Auf der Suche nach dem Paradies - Matto Barfuss - E-Book

Auf der Suche nach dem Paradies E-Book

Matto Barfuss

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Beschreibung

Bei einer seiner ausgedehnten Afrikareisen verliert der Künstler und Fotograf Matto Barfuss sein Herz an eine wild lebende Gepardenfamilie, und es gelingt ihm auf unglaubliche Weise, das Vertrauen der Mutter und ihrer Jungen zu gewinnen. Doch seine ganz besondere Zuneigung gilt Dione, einem der kleinen Gepardenmädchen. Jahre später macht er sich auf die Suche nach ihr - und ein Traum wird wahr, als er sie wirklich wieder findet. In seinem Buch spannt Matto Barfuss den Bogen vom afrikabegeisterten Heranwachsenden zum prominenten Aktivisten für den Artenschutz - und er erzählt, wie es ihm in einer spektakulären Auswilderungsaktion gelang, für die zwei gefangenen Geparden Zeus und Kleopatra ein neues Paradies in der Freiheit zu finden.

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Seitenzahl: 428

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MATTO BARFUSS Auf der Suche nach dem Paradies

Matto Barfuss

Auf der Suche  nach dem Paradies

Mein Leben mit Geparden

Goldmann

Originalausgabe

Datenkonvertierung eBook:  Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburgwww.kreutzfeldt.de

1. Auflage Copyright © 2003 by Matto Barfuss Bildgestaltung und Textredaktion: Matto Barfuss Copyright © dieser Ausgabe 2003 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH ISBN 978-3-641-01096-6 www.goldmann-verlag.de

Vorwort

Der Mensch entstand aus der Masse der Sonne. Gott höchstselbst hat diese Masse ausgerollt und mit einer Backform die einzelnen Menschen ausgestochen. Als er damit fertig war, hatte er die weißen Menschen geschaffen. Die Teigreste knetete er erneut und walzte auch den kleineren Ballen flach. Er stach ein zweites Mal Menschen aus. Das Ergebnis waren nunmehr die schwarzen Menschen.

Diese Legende erzählen sich die Buschleute in der Kalahari.

Wahrscheinlich gibt es ähnliche Geschichten in vielen Teilen Afrikas. Sie alle haben eine Aussage, nämlich Afrika und seine Menschen in die zweite Reihe zu stellen. Aber warum? Haben wir es versäumt, den Afrikanern zu erzählen, dass nach heutigem Kenntnisstand das Leben in Afrika begann? Sind wir zu arrogant, uns einzugestehen, dass die Wildnis und einigermaßen stabile ökologischen Systeme knappe Ressourcen und damit ein unglaublicher Reichtum sind? Afrika ist nicht arm, Afrika ist anders, so anders, dass man viel Zeit und Neugierde aufbringen muss, um diese Andersartigkeit zu erfahren und nicht zu verletzen: Wem dies gelingt – dessen weiterer Lebensweg mag sich in ganz neue, ganz unvorhergesehene Richtungen entwickeln.

Das Paradies – wer sucht das nicht. Für mich schien die Suche ganz einfach zu sein. Erst habe ich mich aus meinem behüteten Umfeld befreit und bin dann in mein Paradies nach Afrika gereist. Dass in Afrika die Suche nach dem Paradies aber erst begann, wurde mir erst viel später richtig bewusst. Der Weg ist das Ziel. Heute schaue ich zurück und sehe meine Spuren. Ich blicke nach vorne und sehe Visionen. Die Neugier treibt mich voran. Trotzdem ist es gut, einfach einmal stehen zu bleiben, zu lauschen, zu beobachten, sich zu besinnen. Denn die Eindrücke, die mir mein bisheriger Lebensweg geschenkt hat, sind nahezu unglaublich – und sie sind so unbeschreiblich schön, dass es für mich unabdingbar war, Künstler zu werden, wollte ich nur annähernd einen Teil davon weitergeben. Dies wurde mir klar, als ich dieses Buch schrieb. Genau betrachtet ist meine Suche nach dem Paradies eine logische Aneinanderreihung einschneidender Erlebnisse. Einer meiner Begleiter – ein Krieger der Masai – sagte stets: »Es gibt keinen Zufall. Alles ist vorbestimmt.« Er hat Recht. Die Geparden mussten es sein, die meinen Weg kreuzten und mir das Bewusstsein für Afrika gaben.

Ich habe den faszinierenden Reichtum der afrikanischen Wildnis so nahe und berührend erleben dürfen wie zuvor wohl selten ein anderer Mensch. Monatelang wurde mir die innige Freundschaft wilder Geparden in der Weite der afrikanischen Steppe beschert. Dabei habe ich die Großartigkeit und zugleich die Verletzlichkeit eines hinreißend schönen Naturraums und seiner Bewohner erfahren.

Im streng wissenschaftlichen Sinne ist der Gepard eine Sackgassenentwicklung der Evolution. Sachlich betrachtet kann er auf Dauer nicht überleben, weil er insgesamt zu sehr spezialisiert ist auf großflächige und zusammenhängende Lebensräume, die zunehmend dem Besiedlungsdruck zum Opfer fallen. Diese nachteiligen Veränderungen verlaufen auch in Afrika manchmal so rasant, dass die eleganten Raubkatzen kaum den Hauch einer Chance haben, sich anzupassen.

Für mich ist der Gepard eine der faszinierendsten Katzen überhaupt, sowohl Symbol für eine intensive Liebesbeziehung als auch Indikator für die Entwicklung der Ökosysteme Afrikas. Diese emotionale Überzeugung und Sicht der Dinge hilft mir, mich stets und unablässig für die Geparden und Afrika einzusetzen. Und diese Emotion ist es auch, die mir den Schutz von Tieren nachhaltig möglich macht. Das wird leider allzu häufig vergessen oder gar ignoriert. Selbstverständlich kann und muss ich Fauna und Flora sachlich erklären oder Zusammenhänge wissenschaftlich analysieren. Das ist eine wichtige Aufgabe. Ich selbst zolle Wissenschaftlern hohe Anerkennung, zumal auch ich stets die sachliche Forschung und Dokumentation betrieb. Jedoch erwächst aus der wissenschaftlichen Arbeit und Erlebnissen, wie sie mir mit den Geparden zuteil wurden, eine hohe Verantwortung für das Tier und seinen Lebensraum. Nur wenn es uns gelingt, die Begeisterung und Faszination mit hoher Emotionalität an viele Menschen zu vermitteln, werden wir grundlegende Veränderungen herbeiführen. Wir müssen Perspektiven für das Engagement verdeutlichen oder verbildlichen, wie ich es als Künstler tue. Bezogen auf Afrika bedeutet nachhaltiger Schutz der Tier- und Pflanzenwelt, die Menschen dort mit Blick auf ihre Bedürfnisse behutsam in Programme zu integrieren, ohne von vornherein als Besserwisser aufzutreten. Das ist die große Chance Afrikas.

Die Vielfalt der Arten, Kulturen und Meinungen zu erhalten und zu fördern ist nicht nur die Basis für eine friedliche Zukunft, sondern auch für eine friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Tier. Afrika ist dieser Grundlage noch am nächsten. In afrikanischen Ländern, in denen viele Kulturen noch halbwegs intakt nebeneinander leben, sind die Verhältnisse stabil.

Fürwahr wurde und wird Afrika geknechtet durch seine Kolonialgeschichte. Die Industrienationen haben sich sträflich am schwarzen Kontinent versündigt. Doch dem nicht genug. Noch immer nehmen wir zu häufig Einfluss, ohne die betroffenen Menschen in Afrika mit einzubeziehen. Wir entwickeln Systeme des Naturschutzmanagements. Dass dies überhaupt erst nötig wurde, begründen wir nicht mit der Verstümmelung ganzer Landstriche zum Beispiel durch die Großwildjagd – also durch Weiße –, sondern wir ziehen diejenigen – nämlich Schwarze – zur Verantwortung, die jahrhundertelang in einem funktionierenden, sich stetig fortentwickelnden ökologischen System gelebt haben.

Ein eindrückliches Beispiel dafür ist eben die Serengeti, die ich im Familienverband einer Gepardenfamilie kennen lernte. Als die Kolonialherren zur Jahrhundertwende dieses Stück Afrika bereisten, war die Serengeti ein Tierparadies. Die riesigen Tierherden waren leider hervorragend geeignet, um seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen. An manchen Jagdtagen wurden mehrere Dutzend Tiere wahllos geschossen und entsprechend lange Strecken gelegt. Ein grauenvoller Anblick, der sich bald auf die ganze Serengeti übertrug – und mit dem Tierreichtum ging es rapide zur Neige. Paradoxerweise waren es die Großwildjäger selbst, die zunächst ein Wildschutzgebiet errichteten. 1951 öffnete der erste Nationalpark Tansanias seine Pforten. Ein Dorn im Auge der britischen Kolonialherren waren allerdings die Masai, die noch immer in diesem Gebiet lebten und viele ihrer traditionellen und kulturellen Grundlagen eng mit diesem Teil Afrikas verknüpften. Doch gleichzeitig war es höchst bequem, die Masai für das Desaster in der Serengeti verantwortlich zu machen. Waren sie es doch, die traditionell mit Speer oder Lanze einen Löwen töten mussten, bevor sie zum Krieger ernannt wurden. Abgesehen davon, dass man über den Akt des Tötens streiten kann, ist dies eine beachtliche Leistung. Unbestritten ist hingegen die Tatsache, dass der Masai zunächst an seine Überlebenschance dachte und lediglich alte und schwache Löwen zur Strecke brachte. Damit haben die Masai selektiv auf den Bestand der Löwen eingewirkt und diesen damit gesund gehalten. Diesen positiven Aspekt wollte allerdings niemand anerkennen. Es gab nur einen Weg. Die Masai mussten weg. Als schließlich 1959 der Nationalpark Serengeti in seiner heutigen Form eingerichtet wurde, sind die Masai in eine Falle getappt. Sie glaubten nämlich, dass Rinder nur für sie geschaffen wurden. Demgemäß bedeutete seit jeher der Besitz vieler Rinder Reichtum. Dies wussten die britischen Kolonialherren nur zu genau. Sie überredeten die Masai im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Kuhhandel. Die Masai verließen die Serengeti, im Gegenzug dafür erhielten sie Rinder überwiegend aus dem fernen Europa – und später die Maul- und Klauenseuche. Schlimmer noch, ein wichtiger Teil ihrer Kultur und Identität wurde zusehends verstümmelt, weil sie durch die Umsiedlung ihre ortsgebundenen Rituale nicht mehr ausüben konnten.

Dieses Beispiel ließe sich auf viele andere Projekte in Afrika übertragen. Der Raum für die Tiere und der Besiedlungsraum der Menschen wird strikt getrennt. Falsch! Der Mensch ist ein Teil des Ökosystems, aber die Chance, dies zu bewahren, schwindet Tag um Tag. Die weitere Entwicklung in der Serengeti ist ein Musterbeispiel für die schwer wiegenden Konsequenzen, die sich ergeben, wenn das Gleichgewicht gestört wird.

Zunächst entwickelte sich der Park prächtig. Die Tierbestände nahmen zu, später auch die Lodges und damit die Touristen. All das ist kein Problem, sofern Tourismus integrativ betrieben wird, und darum bemüht sich die tansanische Regierung sehr. Trotz alledem ist das Gesamtsystem nicht intakt, weil der Masai als Teil des ökologischen Kreislaufs fehlt. Hier ist der Gepard ein alarmierender Indikator. Nach dem Weggang der Masai entwickelten sich die Löwenbestände unkontrolliert. Zugleich nahm die Zahl der Hyänen – bestens mit Aas versorgt – kräftig zu, worunter die Geparden erheblich zu leiden hatten. Denn die Gepardenmütter sind stets allein erziehend. Sobald sie auf die Jagd gehen, sind die Gepardenbabys nahezu schutzlos den um die Nahrung konkurrierenden Löwen und Hyänen ausgesetzt. Kaum eine Gepardenmutter war in der Lage, ihre Jungen durchzubringen, bis 1994 ein großes Löwensterben einsetzte. Rund vierzig Prozent des Löwenbestandes wurden hinweggerafft. Der Verantwortliche war der Hundestaupevirus, wie sich im Nachhinein herausstellte. Natürlich war dieses Intermezzo nicht. Wo der Hundestaupevirus herkam, wurde nie mit hundertprozentiger Sicherheit nachgewiesen – genauso wenig, inwieweit der durch fehlende Selektion geschwächte Löwenbestand selbst für das Desaster verantwortlich war. Immerhin hatten die Geparden einen Vorteil. Plötzlich wurden Gepardinnen mit bis zu vier fast erwachsenen Zöglingen gesichtet. Zuvor hatte sich meist nur ein einziges Junges in das Erwachsenendasein hinübergerettet. Doch der Segen für die Geparden war nur von kurzer Dauer. Mittlerweile haben sich die Löwenbestände sehr gut erholt. Die Zukunft der Geparden in der Serengeti ist ungewiss, was um so fataler ist, als die Serengeti das Gepardenterrain schlechthin darstellt. Die Ökologie lässt sich eben nicht managen. Aber diese Erkenntnis ist Verschlusssache.

Stattdessen stellt man Überlegungen an, ob man professionelle Geschwindigkeitskontrollen in der Serengeti einführt, um Verkehrsrowdys zur Rechenschaft zu ziehen. Eine so genannte Naturschutzorganisation mit Wurzeln in Deutschland, die ganze Besitzansprüche auf die Serengeti erhebt, wirbt mittlerweile mit dem Slogan »Serengeti muss sich lohnen«.

»Für wen?«, stellt sich da die Frage. Vielleicht hätte man die Serengeti in der Hand der Masai lassen sollen. Dann gäbe es jetzt wohl nur wenige Zeltcamps, und die wenigen wirklich interessierten Besucher würden weitestgehend zu Fuß unter fachkundiger Führung der Masai einen großartigen Naturraum betreten und damit einen Beitrag zu dessen Schutz und Bewahrung leisten. Dann würde sich die Serengeti für alle lohnen, nämlich für Mensch und Tier, und zwar nachhaltig. Aber das ist ja das Schöne in Afrika. Die geballte Emotion, Vitalität und unglaubliche Vielfalt des Kontinents werden allzu leicht unterschätzt. Was heute ist, kann morgen schon ganz anders sein.

Vielleicht sollten wir das Glück als Maßstab für Reichtum sehen. Dann müssten wir die Welt neu einteilen. Regionen aus dem vergessenen Afrika würden plötzlich ganz obenauf sein. Ein Gedankenspiel, das lohnt, nicht nur für einen Künstler, der Träume fängt und lebt.

Und nun begleiten Sie mich auf der Suche ins Paradies.

 Matto Barfuss und die Geparden

Das Wiedersehen

Die Trockenzeit in der Serengeti malt wunderschöne Bilder in den Himmel. Kumuluswolken türmen sich auf, fallen ineinander zusammen und spielen mit dem gleißenden Licht. Die Landschaft scheint sich unentwegt zu verändern. Meine Stimmung könnte ein Abbild dieser Kulisse sein. Ich weiß nicht, wie mir geschieht. Seit Wochen, nein, eigentlich seit vielen Monaten, fiebere ich auf diesen Moment hin. Und jetzt, wo er gekommen scheint, ist alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe.

Den ganzen Nachmittag saß ich mit meinem Begleiter Tobias in dem brütend heißen Geländewagen. Wir haben kaum gesprochen. Warum auch? Hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Zweifeln, einer brütenden Hitze ausgesetzt, versuchte ich meine Erinnerungen mit der Realität, kaum vierzig Meter von uns entfernt, in Einklang zu bringen.

Ich habe mit einer wilden Gepardenfamilie gelebt. Zwei Jahre sind seither vergangen, zwei lange Jahre, denn die bezaubernden Erlebnisse haben mich nie losgelassen. Genau genommen hat diese Erfahrung meinem Leben eine völlig andere Richtung gegeben. Dabei hat alles ganz harmlos begonnen.

Eines Tages war ich einer Gepardenfamilie begegnet, und ich wollte die Tiere lediglich aus einer anderen Perspektive fotografieren, aus der Froschperspektive nämlich und ohne diesen Geländewagen um mich herum. Plötzlich hatten mich die fünf Gepardenjungen umzingelt. Ich musste Vierbeiner spielen und einen Artgenossen mimen, um meine Haut zu retten. Offensichtlich war ich den Geparden sympathisch. Kaum eine Woche später konnte ich mir nichts anderes mehr vorstellen, als Diana, wie ich die Mutter genannt hatte, und ihren Jungen auf Händen und Knien zu folgen. Ganz besonders hatte ich mein Herz verloren an Dione, eines der kleinen Gepardenmädchen, und vergaß zuweilen, dass ich Mensch bin. Erst nach über vier Monaten wurde es mir schmerzhaft wieder bewusst. Die Wanderungen der Geparden wurden immer länger, und meine Kräfte schwanden zunehmend. Dann rückten die Tage näher, die die Menschen zu Hause »Weihnachten« nennen. Ich stellte mir vor, wie in Deutschland der erste Schnee fällt. In der Serengeti hingegen war ich abrupten Temperaturschwankungen ausgesetzt, und es regnete häufig. Dementsprechend oft war ich völlig durchnässt. Ich hatte die Grenze meiner Leistungsfähigkeit überschritten. Am 16. Dezember war es dann unweigerlich so weit. Ich musste die Geparden für immer verlassen. Während die Familie ziellos vor sich hin wanderte, blieb ich in der Steppe sitzen. Immer wieder schauten die Geparden zurück. Ich versuchte die fragenden Blicke der Katzen zu ignorieren. Ich war nass bis auf die Haut und so erschöpft, dass ich nicht einmal mehr die Kraft hatte zu heulen. Dabei hätte es mir geholfen. Schließlich verschwand Diana mit ihren Jungen. Die grauen Wolken hingen tief, und der heftige Regen verwehrte mir die Sicht. Es mögen zwei oder drei Minuten gewesen sein, in denen ich damals froh war, wieder in mein Leben als Mensch zurückzukehren. Aber schon sehr bald kamen die ersten Zweifel, und noch bevor ich wieder in Deutschland eintraf, hatte ich nur noch eines im Sinn: Ich wollte die Geparden wiedersehen.

In den zwei darauf folgenden Jahren bin ich immer wieder zurückgekehrt. Längst musste sich die Familie aufgelöst haben. Geparden sind Einzelgänger. Wie sollte ich einen einzelnen Geparden in einem unendlich großen Steppengebiet mit über 30000 qkm wiederfinden? Doch es ließ mir keine Ruhe. Und jetzt könnte meine lange Suche ein Ende haben. Sie ist ganz nah, die Gepardin. Ich fühle, dass sie es ist, und weiß nicht, ob meine Hoffnung mich trügt.

Die Landschaft wird zunehmend farbiger. Die Sonne neigt sich, und die Wolken scheinen mit den wenigen durchdringenden Strahlen zu spielen.

Endlich entspanne ich mich ein wenig, es ist, als würde ich eine gigantische Lasershow genießen. Erst als sich die Wolken zu einer dichten Trennscheibe zwischen Himmel und trockener Steppe zusammenschieben, ist das Spektakel zu Ende. Zumindest wird es jetzt etwas kühler.

»Hey, aufwachen«, flüstere ich und schlage Tobias mit der flachen Hand auf die Schulter.

Mein afrikanischer Freund flucht vor sich hin und versucht sich zu entknoten.

Glücklicherweise ist er klein und wendig. Ein alter Landrover ist kein Nobelschlafzimmer, da kann es schon mal passieren, dass man sich zwischen den Sitzen verheddert.

Vielleicht hat er etwas geträumt, was uns einen Hinweis geben könnte. Hoffnungsvoll frage ich ihn.

»Nein, ich habe keine Ahnung«, meint Tobias, und das ist ein großes Eingeständnis, denn Afrikaner kennen keine Probleme und wissen prinzipiell alles.

Wir fahren in ein benachbartes Tal. Die klassische Serengeti besteht zwar aus weit geschwungenen Steppentälern, doch wir müssen kaum zweihundert Meter fahren, dann sind wir für die Raubkatzen unsichtbar.

»Was machen wir jetzt?«, fragt mich Tobias.

»Sie ist es.«

»Ganz sicher?« Mein Freund schaut mich skeptisch an.

»Wir werden sehen«, grinse ich zurück, obwohl mir nicht zum Scherzen zumute ist.

Wir diskutieren alles, was uns am Nachmittag durch den Kopf gegangen ist, jetzt sprudelt es nur so hervor. Tobias will mit dabei sein. Ich hätte es lieber ohne Begleitung versucht, aber schließlich willige ich ein.

»Los geht’s, das Licht schwindet«, mahne ich Tobias zur Eile. Der Motor jault auf. Widerwillig bockt die Kiste einige Meter voran. Wenige Augenblicke später können wir über die Hügelkuppe ins Tal schauen. Tobias stellt den Motor ab. Unser Kompromiss ist erfüllt, näher möchte ich ihn den Wagen nicht heranfahren lassen.

»Sie sind da!«, flüstert Tobias. Er kann seine Aufregung nicht verbergen.

»Sie sind da, sie sind da, sie sind da ... «, geht es mir pausenlos durch den Kopf. Plötzlich tue ich Dinge, die ich vor nur zwei Jahren mit wenigen Handgriffen erledigt habe, wie ein Anfänger. Ich streife die Knieschützer über und kriege sie kaum zu, weil sie entsetzlich eng sind. Als ich die Klettverschlüsse schließen möchte, bemerke ich, dass meine Hände so sehr zittern, dass ich noch einmal von vorne anfangen muss.

Tobias wirft mir mitleidige und fragende Blicke zu. Er sagt vorsichtshalber nichts. Das ist auch besser so.

Selbst die Lederfetzen, die ich zum Schutz der Hände dabeihabe, scheinen geschrumpft zu sein. Auf einen verzichte ich schließlich, den anderen sichere ich, indem ich ihn in einem Kopftuch um das Handgelenk wickle, das ich sorgsam zubinde. Auch dafür brauche ich eine Ewigkeit.

»Die Kamera«, schießt es mir in dem Moment durch den Kopf, als ich schon die Autotür öffnen möchte. Nach einigen Abwägungen entschließe ich mich dann aber doch, sie nicht mitzunehmen. Ich stehe hinter dem Auto, noch immer unsichtbar. Ich habe das Gefühl, vollkommen ausgesetzt zu sein. Sobald ich die rollende Blechkiste verlassen habe, bin ich in eine andere Welt getreten. Fieberhaft überlege ich, ob ich nicht doch etwas Entscheidendes vergessen habe. Aber ich kann mich nicht konzentrieren, meine Gedanken kreisen um das, was wohl in den nächsten Minuten passieren wird. Meine Gefühle fahren Achterbahn. Ich bin außer Kontrolle.

Vorsichtig berühren meine Hände das Steppengras. Meine Knie formieren sich in den Knieschützern. Sie rutschen in die beste Position, und jetzt fühlt es sich richtig komfortabel an. Ich stütze mich auf die Ellenbogen und linse unter dem Auto hindurch. Da ist nur Gras und der bewölkte Himmel der Serengeti. Ein letztes Mal rücke ich meine Klamotten zurecht.

»Alles okay?«, fragt mich Tobias. Er hat sich weit aus dem Fenster hinausgelehnt und sieht ein bisschen blass aus.

Ich antworte mit einem zufriedenen Gurren. Tobias verliert vor Schreck fast die Zigarette, die in seinem Mundwinkel glimmt. Augenblicke später verschwindet er im Auto. Ich bin endgültig allein.

»Sie sind da, sie sind da ... «, ist das Einzige, was ich denken kann. Ich mache mich lang, kauere mich flach auf den Boden und rutsche Stück für Stück voran. Das Ganze dauert viel zu lange. Schnell wird mir klar, dass ich so nie zum Ziel komme. Trotzdem, für einige Zeit will ich noch unsichtbar bleiben. Ich muss einfach von diesem verdammten Auto wegkommen. Ich arbeite mich parallel zur Hügelkuppe voran. Noch immer ist mir der Blick ins Nachbartal nicht vergönnt.

Mir ist unglaublich heiß, obgleich die Luft kühl ist. Aber es ist nicht die körperliche Anstrengung, sondern die Nervosität, die Unsicherheit, ob ich nun tatsächlich am Ziel angelangt bin.

»Ist sie es jetzt, oder ist sie es nicht?«, hämmert es in meinem Kopf. »Klar, sie ist es! Schau das Gesicht an, die Art, wie sie sich bewegt. Sie hat dich erkannt«, sagt die Stimme in mir. »Du bist verrückt. Es ist völlig unmöglich, sie nach zwei Jahren in dieser riesigen Steppenlandschaft wiederzufinden«, widerspricht die andere.

Ich richte mich auf, wage den Blick über die Hügelkuppe. Nichts. Die Sonne ist fort, die Wolkendecke undurchdringlich. Das Licht ist so diffus, dass die Steppe zu einer braun-grünlichen Einheit verschmilzt. Der Blick gleitet hin und her, erst hektisch, dann gründlich und ruhig, und plötzlich...

»Da!« Mir schießt es wie ein warmer Strom durch den Kopf. Ich habe die Gepardin mit ihren beiden Jungen entdeckt. Sie haben mich noch nicht gesehen. Alles ist wie am Nachmittag.

Nahezu automatisch setzt eine Hand vor die andere. Die Knie ziehen mehr oder weniger freiwillig nach. Ich bin überrascht. Es geht ganz gut. Fast fühle ich mich auf dem Steppenboden schon wieder zu Hause. »Dione, ich komme!«, triumphiere ich in Gedanken.

Gerade als ich den höchsten Punkt des Hügels überwunden habe, bemerkt mich die Gepardin. Binnen des Bruchteils einer Sekunde steht sie auf. Ich erstarre, verharre in totaler Regungslosigkeit. Die Gepardin desgleichen. Es passiert nichts, aber auch überhaupt nichts. Nur die kleinen Gepardenkinder formieren sich hinter der Mutter und starren in meine Richtung.

Einer muss das Schweigen brechen. Ich gurre. Vermutlich wird die Gepardin es nicht hören, denn ich bin zu weit entfernt. Keine Reaktion.

»Sie flüchtet nicht, sie greift nicht an«, überlege ich. Ich bin nun fast überzeugt, dass ich die Gepardentochter Dione wiedergefunden habe. Und sie hat inzwischen selbst ihre ersten eigenen Jungen. Unglaublich!

»Los, krabble endlich näher«, feuere ich mich selbst an. Jedes Mal wenn ich eine Hand vor die andere setze, streift das störrische Steppengras mit seinen abertausenden Widerhaken scharf über meine Haut. Bisweilen muss ich aufpassen, dass ich mich nicht aufschürfe.

»Ich bin verletzlich«, schießt es mir durch den Kopf, »und dennoch krieche ich geradewegs in die Arme einer Raubkatze.« Fast muss ich schmunzeln. Ich halte inne und riskiere einen vorsichtigen Blick zu der Gepardin. Jetzt erkenne ich sie besser. Sie hat sich mir einige Schritte genähert, um auf einen kleinen Erdhügel zu steigen. Majestätisch steht sie da, ihre Blicke scheinen mich zu durchdringen. Ich glaube die Gepardenjungen zwischen ihren Beinen zu erkennen. Beschwören kann ich es nicht. Sie ist im Vorteil, denn sie hat die schärferen Augen.

Ich höre in mich hinein. Nein, ich habe keine Angst. Nur dieses letzte kleine Gefühl der Unsicherheit zerrt an meinen Nerven. Sollte ich mich doch geirrt haben? Ich warte auf das »Aha-Erlebnis«, aber ich empfange kein eindeutiges Signal. Für einige Augenblicke schließe ich die Augen und lausche angestrengt. Der Wind hat sich gelegt. Es herrscht Totenstille – nichts, kein Laut, nicht einmal das Zwitschern von Vögeln. Ich überlege, ob ich ein weiteres Mal gurren soll. Doch nach wie vor bin ich zu weit entfernt, uns trennen noch immer etwa hundertsiebzig Meter. Das muss sich ändern.

Ich versuche, mich eleganter auf allen vieren fortzubewegen. Vergebens, denn längst achte ich nicht mehr darauf, wohin ich meine Hand setze. Stattdessen wende ich kein Auge von der Gepardin ab. Die Bestrafung folgt auf dem Fuß, und ich tappe mitten in einen kleinen Dornbusch. Ich weiche zurück, stütze mich auf die Ellbogen und untersuche flüchtig meine Hände. Die Gepardin beobachtet das alles ohne eine nennenswerte Reaktion.

»Verrückt, das kann nur Dione sein!«, denke ich mir wieder und bin etwas verlegen, denn eigentlich wollte ich mich ihr »gepardisch« etwas eleganter nähern. Ich eigne mir das erweiterte Gesichtsfeld eines Fluchttieres an. Am unteren Bildrand kontrolliere und koordiniere ich meine »vier Beine«, am oberen Bildrand steht die Gepardin auf dem Erdwall, noch immer regungslos wie eine Statue. Wenn ich meine Beine nachziehe, wird die Stille durch ein mechanisch schleifendes Geräusch unterbrochen. Die Knieschützer machen mich doch recht unbeweglich.

Noch hundertfünfzig Meter, ich bin atemlos. Mein Herz schlägt bis zum Hals, aber ich möchte keine Pause machen. Zwei-, dreimal hole ich tief Luft und setze meine Reise in eine andere Welt fort. Die nächsten zwanzig Meter absolviere ich mit Leichtigkeit. Ich gurre, gurre immer wieder. Bisweilen verharre ich und lausche.

»Da, ich habe etwas gehört! Nur noch ein Mal, bitte«, denke ich mir. Es bleibt still, und ich krieche weiter.

Es mögen noch achtzig Meter sein. Aber jetzt weiß ich, dass die Gepardin gurrt. Ganz klar, das kann keine Täuschung sein. Ich bewege mich etwas schneller voran. Der Dialog mit der Raubkatze spornt mich an. Dabei vergesse ich die Gepardenjungen. Sie sind offenkundig ängstlich. Gelegentlich schauen sie über den Erdhaufen zwischen den Beinen der Mutter hindurch, dann verschwinden sie wieder im Nichts.

Ich überlege, was ich tun soll. Erneut taucht ein Gepardenköpfchen auf. Ich gurre. Noch immer bin ich nicht nahe genug, um seine Reaktion eindeutig zu erkennen. Jedenfalls weicht er nicht gleich zurück. Ich hauche dem Kleinen einige gute Wünsche zu und robbe vorwärts.

Die Gepardin ist mittlerweile klar zu erkennen. Sie hat herrliche Gesichtszüge. Eine durch und durch faszinierende Erscheinung in dieser unendlich weiten Steppe: Wenn ich gurre, schaut sie aufmerksam zu mir her. Wenn sie selbst gurrt, senkt sie den Kopf und lässt mich nie aus dem Blick. Und es ist Musik in meinen Ohren, denn sie gurrt hoch und freundlich. Zuweilen bebt ihr ganzer Körper, so aufgeregt ist sie. Ich freue mich, dass es nicht nur mir so geht.

Jede andere Gepardin hätte mich schon längst attackiert oder wäre mit ihren Jungen davongezogen. Alle Zweifel sind aus dem Weg geräumt. Inzwischen kaum dreißig Meter vor mir steht Dione, die Gepardin, mit der ich hautnah siebzehn wundervolle Wochen auf allen Vieren verbracht habe. Die beiden Gepardenkinder sehen die Lage allerdings keineswegs so entspannt wie wir. Sie sind höchst aufgeregt und scheu. Sowie sie mich erspähen, gurren sie tief. Unmissverständlich geben sie damit mir – dem Fremden – gegenüber ihre Angst und Ablehnung zum Ausdruck. Ich habe kaum die Möglichkeit, sie mir näher anzuschauen. Taucht gerade ein kritisch fragender Gepardenkopf auf, ist er im nächsten Augenblick auch schon wieder verschwunden. Mitunter rennen die Gepardenkinder gut fünfzig Meter davon. Selbst Dione wendet dann ihren Blick ab und schaut nach dem ängstlichen Nachwuchs.

Mittlerweile sind wir nurmehr höchstens zwei Meter voneinander entfernt. Wenn Dione gurrt, spüre ich den Hauch ihres Atems. Sie ist schrecklich aufgeregt, noch immer bebt ihr ganzer Körper. Sie streckt ihren Kopf weit nach vorne, scheint mich auf Distanz zu beschnüffeln, und ich verhalte mich genauso. Ihre beiden Zöglinge sitzen in sicherer Entfernung und beäugen uns ungläubig. Sobald ich ihnen auch nur minimale Aufmerksamkeit schenke, flüchten sie. Kaum bin ich abgelenkt, kehren sie zurück. Ich kann mich nicht entscheiden, auf wen ich mein Augenmerk konzentrieren soll. Es ist alles so unwirklich, was ich gerade erlebe, ich bin völlig verzaubert. Am liebsten würde ich Dione einfach um den Hals fallen. Die Gepardin ist hin- und hergerissen zwischen der Zuneigung zu mir und der Sorge um ihre Jungen. Am Ende gewinnt die Sorge die Oberhand. Sie folgt den kleinen Geparden, die allmählich wirklich mit der Situation überfordert sind. Zuweilen schaut sie zurück, kommt wieder ein paar Schritte auf mich zu. Doch es wird dunkel.

»Such jetzt lieber einen Schlafplatz«, werfe ich ihr in Gedanken zu. Sie sieht es ebenso. Im Zickzackkurs entfernt sich die Familie von mir.

Ich krieche um den Erdwall herum und bleibe auf dem Bauch liegen, um mir keine Bewegung der Katzen entgehen zu lassen. Das Tageslicht schwindet. Schon bald sind die Tiere ein Teil der Steppe und schließlich fast nicht mehr auszumachen.

»Tschüs, bis morgen. Ich freue mich auf euch«, schicke ich ihnen in Gedanken hinterher. Noch kann ich nicht fassen, was passiert ist. Bis heute war mein Leben mit den Geparden ein Refugium in meinem Kopf, jetzt bin ich plötzlich wieder mittendrin. Doch es wird Zeit, meinem Fahrer zu winken. Tobias hat wohl alles genauestens mitverfolgt. Ein Handzeichen genügt, und schon versucht er das Auto anzuwerfen. Nach dem zehnten Mal hat es dann wirklich geklappt.

»Du hast alles beobachtet, stimmt’s?«, frage ich Tobias, als er endlich eintrifft und den lärmenden Motor zum Schweigen gebracht hat.

Und da ist es wieder, sein vertrautes breites Grinsen. Ohne etwas zu sagen, reicht er mir das Fernglas. Wir sind eben ein eingespieltes Team, da kann man sich allzu viele Worte sparen.

Ich setze mich auf den Boden und starre durch das Fernglas. Nach einiger Zeit haben sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Tatsächlich, da sind sie! Die Geparden sind Geister der Steppe. Mal nach rechts, mal nach links, ihre Wanderung scheint ziellos. Das ist gut so. Sie werden in der Nähe bleiben. Als keine Bewegung mehr auszumachen ist, bin ich mir sicher, dass die Familie einen Schlafplatz gefunden hat.

»Lass uns aufbrechen«, schlage ich vor.

Tobias ist einverstanden. Er weiß, die Nacht wird spätestens um vier Uhr beendet sein. Unser Camp liegt in der Baumsteppe. Diese Region der Serengeti hat ihren ganz eigenen Reiz. Zwar ist es von unserem jetzigen Standort aus eine ganz schön weite Strecke bis zum Lager, aber ich bin dort nachts immer gut unterhalten. Löwen, Büffel, Stachelschweine und andere Zeitgenossen statten uns regelmäßig einen Besuch ab, und es gibt einige Hyänen, die sich nur allzu gerne an unserer Speisekammer bedienen würden.

Der Weg ins Camp ist ziemlich beschwerlich. Die ersten Kilometer müssen wir ohne Scheinwerferlicht auskommen. Schließlich wollen wir auf keinen Fall die Geparden stören. Als wir dann endlich angekommen sind, ist es stockdunkle Nacht. Thomas, unser Mann für alles, sieht besorgt aus.

»Alles okay!«, beruhige ich ihn. »Wir haben Dione getroffen. Sie hat bereits zwei Junge.«

Thomas mustert mich ungläubig. Ich muss ihm alles genau erzählen. Schließlich hat er mich seit meiner ersten Reise 1995 durch Tansania begleitet und alle Höhen und Tiefen meines Lebens mit den Geparden mitbekommen. Das war auch für ihn keine leichte Zeit.

In der Nacht bricht der Himmel wenigstens teilweise auf. Gelegentlich lugt der Mond durch eine Wolkenritze. Ich nehme mir einen Stuhl und schleiche mich aus dem Camp. Eine kleine Lichtung mit freiem Blick zum Himmel ist der richtige Ort zum Nachdenken. Ich muss einfach allein sein. Mein Kopf ist wie ein riesiger Saal mit weißen Wänden. Ich versuche die Bilder des Tages aufzuskizzieren. Es gelingt kaum, die Impressionen ziehen zu schnell an mir vorbei. Sie zu fangen ist unmöglich. Meine Gedanken landen in meiner Kindheit, als ich noch von Afrika träumte. All das, was ich viel später erleben durfte, war scheinbar unerreichbar weit entfernt.

Der lange Weg nach Afrika

April 1983. Ich lehne mich über eine graue Betonmauer. Ansonsten bin ich nur durch einen Wassergraben von einem mächtigen Löwen und zwei Löwinnen getrennt. Der Löwe geht auf und ab. Ein ausgetretener Pfad kennzeichnet seinen Weg. Bisweilen schrammt er an den Eisengittern entlang. Die dumpfen metallischen Klänge scheinen das imposante Tier nicht zu stören. Unbeirrt und rastlos setzt er seine gleichförmige Wanderung fort. Plötzlich weicht er von seiner Standardroute ab und beugt sich in Richtung Wassergraben. In dem Moment, als er umkehrt, trifft mich sein Blick. Er schaut durch mich hindurch.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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