Auf Umwegen... - Magnus Drechshage - E-Book

Auf Umwegen... E-Book

Magnus Drechshage

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Beschreibung

Die Geschichte eines inspirationslosen Autors, der in seinem Stamm-Café das Tagebuch eines Australienreisenden findet. Zurück an seinem Schreibtisch, beginnt er in dem Tagebuch zu lesen, sucht nach dem Autor und findet heraus, dass Malcolm der Name des Reisenden ist. Sie treffen sich. Sie unterhalten sich. Der Traum von Australien beginnt. Der Traum von Abenteuern und Weite, Feuer und Blaubeeren und der Liebe. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise quer durch den roten Kontinent und zu sich selbst. Schafe werden geschoren und Rinder getrieben. Das Outback glüht für den Reisenden, doch in München, dort wo der Autor lebt, liegt Schnee. Er sehnt sich nach Wärme und Abenteuer. Bis sein routiniertes Leben umgekrempelt wird und seine Träumereien für immer verändert werden.

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Seitenzahl: 382

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Auf Umwegen...

Buch 1. In der neuen WeltKapitel 2: BallettKapitel 3: Das TreffenKapitel 4: Survival of the fittestKapitel 5: Clean KatherineKapitel 6: Back in DarwinKapitel 7: TransitKapitel 8: Blaue Beeren # 1Kapitel 9: Willkommen in Australien – Welcome to Kapitel 10: Schau mal her…guck rüberKapitel 11: Bush is CallingBuch 2. In der alten WeltKapitel 13: Mama…komm mitKapitel 14: MäandernBuch 3. In der heilen WeltKapitel 16: Blaue Beeren # 2Kapitel 17: Blaubeeren mit AliceKapitel 18: Gold RushKapitel 19: Canadian RoadtripKapitel 20: Schafe zählenKapitel 21: WeinKapitel 22: Highway to HeavenKapitel 23: Station LifeKapitel 24: Wiedersehen

Buch 1. In der neuen Welt

Kapitel 1: Aufwärmphase

Ich bin Schriftsteller und ich bin ein Schriftsteller, wie er im Buche steht. Mit all den Stereotypen und Marotten. Ich schlafe bis tief in den Vormittag, denn ich meine, unter zehn Stunden Schlaf ist mein Hirn nicht voll leistungsfähig. Mein Hirn ist mein Kapital, ich pflege und hege es. Der Start in den Tag ist langsam und träg. Ich nenne diese Zeit die Aufwärmphase. Ganz so wie ein Sportler seine Muskeln stretchen und bewegen muss, sie auf die kommende körperliche Anstrengung vorbereiten will, um Höchstleistungen zu erzielen, muss ich meinen Hirnkasten auf die zu erhoffende geistige Höchstleistung vorbereiten und das braucht seine Zeit.

Nach einer ausgiebigen heißen Dusche streife ich mir gemütliche, aber dennoch elegante Kleidung über. Durchaus ein Nadelstreifenanzug, der etwas locker über den Hüften sitzt. Lege mir einen weißen Schal um den Hals, ganz unabhängig von der Außentemperatur, denn ich meine, der weiße Schal ist ein Muss für einen Schriftsteller, wie die Zwiebel das Mettbrötchen veredelt: es sieht besser aus und schmeckt doppelt gut. Den schwarzen Hut noch schnell auf den Kopf, um die nahende Glatze zu verstecken und der wichtigste Teil der Hirnaufwärmphase steht unmittelbar bevor, das auffallend üppige Frühstück in meinem Stamm-Café.

Die U-Bahnfahrt dorthin, das Café befindet sich auf der anderen Seite der Stadt, verbringe ich mit lesen. Für gewöhnlich überfliege ich meine Manuskripte und korrigiere das Geschriebene vom Vortag. Es kommt vor, dass ich mir denke: Was hast du dir dabei nur Gedacht, das ist ja furchtbar, das kannst du nicht mal in den Müll schmeißen, sonst besteht die Gefahr, dass es dort jemand rausfischt, liest und dir um die Ohrenhaut! Und dann sind da die Momente: Wow, das ist Nobelpreis verdächtig! Nur der Preis, der lässt noch auf sich warten.

Wie dem auch sei. Mein Hirn fängt an kreativer zu werden, aufnahmebereit, die Produktion startend, lechzend sich zu entfalten und wird spürbar warm. Ich steige also aus der Bahn, nehme die Treppe, Stufe um Stufe, nicht die Rolltreppe, ziehe den Hut ins Gesicht, denn an der Oberfläche schneit es, biege um die Ecke und erblicke durch den weißen Vorhang gerade mein Café, als ich schwuppdiwupp auf dem Rücken liege. Der Schnee rieselt mir ins Gesicht und ein großer schwarzer felliger Kopf mit zwei plüschigen Schlappohren beugt sich über mich, um mir schwanzwedelnd die Eiskristalle von der Nase zu schlecken…und hier beginnt die Geschichte dieses Buches!

Unter der frischen Schneedecke hat sich hinterlistig eine gefrorene Pfütze versteckt. Ich konnte nicht umher, als treffsicher in diese Falle zu tappen, welche mich aufs Kreuz legte. Die Nässe kriecht durch den Anzug und ist schon fast am Schlüpfer angekommen, da verschwindet das schwarze Fellknäul aus meinem Gesichtsfeld und eine nackte Hand streckt sich mir entgegen. Ich ergreife sie und dank eines spürbar kräftigen Ruckes stehe ich wieder auf meinen Füßen. Etwas wackelig, aber im Winter ist die Vertikale doch angenehmer als die Horizontale.

Und da sehe ich die Beiden vor mir: der große schwarze Hund und am anderen Ende der Leine der junge Mann, welcher mir auf die Beine geholfen hat. Er entschuldigt sich sofort, dass sein Hund mich abgeschleckt hat und fragt nach meinem Befinden. Alles sei okay, erwidere ich und beuge mich wie durch eine magische magnetische Kraft zum Hund runter, um sein unglaublich plüschiges Fell durch zuwuscheln. Er fängt an noch kräftiger zu wedeln, schmeichelt seinen mächtigen Kopf an meine Hüfte und blickt mich mit zwei dunkelbraunen Augen liebevoll an. Wie kann ein Hund nur so fellig seien, denke ich mir, und so einen verzaubernden Blick aufsetzen. Eine Neufundländerin ist es und hört, meistens, auf den Namen Aqua, klärt mich der junge Mann auf. Er wirkt etwas in Eile und verabschiedet sich mit einem schnell an mir vorbei schweifendem Blick. Es scheint mir fast so, als wenn ihm die Situation unangenehmer wäre als mir, der eine ungewollte Slapstick Nummer auf einer belebten Straße absolvierte.

Ich beobachte die Beiden, wie sie ohne sich umzudrehen die Treppe zur U-Bahn runter gehen. Der junge Mann aufrecht stolz und die Neufundländerin Aqua etwas tapsig Stufe um Stufe. Ich bin etwas aus der Spur, sammle mich aber wieder schnell und erreiche in wenigen Schritten das ersehnte Café, wo ein heißer Kaffee auf mich wartet. Das Bild der Beiden hat sich in meine Sinne eingebrannt. Dass muss sie sein, schwelge ich innerlich, das muss die erhoffte Inspiration sein. Schon des Längeren ringe ich mit mir und meiner Muse, dieses Luder. Weiß einfach nicht, wie ich eine neue Geschichte anfangen soll. Der Mann mit dem bärigen Hund, das könnte eine Geschichte sein. Unweigerlich spielt sich der Film „A Boy and His Dog“ vor meinem inneren Auge ab. In dieser Art etwas auszutüfteln, dass könnte der neue Beststeller sein und mich etwas näher an den Nobelpreis heranführen. Das Endzeitszenario und die Telepathie lass ich einfach weg. Eine Kommunikation einfach mit den Augen, den Sinnen, mit Gefühlen, das wäre doch eine tolle Story.

In Gedanken versunken, ich sehe mich gerade den Preis entgegennehmen und überlege, was ich wohl sagen soll, setze ich mich an einen der wenigen freien Tische im Café. Ziehe gerade meinen rechten Arm aus dem Ärmel der Jacke, werde aber je aus meinen Schwärmereien gerissen, als ich auf dem Stuhl gleich neben mir ein schwarzes in Leder gebundenes Büchlein liegen sehe. Ich schaue mich um, aber niemand scheint auf der Suche, alle sind in Gespräche versunken oder spielen mit dem Smartphone. Da fährt meine Hand auch schon aus und schnappt sich dieses Büchlein, tastet es ab, dreht es um die eigene Achse, um es schließlich aufzuklappen. Wie sich herausstellt, ist es ein Tagebuch, denn gleich auf der ersten Seite stehen ein Name und die zeitlichen und örtlichen Begebenheiten. „Malcolm Dreibuchenhain, Australien, 06. November 2011 bis…“Ja, ich weiß, ich sollte es gleich wieder zu schlagen, aber ich kann nicht anders. Wie im Rausch blättere ich zur nächsten Seite und beginne den ersten Eintrag zu lesen: 

Tag 0      Nov.6/11

Flughafen Frankfurt:

Es ist soweit…nach einem Jahr planen und warten…warten und träumen…träumen und arbeiten…und träumen…sitze ich hier am Flughafen Frankfurt… Gate ① vor Augen…und den Traum…bleiben noch zwei Stunden zu warten…werde ich einen Job finden? Wird der Plan aufgehen…mein Traum…muss an Katharina denken…du fehlst mir…sich erfüllen?

Nur…welcher Traum? Was suche ich? Wartet er in München?

‚Eine innere Unruhe ist’s, die mich zum Aufbruch zwingt′

schrieb ich einst…

‚Das Glück…es winkt′

ich hoffe doch!

Der Tag war bisher perfekt Super Wetter mit 15 Grad und Sonnenschein…und das im November…alles läuft glatt…ich hoffe nicht zu glatt…

Flugzeug:

Sehr eng…man man man

Sehr geil…yeah yeah yeah

Fliege nun seit zwei Stunden und sind in der Nähe des Schwarzen Meeres…neben mir der Platz ist frei geblieben…ich Glückskind! Kann die Beine etwas ausstrecken…Kann‘s immer noch nicht glauben…ich sitze wirklich im Flugzeug nach Australien…es ist jetzt kurz vor ein Uhr in der Nacht nach mitteleuropäischer Winterzeit…Unfassbar…der Weg bis hier her…Magisterarbeit die 2te…Klausur 1&2, mündliche Prüfungen…die fantastische Arbeit im Hostel Munich…aufgehört nach fünf wundervollen Jahren…ich weinte…ich freue mich diese tolle Zeit erleben zu dürfen…Katharina…der Umzug…der Kulturschock Bad Salzweiler…neue Arbeit suchen…aufm Bau…am Fließband…der freie aber komische Oktober…und immer wieder Katharina…jetzt sitze ich hier…es sind noch über 8.000 km…aber ich bin am Ziel…was nun kommt…ich werde sehen…

Zehn Stunden Flug sind überstanden…noch etwas über eine Stunde…hab in der Nacht etwas geschlafen und gerade gefrühstückt…das Essen ist schon etwas Besonderes…hehe…bin gerade wenig kreativ…etwas matschig im Hirn…Am Flughafen Singapur…bin noch keine fünf Minuten auf einer herrlichen Terrasse, schon klebt alles…was ein Klima…ein leichter Wind weht…sehr angenehm!

Flug nach Darwin: Sitze zwar endlich im Flugzeug nach Darwin, gehe aber mittlerweile aufm Zahnfleisch! Flieger startet mit über einer Stunde Verspätung…Sitze sind sehr eng und keine Unterhaltung hier…aber das Essen war die Härte…Noodles…so matschig…hoffe bald im Hostel zu sein…Zweifel kommen, aber ich glaube nach einem Schlaf und Kaffee sieht das alles wieder besser aus!

Kapitel 2: Ballett

Es hat mich sofort gefangen! Australien! Wer ist Katharina und was ist mit München? Ich bin fasziniert und wie ein drogenabhängiger kann ich der Versuchung nicht widerstehen und muss weiter lesen. Das ist genial, das ist umwerfend, das ist…das ist…das ist genau das, wonach ich gesucht habe! Das ist meine Inspiration! Das ist mein nächstes Buch!

Während ich meinen Kaffee schlürfe und ein Zwiebelmettbrötchen esse, versinke ich immer tiefer in die Lektüre. Der Autor nimmt mich mit auf ein Abenteuer, ans andere Ende der Welt. Ich tauche ein in die exotische Landschaft, tropisch, heiß und wild. Erkunde eine verwirrte Gefühlswelt, welche von beflügelter Glückseligkeit in eine befremdliche sorgenvolle Tiefe zu stürzen scheint. Aber ich will hier dem werten Leser nicht zu viele Informationen vorweg geben. In wenigen Seiten wirst du selbst die Gelegenheit haben in die Geschichte einzutauchen.

Die Stunden vergehen und die Bedienung hat schon längst meinen Tisch abgeräumt, da merke ich etwas erschrocken, dass ich fast das halbe Tagebuch gelesen habe. Ich raffe meine Sachen zusammen, lege den Schal um und setze mir den Hut auf und verlasse in Gedanken versunken das Café. Das schwarze Büchlein unter meiner Jacke, um es vor dem Schnee und neugierigen Blicken zu schützen. Mein Schatz. Ich habe den Namen ‚Malcolm Dreibuchenhain′. Dieser Name scheint mir ziemlich einmalig, wäre doch gelacht, wenn ich diese Person nicht ausfindig machen könnte. Im 21. Jahrhundert, im Informationszeitalter, im Internet.

Keine Ahnung wie ich nach Hause gekommen bin. Die ganze Zeit über schwebt mir das rote Australien vor den Augen. Sehe Kängurus durch die glühend untergehende Sonne hüpfen. Spaziere an einem von monströsen Krokodilen gesäumten Fluss entlang. Umrunde den magischen Fels Uluru und entdecke mysteriöse Malereien im tropischen Top End Down Under. Doch der Schnee, er rieselt in großen Flocken vor meinem Bürofenster, raubt mir die Illusion von einer heißen trockenen Steppe. Er wirkt mehr wie eine eisige Dusche, die mich aus einem wohligen Schlaf reißt und hellwach rüttelt.

Während der Computer hochfährt und seine Aufwärmphase durchläuft brühe ich mir einen Aufgusskaffee auf, schnappe mir eine Packung Kekse und mache es mir in meinem uralten urgemütlichen Bürostuhl bequem. Ich suche nach dem Namen ‚Malcolm Dreibuchenhain′ im Netz. Muss ihm sagen, dass ich sein Tagebuch gefunden habe und natürlich, ob ich seine Geschichte für mich, für den darbenden Schriftsteller nutzen dürfte. Dank einer jedermann bekannten Suchmaschine und sozialer Netzwerke ist eine Person mit diesem Namen schnell gefunden. Sehe Bilder von in die Kamera grinsenden Kängurus, vom Uluru im Herzen des Kontinents und von Blaubeeren.

Das muss der Gesuchte sein. Die Bilder passen zu dem Geschriebenen im Büchlein. Schnell ist eine Nachricht verfasst, dass ich sein Buch gefunden und wie von fremder Hand geführt, angefangen habe zu lesen. Dass ich total begeistert bin und mich gerne mit ihm treffen würde, um mehr zu erfahren, um mit ihm zu sprechen und zu besprechen. Und jetzt heißt es warten. Qualvoll warten auf eine Antwort. Ich blättere wieder im Tagebuch, nippe am Kaffee und tunke ab und an einen Kecks in den selbigen. Blink, Blink, Blink, Blink. Der Computerbildschirm zuckt, jubelt und winkt mir zu. Da hat mir jemand eine Nachricht geschickt. Etwas nervös führe ich die PC-Maus in meiner Hand zu den Nachrichten und öffne die Neuste:

„Jolie brauchen es so richtig! Du seien Mann genug?“

Okay, die neunundneunzigste Spam Mail heute. Löschen. Vergessen und weiter Warten.

„Eberhard aus Goma am Kivu See…bla bla bla“

Ich hasse, ja wirklich hasse diese vielen Junk Mails. Liest die eigentlich jemand? Bitte lieber Leser, wenn du einer jener bist, dann meldest du dich bitte bei mir, damit ich dir deine Mund mit Kernseife auswaschen kann.

„Tagebuch!“

Mein Herz hört für einen Augenblick auf zu pochen und ich vergesse Luft zu holen. Den fehlenden Sauerstoff im Hirn schnell mit einem doppelt tiefen Einatmer auf Normal-Niveau zurück geführt und schnell die Mail öffnen. Ich zittere. Ich bin nervös. Tatsächlich, er hat sich gemeldet! Malcolm Dreibuchenhain hat sich auf meine Nachricht gemeldet. Es kann endlich losgehen. Er schreibt:

„Hallo,

Sie glauben gar nicht wie froh ich bin, dass Sie sich bei mir gemeldet haben! Mein größter Schatz…wertvolle Erinnerungen…mein Leben…vielen Dank, dass sie mein Tagebuch gefunden haben! Und noch viel größeren Dank, dass sie sich bei mir gemeldet haben! Ich werde noch zwei Tage in der Stadt sein, bevor ich nach Papua Neuguinea aufbrechen werde…auf unbestimmte Zeit…weit weg von jeglicher westlicher Zivilisation. Ich würde mich also sehr gerne mit Ihnen treffen, um mein Geschriebenes zurück zu bekommen und mich bei Ihnen bedanken zu können…und ja, gerne können wir uns unterhalten…bin schon gespannt wer Sie sind und was Sie besprechen wollen!

Schreiben sie mir einfach den Ort und die Zeit und ich werde da sein!

Liebe Grüße und vielen Dank noch mal!

Malcolm“

Yes and Yeah! Super und Duper! Geil und Spitze! Genau auf die Antwort hab ich gewartet. Ich schreibe ihm schnell, dass ich ihn gerne in dem Stamm-Café treffen würde, in welchem er sein Tagebuch vergessen hatte. Ich werde am Vormittag dort sein und einige Stunden mit Schmausen und Lesen verbringen. Er soll vorbeikommen, wann immer es ihm passe.

Ich blicke aus dem Fenster, bin nicht bei mir selbst. Meine im spiegelnden Glas zu sehen, wie ich neben mir stehe, mich doppelt sehe, bis sich meine Augen auf den noch immer nieselnden Schnee fokussieren. Es ist pechschwarze Nacht. Nur das Licht der Straßenlaterne lässt die Flocken im Scheinwerferlicht erstrahlen und lädt die Eiskristalle zum Onegin Ballett ein. Dort ist Er, der gescheitert stolze Onegin. Wie er auf der Zeitreise zum Älterwerden immer weiter zu Boden sinkt. Die Augen müde, der Kopf auf der Brust, an seinem Lebensglück vorbei segelnd. Mein Blick verschwimmt. Ich meine eine zusammengekauerte Person in mir zu sehen, im Spiegelbild, jenes neben diesem.

Ich rede wirr. Entschuldigung lieber Leser. Es wird Zeit für mich ins Bett zu gehen. Meinem Hirn Ruhe zu gönnen und runter zu fahren, damit es morgen, das große Morgen, wieder voll funktionstüchtig ist. Ich bin etwas nervös, aber kaum da ich mir die Decke über die Nase gezogen habe und mein nackter Körper wohlig warm im Bett gehüllt ist, falle ich in einen tiefen, bis zum nächsten Morgen dauernden Schlaf. Nur Onegin…er tanzte weiter…

Kapitel 3: Das Treffen

Ich ziehe mir den Kragen der Jacke tief ins Gesicht, bis fast über die Nase und versuche den Nacken so gut es geht zu bedecken. Keiner mag kalten nassen Schnee im Genick und ich noch viel weniger. Der Schneefall hält seit dem vorigen Abend an und auf dem Bürgersteig türmen sich die aufgeschobenen Eisberge zu einem fast unüberwindbaren Himalaya.

Der arme Kerl in seinem orangenen Overall und einer Schneeschaufel in seinen bloßen Händen tut mir leid. In diesen polaren Verhältnissen sollte keiner draußen arbeiten müssen. Ich blicke zurück und bemerke, dass der Trottoir schon längst wieder zugeschneit ist und der Orangene so gleich er zum Ende seiner Arbeitsstrecke gekommen ist, von vorne anfangen kann. Ich sage nur Sisyphos. Fließband auf zwei Füßen.

Durch das weiße Gestöber ist kaum mein Stamm-Café zu entdecken, dabei muss ich schon fast da sein. Ich kenne die Anzahl der Schritte, 66 von der U-Bahn Station bis zur Türschwelle, ganz genau und mein Gefühl sagt mir, ich bin mindestens das Doppelte gelaufen. In Workuta Verhältnissen scheint das nicht zu zählen.

Ich entdecke große runde Spuren im Schnee. Sie müssen frisch sein, sind noch nicht zugeschneit. Fühle mich fast wie Reinhold Messner und fantasiere von einem Yeti, als ein schwarzes tapsiges Fellwesen seine Nase aus einer Wehe zieht und anfängt mit dem Schwanz zu wedeln. Es sieht mich an und grübelt, nur für eine halbe Sekunde. Es stürmt, hopst und tapst auf mich zu und setzte sich aufgeregt, aber brav direkt vor meine Füße. Aqua! Ja, das ist Aqua! Auch ich brauche eine halbe Sekunde, aber ohne Zweifel, diese treuen braunen Augen erkenne ich sofort wieder. Ohh, wie schön warm ihr Plüsch ist, welche wohltat meine Hände in ihren Kragen zu graben. Darf ich sie mitnehmen, unter die Bettdecke stecken und sie als Heizkissen unter meinen Kopf schieben?

Aber bevor ich diesen wohligen Gedanken zu Ende denken kann, tritt auch schon jener junge Mann hervor und lächelt mich mit einem „Hatte ich es mir doch gedacht.“ Grinsen entgegen.

„Sie sind es, nicht wahr, sie haben mein Tagebuch?!“, schießt es aus ihm hervor, „Und Hallo!“, schiebt er hastig hinterher.

„Hallo!“, stottert es aus mir heraus.

Ich bin tatsächlich weniger überrascht, als ich hätte sein sollen. Innerlich wusste ich es. Ich wusste, dass das Tagebuch zu den Beiden gehört, aber gedacht hatte ich diesen Gedanken nie. Es war mehr so ein unterbewusstes Fühlen, eine Idee, von der eine Ahnung zwischen den Zeilen verweilt und sich mehr durch ein „Jep“ als durch ein „Nö“ bemerkbar macht. Wenn Sie verstehen was ich meine.

„Jep, ich hatte es gefunden, auf einem Stuhl gleich neben mir, in dem Café. Wir sollten schnell dort einkehren und ein bis fünf Tassen Kaffee trinken, um uns aufzuwärmen. Nur dir kleines schwarzes Wollknäul ist es bestimmt warm genug, in diesem seidigen Pelzmantel“, wende ich mich wieder Aqua zu und vergrabe meine gespreizten Finger noch einmal in ihre Mähne.

Wir machen uns gemeinsam auf, um endlich das gut geheizte und gemütliche Kaffeehaus zu erreichen. Nur die Neufundländerin hat es nicht sehr eilig. Schnüffelt lieber noch mal dort und hier. Schmeißt sich rücklings in eine Häufung Pulverschnee, streckt alle Viere in die Luft, strampelt und fabriziert einen Schneeneufundländerinnenengel. Sie rollt sich wieder auf die Beine, schüttelt einen Blizzard aus ihrem üppigen Fell und trottet wieder langsam hinter uns her. Ich bin so fasziniert von diesem Geschöpf, dass ich nicht auf die Idee komme, eine Unterhaltung anzufangen.

Wobei wir Drei nach wenigen Minuten endlich am Eingang stehen und es Aqua nachmachen und uns den Schnee von den Mänteln schütteln. Ohh, diese Wärme, welche uns entgegenschlägt, in dem gleichen Moment, da wir das Stargate namens Tür passieren und diese andere Welt betreten.

Ein freier Tisch ist schnell gefunden. Nicht viele Menschen sind so tough wie wir und schlagen uns durch Sibirien, um einen frisch gebrühten Kaffee genießen zu können. Weicheier. Wir legen unsere Mäntel über die Stuhllehnen und Aqua sich unter den Tisch. Während wir Beide uns ein Gourmet-Frühstück bestellen, zur Feier des Tages darf es ruhig noch üppiger als sonst sein, fängt Hundi schon gemütlich an zu Schnarchen. Die Stimmung ist perfekt, für ein relaxtes, inspirierendes, tiefgründiges, anregendes und erregendes Gespräch.

„Ich hatte ihr Tagebuch da drüben am Tisch gefunden, auf dem Stuhl links. Kaum hatte ich mich gesetzt, schon fing es meine Aufmerksamkeit und ich griff es mir“, fange ich lächelnd die Unterhaltung an.

„Als ich Zuhause ankam und das Buch aus der Tasche ziehen wollte“, antwortet Malcolm etwas hastig „fiel es mir auf, dass es nicht da war, wo es sein sollte und tatsächlich…da war einer dieser Momente…da bleibt einem kurz der Atem stehen und ich musste erst wieder zu mir kommen. Der Puls fing an zu rasen und Panik setzte sich in meinen Kopf! Ich durchsuchte alles…all meine Klamotten, Schränke und Schubladen.“ Ich grinse ihn weiterhin an und auch sein Mund verzieht sich zu einem leichten Lächeln, also eher ein Schmunzeln und atmet einmal tief, kaum bemerkbar, ein.

„Ich wollte im Internet nach dem Fundbüro suchen, vielleicht hatte jemand mein Tagebuch gefunden und geben. Im gleichen Augenblick blieb mir schon wieder der Atem stehen und mein Herz setzte ein weiteres Mal aus…das sollte ihm nicht zu oft passieren! Ich sah ihre Email mit der Überschrift ‚Tagebuch′ und mein gerade etwas beruhigter Puls schnellte wieder in die Höhe. Bis ich ihre erlösende Nachricht gelesen hatte“, prustet er mit Erleichterung hervor, so als ob er diesen Moment körperlich und geistig ein weiteres Mal durchlebt.

Zur gleichen Zeit wird unser Frühstück serviert. Super! Erst mal eine Tasse heißen Kaffee! Doch kaum habe ich diese Zeilen geschrieben, hat Malcolm sein Kännchen schon in sich hineingekippt und bestellt ein weiteres.

„Ein Kaffeeliebhaber?!“, werfe Mr. Kaffee einen verwunderten Blick zu.

„Ohh ja…gleich nach Bier ist Kaffee das beste Getränk der Welt…und seien wir ehrlich…ein Bier zum Frühstück sehe etwas blöd aus“ er untermalt seine Aussage mit einem ironischen Blick, so als wolle er meine Art von Humor testen, herausfinden wer ich bin.

Doch als Schriftsteller habe ich immer eine passende Antwort auf Lager und probiere es mit dieser, „Deshalb trinke ich mein Frühstücksbier Zuhause, im Bett vorm Fernseher. Die Gewissensbisse vergehen nach ein paar Jahren“ Und tatsächlich, die Antwort scheint ihm zu gefallen, er wirft mir einen verschmitzten Blick zu und nickt mit einer kleinen feinen Kopfbewegung.

„Hier ist übrigens ihr Tagebuch. Ich muss mich entschuldigen! Ich hab recht viel und ausversehen darin gelesen…das macht man eigentlich nicht…ich weiß!“, versuche ich die heitere Stimmung für mich zu nutzen.

„Und…gefällt es ihnen?!“, schmunzelt er mich weiterhin an, nimmt das Buch entgegen und legt es neben seinen Teller.

„Was halten sie davon?“, stochert er ungeduldig nach.

„Wie ich ihnen schrieb, ich bin begeistert! Ihre Geschichten lassen mich träumen…nehmen mich mit nach Australien. Doch fangen wir von vorne an, ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt.“ Seine Augen werden noch aufmerksamer, er blinzelt mich an.

„Ich bin Schriftsteller. Habe einige Romane und Novellen veröffentlicht. Vielleicht haben sie mal eines von mir gelesen?“

„Nein, ich glaube nicht…in letzter Zeit habe ich viel von russischen Autoren gelesen…von Puschkin über Turgenjew bis Solschenizyn…und sie scheinen mir keiner von diesen zu sein…aber erzählen sie weiter…ich liebe die Literatur und finde es sehr spannend einen richtigen Autor zu treffen!“, wirft Malcolm ins Gespräch und blickt mich immer noch mit großen begeisterten Augen an.

„Ich wünschte ich wäre wie Puschkin und hätte Onegin geschrieben.“

„Das Werk ist in meinen Top drei der besten Bücher ever…das Ballett…ich hatte es tatsächlich gesehen…wird dem literarischen Meisterstück in keiner Weise gerecht.“

„Ja, es ist ein Meisterwerk! Wie viel Grübelarbeit es gekostet haben muss! Wie dem auch sei…wie gesagt, ich bin Schriftsteller und Momentan sitze ich ein bisschen auf dem Trockenen. Mir fällt einfach keine gescheite Story ein. Ich sitze an meinem Computer, an dem alten eichernen Schreibtisch in meinem urgemütlichen Bürostuhl, aber nix! Ich kann einfach keinen sinnvollen Satz schreiben.“

„Mir hilft immer laute und gute Musik über Kopfhörer direkt aufs Ohr…ein zwei Bier…und die Sätze fließen.“

Malcolm der Schriftsteller?! Vielleicht hänge ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte Autor zu sein. Er hat Ahnung von der Materie. Super!

„Mir hilft ein langer und meditativer Blick aus dem Fenster…meistens“, schiebe ich schnell zu meiner Verteidigung ein, obwohl Malcolm mich nicht provozieren wollte.

Aber ich fühle mich als etablierter Schriftsteller etwas überlegen, kann es aber einfach nicht zum Ausdruck bringen. Seine ruhige und souveräne Art macht mich etwas nervös.

„Aber nun habe ich ihre Geschichte! Und nun…nun…meine Frage und große Bitte ist: darf ich ihre Story zu meinem neuen Beststeller formu…ähh…machen?“, ich bin nervös.

„Ha…wissen Sie…wieder so eine Geschichte…irgendwie habe ich in meinem Leben viel Glück! Ich wollte selbst ein Buch veröffentlichen und eine Geschichte um mein Erlebtes weben…aber ich habe einfach nicht die Geduld und Zeit dafür…ich bin zu umtriebig und suche immer ein neues Abenteuer…und da kommen Sie und wollen die Arbeit für mich machen?! Wie geil ist das denn?!“, er schaut zum Boden, lächelt, streichelt Aqua ein paar Mal über den Kopf, die sich daraufhin schnaufend auf die Seite dreht, ihre rechte Pfote hebt und erwartet, dass ihr Bauch gekrault wird. Er schrubbt ihre teppichartige Plauze mit straffen Oberarmen. Ein paar sonderbar kurze Minuten vergehend schweigend. Es liegt etwas Vibrierendes in der Luft.

Ich höre murmeln am Nachbartisch „Kuck…ein Bär!“, und „Die friert bestimmt nicht!“, mit einem liebevollen Blick auf den Neufundländer unterm Tisch.

Ich beiße in das reichlich belegte Mettbrötchen und schaue Malcolm schüchtern an, wie er streichelnd sinniert. Die Zwiebeln auf dem Brötchen sind heute etwas scharf, denke ich mir, und genieße diese Würze in meinem Leben.

„Sie haben also Onegin gelesen?“, fragt mich Malcolm plötzlich, mit einem langsam gleitenden Augenaufschlag und schaut mich tief an.

„Ja, sogar einige Male, um wirklich alles zu verstehen. Wissen sie, es hilft mir eigene Verse zu formulieren, wenn ich perfekte Poesie verinnerlicht habe und…“

„Gut…das reicht mir schon“, unterbricht mich der junge Mann „sie dürfen gerne meine Geschichte benutzen…es fällt mir nicht leicht, diese aus der Hand zu geben…aber sie scheinen wirklich daran interessiert und eine Leidenschaft zu besitzen, welche ich leider bei den wenigsten Menschen erkennen kann“

„D-Danke…“, stottere ich atemlos hervor.

„Und“, fährt Malcolm fort, „das hebt Sie von der Masse ab…Sie sind ein Künstler und einem Künstler vertraue ich…ich vertraue darauf, dass sie die Seele der Arbeiten unverändert lassen und meine Geschichte zum Leben erwecken. Ich wünschte ich hätte mehr Zeit! Wir könnten zusammen was Wundervolles schaffen! Ich vertraue ihnen mein Tagebuch an…behandeln sie es gut!“

„J-Ja ja…das verspreche ich!“

„Außerdem werde ich Ihnen eine Mail schicken mit dem Link zu meinem Blog…bitte verwenden und verweben sie die kleinen Erzählungen dort mit den Einträgen im Tagebuch…so hätte ich das Buch geschrieben und so wünsche ich mir, dass Sie es verfassen…ist das okay?“, und er schaut mich mit einem bizarren herausfordernden Blick an, der mir für eine Sekunde die Sprache verschlägt.

Ich kneife unwillkürlich leicht die Augen zusammen.

„Okay…das ist super! Das ist fantastisch! Ich bin schon gespannt Ihren Blog zu lesen und vielen Dank!“, vollende ich meinen Satz und bin weiterhin sprachlos.

Malcolm hat mittlerweile seinen Kopf wieder gesenkt und streichelt ununterbrochen den schnorchelnden Fundi unterm Tisch. Er sieht aus, als wenn er in einer anderen Welt abgetaucht ist. Er grübelt, krault und träumt. Ich kaue wieder auf den Zwiebeln rum und nippe am Kaffee. Mein Hirn läuft heiß. Es braucht eine Auszeit. Es war nicht professionell aufgewärmt, das hatte ich verbockt. Ich schäme mich. Ich hätte schlagfertiger sein müssen. Bin eingeschüchtert von der Person vor mir, welche mich fasziniert, aber mich so klein mit Hut fühlen lässt.

Malcolm blinzelt gleich doppelt. Er fokussiert mich. Seine Grübchen werden tiefer. Offensichtlich, der junge Mann kann sein Lächeln nicht länger zurückhalten und ein lautes Grinsen entkommt ihm. Ich steige direkt mit ein und muss fast lauthals Lachen. So ein Glück, denke ich mir, die Atmosphäre, die Stimmung ist wieder locker und fröhlich. Mein Nacken entspannt sich, in einem Ruck, das Koffein entfaltet seine volle Wirkung und das Hirn kühlt auf die passende, effizienteste Temperatur runter.

Die Kellnerin kommt an unseren Tisch und stapelt geschickt die vielen Tellerchen, Schälchen und Tässchen auf ihre grazilen Unterarme. Eine hübsche junge Frau, fährt es durch meinen Kopf, was sie wohl studiert? Lehramt! Ja ganz sicher. Bestimmt Religion, Deutsch und Kunst oder so was. Ihr Bluse ist bis obenhin zugeknöpft. Das ist einfach zu bieder, um etwas Cooleres zu Lehren. Und sie weicht meinem Blick aus, also ganz bestimmt Religion.

Ach, wie dem auch sei! Bitte etwas mehr Konzentration Herr sogenannter Autor höre ich zu recht aus dem lesenden Publikum!

Worauf ich eigentlich hinaus wollte: „Herr Dreibuchenhain, wie viel Zeit haben sie noch? Ich würde Ihnen gern ein Mittagessen und ein Bier dazu spendieren, um noch etwas mehr von Ihnen zu erfahren“, Gebe ich locker flockig von mir, als wenn die vorherige Schüchternheit mich nie umklammert hätte.

„Au ja! Das klingt sehr gut!“

Ich winke der Religionslehrerin zu, sie soll uns doch bitte schnell zwei Bier bringen und wir überlegen solange, ob wir uns lieber das duzend Weißwürste teilen oder jeder eine zünftige Schweinshaxe verdrücken mag.

Während wir ein paar weitere Stunden hier verbringen, lerne ich viel über seine Geschichte. Lieber Leser, ich werde sie bald mit Ihnen teilen. Seien Sie gespannt!

Ich verlasse mein Stamm-Café am späten Nachmittag. Es ist schon dunkeln und dieser dämliche Schnee fällt immer noch. Der Schneeschieber muss aufgegebene haben, denn sein mühselig freigeschobener Fußweg ist mindestens zehn Zentimeter mit frischem Schnee bepudert. Ich stapfe tapfer durch die Wehen und denke unwillkürlich an Kapuschinskis Workuta. Der eisige Wind schneidet messerscharf in die trockene Haut, es ist stockdunkel und eingemummte Gestalten huschen an mir vorbei.

Malcolm und Aqua sind etwa eine Stunde vor mir aufgebrochen. Ihre Spuren hat der Winter längst gefressen. Wann werde ich sie wiedersehen? Welche Jahreszeit wird dann sein? Wird mich Aqua wiedererkennen? Es fällt mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Endlich erreiche ich die U-Bahn. Ich gehe vorsichtig die Treppe, Stufe um Stufe. Will nicht ausrutschen. Steige in die Bahn, setze mich. Der Zug rollt los. Ins dunkle. In die Zukunft. Ich nicke ein und träume. Sehe Kängurus, Eukalyptus, den Nobelpreis, Aqua, rote Erde und Hoffnung.

Kapitel 4: Survival of the fittest

  Schnell die Jeans aus und rein in meine Gemütlichkeitsbuxe. Fünf gehäufte Löffel Instantkaffeepulver in die Kanne, mit viel Wasser aufgießen und mit fast genauso viel Milch veredeln. Heute gönne ich mir sogar einen Löffel Zucker. Der Abend wird lang. Das Nickerchen in der Bahn hat gut getan. Ich fühle mich energetisch und motiviert. Kann es kaum erwarten den Blog von Malcolm zu lesen und die ersten Entwürfe für Das, für mein neues Buch zu kreieren.  

Der Computer fährt hoch. Mein Hirn hüpft vor Begeisterung und fühlt sich an, als wenn Usain Bolt innendrin seine Schuhe schnürt, um einen neuen unsagbaren Weltrekord zu laufen. Schnell noch eine Packung Kekse aus der Schublade gekramt und einen ersten in den Kaffee getunkt und saftig in den Mund gesteckt.  

Ich beobachte Onegin vor dem Fenster wie er still und fern zu Boden tanzt. Öffne den Browser. Tippe die Adresse ein. Und es ist soweit! Lieber Leser! Tada! Hier und jetzt, endlich fängt das Buch an! Die Story beginnt. Ich suche den ersten Eintrag, muss ein paar Seiten zurückblättern, um ihn schließlich am Ende der Ersten zu finden. Eingerahmt von Bildern des tropischen Darwin. Gepostet vor ein paar Jahren:

...bin nach langem Flug und in einem tropischen Sturm ‚sicher′ in Darwin gelandet...

Dies wird also der Blog von meiner Reise Down Under und werde versuchen öfter mal Fotos und Neuigkeiten zu posten...

Meine ersten Eindrücke:

Wow...wusste gar nicht, dass der menschliche Körper in so kurzer Zeit so viel schwitzen kann...der Wahnsinn!

Und...welche Sprache sprechen die Menschen hier wohl? Man sagt, es sei Englisch...doch der Beweis steht noch aus...ich verstehe nix!

Bin dabei die Stadt und das Umland zu erkunden...und das ist echt spannend...

Papageien fliegen in Schwärmen krächzend über mich hinweg...gewaltige Wolken blitzen am Horizont leuchtend auf...und das Meer ist wunderschön Türkis Blau! 

In seinem Tagebuch finde ich folgende Beschreibung Malcolms erster Eindrücke vom Top End Down Under:  

Tag 1      08 Nov./11

In Darwin:

Scheißenerna…wat nen Wetterchen…heiß und schwül…nur am schwitzen…denke die ersten Tage werden schwer für mich…fühle mich etwas allein und verloren hier…aber das wird schon…is kaum zu glauben, dass ich in Australien bin!!! Hier…so weit weg…

Abends…sitze am Wasser, der Esplanada und bin ziemlich kraftlos…mir fallen die Augen zu…kraft- und energielos…somit beende ich diese Notiz… 

Seine ersten Versuche mit dem Blog und dem Tagebuch. Sie waren noch etwas holprig. Ich verspreche Ihnen, es wird spannender. Ich nehme hier einfach vorweg, dass es später zu unterschiedlichen Darstellungen kommen wird. Der Blog ist für die Öffentlichkeit. Soll gefallen, positiv metaphorisieren. Das Tagebuch ist persönlich, Geheim, ein Schatz, bietet Platz für Wut und Ärger und Träumereien, Fantasien. Sorgen und Gedanken können von der Seele geschrieben werden. Doch schaue selbst, lieber Leser:

Tag 2      09 Nov./11

Mir geht es schon besser! Bin jetzt ausgeschlafen und habe wieder mehr Selbstbewusstsein. Hab aber immer noch das Gefühl, nicht wirklich in diese Backpacker Szene rein zu passen…vielleicht ändert sich das noch! Und wenn nicht…auch nicht wirklich schlimm…ich werde meinen Weg schon gehen!

Darwin ist aber super! Die City ist sehr übersichtlich und ich kenne mich jetzt schon ganz gut aus. Das Wetter ist wirklich der Hammer! Die Sonne brennt wahnsinnig und es ist zeitweise so unglaublich Schwül, dass man sofort in Schweiß steht! Leider fühlt es sich noch nicht wie Urlaub an…aber ich habe schon ein Konto und eine Steuernummer ist beantragt. Bin Momentan leider nicht besonders kreativ im Schreiben, ich hoffe, das kommt bald wieder!

Sitze jetzt am Abend auf dem Balkon und genieße die kühle Brise! Hab heute wieder wahnsinnig geschwitzt…ein wunder, dass ich noch keinen Sonnenband habe! Hab das erste Mal geangelt…seit Jahren…leider nix gebissen…trotzdem ein schönes Erlebnis! Am Pazifik zu stehen, riesige Gewitterwolken im Hintergrund, erleuchtet von wunderschön grellen Blitzen…ist ein tolles Erlebnis! Die anderen Angler konnten aber auch nix fangen…muss an den Fischen liegen…

Der zweite Tag war viel besser als der erste! Hoffe es geht so weiter…

Tag 3       10 Nov./11

Es liegt an der Sprache…deshalb fühle ich mich so isoliert! Besonders die Australier verstehe ich nur sehr schlecht…Ich muss besser werden! Darwin ist aber super…das Wetter war heute allerdings nicht ganz so gut…ab Mittag hat es geregnet und in der Ferne hat es geblitzt und gedonnert…

Wieso ist mein Selbstbewusstsein so schlecht? Nur die Sprache? Muss auch Frau Mama einen Brief schreiben…aber jetzt gehe ich erst mal Angeln!

Hatte beim Angeln leider keinen Erfolg…mache wohl irgendwas falsch…

Gerade mit meiner Schwester telefoniert…war zwar kurz, aber hat gut getan!

Der Mond ist heute wundervoll…riesengroß und klar…

Hab ne Email von Katharina bekommen…der Altersunterschied soll schuld sein…ich weiß ja nicht…warum muss ich nur so oft an sie denken? 

Ich bin neugierig geworden. Mal ehrlich lieber Leser, was wissen Sie über die Stadt Darwin im tropischen Australien?

Ich mühe die Suchmaschine im Web und will herausfinden, wo Malcolm seine ersten Tage Down Under verbracht hatte. Soso, die größte Stadt im Northern Territory mit unglaublichen 137.000 Einwohner. Dabei hat das ganze Territory nur 243.800 Bewohner, ist aber ungefähr viermal so groß wie Deutschland.

Ich gieße mir noch etwas Kaffee in die Tasse, dippe einen Keks hinein und lutsche das vollgesogene Stückchen ab. Wie mir der kaffeegetränkte Brei im Mund zergeht und ich aus dem Fenster schaue, sehe ich mich unter einer hohen Kokosnusspalme schlummern. Die Brandung des türkisenen Ozeans rollt sanft auf den schneeweißen, mit bunten Muschelschalen gesäumten Strand und eine erfrischende Brise weht aus derselben Richtung zu mir herüber. Schnee! Jau, der Schneefall hat endlich aufgehört. Vor dem Fenster ist es leblos ruhig. Mein Blick wendet sich wieder dem Bildschirm zu. Würfelquallen, Leistenkrokodile, Haie, Seeschlangen, Steinfische, Kegelschnecken. So ziemlich alles im Meer dort trachtet dir nach dem Leben. Die Badehose ziehe ich dann lieber wieder aus und mache mich auf den Weg Richtung Süden.

Soo…mein erster Job! – Als Putze…

Hab eine Französin kennengelernt, die einen Job gefunden hatte, aber eine zweite Person für diese Stelle suchte…es waren zwei Posten zu vergeben…Tada…da bin ich eingesprungen und habe diese Lücke aufgefüllt! Der Haken ist nur…der Job ist in Katherine…der nächst größeren Stadt…gut 320 km von Darwin entfernt…und erst mal nur für 2 Wochen.

Wir müssen also ein Auto mieten und nach Katherine fahren…was allerdings auch eine tolle Chance ist! So können wir uns die vielen Sehenswürdigkeiten in der Region ansehen…man braucht fast immer ein Auto um irgendwo hinzukommen.

Dies wird also meine erste Reise durchs Outback…und im Linksverkehr…I hope I will survive

Und mein erster Job Down Under – als Cleaner…

21 Dollar die Stunde…37,5 + Stunden die Woche

Nächstes Update also aus Katherine…c u 

Tag 4       11 Nov./11

Das sind die Momente, für die es sich zu leben lohnt

In ihnen die Magie des Seiens wohnt

Welch fabelhafter Tag! Sitze gerade am Meer und angle ein wenig. Es ist lau…nur eine kleine Brise weht…die Sonne ist gerade untergegangen und eine besonders friedliche Stimmung herrscht…

Hab heute den Botanischen Garten von Darwin besucht…wunderschöner Ort, besonders der Rainforest Walk…auch wenn dort viele Mozzys wohnen…danach war ich am Strand…ein Strand wir im Bilderbuch über die Südsee!

Aber das Beste: hab nun einen Job…in Katherine als Cleaner…

Habe eine nette Französin kennengelernt, die einen Zweiten brauchte…Tada…meine Chance…wahrgenommen und genutzt! Der Test im Anmeldebüro war sehr überraschend…damit habe ich nicht gerechnet und nur die Hälfte verstanden…aber scheint zu reichen! Freu mich auf Katherine…am Sonntag geht es los! 

Der Test, hatte mir Malcolm verraten, handelte von Sicherheitsbestimmungen. Er wurde in einen Raum geführt, einen Multiple Choice Bogen in die Hand gedrückt und eine DVD gestartet. Malcolm warf einen Blick auf die Fragen, er verstand kaum ein Wort. Malcolm sah sich das Video an, er verstand kaum ein Wort. Sein Herz fing an zu puckern, etwas Panik machte sich breit und lies seine Sinne verschwimmen. Es erschien ein Text auf dem Bildschirm mit Verhaltensregeln für einen sicheren Arbeitsplatz. Der Text deckte sich überraschend gut mit den Fragen auf dem Bogen und die Antworten wurden geradezu auf dem Silbertablett präsentiert! Schnell die Stopptaste auf der Fernbedienung gedrückt und die passenden Kästchen angekreuzt. Sein Puls beruhigte sich wieder und mit noch etwas weichen Knien gab Malcolm den Test der Empfangsdame zurück. Schüchtern, aber mutig.

Tag 5      12 Nov./11

Alles klar! Sitze hier an eine Lagune mit einer hübschen Französin…auf der anderen Seite der Welt…unfassbar! Wir verstehen uns gut…aber natürlich…my boyfriend! Immer das gleiche, aber wenigstens habe ich jemanden kennengelernt! JA geil…Australien…ich hoffe das geht so weiter…

Wir haben ein Auto gemietet…für 2 Wochen und 630 Dollar…ich denke das werden schöne Tage…allein in Katherine kann man so viel machen…die Natur soll dort wunderbar sein…ich werde sehen…

Eben haben wir im Meer gebadet, in einem abgesperrten Bereich…ich im Pazifik…geil!

Mein Zimmernachbar…Chris, auch ein Deutscher…ist zum Litchfield Nationalpark gereist…zum Schluss haben wir uns ganz gut verstanden…vielleicht treffe ich ihn mal wieder…

Noch ein Nachtrag: das coolste hier sind die Flughunde! Abends an der Esplanada fliegen sie von Baum zu Baum, knapp über die Köpfe hinweg…sie erinnern mich so an Aqua…  

Kapitel 5: Clean Katherine

Malcolm in Australien. Die ersten Tage waren aufregend für ihn. Eine andere Welt. Aus der deutschen Eintönigkeit in ein exotisches Abenteuer. Es spricht für den jungen Mann, dass er ausgerechnet in Darwin startete. Die meisten Backpacker starten in Sydney, Melbourne oder Brisbane. Metropolen, Städte, urbanisierte Centren wie wir sie in der westlichen Welt alle fünf Schritte finden. Doch Malcolm suchte das Fremde, das Tropische, das Erlebnis. Und er sollte schneller in diese für ihn fremde Welt eintauchen, als er es gedacht hätte. Hier spricht Katherine.

Hallo ihr da…

melde mich das erste Mal aus Katherine…

Die Autofahrt war absolut aufregend und schön…an den Linksverkehr gewöhnt man sich recht schnell…nur nicht daran, dass der Blinker-Hebel auf der anderen Seite ist…so wischt doch oft krächzend der Scheibenwischer über die trockene Scheibe beim Abbiegen….

Die Landschaft entlang des Stuart-Highway ist aber für mich Mitteleuropäer unglaublich spannend…von den grünen Tropen gings in die Übergangszone zur Steppe…hier in Katherine ist es schon wesentlich trockener.

Katherine ist dagegen weniger aufregend und schön…es besteht fast nur aus einer Hauptstraße und ein paar armseligen Pfaden…und die Hostels sind sehr runtergekommen…bin froh, wenn ich wieder zurück nach Darwin kann…hab mich schon fast verliebt in dieses Städtchen am Top End von Australien…

Allein der River, der durch Katherine fließt, ist einen Ausflug zu Fuße wert…wenn die Dämmerung hereinbricht sind hunderte, tausende Flughunde am Himmel zu sehen…was für ein wunderschöner Anblick! Was für wunderschöne Tiere! Was für ein Spektakel

Der Job ist wie erwartet…ich putze Zimmer…das interessante daran ist nun…die Zimmer liegen auf einer Militärbasis…wir arbeiten also in einer australischen Kaserne und cleanen dort die Räume der Soldaten…ist eine interessante Erfahrung und die Kollegen sind nett…

Ob mein Englisch besser geworden ist wird gefragt? Nöö…ich verstehe immer noch (fast)nix…aber irgendwie wurschtelt man sich halt so durch…See you later…

Tag 6       13 Nov./11

Eigentlich wollte ich diesen Eintrag freundlich beginnen…aber in diesem Moment kommen zwei Aborigines von hinten angerannt…ein Mann und eine Frau…der Mann schlägt auf die Frau ein…was soll ich machen…bin sitzen geblieben…fühle mich hilflos…SCHADE!

Die Französin und ich sind heute aus Darwin abgehauen und nach Katherine gefahren! Die Fahrt war sehr spannend! Überall konnte was gesehen werden…allein die Landschaft, das Outback…geil! Auch an den Linksverkehr gewöhnt man sich…man muss sich ihn immer wieder Bewusst machen, aber es klappt!

Wir hatten einen Zwischenstopp in Pine Creek gemacht und sind dort etwas rum gelaufen…am besten haben die Mangos geschmeckt…einfach so vom Boden aufgelesen…mhhh! Ich habe aber das Gefühl, das Amelie mich nicht mehr so gut leiden kann…ist ruhiger geworden…nicht mehr so happy…wir sind völlig verschiedene Menschen!

Am Abend war ich am River…in dem Crocs leben sollen…bin am Ufer entlang gegangen und habe etwas geangelt…natürlich nix gefangen…

Aber: hunderte Flughunde flogen tief und hoch über den Fluss hinweg…gegen den wunderschönen Abendhimmel…allein dafür hat es sich gelohnt nach Australien zu kommen…ich liebe diese Tiere!

Tag 7       14 Nov./11

Dies war also mein erster Tag in Katherine…und ich habe festgestellt, dass ich dieses Städtchen nicht besonders mag…hier ist nicht viel los…nur eine Hauptstraße…das einzig interessante ist der Fluss, der Katherine River…

Und es war der erste Tag auf der Arbeit in Australien. Ich arbeite bei der Army…auf einer australischen Militärbasis…RAAF, was für Royal Australian Airforce steht…darf ich die Räume der Soldaten sauber machen…ist ein easy Job…nicht viel Stress und keine Hetze…die Zeit geht auch wunderbar um…hab die meiste Zeit mit Peter zusammengearbeitet…einem Aborigine…der ist echt ruhig…so wie ich…aber wenn er was sagt, verstehe ich kein Wort, er redet so undeutlich…schlimmer als ich!!

Die Absteige hier, das Crocos…ist wirklich ganz furchtbar! Der Typ…Croco…ist sehr unsympathisch…und wir schlafen heute auf dem nackten Boden…unter einem großen offenen Zelt…ich hoffe, ich kann diese Nacht etwas schlafen!

Ich freue mich jetzt schon wieder auf Darwin! Ich hab mich ein bisschen verliebt in das Städtchen am Top End!

Tag 8      15 Nov./11

Ein wunderschöner Moment! Ja wirklich…einer wie selten ein zweiter! Sind im Nitmiluk Nationalpark und haben unsere neu erworbenen Zelte auf dem hiesigen Campingplatz aufgestellt…jetzt, bei Nacht ist es ein magischer Ort…wie muss er erst vor Schönheit erstrahlen, wenn die Sonne strahlt…über der Katherine Gorge! Der Nachthimmel ist kaum zu beschreiben…schwarz und übersät mit den schönsten Sternen die ich je gesehen habe…und ja…die Milchstraße ist zu sehen! Nur das Kreuz des Südens habe ich noch nicht entdeckt…aber das kommt noch! Auf dem Campingplatz hüpfen viele Kängurus rum…welch putziger Anblick!

Amelie kann ich nicht richtig einschätzen…manchmal ist sie so ruhig…so gar nicht ihre Art…mal sehen wie es weitergeht…

Und ja…die letzte Nacht war erträglich…habe einige Stunden geschlafen, aber wurde von unzähligen Mozzys geplagt…

Arbeit macht Spaß…kann so weiter gehen!

Ich stöbere immer noch in seinem Blog. So viele Bilder müssen durchforstet werden. Es ist schon nach Mitternacht, aber müde bin ich keineswegs. Muss dem Kaffee, der guten Unterhaltung und meiner Aufregung, ob des neuen Projektes geschuldet sein. Zwischen Bildern von einem Bretterverschlag, unter dem zwei Schlafsäcke ausgerollt sind, und Fotos von Kängurus zwischen Zelten mit einer steilen roten Felswand im Hintergrund, finde ich dieses Geschrieben:

Hallo ihr da draußen,

ein kleines Update aus Katherine…leider komme ich hier nicht so gut ins Internet…und irgendwie funktioniert dieser Block nur online…

Die letzten beiden Nächte hatten eines gemeinsam – ich schlief unter dem grandiosen Sternenhimmel der Südhalbkugel!

Und trotzdem waren sie von der Qualität sehr unterschiedlich!

Die erste Nacht war auf zwei Holzbrettern zwischen riesen Kröten und so vielen Moskitos, dass eigentlich von einem Riesenmoskito gesprochen werden kann…war nicht sehr gemütlich…hab nur wenige Stunden Schlaf bekommen…aber naja…man is ja Abenteurer….nich wahr?!

Die zweite Nacht dagegen…ein Traum…wir haben Zelte und Luftmatratzen gekauft und unser Camp im Nitmiluk National Park aufgeschlagen…ein herrlicher und ruhiger Ort…anstatt Riesenkröten hüpften kleine Kängurus zwischen den ‚Betten′ herum und steckten neugierig ihre flauschigen Näschen in den Kofferraum…

Die Arbeit gefällt mir sehr…erinnert sie doch stark an die Hostelzeit…und das in einem immer gemütlichen Klima- i like!!!

Have fun mate…

Bevor ich zu Bett gehe, in mein kuschelig weiches und meinem Denkorgan eine Pause gönne, möchte ich dir, verehrter Leser, ein paar Informationen zu Katherine bieten. Malcolm schreibt vom Nitmiluk Nationalpark und dieser ist die Hauptattraktion der Region. Nur eine halbe Stunde Autofahrt entfernt, taucht der Besucher ins pure Australien ein. Mit hohen roten Felswänden und tiefen schroffen Schluchten, verbunden durch spärlich bewachsene felsige Hochplateaus. Malcolm wird dazu mehr prosaieren. Nur eine Handvoll Menschen wohnen hier und werden durch eine Trocken- und Regenzeit in ihren Lebensrhythmus gezwungen. Sogar Cyclone mit starken Winden und überflutenden Regenfällen verirren sich so tief ins Landesinnere. Doch Malcolm war kurz vor der Regenzeit dort. Er schreibt folgendes:

Tag 9      16 Nov./11

Heute war ein normaler Tag…der erste in Australien! Erst die Arbeit, dann zum Camping auf einen richtigen Campingplatz…zur Abwechslung auch mal ganz nett…

Also Amelie kann ich immer weniger einschätzen! Manchmal ist sie so gut drauf, dann wird sie wieder so ruhig…und ein bisschen geht sie mir auch auf den Keks…wir sind völlig verschiedene Menschen…sie will unbedingt unter Menschen und mit jedem reden…naja…und ich bin halt ich! Möchte auf eigene Faust Australien erkunden…die Natur ist einfach grandios!

Hab heute meine erste Schlange gesehen…sie lag auf der Straße…hab Fotos gemacht und mir sagen lassen, dass es nur eine Würgeschlange war…aber cool mal eine zu sehen!

Denke, dass wir uns Morgen trennen…Amelie will unbedingt im Crocs schlafen…ich mag den Schuppen überhaupt nicht! Denke auf diesem Campingplatz zu bleiben…

Mal sehen, was die nächsten Tage so bringen…freue mich auf Darwin!

Tag 10      17 Nov./11

Manchmal wundere ich mich über Amelie!

Jetzt…in diesem Augenblick haben wir einen richtig schönen Moment…sitzen beim fahlen Lichtschein einer alten Funzel in der Outdoor Kitchen und unterhalten uns über Gott und die Welt…so gut es eben auf gebrochenem Englisch geht…aber so wirklich nahe kommen wir uns nicht…irgendwie ist sie nicht mein Typ…obwohl sie hübsch ist, der Funke springt nicht über…keine Ahnung wieso…

Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten über diesen Tag…

Die Arbeit ist so easy going…haben am Nachmittag sogar ne Stunde Ferngesehen! Und ich mag Peter…mit dem wir den Tag über zusammengearbeitet haben…

Morgen trennen sich die Wege von Amelie und mir übers Wochenende…die Auszeit können wir auch, glaube ich, ganz gut gebrauchen…Hoffe Morgen Internet zu haben…freue mich aufs Wochenende!

Tag 11      18 Nov./11

Heute ist Freitag und somit steht das Wochenende vor der Tür! Der Tag auf der Arbeit war wieder so easy…fast zu easy! Kann mich kein bisschen auspowern…es fehlt einfach das Treppenhaus aus dem Hostel in München! Für die Arbeit würde locker eine Person ausreichen!

Habe Amelie heute im Crocs abgesetzt…sie ist wirklich sehr komisch drauf! Hat kaum mit mir gesprochen oder mich angelächelt…und sie redet und lächelt wirklich gerne! Ja…sie hatte mich sogar gemieden, hatte ich das Gefühl…Mag sie mich und will in meiner Nähe sein?! Nein, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen…glaube, sie hält mich für eine sehr komische Person…vor allem, weil ich Menschen eher meide…Glaube sie ist komisch zu mir, weil sie das Gefühl hat, dass ich nicht mit ihr die Zeit verbringen will…womit sie ja auch ein bisschen Recht hat…das kann sie wohl nicht verstehen…wir sind einfach zu verschieden! Ich liebe die Natur, liebe Tiere…sie huscht immer an allem so schnell vorbei…außer an Menschen…

War nachmittags zum Fluss angeln…war schön da…hatte zwei Bisse…die ersten in Australien, konnte sie aber nicht haken…schade! Hatte zwischenzeitlich angefangen zu regnen…hab mich unter einen Baum gehockt und abgewartet…obwohl ich nass wurde, war es ein schöner Augenblick…so still und friedlich…

Auf dem Campingplatz läuft ein mittelgroßer Hund rum…sehr liebes Tier…wird gerne gestreichelt…würd ihn am liebsten gleich einpacken!

Und…Tada…habe Internet für Unterwegs…so kann ich immer Online gehen, wann ich will…sehr geil!

Tag 12      19 Nov./11

Samstag und ein sehr entspannter Tag…so wie es sich für einen Samstag gehört! Hab am Morgen zum ersten Mal hier in Australien meine Wäsche gewaschen…in einer Top Loader Maschine…nur kaltes Wasser…habe nicht das Gefühl, dass die Wäsche richtig sauber ist…aber besser als sie mit der Hand zu waschen!

Hab am frühen Nachmittag einen längeren und schönen Spaziergang am River gemacht! Seit gestern ist der Pegel deutlich gestiegen…hat ordentlich geregnet…aber es ist so spannende die Natur Australiens zu genießen und zu erforschen…überall wo der Fuß aufsetzt, könnte etwas Neues zu sehen sein…eine Schlange, Spinne und einfach nur ein bunter Falter…und dann diese schönen Lagunen am Fluss…als wäre ich der erste Mensch der diesen Dschungel betritt!

Doch habe ich mich dann beeilt schnell ins Camp zurück zu kommen! Denn dann stand Skypen auf der Agenda…der erste Versuch aus der Pampa…und es funktioniert ganz ausgezeichnet! Wunder der Technik! Hatte auch viel zu erzählen, doch die Zeit war sehr begrenzt…denn dann zog ein Sturm auf und ich musste mich in Sicherheit bringen! Hab den Sturm im Auto verbracht…und das Buch angefangen zu lesen, welches mir Mama mitgegeben hatte „Die Insel des vorigen Tages“ von Umberto Eco…scheint wirklich spannend zu sein!

Den Abend verbrachte ich mit Jana und Alex…hat Spaß gemacht! Aber zu meinem großen Ärger hat Alex die Partie Schach gewonnen…es war ein harter Kampf und bis zuletzt spannend! Und das Abendessen war auch sehr gut! Vielleicht habe ich hier neue Freunde gefunden…

Ich

Und die Frage ist: was soll das eigentlich?

Bin das…ja…bin das wirklich immer noch ich?

Und die Antwort ist: schließe die Augen zu!

Finde deine…ja…deine innere Ruh…

Es war soweit. Die Stunde, wie gesagt wird, hatte geschlagen. Malcolm, der Held unserer Geschichte, tauchte ins Australien seiner Träume ein. Er wusste es seiner Zeit noch nicht. Aber er verwandelte sich. Wobei, vielleicht hatte er es gewusst, gespürt, an einem Ziehen in der Hand. Malcolm war nicht mehr derselbe.

Ich wollte diese Anekdote eigentlich für später aufheben, doch es gehört genau an diese Stelle. Jetzt, da ich selbst in einer sommerlich lauen Nacht sitze. Die Heizung hoch aufgedreht und den wundervollen Sonnenschein heut durch die Fenster genießend. Mit geschlossenen Augen. Träumend. Durch etwas Wein berauscht.

Da war dieser Moment in Malcolms leben. Er berichtete von diesem bei unserem Treffen. Sehr ernst, selbstbewusst mit einer Prise Wut, welche meine Haut reizte. Dieser Moment, da er es satt war. Satt, der Komische zu sein. Das Würstchen. Der Schwächling und schüchterne blonde Junge. Auf einem Tiefpunkt angekommen, ohne Selbstbewusstsein und Rückgrat, änderte er sein Leben. Jeden Tag machte Malcolm Sport, um seinen Körper zu formen. Die Muskeln wuchsen. Der Körper war zu spüren. Mit einer Kraft gesegnet, welche vorher fremd war, aber sich gut anfühlte, wühlte sich auch sein Geist frei. Die Sicht auf die Dinge verlor ihren Schleier, erschien klar und deutlich vor seinem inneren Auge. Es war die Zeit in Malcolms leben, da er seine Abschlussarbeit für die Universität schrieb.

„Aber wozu? Wozu mache ich das eigentlich?“, fragte sich der junge Mann immer öfter. „Ich will das doch gar nicht. Ich gehöre hier nicht rein“, wurde ihm immer mehr zur bewussten Tatsache.