Axel Prahl: »Was man liebt, braucht Zeit« - Knut Elstermann - E-Book

Axel Prahl: »Was man liebt, braucht Zeit« E-Book

Knut Elstermann

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Zwischen Meer, Musik und Mordkommission

»Axel ist niemand, den man jemandem verkaufen muss. Er spricht für sich selbst.«
Jan Josef Liefers

Er ist mal Kriminalhauptkommissar, mal Imbissbudenbetreiber oder Gebrauchtwarenhändler; er ist Musiker, Freund, Ehemann und Sohn; er ist gleichzeitig Norden, Osten und Westen mit einem bisweilen südländischen Temperament: Axel Prahl ist ein vielseitiger Mensch und gleichzeitig einer der beliebtesten zeitgenössischen Schauspieler Deutschlands. Seinem Freund und Weggefährten Knut Elstermann ist es gelungen, Prahl in persönlichen Texten, Beobachtungen und Interviews mit Mutter Rita, den Schauspielkollegen Katharina Thalbach und Jan Josef Liefers, Regisseur Andreas Dresen und vielen mehr liebevoll zu porträtieren.

Von Prahls Kindheit und Jugend, seinen ersten Erfahrungen am Theater, den großen Erfolgen und seiner Identifikationsrolle als Kriminalhauptkommissar Frank Thiel im Münsteraner Tatort, von seiner Musik, von Freundschaft und Liebe handeln die Texte, die – illustriert durch eine einmalige Auswahl teils unveröffentlichter Fotografien – die öffentliche Darstellung des Schauspielers zu einer schillernden Collage vervollständigen.

Katharina Thalbach: »Er nimmt sich nicht so wichtig, und wenn er es doch mal sollte, dann macht er das so diskret, dass es niemand mitbekommt. Das ist eine außerordentlich schöne Eigenschaft.«

Rainer Bock: »Er hat alle um den Finger gewickelt. Ich meine das ganz positiv, denn es war keine Raffinesse oder Manipulation im Spiel. Wenn er mal wieder irgendeinen Mist gebaut hatte, was wirklich oft vorkam, setzte er sein Prahl-Grinsen auf, alle mussten lachen und es war wieder gut.«

Gabriela Maria Schmeide: »Man weiß ja, dass er der beste Ost-Schauspieler ist, den der Westen hervorgebracht hat. Es ist dieses Bodenständige, das ihn auszeichnet, diese Normalität, und gleichzeitig ist er auch ein kluger Fuchs.«

Andreas Dresen: »Hör dir Axels Lieder an, die er schreibt, die sind von Melancholie erfüllt, auch von dieser Seefahrerromantik. Das hat sicherlich auch mit seiner Herkunft und seinem Aufwachsen zu tun, was sich in seiner Persönlichkeit spiegelt, übrigens auch in seiner erstaunlichen Fähigkeit, zu weinen.«

Rita Koziol (Muddern): »Er war beliebt bei allen und bei jedem, weil er eine umgängliche Art hatte. Später, als er größer wurde und Gitarre spielte und so tat, als sei er Enrico Caruso, da mochten ihn auch die Frauen. Wir bekamen einen Telefonanschluss und wer wurde ständig angerufen? Unser Axel.«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 319

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Jan Josef Liefers: »Axel ist niemand, den man jemandem verkaufen muss. Er spricht für sich selbst.«

Katharina Thalbach: »Er nimmt sich nicht so wichtig, und wenn er es doch mal sollte, dann macht er das so diskret, dass es niemand mitbekommt. Das ist eine außerordentlich schöne Eigenschaft.«

Rainer Bock: »Er hat alle um den Finger gewickelt. Ich meine das ganz positiv, denn es war keine Rafinesse oder Manipulation im Spiel. Wenn er mal wieder irgendeinen Mist gebaut hatte, was wirklich oft vorkam, setzte er sein Prahl-Grinsen auf, alle mussten lachen, und es war wieder gut.«

Gabriela Maria Schmeide: »Man weiß ja, dass er der beste Ost-Schauspieler ist, den der Westen hervorgebracht hat. Es ist dieses Bodenständige, das ihn auszeichnet, diese Normalität, und gleichzeitig ist er auch ein kluger Fuchs.«

Andreas Dresen: »Hör dir Axels Lieder an, die er schreibt, die sind von Melancholie erfüllt, auch von dieser Seefahrerromantik. Das hat sicherlich auch mit seiner Herkunft und seinem Aufwachsen zu tun, was sich in seiner Persönlichkeit spiegelt, übrigens auch in seiner erstaunlichen Fähigkeit, zu weinen.«

Rita Koziol (Muddern): »Er war beliebt bei allen und bei jedem, weil er eine umgängliche Art hatte. Später, als er größer wurde und Gitarre spielte und so tat, als sei er Enrico Caruso, da mochten ihn auch die Frauen. Wir bekamen einen Telefonanschluss und wer wurde ständig angerufen? Unser Axel.«

Autoren

Knut Elstermann, geboren 1960, studierte Journalistik in Leipzig und arbeitete als Redakteur bei verschiedenen DDR-Medien. Inzwischen ist er freier Moderator und Filmjournalist, vor allem für den MDR und den RBB (radioeins). Er verfasste Features für Fernsehen und Hörfunk sowie zahlreiche Bücher, u.a. Gerdas Schweigen. Die Geschichte einer Überlebenden, Dagmar Manzel - Menschenskind. Eine Autobiographie in Gesprächen, Im Gespräch. Knut Elstermann befragt ostdeutsche Filmstars sowie zuletzt Bach bewegt. Der Komponist im Film. Er lebt in Berlin.

Axel Prahl wurde 1960 in Eutin geboren und studierte zunächst Mathematik und Musik. Bereits nach wenigen Semestern wechselte er auf die Schauspielschule, es folgten erste Engagements am Theater mit stets wachsendem Erfolg. Anfang der Neunziger Jahre zog er nach Berlin, wo die Bühne des GRIPS Theaters seine zweite Heimat wurde. Dort sah ihn auch Filmregisseur Andreas Dresen, mit dem er seit Nachtgestalten (1998) zusammenarbeitet.

Seit 2002 ist Axel Prahl als Hauptkommissar Frank Thiel im Münsteraner Tatort zu sehen. Er gilt als einer der profiliertesten Schauspieler seiner Generation und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Silbernen Bär, den Grimme-Preis mit Gold, die Goldene Kamera, den Bambi sowie den Bayerischen Filmpreis.

Ende 2011 veröffentlichte Axel Prahl mit seiner Band Das Inselorchester sein Debütalbum Blick aufs Mehr. Einige weitere sind dazugekommen, immer mit eigenen Liedtexten.

KNUT ELSTERMANN

AXEL PRAHL: »Was man liebt, braucht Zeit«

EINE COLLAGE

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe November 2025

Copyright © 2025: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Redaktion: Britta Fietzke

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: ©Tine Acke

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

IJ · CF

ISBN 978-3-641-33633-2V001

www.goldmann-verlag.de

Inhalt

Vorwort: Erste Begegnung

1 »Das Meer und immer wieder das Meer«

2 »Ich bin immer meinen eigenen Kurs gefahren.«

3 »Was machste denn jetzt beruflich?«

4 »Musik ist für mich das reine Gefühl.«

5 Filme sehen mit Axel: Waffen und Uniformen

6 »There’s no Business like Show Business«

7 Auf Berliner Brettern

8 Filme sehen mit Axel: Finstere Zeiten

9 »Wer möchte nicht geliebt werden?«

10 Symbolfigur für den Osten

11 In Dresens Familie

12 »Du bist nicht allein«

13 Auf Halber Treppe

14 Filme sehen mit Axel: Der andere Prahl

15 Am Tatort

16 Auf frischer Tat

17 Ein Mann und seine Stimme

18 So wie du

Danksagungen

Bildteil

Vorwort: Erste Begegnung

Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich Axel Prahl zum ersten Mal gesehen habe: Es war nur ein kleiner, unspektakulärer Kinoauftritt. In ihm aber war schon der ganze Axel Prahl zu erkennen, dieser ungekünstelte Schauspieler. In Andreas Dresens Episodenfilm Nachtgestalten von 1999 spielt er einen Polizisten: Auf der Berliner Polizeiwache geht es in jener rauen Nacht drunter und drüber, Leute werden zugeführt, sie schreien und gestikulieren wild. Der Beamte befragt ein obdachloses junges Paar, dessen großer Hund ihn ständig umkreist. Die von Miriam Abbas gespielte Frau tobt und wütet, ihr Freund, den Dominique Horwitz spielt, versucht unbeholfen, sie zu beruhigen. Axel Prahls Polizist durchlebt in dieser dokumentarisch wirkenden Szene merklich eine ganze Skala von Gefühlen. Zwar bemüht er sich, die Fassung zu bewahren, verliert sie aber doch immer wieder und brüllt dann los. Während er den Hund verscheucht, stellt er seine bürokratischen Fragen und ahnt vielleicht, dass seine Regeln und Vorstellungen für diese beiden Menschen keine Bedeutung haben. Sogar ein leises Mitgefühl ist zu erkennen, bevor er wieder ungehalten wird.

Beim zweiten Auftritt im Film nimmt er das Protokoll über einen Autodiebstahl auf. Diesmal sitzt ihm Michael Gwisdek als das Opfer des Raubs gegenüber. Der Polizist will die Blätter zusammenheften, doch die Kollegen haben seine Klammern heimlich zu einer Kette verbunden, die er nun in der Hand hält. Von diesem erprobten Büroscherz sichtlich genervt, ruft er »Witzig, witzig!« in den Großraum. Ich bewunderte damals, wie der mir völlig unbekannte Prahl mit wenigen Strichen eine Figur zeichnete, die in ihrem Bestreben, alles richtig zu machen, rettungslos überfordert ist und zum Ziel des Spottes wird. Axel ist insgesamt nicht länger als drei Minuten in dem Film zu sehen, aber seither habe ich seine Stimme im Ohr – diese leicht norddeutsche Färbung, diesen ganz eigenen Schwung. Ich würde sie überall heraushören.

Ich erinnere mich genau, dass ich den Regisseur Andreas Dresen nach diesem unbekannten Schauspieler fragte, der mich in so kurzer Zeit so beeindruckt hatte. Dresen war sichtlich stolz auf diese Besetzung. Ein Schauspieler des GRIPS Theaters sei das, ganz großartig, von dem würde man bald noch mehr sehen, da sei er sich ganz sicher.

Dresen irrte nicht, zumal er selbst in den kommenden Jahren entscheidend zur steilen Karriere dieses Künstlers beitragen sollte. Ich lernte Axel erst später persönlich kennen, bei den nächsten Dresen-Filmen. Aber diese Minuten in Nachtgestalten hallten so stark nach, dass ich schon bei den ersten Begegnungen, bei den Interviews und Set-Besuchen als Journalist sofort ein Gefühl von Vertrautheit empfand, das sich Schritt für Schritt verstärkte, das später mit Leben und Erfahrungen aufgefüllt wurde. Ich brauchte nie einen langen Anlauf bei Gesprächen mit Axel und habe ihn auch nie aus den Augen verloren, denn ich war und bin immer neugierig auf seine Arbeiten. Er ist einer der wenigen Schauspieler, die mich durch mein ganzes Berufsleben begleitet haben, ein nahbarer Mensch und eine Symbolfigur für eine ganze Filmepoche.

Axels Polizist war nicht weniger verloren und einsam als all die gestrandeten Außenseiter im Film, diese Berliner Nachtgestalten. Ich entdeckte diesen Typus oft auch in seinen späteren Figuren, den allein gelassenen Normalbürger, der unvermittelt in ein Räderwerk gerät, das zu groß und undurchschaubar für ihn ist. Ein Mann, der verwundert auf all die alltäglichen Zumutungen sieht, aber dennoch nicht aufgibt, selbst wenn die ungleichen Kämpfe meist aussichtslos erscheinen.

Der Polizist in Nachtgestalten war nicht seine erste Filmrolle, doch diese wenigen Minuten in Dresens Film bedeuteten den Beginn einer innigen Beziehung des Publikums zu ihm. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erkennen sich in ihm wieder, sie fühlen sich ihm nah. Denn auch wenn sie wissen, dass er in Form unterschiedlicher Figuren vor sie hintritt, erzeugt sein Spiel eine Vertrautheit wie bei einem Familienmitglied. Für uns ist er einer, auf den man bauen und mit dem man Pferde stehlen kann. Der Freund, den jeder gern in seinem Leben gehabt hätte.

Die Rolle des Polizisten in Nachtgestalten hatte für Axel Prahl etwas ungeahnt Prophetisches. Viele Beamte sollten folgen, wie seine großen Leistungen in den Dramen Die Polizistin (2000) und Die Hoffnung stirbt zuletzt (2002), die ihm jeweils einen »Grimme-Preis mit Gold« – der Preis heißt wirklich so – bescherten. Bis hin zu seinem Kriminalhauptkommissar Frank Thiel im Tatort Münster. Er hat zwar schon viele andere Charaktere glaubhaft dargestellt, darunter Mörder und Verbrecher, doch heute wird er, vielleicht mehr, als ihm lieb ist, mit dem Ermittler Thiel identifiziert, mit diesem handfesten Mann mit dem Herz am rechten Fleck.

Wer ihn und seine Arbeiten schon länger kennt, wird hinter dem Thiel auch all die anderen Figuren Prahls sehen, diese Fülle an darstellerischen Möglichkeiten, denn das macht einen echten, langlebigen Star aus: Die verkörperten Charaktere heben sich nicht gegenseitig auf, sie bilden das Ensemble der öffentlichen Erscheinung eines Künstlers. Wir spüren jedes Mal, vielleicht unbewusst, wenn Axel Prahl den brummigen und doch liebenswerten Thiel spielt, die Anwesenheit all seiner anderen Gestalten. Vielleicht kann dieses Buch dabei helfen, einige der Rollen hinter dem Tatort-Beamten, einige seiner wichtigen Arbeiten, mit denen er die Filmgeschichte seit dem Mauerfall mitgeprägt hat, wieder deutlicher hervortreten zu lassen. Geholfen haben dabei Gespräche mit seinen Freunden und Kollegen, wie Andreas Dresen, Katharina Thalbach, Gabriela Maria Schmeide, Steffi Kühnert und Jan Josef Liefers.

Ich habe erlebt, wie ihm Menschenmassen zujubelten und Fans ihn auf der Straße ohne Hemmungen ansprachen. Ich saß in seinem Wohnwagen, war beim Schminken und Drehen dabei, beim Soundcheck für seine Konzerte, sah ihm im Synchronstudio bei der Arbeit zu, ging mit ihm einkaufen, habe die endlosen Frühstücke genossen und mit ihm über sein Leben und noch mehr über seine Arbeit gesprochen. Dieses Buch soll keine Biografie über ihn im klassischen Sinne sein, dafür ist es vielleicht noch zu früh, jedenfalls will Axel mit einer solchen Gesamtdarstellung noch warten. Aber diese achtzehn Kapitel bilden die Bausteine eines Lebenslaufs, eine Collage aus Interviews, seinen Erinnerungen und meinen Beobachtungen, mit Sprüngen, schnellen Schnitten und Schwenks über die Szenerie seines Lebens, wie eine filmische Montage der Eindrücke und Einsichten. Ich glaubte, ihn schon ganz gut zu kennen, doch auch mein Bild von ihm war von einigen wenigen Filmen geformt, von den Arbeiten mit Andreas Dresen und besonders von der ungeheuren Popularität des Tatort-Kommissars. Während der langen Gespräche mit ihm über Herkunft, Kindheit und Jugend, Ausbildung, erste Erfahrungen am Theater, über seine Musik und Texte, über Freundschaft und Liebe trat für mich seine Persönlichkeit hinter dem Image hervor. Sein öffentliches Bild von ihm – dieses Kumpelhafte, Offene, Unkomplizierte – ist nicht falsch, es umfasst aber eben nur einen Bruchteil des Menschen Axel Prahl.

Axel teilt sich zuallererst in seinen Rollen mit. So können die ausführlichen Betrachtungen seiner Filme vielleicht zu seinem Wesen führen, ohne alle Seiten seiner Persönlichkeit erfassen zu können, denn das ist immer eine Illusion. Im Buch wollte ich vor allem herausfinden, was ihn ausmacht, welche Landschaften, welche Menschen, welche Klänge, welche Erlebnisse ihn geprägt haben. Mir wurde schon bald klar, wie entschlossen er inmitten des Ruhms seine Freiräume verteidigt, wie genau er trennen kann zwischen der öffentlichen Wahrnehmung als Künstler und dem Leben eines Vaters, Ehemannes und guten Freundes, der er für viele Menschen ist. Durch diese Klarheit habe ich von Tag zu Tag besser verstanden, wie Axel trotz der Bekanntheit immer ganz bei sich bleiben kann. Auch davon soll dieses Buch erzählen.

1»Das Meer und immer wieder das Meer«

Axel Prahl ist ein Mann des Nordens, auch wenn er schon lange in Berlin und Brandenburg lebt. Gern lässt er plattdeutsche Wörter und Halbsätze in die Unterhaltung einfließen. Sein Tatort-Kommissar Thiel grüßt im westfälischen Münster mit einem zünftigen »Moinsen!«, womit er sich nach vielen Jahren als aus dem Norden Zugereister ausweist. Mit »Moinsen« meldet sich Axel auch privat gern am Telefon. Man kann ihn sich gut in blauer Kapitänsuniform oder noch besser im gestreiften Matrosenpullover vorstellen. Ich erzählte ihm bei einem unserer Gespräche von einer Anekdote des UFA-Stars Hans Albers, der angeblich eine Aufnahme mit Geräuschen vom Hamburger Hafen besaß, um seine Sehnsucht zu stillen, worüber Axel herzlich lachen musste. In seiner Wohnung finden sich keine maritimen Souvenirs, keine Miniaturboote in Flaschen oder Seesterne. Doch dass er fußläufig zu einem malerisch umwaldeten See wohnt, ist kein Zufall.

»Wasser muss sein«, sagt Axel, »ob es nun der oder die See ist! Bei bestimmten Witterungsbedingungen, wenn die Sonne scheint, eine steife Brise die Wellen peitscht und dann auch noch ein paar Möwen über dem See kreischen, ist es hier in Brandenburg fast wie in einigen Regionen der Flensburger Förde.«

Mit den norddeutschen Einsprengseln, mit seiner leicht singenden Sprachmelodie und der schwer zu erschütternden Dickköpfigkeit der Küstenbewohner verfügt Axel jederzeit über kostbare Erbstücke seiner nördlichen Vergangenheit. Immer wieder finden sich maritime Metaphern auch in seinen Liedern, die er mit dem Inselorchester aufnimmt. In Blick aufs Mehr, seinem Debütalbum von 2011, spielt er mit dem Gleichklang vom unendlichen »Meer« und dem ständigen »Mehr«, diesem unersättlichen Konsumstreben. Gleich das erste Lied des Albums, »Reise, Reise«, beschreibt den Abschied von Vater und Mutter, den großen, endgültigen Aufbruch: »Das Meer hat gerufen, und ich bin bereit …«

Diese Küstenlandschaft seiner Kindheit und Jugend trägt Axel immer im Herzen. Er wurde am 26. März 1960 in Eutin in der Holsteinischen Schweiz geboren, sein Aufenthalt in der Kreisstadt beschränkte sich jedoch auf den Kreißsaal. Die kleine Stadt, in der auch Carl Maria von Weber zur Welt kam und der Goethe-Porträtist Johann Heinrich Wilhelm Tischbein lange lebte, ehrte ihren Sohn Axel Ferdinand Konstantin Prahl mit einem Eintrag ins Goldene Buch, worauf er sehr stolz ist.

Aufgewachsen ist Axel Prahl in Neustadt in Holstein. Von seinem Geburtsort Eutin ist Neustadt oder auf niederdeutsch »Niestadt in Holsteen« nicht weit entfernt, mit dem Auto gerade mal zwanzig Minuten. Die 1244 gegründete, gut erhaltene Kleinstadt ist heute ein beliebter Erholungsort, mit einem klassizistischen Rathaus, einem Heimat- und einem Fischmuseum, dem mittelalterlichen Kremper Tor und einer gotischen Stadtkirche aus Backstein, deren sehenswerter Altar bis 1668 im Schleswiger Dom stand.

Mein erster Weg bei jedem Besuch meiner alten Heimat führt mich fast immer sofort ans Meer. Das Meer und immer wieder das Meer! Ich hatte eine richtige Tom-Sawyer-und-Huckleberry-Finn-Kindheit, und diese wohlbehütete Zeit habe ich sehr genossen. In den Sommerferien sind wir gleich morgens, so gegen neun Uhr, zum Strand gezogen, haben die Pfanne der Oma eingepackt und erstmal am Lagerfeuer ein paar Eier zum Frühstück gebraten. Es gab eigens eine Stelle dafür, direkt gegenüber der »Badeanstalt«. So nannte man damals das Strandbad, dessen größte Attraktion ein schwimmender Drei-Meter- Sprungturm war. Das Feuer wurde hinterher natürlich sorgsam gelöscht. Dann ging es an den Strand, wo wir den ganzen Tag verbrachten, und abends ging es dann wieder zurück ans Lagerfeuer. Erst als es ganz dunkel wurde, brachen wir nach Hause auf. Der Neustädter Hafen ist durch eine Brücke abgetrennt, dahinter liegt ein wunderschönes, großes Binnenwasser. Damals gab es dort auch noch eine kleine Insel und ein paar Bootsstege mit Anglerkähnen. Der beste Abenteuerspielplatz der Welt!

Diese Landschaft, die Holsteinische Schweiz, erinnert mich an England, mit ihren sanften, grünen Hügeln, mit diesen schmalen, gewundenen Straßen, manche noch mit Kopfsteinpflaster. Die Äcker umsäumt von dichten Büschen und Weidensträuchern – das ist schon sehr idyllisch. Im Sommer hatte die Stadt mindestens doppelt so viele Einwohner wie sonst. Wir waren die Badewanne Hamburgs und Bremens, die deutsche Riviera. Alle kamen zu uns, selbst von ganz weit unten, vom Ruhrpott, aus Hessen oder Baden-Württemberg, mit ihren Booten und Campingwagen.

Mein geliebtes Meer habe ich aber auch schon früh von seiner unheimlichen Seite erlebt. Mit etwa zehn Jahren paddelte ich mit meiner Luftmatratze hinaus, schlief fest ein und wurde auf das offene Meer getrieben. Ich wurde wach, weil die Luft langsam aus der Matratze entwich und mir das Wasser in den Mund geschwappt war. Die Matratze ließ ich irgendwann sausen und schwamm voller Angst ans Ufer, am Ende nur noch mit letzter Kraft und dem Gefühl, dem Tod zum ersten Mal nur knapp entkommen zu sein.

Ich wuchs in einer typischen 50er-Jahre-Siedlung auf, zwei parallel gebaute Blöcke mit einem Querhaus, in jedem Aufgang wohnten vier Parteien. Dazwischen erstreckte sich eine große Rasenfläche, auf der immer viele Kinder tobten. Wir haben damals viel Fußball gespielt. Wenn man unten war, rief man einfach hoch, um die Freunde dazuzuholen. Von dort waren es gerade einmal fünf Minuten die Straße runter bis zum Seglerhafen.

In Neustadt gibt es einen recht großen Marktplatz mit einem schönen, alten Rathaus mit breiter Treppe, die zum Herrn Bürgermeister führt. Auf diesen Treppen haben wir uns oft am Nachmittag nach der Schule getroffen. Ich war als Kind mit meinem blonden Igelschnitt in diesem kleinen Städtchen bekannt wie ein bunter Hund. Wenn ich an der Hand meiner Oma, meiner Mutter oder meines Vaters spazieren ging, habe ich grundsätzlich alle Leute gegrüßt. Ich mochte das einfach, ein fröhliches »Guten Tag!« für alle. Ich hatte zudem diese lustige Angewohnheit, meinen schweren Schulranzen balancierend auf dem Kopf zu tragen, damit ich die Hände frei hatte, wie die wassertragenden Frauen in Afrika. Vermutlich bin ich deshalb nicht allzu groß gewachsen …

In meiner Erinnerung fühlte ich mich in dieser Zeit federleicht. Über mögliche Gefahren machte ich mir einfach keine Gedanken, das kam erst später, als meine Mutter so wenig begeistert davon war, dass ich gern trampte. Das mochte sie gar nicht. Aber ich hatte schon als Kind das Gefühl, dass die Menschen grundsätzlich freundlich und ungefährlich sind. Offenbar war ich schon damals ein guter Verdränger. Meine Eltern hatten sich getrennt, als ich etwa neun war. Eine einschneidende Erfahrung. Heute denke ich, dass es manchmal viel heilsamer ist, Dinge zu verdrängen und beiseitezulegen, als sich permanent damit zu beschäftigen. Wenn man zu lange in den Rückspiegel schaut, läuft man Gefahr, gegen einen Baum zu fahren.

So erinnere ich mich an eine Situation eines Abends, als es draußen gewitterte, ich lag in meinem Gitterbett. Mein Bruder hatte große Angst und wollte nicht, dass meine Eltern weggingen. »Hör auf zu heulen«, sagte ich zu ihm. »Es ist doch alles gut. Ich bin doch bei dir, was soll schon passieren?« Dabei war mein Bruder anderthalb Jahre älter als ich. Ein Grund für dieses frühe Weltvertrauen mögen die übersichtlichen Lebensumstände in der kleinen Stadt gewesen sein. Zwei meiner Kinder wachsen in Berlin auf: Da gibt es viel mehr Ablenkung und Verführung, und die reale Gefahr, auf Abwege zu geraten, ist meines Erachtens deutlich höher. Das kann einem schon Angst machen. In Neustadt war davon nichts zu spüren. Zumindest nicht aus Kindersicht.

Schon damals empfand ich es als etwas ganz Besonderes, dass alle drei Jahre die Welt in unsere kleine Stadt kam. Bei der Internationalen Trachtenwoche reisten Gäste aus vielen Ländern an und wurden privat untergebracht, bei uns war einmal ein Schwede zu Besuch. Als es mit der deutschen Wiedervereinigung und dem vereinten Europa losging, habe ich oft gedacht, es hätte viel mehr solcher Veranstaltungen im Vorfeld geben müssen, bei denen sich die Menschen wirklich begegnen, wo man gemeinsam feiert und auch die Eigenarten der anderen kennenlernt. Ähnlich wie Interrail, diese großartige Erfindung für junge Leute, um mit wenig Geld Europa bereisen und kennenlernen zu können, sind das gute Instrumente für das zwischenmenschliche Kennenlernen.

Meine Oma wohnte in der Gartenstraße, das war etwa eine halbe Stunde Fußweg Richtung Innenstadt von uns entfernt. Sie arbeitete bei der Schlachterei Köppe, wo ich auch meinen ersten Ferienjob hatte. Die haben damals noch selbst geschlachtet, das war eindrucksvoll. Diese Schlachterei lag glücklicherweise auf meinem Schulweg, da konnte ich bei Oma noch ein Stück Wurst abgreifen, bevor es nach Hause ging. Zu ihr hatte ich ein besonderes Verhältnis, weil meine Mutter mich nach der Scheidung allein großzog und wir daher viel Zeit bei ihren Eltern, bei Anita und Herbert, verbracht und oft zusammen gegessen haben.

Anita war eine typische Oma, da durfte man mehr oder weniger alles machen. Sie war einfach die Beste, und ich habe sie sehr geliebt. Oma fühlte sich für alles zuständig. Wenn ich mir zum Beispiel in die neue Hose einen Triangel gerissen hatte, lief ich schnell zur Oma, die das dann flickte. Oder beim Eisschollenlaufen. Wenn der Hafen zugefroren war, fuhr ein Eisbrecher durch und hinterließ lauter Eisschollen. Wir sind dann immer von Scholle zu Scholle gesprungen. Ein Wahnsinn, was man damals als Kind alles gemacht hat, wie oft man tatsächlich sein Leben riskiert hat. Manchmal denke ich, es grenzt schon an ein Wunder, dass ich überhaupt so alt geworden bin. Irgendwann trat ich auch tatsächlich mal daneben und fiel ins Wasser, das mir aber glücklicherweise nur bis zur Hüfte ging. Bibbernd vor Kälte lief ich zur Oma, die meine Kleidung zum Trocknen auf den Ofen legte. Dann hat sie alles noch schnell gebügelt, damit ich rechtzeitig und in bester Ordnung wieder nach Hause gehen konnte, als sei nichts geschehen.

Meine Großeltern hatten zusätzlich zu ihrem Garten neben dem Haus auch einen Schrebergarten. Oma züchtete Blumen, nie hätte sie Schnittblumen gekauft. Ich habe viel Zeit in diesem Kleingarten verbracht, sonntags wurde dort oft gegrillt. Opa machte jedoch den großen Fehler, nachdem er in Rente gegangen war, beide Schrebergärten abzugeben. Sie haben ihm dann doch sehr gefehlt, seine Lebensenergie ließ nun sehr schnell nach.

Meine Mutter und meine Oma sprachen möglichst Hochdeutsch, weil ihr Pommer’sches Platt sie als Fremde, als Geflüchtete, ausgewiesen hätte, da waren sie vorsichtig, wollten nicht auffallen. Doch manchmal schnackte Großmutter auch Platt, verfasste einige Gedichte auf Plattdeutsch, schrieb auch Artikel für die Pommer’sche Zeitung, ein Blatt der Vertriebenen, und sie erzählte mir oft ihre dramatische Fluchtgeschichte bis zur Ankunft in Neustadt. Meine Großeltern und auch meine Mutter haben schwere Zeiten durchgemacht.

Meine Mutter lernte in Neustadt ihren ersten Ehemann kennen, also meinen Erzeuger. Aber das ging nicht gut. Er fuhr so ein typisches Aufschneiderauto, ein VW Karmann-Ghia Cabriolet. Mit diesem Wagen fuhren wir mal nach Berlin, zu Verwandten im Osten. Ich werde diese Fahrt auf dem Notsitz des Karmann-Ghia über die rumpelige Transitstrecke nie vergessen. Am Grenzübergang in Berlin wollte mir ein VoPo, ein Volkspolizist, mein Fix-und-Foxi-Heft abnehmen, da bin ich total ausgeflippt. Ich hielt es ganz fest, bis mein Vater zischte: »Willst du, dass die uns hier festnehmen?« Wir wurden dann von oben bis unten gefilzt. Klar, das war natürlich kapitalistischer Journalismus, Fix und Foxi – das Finanzmagazin für angehende Börsenmanager.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo wir in Ostberlin übernachteten, aber ich weiß noch, dass wir von unseren Verwandten auch Geschenke bekamen. Das war ja sonst eher umgekehrt. Eins davon war ein kleiner Panzer, der nach diesem für den Osten so typischen Reinigungsmittel roch. Zumindest kannte ich diesen Geruch vom Tränenpalast. Schon damals waren mir Waffen zuwider, aber diesen kleinen Panzer habe ich geliebt. Vermutlich, weil er so seltsam roch und ein Geschenk aus dem Osten war.

Meine Mutter ist eine herzensgute Frau, die nach der Scheidung kämpfen musste, um uns über Wasser zu halten. Irgendwann lernte sie Dieter kennen, unseren Stiefvater. Dieter hatte bei der Marine gedient, als Zeitsoldat auf einem U-Boot und war in Neustadt stationiert. Nach der Dienstzeit machte er eine Umschulung zum Verwaltungsangestellten. Dieter war bewundernswert, er hat unbeirrt und ganz selbstverständlich den Platz des Vaters bei uns eingenommen. Auch wenn er selbst keine leichte Kindheit gehabt hatte, so hatte er doch eine gute Beziehung zu seinem Vater – vielleicht hat er diese schöne Erfahrung auch uns ermöglichen wollen. Leider verstarb er im März 2019. Ich sehe ihn bis heute als meinen eigentlichen Vater an, der immer für uns da war. Er war ein vorbildlicher, herzlicher und aufrichtiger Mensch. Alle meine moralischen Werte verdanke ich ihm, er war eine Instanz für uns. Er hielt uns zur Ordnung und Sauberkeit an. Pünktlichkeit bedeutete ihm viel, was ich als Kind natürlich überhaupt nicht einsah oder gar verstand. Was machte das schließlich schon, wenn ich gerade einmal fünf Minuten zu spät war? Aber er meinte, das seien fünf Minuten Lebenszeit der anderen, die man somit verschwendet hatte!

Heute lege auch ich großen Wert darauf, pünktlich zu sein. Auch meine Mutter (Muddern, wie ich sie liebevoll nenne) hat natürlich diese moralischen Wertmaßstäbe in unserer Erziehung verankert. Sie ist manchmal etwas nassforsch und geht gern auf Menschen zu, das habe ich mit Sicherheit auch von ihr. Wenn man sie fragen würde, ob sie stolz auf mich sei, würde sie das sicherlich sofort verneinen und vermutlich sagen: »Warum sollte ich stolz sein? Er macht seine Arbeit, und die macht er gut.«

Das lässt sich leicht herausfinden. Während der Weihnachtsfeiertage ist Axel mit Frau und Kindern zur Mutter nach Neustadt gefahren, dort rufe ich an. Während des Gesprächs mit Mutter Rita ist Axel dabei, verlässt das Zimmer zwischendurch immer wieder, um doch bald zurückzukehren. Er will der Mutter Raum geben, aber auch wissen, was sie über ihn erzählt. Sie macht nicht den Eindruck, als ob sie sich davon groß beeindrucken ließe. Axels norddeutscher Einschlag ist noch deutlicher zu vernehmen als sonst, Mutter und Sohn fallen sich kraftvoll ins Wort, korrigieren sich gegenseitig, wie das bei Familienerinnerungen typisch ist. Sie reden manchmal gleichzeitig, was sich hier leider nicht wiedergeben lässt, dieses lebendige Konzert der Stimmen. Rita scheint eine resolute Frau von robuster Freundlichkeit zu sein, die viel lacht und ohne Umschweife antwortet. Hier ein kleiner Auszug unseres Gesprächs:

KNUT: Sind Sie stolz auf Ihren Sohn?

RITA: Diese Frage immer! Wie oft ist mir die schon gestellt worden …

KNUT: Aber noch nicht von mir.

RITA: Wissen Sie, es gibt Leute, die kennen einen nicht mehr, obwohl man mit ihnen zur Schule gegangen ist. Irgendwann erfahren die dann, wer mein Sohn ist. Ich prahle damit ja nicht herum. Auf einmal kennen Sie mich, grüßen mich. Aber bei solchen Leuten wechsle ich die Straßenseite. Das ist eine Charakterfrage. Der Charakter eines Menschen ist sein Schicksal.

KNUT: Das haben Sie schön formuliert, aber sagen Sie mir bitte: Sind Sie stolz auf das, was er geschafft hat?

RITA: Wie soll ich das ausdrücken?

AXEL: Na, so wie du datt denkst, Muddern.

RITA: Ja, klar ist man stolz und freut sich, dass er es so weit gebracht hat, denn viele Schauspieler sind arbeitslos. Wenn er so gut im Geschäft ist, dann ist das doch super. Das Leben ist in der heutigen Zeit schwer.

KNUT: Wie erinnern Sie sich an den kleinen Axel?

RITA: Er war beliebt bei allen und bei jedem, weil er eine umgängliche Art hatte. Später, als er größer wurde und Gitarre spielte und so tat, als sei er Enrico Caruso, da mochten ihn auch die Frauen. Wir bekamen einen Telefonanschluss, und wer wurde ständig angerufen? Unser Axel. Seine künstlerische Seite habe ich, so gut es ging, gefördert, ihm die Instrumente besorgt und mich um Unterricht gekümmert, was richtig viel Geld kostete.

KNUT: Aber fanden Sie es wirklich gut, dass er eine künstlerische Laufbahn einschlug?

RITA: Ja, er war doch ein Naturtalent und kam als Schauspieler gut an.

AXEL: Immer interessant, wenn man mal daneben sitzt und das hört. Hinterher nämlich, wenn es gut gelaufen ist, finden es alle richtig. Als ich das Studium abbrach und einen anderen Weg ging, war erstmal Schräglage angesagt …

RITA: Ja, wegen der Unsicherheit. Aber es war schon klar, dass der Bengel niemals in eine Schreibstube passt.

AXEL: Ich geh mal raus, damit du frei von der Leber reden kannst.

RITA: Ich rede doch frei von der Leber. Da ich arbeiten musste, nachdem ich mich scheiden ließ, stand ich mit den beiden allein da. Damals war das noch ein Makel, eine geschiedene Frau. Ich war die Frau ohne Beruf und musste mich durchkämpfen, musste meine Kinder durchbringen. Die beiden waren stadtbekannt, sie wurden Max und Moritz genannt. Probleme hatte ich aber mit ihnen nie.

KNUT: Wie nehmen Sie Axel heute als Schauspieler wahr? Sie sehen sicherlich Ihren Sohn in den Rollen?

RITA: Ich kann natürlich nicht vergessen, dass er mein Sohn ist. Die Leute sagen, wie der aussieht, kannst du ihn gar nicht verleugnen, wegen der Ähnlichkeit. Wir sehen uns natürlich alle seine Filme an. Am besten finde ich ihn mit Frau Thalbach zusammen, wie gerade wieder in Extraklasse, die beiden sind spitze.

AXEL: Sorry Knut, ich höre mal besser wieder mit zu. Es gibt nämlich auch Filme, da sagt Muddern: »Na, der war ja mal wieder nur für Studierte.« Kafkas DERBAU, zum Beispiel.

KNUT: Hat Axel sich durch den Ruhm verändert? Sie kennen ihn schließlich am besten.

RITA: Nein, überhaupt nicht. Es ist alles wie immer, er ist mein Sohn. Seine Oma war stolz. Sie hat überall herumerzählt, das ist mein Enkel, aber Axel ist kein bisschen eingebildet. Das müssen Sie doch auch beurteilen können, Sie kennen ihn doch.

KNUT: Aber nicht so gut wie Sie.

RITA: Wissen Sie, wann ich den mal sehe? Im Fernsehen und wenn er mal hier vorbeikommt, aber der Junge hat doch nie Zeit, er ist doch immer im Stress, Filme, Fernsehen, Aufnahmen für CDs.

AXEL: Ich muss dir aber schon regelmäßig Autogrammkarten schicken.

RITA: Das ist doch logisch, die Leute sprechen mich auf der Straße an, meistens sind das Menschen, die einen Hund haben, mit denen kommt man schnell ins Gespräch. Ich liebe Hunde, habe aber selbst keinen, weil man dann zu gebunden ist.

AXEL: Muddern, ich glaube nicht, dat Knut dat sehr interessiert, ob du einen Hund hast … Er hat dich gefragt, ob mich der Ruhm verändert hat.

RITA: Nö.

AXEL: Wie, nö?

RITA: Nö, hat er nicht!

AXEL: Ähhh, nö, er hat sich nicht verändert, oder nö, das hat er nicht gefragt?

RITA: Nö, hat er nicht!

AXEL: Wahh?

RITA: Neeehee, du hast dich nicht verändert, hab’ ich doch schon gesagt! Nur ein bisschen schwer von Begriff ist er geworden. (lacht)

2»Ich bin immer meinen eigenen Kurs gefahren.«

Immer wenn Axel Prahl dem Ruf des Nordens folgt, scheint er ganz in seinem Element zu sein. Filmfiguren, die dort angesiedelt sind, gelingen ihm besonders überzeugend, zum Beispiel im Märchen von der Regentrude von 2018. Der Film entstand in der Nähe von Hamburg, im Freilichtmuseum am Kiekeberg, einer historischen Kulisse mit reetgedeckten Backsteinhäusern und holprigen Wegen. Eine Tiertrainerin am Set beeindruckte Axel mit einem kleinen, zahmen Fuchs und zwei dressierten Eichhörnchen. Prahl fühlte sich in dem Dorf wohl. Er bewegte sich in diesem Märchen nach Theodor Storm, dem großen Dichter Schleswig-Holsteins, in der Vergangenheit seiner eigenen Heimat. Dieser Film in der Regie von Konrad Knoesel ist ihm aber auch aus anderen Gründen wichtig: Denn nach vielen Jahren drehte er wieder mit Gabriela Maria Schmeide, seiner Partnerin aus so prägenden Filmen wie dem bereits erwähnten Die Polizistin (2000) und Halbe Treppe (2002). Zudem verhandelt die Geschichte Axels Herzensthema: das Wasser!

Weil die Regentrude tief und fest schläft, leidet das Land unter großer Dürre. Prahls Wiesenbauer Iven profitiert von der Not und verkauft das Wasser für viel Geld. Das Märchen hat also eine unübersehbare Aktualität. Axel Prahls Bauer, dieser gewinnsüchtige Zeitgenosse, macht aber eine erfreuliche Wandlung durch, denn immer deutlicher erkennt man ihn auch als sorgenden, alleinstehenden Vater. Axel spielt im Märchengewand eine völlig realistische Figur.

Ebenfalls eine Art norddeutscher Heimatfilm ist für Axel die Tragikomödie Die Schimmelreiter, die aber anders als Die Regentrude nichts außer der Anspielung im Titel mit Theodor Storm zu tun hat. Es ist ein melancholisches Roadmovie von 2008, in der Regie von Lars Jessen, mit dem Axel, neben den Arbeiten mit Andreas Dresen, einige seiner schönsten Filme gemacht hat. Jessens Handschrift ist immer erkennbar, ein warmherziger Humor und eine soziale Genauigkeit, ein lakonisches, realistisches Erzählen. Kein Wunder, dass er und Axel Prahl sich schon früh gefunden haben.

Mit Axel Prahl hat Jessen auch einige der besten Münsteraner Tatorte gedreht: Die chinesische Prinzessin (2013), Feierstunde (2016) und Gott ist auch nur ein Mensch (2017). Lars Jessen engagiert sich für grünes, nachhaltiges Drehen. In seiner sechsteiligen Dokureihe Wir können auch anders, inspiriert von Maja Göpels Buch, schickt er Axel Prahl und andere bekannte Künstler und Künstlerinnen, wie Anke Engelke, Bjarne Mädel und Annette Frier, zu Menschen, die auf persönliche Weise etwas gegen den Klimawandel tun.

In seinem Film Die Schimmelreiter bewegen wir uns im selten beleuchteten Berufsfeld der Lebensmittelprüfer. Jessen schickt den rechtschaffenen, peniblen Fuchs, gespielt von Peter Jordan, als Prüfer aller Restaurants durch die Lande. Fuchs ist mit seinem alten Buick und der Rock’n’Roll-Haartolle ein echter Rockabilly. Er würde so gern aus Dithmarschen nach Hamburg wechseln. Bjarne Mädel spielt seinen Chef Sigmar Koch und macht ihm Hoffnung – allerdings nur, wenn er sich um Sigmars Bruder Tilmann (Axel Prahl) kümmert, einen egoistischen Misanthropen, der offenbar ein heftiges Alkoholproblem hat. Die norddeutsche, anspruchslose Landschaft, durch die Tilmann und Fuchs dann zusammen fahren, hat eine spröde Schönheit, der Humor des Films lebt vom sehnsuchtsvollen Zauber der Provinz.

Tilmann nistet sich in Fuchs’ Leben ein, fährt einfach bei der letzten Tour mit und zieht die Imbissbesitzer unbekümmert ab. Axel Prahl spielt den Tilmann als einen Aufschneider, der sein Scheitern im Leben hinter Zynismus verbirgt; die Besetzung des heruntergekommenen Tilmann mit einem Sympathieträger ist überraschend und war auch nicht geplant, wie mir Axel erzählte:

Lars Jessen wollte mich eigentlich mit der Rolle des Fuchs besetzen, des bemitleidenswerten, etwas schlichten Lebensmittelkontrolleurs, der auch noch unglücklich in seine Arbeitskollegin verliebt ist. Ich fand aber die Rolle des Tilmann Koch, seines Begleiters, viel interessanter. Also rief ich Lars an und sagte: »Ja gut, ich bin dabei – wenn ich den Tilmann spielen darf.« Die Rolle des sympathischen, tollpatschigen Losers war mir langsam über, die hatte ich schon unzählige Male gespielt. Der Tilmann ist zwar auch ein Loser, aber eben kein sympathischer, sondern ein mittelloser, tyrannischer Intellektueller, zumindest hält er sich für einen solchen.

Ich empfand die Herausforderung, einen solchen Typen so zu gestalten, dass er einem am Ende doch ans Herz wächst, deutlich erstrebenswerter als die Rolle des Fuchs, den sicher jeder von Anfang an gernhat, weil er so gut ist und auch nur Gutes für andere will. Jemand, der sich immer bemüht, aber dann doch scheitert. Ich weiß gar nicht, ob Peter Jordan, der dann den Fuchs übernommen hatte, zu dem Zeitpunkt schon von Lars für dieses Projekt angefragt worden war. Peter hat das ganz hervorragend gespielt, auch zwischen uns lief es ganz ausgezeichnet.

Lars und ich kannten uns vorher ja noch gar nicht, allerdings hatte ich seinen autobiografisch angehauchten Erstling Am Tag als Bobby Ewing starb gesehen, bei dem ja auch »Schmeidchen« (Gabriela Maria Schmeide) mitspielte. Bis auf die Perücke Peter Lohmeyers fand ich den Film wirklich klasse, und so war mir der Name Jessen durchaus ein Begriff, als das Drehbuch zu Die Schimmelreiter in meinem Briefkasten landete.

Bobby Ewing hatte mich ein bisschen an die frühen Werke von Detlev Buck erinnert, wie Erst die Arbeit und dann? oder Karniggels. Bei Buck hatte ich mich 1985 tatsächlich mal beworben. Ich hatte eine Videokassette an den Bauernhof von Bucks Eltern Inge und Herbert in Nienwohld geschickt, der unweit des Theaters in Rendsburg lag, bei dem ich seinerzeit beschäftigt war. Ein Bühnentechniker aus der Nähe war so freundlich, mir die Adresse zu geben. Bedauerlicherweise habe ich nie eine Antwort erhalten.

Mit Lars Jessen hatte ich aber nun einen würdigen Partner gefunden, und die Dreharbeiten zu Die Schimmelreiter haben all meine Hoffnungen bestätigt.

Im Jahr darauf drehte Lars dann Dorfpunks nach Rocko Schamonis autobiografischem Roman. Er bat mich, die Rolle des Peter Marxen zu übernehmen, dem legendären Gründer der »Onkel Pös Carnegie Hall« in Hamburg, in der viele bekannte Stars wie Udo Lindenberg, Al Jarreau und Otto Walkes ein und aus gingen. Udo war Stammgast dort und gründete 1973 zusammen mit Gottfried Böttger das Panikorchester. Otto, der als Kartenabreißer bei Peter angefangen hatte, unternahm seine ersten komödiantischen Gehversuche auf dieser Bühne. Mit Udos Liedzeile »Bei Onkel Pö spielt ’ne Rentnerband« wurde der Laden weltberühmt und zur Pilgerstätte für Musiker und Manager, die auf der Suche nach neuen Talenten waren.

Am 9. Februar 1979 zeichnete der NDR dort seine erste Talkshow auf. Im gleichen Jahr erhielt Peter Marxen, dem der Trubel um seinen Laden inzwischen ein wenig zu viel geworden war, für die Location ein lukratives Angebot einer Fast-Food-Kette. Glücklicherweise verkaufte er sie dann aber doch an einen befreundeten Nachbarn, einen Antiquitätenhändler, der seine Stammkneipe nicht verlieren wollte. Peter Marxen hatte sich nach der Übergabe erst auf das Gut Panker, dann auf den Hessenstein, nahe Lütjenburg, zurückgezogen und betrieb dort ein erstklassiges Restaurant, das lange Zeit sogar mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet war.

Lars schlug mir vor, ihn dort zu besuchen. Ich sollte Peters Habitus, sein Verhalten, studieren. Der Mann sei schließlich eine Legende, die viele Leute kennen würden. Ich war zunächst von dieser Idee nicht überzeugt, ließ mich aber von Lars überreden. Soweit ich mich entsinne, war Rocko Schamoni auch bei diesem Besuch dabei. Peter und ich waren uns von der Statur her tatsächlich ähnlich, er war eher klein, mit Bäuchlein, aber sonst ganz drahtig. Er bewirtete uns königlich in seinem Restaurant und achtete darauf, dass unsere Gläser immer gut gefüllt waren. Dabei redete er wahnsinnig schnell und nuschelte so stark, dass man ihn stellenweise kaum verstand. Selbst wenn man nachfragte und er die Sätze wiederholte, blieb er manchmal unverständlich. Ich dachte in dem Moment: »Na, das kann ja lustig werden. Wir müssen alles untertiteln, wenn ich so rede wie er.«

Peter und ich waren auf Anhieb ein Herz und eine Seele. Er bot mir an, da ich dank seiner Gastfreundlichkeit nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen, in seinem Gästezimmer zu übernachten. Als ich am nächsten Morgen von Peter mit den Sätzen »Na, min Jung? Hess utschloppen? Wie wissu denn deine Eier?« geweckt wurde, fiel es mir verdammt schwer, die Augen zu öffnen. Dann aber war ich echt von den Socken: Um mich herum hingen lauter Gemälde, bestimmt zehn an der Zahl, meines Freundes Gerrit Bekker.

»Und?«, fragte Peter erneut. »Die Eier? Hart oder weich gekocht?« Erst jetzt bemerkte ich, dass er splitterfasernackt vor mir stand. Beim Frühstück (nun beide bekleidet) stellte sich dann heraus, dass Gerrit und er in der Jugend unzertrennliche Freunde gewesen waren.