall und Freddy konnte auch nicht mehr an sich halten. „Endlich sind die Dinger, die du in jeder Jackentasche hast, zu etwas gut!“ Magda zuckte die Achseln. „Ich sag dir doch immer, dass ich sie brauche und voila, schon würde sich eine Gelegenheit bieten – wenn sie nicht erst noch einen Abdruck davon machen müssten!“ „Als ob es hier keine Tüten gäbe“, brummte ihr ordentlicher Herbert leise lächelnd und deutete mit dem Kopf auf den neben ihm stehenden Kacktütenspender. Magda lächelte ihn liebevoll an.

„Dann macht ihr mal weiter, ich laufe derweil mit Fränzchen um den anderen See.“ Sie sah auf ihre Uhr – „Wir treffen uns um elf Uhr im Revier, ok? Oder kommst du schon mit mir?“ Fragend sah sie zu Herbert auf, der sie mindestens um einen Kopf überragte. „Ich würde lieber mit Freddy noch ein paar Aufnahmen machen“, beschied ihr Schatz, während Freddy ihr zunickte. Magda zuckte die Achseln – dann eben nicht und machte sich auf den Weg zu Fränzchen.

Hinter sich hörte sie die beiden noch leise miteinander reden, über Belichtungszeiten und Objektive, derweil sie den Weg weiterschlenderte bis zum Baum, an dem Fränzchen angebunden war. Schwanzwedelnd begrüßte er sie und sie machte ihn los, um mit ihm eine schnelle Runde zu laufen. Sie ließ ihre Augen dabei vorsichtshalber auf dem Boden ruhen, um nicht auch noch in eine Tretmine zu dappen und Fränzchen benetzte die Blumen und Sträucher ausgiebig. Als sie fast wieder am Ausgang angekommen waren, fiel ihr ein funkelndes Geldstück ins Auge. Sie bückte sich unwillkürlich, um es aufzuheben, stutzte nachdenklich, zog eine Kacktüte aus der Jackentasche und tütete es vorsichtig darin ein. „Man weiß ja nie,“ brummte sie dabei vor sich hin. Ein zerknülltes Papiertaschentuch lag auch daneben und wurde in eine andere Tüte verfrachtet. „Vielleicht hat jemand dieses Tuch aus der Hosentasche gezogen und dabei unbemerkt das Geldstück herausgewirbelt“, sagte sie leise zu Fränzchen, der verständig zu ihr aufschaute. Wenn wir Glück haben, vielleicht sogar unser Mörder!“ Normalerweise war Anne zum Taschentuchfinden prädestiniert, aber es konnte ja auch einmal eine Ausnahme geben. Sie gluckste in sich hinein und beobachtete ihre Spusi-Kollegen, wie sie zu Herbert und Freddy stießen.

„Hey Anne!“, rief sie und schwenkte dabei ausladend den Arm mit dem Taschentuch in der Hand. Anne sah verwundert zu ihr her und Magda lachte breit. Sie sah wie Anne fragend die Achseln zuckte und deutete mit der linken Hand auf die Tüte mit dem Taschentuch in der anderen. Anne nickte zögernd und Magda steckte die Tüte lächelnd ein, sah hinunter zu Fränzchen, der sie schwanzwedelnd betrachtete und lief mit ihm zum Auto, um einstweilen zum Revier zu fahren.

D R E I

Das Geschöpf saß am Küchentisch, wo es sein stilles Mahl verzehrte. Akkurat zerteilte es eine Fleischtomate in acht gleichgroße Stücke. Das Messer glitt durch die Tomate wie durch Butter und es freute sich daran, wie mühelos das Schneiden ging. „Es liegt wirklich wunderbar in der Hand“, brummte es dabei leise und betrachtete den schwarzen, Kunststoffgriff schmunzelnd. Dabei fielen ihm verschiedene Möglichkeiten ein, wie es die Tauglichkeit an anderen Materialien testen konnte. Lebenden Materialien, dachte es, in sich hineingrinsend.

„Wen nehmen wir denn als nächstes dran?“ Es drehte sich zu dem leeren Vogelkäfig, in dem eine Wellensittichattrappe hing, die es in einsamen Stunden gebastelt hatte. Es runzelte die Stirn und dachte unwillkürlich: Es wird Zeit, dass ich mir wieder ein Tier zulege!

Dann schüttelte es entschlossen den Kopf. Nein, ein Tier machte zu viel Arbeit und Umstände. Es musste unabhängig sein und bleiben. Seine Aufgabe war zu wichtig, es konnte sie nicht gefährden, indem es sich ein Lebewesen aufhalste. Außerdem waren hier schon genug, die es brauchten und für die es sich verantwortlich fühlte. Nein, seine Berufung war die Jagd, die Jagd auf schlechte Menschen, die es nicht verdient hatten, zu leben!

Dann nahm es ein altes, zerfleddertes Heft in die Hand und schlug es ungeduldig auf. Es schürzte nachdenklich die Lippen und betrachtete die dick unterstrichene Überschrift: Verdorbene Kurschatten-Subjekte

Es nahm einen dicken, schwarzen Filzstift und strich das Bild des gutaussehenden Mannes auf der ersten Seite fröhlich durch. Nicht zu glauben, dass der alte Kauz einmal so gut ausgesehen hatte. Das Leben ging nicht immer gut mit den Menschen um. Zum Glück musste er es nun nicht mehr ertragen! Es lachte verächtlich, dann blätterte es langsam um und ließ die Augen auf einem blonden, zierlichen Jüngling in legerer Freizeitkleidung ruhen, während es gleichzeitig vorsichtig mit dem Zeigefinger der linken Hand über die scharfe Klinge des Messers in seiner Rechten strich.

V I E R

Magda betrat schwungvoll das Höchster Polizeirevier, Fränzchen knapp hinter sich. „Hoppla!“, rief Helmut, der uniformierte Kollege, mit dem sie um ein Haar zusammengestoßen wäre. „Heute wieder voller Elan, Magda?“ „Aber immer, Helmut, das weißt du doch“, lachte sie ihn freundlich an. „Ich hab euch eine Tüte Zuckerweck geholt“, meinte Helmut, ihr verschwörerisch zublinzelnd. „Wenn ihr so einen frischen Mordfall habt, braucht ihr doch Nervennahrung, wie ich euch kenne, oder?“ Magda lächelte ihm dankbar zu. „Du bist halt der Beste!“ Er grinste geschmeichelt und Magda betrat den Besprechungsraum, wo die Ermittlungstafel, noch jungfräulich weiß, in der Sonne leuchtete.

Sie nahm den schwarzen Stift und schrieb schwungvoll die Überschrift: Gigolo-Mord

Dann trat sie einen Schritt zurück. Namen, Alter, Wohnort – hoffentlich wussten die anderen bereits etwas darüber! Sie runzelte die Stirn und drehte sich zum Tisch, wo sie mit leerem Blick, gedankenabwesend die bereitstehenden, noch leeren Teller, für die Stückchen, musterte. Dann betrat sie das Labor, in dem Anne und Eddie ihres Amtes walteten, wenn sie denn da waren und legte die sauber beschrifteten Fundstück-Tüten mitten auf den Schreibtisch.

Gut, dass ich alles vorher fotografiert habe, dachte sie dabei. Manchmal konnte man aus dem Fundort wichtige Rückschlüsse ziehen.

„Hallihallo!“, schallte Annes Stimme über den Flur und schon flog die Tür auf. Wenn Magda sie nicht festgehalten hätte, wäre sie glatt an die Wand geknallt. „Na, na, na!“ Magda sah die jüngere Kollegin missbilligend an. „Immer langsam mit den jungen Pferden!“ Anne grinste frech und warf ihre langen, braunen Haare zurück. „Mir kann man wenigstens niemand nachsagen, dass meine Schuhe beim Laufen besohlt werden könnten!“ „Mir aber auch nicht!“, wehrte sich Magda empört. Anne stutzte, als sie Magdas Beweismitteltüten auf dem Tisch liegen sah. „Wo kommen denn die her, sind die etwa von dir?“ Magda lächelte stolz.