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DIE NANNY UND DER SINGLE-DAD von VICTORIA PADE
Ein breitschultriger Fremder steht vor der Tür und verlangt, seine Zwillinge zu sehen! Pflegemutter Dani ist hin- und hergerissen: Dieser Liam Madison kennt sich zwar nicht mit Erziehung aus, aber er ist der Vater – und vielleicht beginnt gerade etwas ganz Wunderbares …?
DER KUSS, DER ALLES ÄNDERTE von KERRI CARPENTER
Wahre Liebe? Gibt es nicht, glaubt Scheidungsanwalt Xander Ryan. Kein Wunder, dass er mit Romantikerin Grace ständig streitet. Doch eines Tages wird daraus ein inniger Kuss – und weckt in Xanders kühlem Herzen beunruhigend heiße Gefühle für die süße Hochzeitsplanerin!
EIN „WAU“ FÜR DIE LIEBE von LAUREL GREER
Fasziniert beobachtet Bibliothekar Asher Matsuda die zierliche Blondine, die vor dem Bücherregal steht. Asher ist doch mit seiner Tochter hergezogen, um ihnen einen Neubeginn zu ermöglichen – nicht, um sich zu verlieben! Was bei dieser Schönheit leichter gedacht als getan ist …
NOCH IMMER BRENNT DAS FEUER von HEATHERLY BELL
Feuerwehrmann Hud Decker ist es leid, die Tränen seiner besten Freundin Joanne zu trocknen, weil sie ein anderer wieder mal unglücklich gemacht hat. Stattdessen will er sie selbst! Spürt sie nicht, wie heiß das Feuer ihrer Highschool-Liebe immer noch brennt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 693
Veröffentlichungsjahr: 2021
Victoria Pade, Kerri Carpenter, Laurel Greer, Heatherly Bell
BIANCA EXTRA BAND 99
IMPRESSUM
BIANCA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 99 - 2021 in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2018 by Victoria Pade Originaltitel: „Special Forces Father“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden
© 2019 by Kerri Carpenter Originaltitel: „The Wedding Truce“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Kerber
© 2020 by Lindsay MacGowan Originaltitel: „In Service of Love“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Valeska Schorling
© 2020 by Heatherly Bell Originaltitel: „The Right Moment“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anke Laumann
Abbildungen: fotostorm / iStock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751500395
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Die überraschende Vaterschaft ist für Liam eine Herausforderung. Er hat keine Ahnung, wie er mit seinen Kindern umgehen soll; das muss ihm Nanny Dani zeigen! Aber nicht nur deshalb braucht er Dani …
Die schöne Hochzeitsplanerin Grace glaubt fest an Romantik, und als der attraktive Xander sie heiß küsst, verliebt sie sich in ihn! Doch Xander ist ausgerechnet ein desillusionierter Scheidungsanwalt …
Maggie arbeitet als Tierärztin und Hundetrainerin, was viel Zeit kostet. Zu viel, um mit Single-Dad Asher der Liebe eine Chance zu geben. Aber Ashers Tochter und Maggies Hund schmieden einen Plan …
Fassungslos starrt Joanne auf ihr Handy. Ihr Verlobter lässt sie sitzen?! Zum Glück ist ihr bester Freund Hud für sie da. Er umarmt sie tröstend – und plötzlich ist da so viel mehr als Freundschaft!
„Das ist Prinzessinnenhaar.“
Ziemlich schlecht sitzendes Prinzessinnenhaar, dachte Dani Cooper, als sie sich im Handspiegel betrachtete, den ihre vierjährige Friseurin, Evie Freelander, ihr brachte.
Doch sie sagte: „Tatsächlich. Jetzt fühle ich mich wirklich wie eine Prinzessin.“
„Das ist kein Prinzessinnenhaar“, stellte Evies Zwillingsbruder Grady fest, als er von seinem Malbuch aufschaute, um die Arbeit seiner Schwester kritisch zu begutachten. „Prinzessinnenhaar ist viel schöner.“
„Es ist schön, weil Dani schön ist“, beharrte Evie.
„Danke“, erwiderte Dani lachend und drehte den Kopf hin und her, um ihr langes dunkelbraunes Haar gebührend bewundern zu können. Evie hatte es zu vier unförmigen Zöpfen zusammengedreht und mit neonfarbenen Spangen fixiert.
An diesem Aprilmorgen hatte Dani ein wenig Make-up aufgetragen, um ihre goldbraunen Augen, ihre schmale Nase und ihre vollen Lippen zu betonen. Obwohl es bereits Abend war, hatte sie sich noch nicht abgeschminkt. Dennoch war sie froh, dass niemand sie so sah.
„Okay, dann räumt jetzt mal zusammen“, forderte sie die Zwillinge auf. „Höchste Zeit für unsere Tanzparty, und danach geht es ab ins Bett.“
„Tanzparty!“, rief Grady. Rasch räumte er die Malstifte in die Schachtel, während Evie eine Grimasse schnitt und sich aufs Sofa fallen ließ, als wäre sie ohnmächtig geworden.
„Kann Grady mir helfen?“, stöhnte sie.
Dani kannte dieses Spiel bereits. Immerhin war sie schon seit drei Jahren die Nanny der Zwillinge. „Nein“, antwortete sie. „Grady räumt seine Sachen weg, und du musst deine wegräumen. Oder wir tanzen ohne dich“, erinnerte sie Evie an die Konsequenzen.
Erneut stöhnte die Kleine, erhob sich schwerfällig, als würde es ihr ungeheure Mühe bereiten, nahm den Spiegel und die Bürste und sammelte die restlichen Spangen ein.
„Wir treffen uns im Tanzsaal!“, rief Dani ihnen nach, als sie das Spielzeug in ihre Zimmer brachten.
Das Haus der Freelanders stand auf einem riesigen Grundstück in Cherry Creek, einer der besten Gegenden von Denver. Da es weit ab der Straße, einer Sackgasse, lag, bot es trotz der großen gardinenlosen Panoramafenster genügend Privatsphäre.
Die Mutter der Zwillinge hatte mehrmals wöchentlich Ballettstunden genommen und dafür eigens ein Übungsstudio eingerichtet. Dort verausgabten sich die Kinder regelmäßig bei ihrer „Tanzparty“.
Dani betrat den Raum. Durch die Fenster schien das Licht der Lampen herein, die draußen entlang der kurvigen Einfahrt platziert waren, und erhellte schwach das Zimmer. Als sie die Deckenbeleuchtung anknipste, versanken die Außenanlagen in Dunkelheit.
Sie stellte die Musik an, als die Kinder hereinstürmten.
„Bereit?“, fragte sie, und zusammen mit ihnen begann sie zu hüpfen und ihren Körper wild zur Melodie des Lieds zu verdrehen. Mit Tanzen hatte ihr ausgelassenes Toben allerdings nur wenig zu tun.
Die zehn Minuten waren fast vorüber, als es an der Tür läutete.
Ihr Freund Bryan hatte angekündigt, dass er am Abend, wenn die Kinder im Bett waren, vorbeikommen wollte. Er war früh dran.
Als sie die Klingel hörten, liefen die Zwillinge zum Fenster, drückten die Nasen gegen die Scheibe und legten die Hände an die Augen, um besser hinausschauen zu können.
„Es ist ein Soldat“, verkündete Grady.
„Ein Soldat?“, fragte Dani verwundert.
„Ja“, bestätigte Evie.
Gefolgt von den Kindern eilte Dani durch die geräumige Empfangshalle. Sie warf einen Blick auf den Bildschirm der Wechselsprechanlage neben der verschlossenen Tür und murmelte: „Stimmt, es ist ein Soldat.“ Der uniformierte Mann stand stocksteif vor der Eingangstür. Er sah aus, als würde er das Haus bewachen.
Sie betätigte den Knopf der Anlage. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ich bin Liam Madison. Ich habe eine Nachricht von einer gewissen Dani Cooper erhalten und bin auf der Suche nach dem Haus der Freelanders.“
Der Name Liam Madison sagte ihr etwas.
Auch wenn sie dem Mann bisher noch nie persönlich begegnet war. „Können Sie sich ausweisen?“
Er hielt einen Militärausweis mit seinem Passbild in die Kamera.
Wow! Er sieht verdammt gut aus!
Und in natura noch viel besser, stellte sie fest, als er den Ausweis von der Linse nahm. Da er offensichtlich tatsächlich Liam Madison war, der Mann, den sie wegen der Zwillinge kontaktiert hatte, entriegelte sie die Tür und öffnete.
„Hi“, begrüßte sie ihn mit einem prüfenden Blick. Der Typ war fast ein Meter neunzig groß, breitschultrig, muskulös und von der Sonne gebräunt. Sein dunkelbraunes Haar trug er kurz geschnitten, und sein Gesicht hätte jedem Bildhauer zur Ehre gereicht. Er hatte schmale Lippen und Augen so blau, wie sie es noch bei niemandem gesehen hatte. Silberne Funken blitzten darin.
„Ich bin Dani Cooper“, stellte sie sich vor.
„Ma’am“, begrüßte er sie förmlich.
„Das ist ja eine Überraschung.“
„Wegen der dringenden Familienangelegenheit wurde mir Urlaub gewährt. Ich bin gerade erst auf dem Buckley-Militärflughafen gelandet.“
In diesem Moment wurde Dani bewusst, dass sie immer noch Evies Frisur trug. Doch wenn er es bemerkt haben sollte, ließ er sich nichts anmerken. Da sie es jetzt ohnehin nicht mehr ändern konnte, ignorierte sie die Tatsache und stellte ihm die Zwillinge vor. „Das sind Grady und Evie. Kinder, das ist Liam, ein Freund eurer Mutter.“
Wie immer sanken ihre Mundwinkel bei der Erwähnung ihrer toten Eltern.
„Sagt Hallo“, forderte sie die beiden auf, da sie stumm geblieben waren.
„Hallo“, wiederholten die Zwillinge wie aus einem Mund, während sie ihn neugierig beäugten, wie sie es bei allen Fremden taten.
„Schön, euch kennenzulernen“, antwortete der Soldat förmlich.
Dani bat den Mann herein und trug den Kindern auf, in ihre Zimmer zu gehen und die Pyjamas anzuziehen. „Ich bringe euch gleich eure Milch“, versprach sie.
Der Mann sah zwar gut aus, gab sich aber steif wie ein Stock. Ein richtiger Soldat eben.
Die Kinder stürmten davon, und Dani schloss die Tür. „Am besten unterhalten wir uns in der Küche. Von dort kann ich die beiden besser hören.“
Der Soldat nickte und folgte ihr in den hinteren Teil des geräumigen Hauses.
„Möchten Sie etwas essen oder trinken?“, fragte sie auf dem Weg.
„Danke, nein. Aber Sie könnten mir sagen, wer Sie sind.“
Sie bot ihm einen der Metallhocker an, die vor der Kücheninsel standen, doch er zog es vor zu stehen. Also holte sie Gläser aus dem Regal und Milch aus dem Kühlschrank.
„Ich kümmere mich um Evie und Grady, seitdem sie ein Jahr alt sind“, erklärte sie. „Nach dem Unfall …“
„Welchem Unfall?“, unterbrach er sie. „Ihrer Nachricht konnte ich entnehmen, dass Audrey und ihr Ehemann gestorben sind, aber Sie haben keine Details erwähnt.“
Dani hatte keine Ahnung, welche Gefühle der Mann noch immer für Audrey hegte. Entsprechend vorsichtig fiel ihre Antwort aus. „Es war ein Autounfall. Ich weiß nicht, wie viel Sie über Owen, Audreys Mann, wissen …“
„Sie hat mir nur gesagt, dass sie jemand anderen kennengelernt hat, als sie mit mir Schluss gemacht hat“, sagte er in neutralem Tonfall, der nicht erkennen ließ, ob er noch etwas für sie empfand.
„Owen Freelander war ein angesehener Architekt. Er hat dieses Haus entworfen und gebaut – sein Meisterstück. Und sein letztes Werk, ehe er in den Ruhestand ging.“
„In den Ruhestand?“
„Er war sehr viel älter als Audrey. Kurz vor dem Unfall war er gerade achtundsechzig Jahre alt geworden.“
„Achtundsechzig?“, echote der Soldat überrascht. „Audrey war ein Jahr jünger als ich, also einunddreißig … Ihr Mann war siebenunddreißig Jahre älter?“
„Er wirkte sehr jugendlich. Aber natürlich merkte man den Altersunterschied. Obwohl er gesund zu sein schien, erlitt er auf der Heimfahrt einen Herzanfall. Er verlor die Kontrolle über den Wagen, und sie prallten gegen einen Baum. Audrey wurde schwer verletzt und überlebte Owen nur um zwei Tage …“
Da sie immer noch nicht einschätzen konnte, wie der Soldat zu ihrer ehemaligen Arbeitgeberin stand, fügte sie hinzu: „Es tut mir leid.“
„Das ist natürlich ein Schock. Aber mehr als fünf Jahre lang habe ich von Audrey nichts gehört. Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen. Ich bin also kaum der Richtige für Beileidsbekundungen.“
Dani nickte, während sie Milch in die Gläser goss. „Kurz vor ihrem Tod hat Audrey mir von Ihnen erzählt und mich gebeten, Sie zu kontaktieren, damit Sie sich um die Zwillinge kümmern können.“
„Weil ich ihr Vater bin?“
Der Mann schien so gefühllos wie ein Stein zu sein. Aber etwas in seiner Stimme verriet Dani, dass ihn diese Aussicht verunsicherte.
„Sie hat mir erzählt, dass sie schwanger war, als sie sich von Ihnen getrennt hat. Außerdem erwähnte sie einen Telefonanruf, nachdem sie monatelang nicht mit Ihnen hatte reden können. Was immer Sie ihr damals gesagt haben, machte ihr wohl klar, dass sich nichts ändern würde?“
„Ich bin bei einer Spezialeinheit für Fernaufklärung der US-Marine. Wenn ich auf eine Mission geschickt werde, bin ich nicht erreichbar. So war es auch damals. Nachdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten, blieb mir keine Möglichkeit, mit ihr zu sprechen. Und ich weiß nie, wie lange so eine Aufklärungsmission dauert. Außerdem durfte ich ihr nicht sagen, wo ich mich aufhielt oder was ich tat. Sie konnte überhaupt nichts wissen“, erklärte er. „Niemand konnte das.“
„Nun ja, soweit ich weiß, wollte sie keine Beziehung mit einem Mann, der nie erreichbar ist. Sie hatte erfahren, dass sie Zwillinge bekam. Sie hatte Owen kennengelernt, und er wollte sie heiraten. Er wollte sogar die Kinder als seine eigenen anerkennen. Auf der Geburtsurkunde ist Owen als Vater von Evie und Grady eingetragen.“ Dani sprach mitfühlend, weil sie nicht wusste, wie sehr ihn diese Information treffen würde.
Seine Miene verfinsterte sich, aber sie konnte nicht sagen, ob er verletzt oder wütend war. Da er stumm blieb, entschloss sie sich, seine Frage nach ihrer Rolle zu beantworten.
„Jedenfalls hat Audrey mir gesagt, dass Sie und nicht Owen der Vater der Zwillinge sind. Sie wusste, dass sie sterben würde. Weder sie noch Owen hatten Familienangehörige, die sich um die Zwillinge hätten kümmern können. Sie seien der Einzige, hatte sie gesagt, und dass ich Sie informieren soll. Über irgendeine militärische Dienststelle …“
Noch immer runzelte er die Stirn, und da er weiterhin schwieg, fuhr sie fort: „In ihren Testamenten wurde kein Vormund festgelegt. Als Audrey starb, wurden Evie und Grady zu Vollwaisen, um die sich der Staat kümmert. Aber die Vorstellung, dass sie ins Waisenhaus müssen, war unerträglich für mich. Ich habe Sie sofort benachrichtigt und mit Owens Anwalt gesprochen. Er sollte das Gericht bitten, mich zur vorläufigen Erziehungsberechtigten zu benennen. Ich habe dem Richter gesagt, was Audrey mir über Sie erzählt hat, dass ich Ihnen die entsprechenden Informationen geschickt und darum gebeten habe, Evie und Grady zumindest in ihrer vertrauten Umgebung zu lassen, bis die Angelegenheit endgültig geklärt ist. Nun wissen Sie also, wer ich bin – früher war ich die Nanny der Kinder, und jetzt bin ich ihr Vormund.“
„Wir sind fertig!“, rief Evie.
„Ich bin gleich wieder da.“ Dani nahm das Tablett mit den Milchgläsern und steuerte auf die Treppe zu, die hinunter zu den Kinderzimmern führte. Über die vier Stufen gelangte sie zu dem tiefer gelegenen Bereich, in dem sich auch ein Spielzimmer und ein Wohnzimmer befanden, das ganz auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten war.
„Ist der Mann noch da?“, flüsterte Grady.
„Ja. Wir unterhalten uns in der Küche. Ruft, wenn ihr mich braucht.“
„Er sieht gruselig aus.“ Auch Evie flüsterte.
„Ihr braucht keine Angst vor ihm zu haben. Immerhin war er der Freund eurer Mom. Sie wäre nicht mit ihm befreundet gewesen, wenn irgendjemand Angst vor ihm hätte haben müssen, meint ihr nicht?“
Als sie keine Antwort erhielt, bekräftigte Dani: „Ganz bestimmt nicht. Ich glaube, er ist nur ein bisschen traurig, weil sie nicht mehr bei uns ist – so, wie wir auch traurig sind.“
Die Zwillinge schauten ein wenig skeptisch drein. Doch ihre Neugier auf die Zeichentrickfilme überwog, und Dani schaltete den Fernseher ein. Dann ging sie zurück in die Küche. Liam Madison hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
„Also …“, begann sie in der Hoffnung, dass er etwas sagen würde.
„Es ist mehr als fünf Jahre her. Kein einziges Wort darüber, kein Hinweis darauf, dass ich Kinder habe …“, sagte er zögernd.
„Ja.“ Dani überlegte, ob sie darauf eingehen sollte. Doch sie beschloss, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. „Audrey hat mir gestanden, dass sie es Ihnen niemals sagen wollte. Sie hatte Owen zu einer Zeit kennengelernt, als der gerade bereute, sein ganzes Leben lang nur seine Karriere im Blick gehabt und keine Familie gegründet zu haben. Sie hat auch gesagt, dass Sie nicht in der Lage wären, ein Familienvater zu sein, und dass sie Angst davor hätte, die Kinder allein großziehen zu müssen. Owen konnte für sie da sein, er konnte für sie alle drei sorgen, und das war etwas, was sie brauchte. Sie wollte, dass sich … dass sich jemand um sie kümmert.“
„Das klingt ganz nach ihr“, gab er zu. „Sie war nicht die Stärkste und auch nicht besonders selbstständig.“
Liam verkörperte wiederum das ganze Gegenteil. Er war stark und selbstbewusst – der perfekte Beschützer. Dani verstand jetzt, warum Audrey sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Wenn er bloß nicht dauernd unterwegs gewesen wäre.
Der Soldat holte tief Luft. „Als mich Ihre Nachricht erreichte, habe ich meinen älteren Bruder angerufen. Er wohnt hier in Denver. Er hat mir einen Anwalt besorgt, und der sagt, als Erstes müsste ich klären, ob ich tatsächlich der Vater bin. Das heißt, ich muss einen DNA-Test machen.“
„Den wird das Gericht auch verlangen. Sonst werden Sie nicht als Vormund anerkannt. Falls Sie das Sorgerecht wollen …“
Darauf antwortete er nicht.
Stattdessen fuhr er fort: „Der Zeitpunkt könnte stimmen. Es ist durchaus möglich, dass ich Audrey geschwängert habe. Ich weiß nicht, ob das jemals mit uns geklappt hätte – darüber hatten wir noch gar nicht gesprochen. Wir hatten keine Pläne, wir wollten einfach nur unseren Spaß. Aber wenn das meine Kinder sind …“
Er klang resigniert und alles andere als erfreut.
„Ich werde das Richtige tun“, sagte er schließlich.
„Das Richtige wäre, ihnen ein Zuhause zu schaffen – mit Menschen, die sie bei sich haben wollen und lieben …“ Sie hatte das Gefühl, die Worte aussprechen zu müssen. Schließlich war sie dafür verantwortlich, dass die Kinder das bestmögliche Zuhause bekamen. Und das musste nicht unbedingt bei ihrem biologischen Vater sein, wenn der nicht besonders erfreut darüber wirkte, sich um sie zu kümmern.
„Ich habe darüber nachgedacht“, fuhr er fort. „Und selbst, wenn es nicht meine sein sollten … Nun ja, Audrey war eine Freundin von mir.“
Ganz offensichtlich eine Freundin mit gewissen Vorzügen, dachte Dani. Doch sie sagte es nicht.
„… und ich weiß, dass sie keine Familie hatte. Selbst wenn die Kinder nicht von mir sein sollten, möchte ich, dass sie bestens versorgt sind. Sie sollen auf keinen Fall darunter leiden.“
Das war anständig.
„Und wenn es meine sind, sollte ich sie kennenlernen.“
„Eine gute Idee“, pflichtete sie ihm bei. Zumal Audrey nicht die geringsten Zweifel daran gehegt hatte, dass er der Vater der Zwillinge war.
„Also … Was halten Sie davon, dass ich hierherkomme und eine Weile zusammen mit Ihnen dreien hier wohne? Auf diese Weise können wir vertrauter miteinander werden, und ich erfahre mehr über sie.“ Er zog die Augenbrauen hoch. Offenbar war er von der Situation überfordert. „Das Haus ist riesig, und ich kann mich in irgendeine Ecke zurückziehen, ohne Sie zu stören … Falls Sie sich mit dem Gedanken anfreunden können, dass ein vollkommen Fremder hier einzieht.“
Darüber musste Dani erst einmal nachdenken. Er hatte recht. Sie würde das Haus mit einem vollkommen Fremden teilen. Einem großen, kräftigen, gut aussehenden Fremden. Doch reichte das aus, um diesem Mann zu vertrauen?
Andererseits hatte Audrey niemals daran gezweifelt, dass er der Vater der Zwillinge war. Er war sofort hergekommen, als er erfahren hatte, dass er möglicherweise Kinder hatte. Und obwohl ihn die Neuigkeit ganz offensichtlich erschütterte, war er dennoch gewillt, Verantwortung zu übernehmen, egal, ob er der Vater war oder nicht, damit sie gut versorgt wurden.
All das machte ihn vertrauenswürdig. Zumindest vertrauenswürdig genug, um ihn in einem Zimmer in der oberen Etage unterzubringen.
Außerdem wäre es gut für die Kinder, ihn kennenzulernen. Und auch für sie, damit sie sie ihm irgendwann guten Gewissens überlassen konnte.
„Ich denke, das geht in Ordnung“, antwortete sie schließlich. „Ich habe ein Zimmer unten bei den Kindern, aber auf der oberen Etage befinden sich vier leer stehende Schlafzimmer. Außerdem gibt es darüber noch eine Gästesuite – in dem kastenförmigen Komplex, der auf das Haus gesetzt wurde …“
„Ich habe mich schon gefragt, was das sein könnte. Es sieht aus wie der Tower eines Flughafens.“
„Ich weiß. Es ist aber sehr gemütlich. Außerdem hat man von da oben eine tolle Aussicht. Zu der Suite gehört auch eine Dachterrasse. Letzten Sommer haben die Kinder und ich uns von dort aus das Feuerwerk der Stadt angeschaut. Man hat das Gefühl, im Himmel zu schweben. Es sei denn, Sie haben Höhenangst …“
„Habe ich nicht“, unterbrach er sie.
„Es gibt sogar einen Aufzug, falls Sie keine Treppen laufen wollen“, fügte Dani hinzu.
„Ich schaffe die Treppen schon“, versicherte er ihr.
Kein Wunder – so durchtrainiert, wie er aussieht.
„Wollen Sie heute Abend schon einziehen?“, fragte sie.
„Mein Bruder und seine Verlobte erwarten mich heute Abend. Ich habe meine Familie seit zehn Monaten nicht mehr gesehen und werde dort übernachten. Aber morgen …“
„Klar. Ziehen Sie ein, wann immer Sie wollen.“
Er wechselte das Thema. „Mein Anwalt hat mir gesagt, dass wir den DNA-Test bei einem Arzt machen lassen können. Der muss dann allerdings noch bestätigt werden, damit das Gericht ihn akzeptiert. Die Zwillinge haben doch einen Arzt?“
„Ich werde gleich morgen früh mit ihrem Kinderarzt sprechen. Vielleicht bekommen wir sofort einen Termin.“
„Gut.“ Er nickte. Erneut runzelte er die Stirn. Offensichtlich dachte er wieder an seine Vaterschaft. „Ich gebe Ihnen meine Handynummer.“
Sie tauschten die Telefonnummern aus, und Dani versprach ihm, sofort anzurufen, wenn sie einen Termin ausgemacht hatte.
„Wann sollte ich denn am besten einziehen?“, fragte er.
„Die Vorschule ist in der nächsten Woche wegen der Frühjahrsferien geschlossen. Ich lasse die beiden also ausschlafen. Am besten irgendwann nach acht.“
„Also entscheiden wir spontan?“
„Ja.“
Er nickte, ohne den Blick von ihr zu wenden, und Dani fiel wieder ein, wie merkwürdig sie mit der Frisur aussehen musste. Hätte sie ihre Haare doch bloß vorher in Ordnung gebracht!
„Dann werde ich mich mal zu meinem Bruder aufmachen.“ Er schaute in die Richtung der Kinderzimmer. „Sollte ich mich von ihnen verabschieden?“
Fast hätte Dani gelächelt, als sie den unsicheren Ton in seiner Stimme hörte. Er hatte offenbar überhaupt keine Ahnung, wie er mit Kindern umgehen sollte.
„Wenn Sie wollen. Aber im Moment schauen sie sich Zeichentrickfilme an. Ich würde also nicht zu viel von ihnen erwarten.“
„Mir hat gefallen, dass Sie mich einen Freund ihrer Mutter genannt haben. Ich war mir nicht sicher, wie ich mich hätte beschreiben sollen …“
„Ja, fangen wir einfach damit an. Seit dem Unfall haben sie eine Menge zu verarbeiten. Man sollte die Dinge so einfach wie möglich halten – das ist das Beste.“
„Und falls ich ihr Vater bin – dann finden wir einen Weg, ihnen das zu sagen?“
„Das besprechen wir, wenn es so weit ist.“
„Falls es überhaupt so weit kommt.“
Er zweifelte also immer noch. Vermutlich hatte er allen Grund dazu, nachdem Audrey ihn all die Jahre im Dunkeln gelassen hatte.
Dani begleitete ihn zur Tür und öffnete sie. Erst jetzt fiel ihr der schwarze SUV auf, der vor dem Fenster des Tanzstudios parkte. Liam musste bei seinem Eintreffen also mitbekommen haben, wie ausgelassen sie dort herumgesprungen waren. Wie peinlich!
Aber sie beschloss, die Sache nicht zu erwähnen. Stattdessen wünschte sie ihm nur eine gute Nacht.
Beim Frühstück erzählte Liam seinem älteren Bruder Conor, der Arzt war, von den Zwillingen, von Dani und dass er plane, in ihr Haus einzuziehen.
„Du willst also schon Daddy spielen, bevor du die hundertprozentige Sicherheit hast, dass du es tatsächlich bist?“
Er erläuterte seinem Bruder die Gründe für seine Absicht.
„Hast du die Kinder schon kennengelernt?“, wollte Conor wissen.
„Ich habe sie kurz gesehen. Dani Cooper hat ihnen erzählt, dass ich ein Freund ihrer Mom bin. Aber es schien sie nicht sonderlich zu interessieren.“
„Und was glaubst du – war da gleich eine Verbindung zwischen euch?“
„Ähm … nein. Ich wusste nicht mal, was ich ihnen sagen soll. Glücklicherweise war ich nicht allein mit ihnen, und ihre Nanny ist ziemlich einfühlsam.“
Obwohl er das natürlich nur in Bezug auf die Kinder gemeint hatte, musste er plötzlich an ihre Haut denken, die ausgesehen hatte, als würde sie sich so zart und weich anfühlen wie ein Pfirsich. Am liebsten hätte er sich sofort persönlich davon überzeugt …
Er riss sich zusammen. „Ich glaube, es sind ziemlich pfiffige Kinder. Sie haben dunkle Haare … genau wie wir.“
„Sie könnten also wirklich von dir sein?“
„Das habe ich doch schon gesagt. Audrey und ich haben eine ziemlich wilde Zeit miteinander verbracht. Dauernd unterwegs, als gäbe es kein Morgen. Und wir waren auch nicht besonders vorsichtig … ziemlich verantwortungslos.“
„Das ist fünf Jahre her. Seltsam, dass sie niemals deine Hilfe in Anspruch genommen hat. Wenn die Kinder wirklich von dir sind, sollte man meinen, dass sie dich wenigstens um Geld gebeten hätte.“
Liam erzählte ihm von Owen Freelander und dem riesigen Haus, in das Audrey gezogen war. Geld hatte offenbar keine Rolle gespielt.
„Es überrascht mich nicht, dass Audrey mit jemandem zusammen war, der ihr so viel bieten konnte“, sagte Liam. „Heirat, Geld, Luxus – auch für die Kinder, als wären sie seine eigenen. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso logischer erscheint es mir, dass der Mann so viel älter war …“
„Hatte sie einen Vaterkomplex?“
„Vielleicht. Sie sah sich selbst als hilfloses Kätzchen. Ihre Eltern waren schon älter und wohlhabend. Man hat ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Sie wurde hemmungslos verwöhnt. Ich glaube, nach deren Tod hat sie einfach nur einen Ersatz gesucht, um weiterhin verwöhnt zu werden. Und dann schwanger mit Zwillingen?“ Er schüttelte den Kopf. „Das war ganz gewiss nicht in ihrem Sinne. Mich wundert, dass sie die Schwangerschaft nicht abgebrochen hat.“
„Das ist nie eine leichte Entscheidung.“
Liam stimmte zu. „Ich glaube auch nicht, dass sie jemals verstanden hat, was ich mache – wir haben uns kennengelernt, als ich hier eine Weiterbildung absolviert habe. Das dauerte zwei Monate und war wie ein ganz normaler Job strukturiert.“
„Aber dann kam dein Einsatz …“
„Richtig. Und obwohl ich ihr oft gesagt habe, was das bedeutet, hat sie es erst verstanden, als es so weit war. Als ich das letzte Mal mit ihr telefoniert habe, war sie ziemlich sauer, weil ich mich so lange nicht gemeldet hatte. Zu dem Zeitpunkt war sie schon entschlossen, mit Owen zusammenzuziehen, wie mir die Nanny gesagt hat.“ Liam war der Appetit vergangen, deshalb schob er seinen Frühstücksteller beiseite.
„Und wie kommst du damit klar, dass die Kinder von dir sein könnten?“, wollte Conor wissen.
„Zeitlich könnte es hinkommen. Sie sind vier Jahre alt, wir waren vor fünf Jahren kurz zusammen, rechne neun Monate Schwangerschaft dazu … Ich bin immer noch total durcheinander“, gestand er. „Als ich die Nachricht von ihrer Nanny bekam, habe ich das erst für einen schlechten Witz gehalten. Audrey tot? Und sie hat Zwillinge, um die ich mich jetzt kümmern soll? Die Kinder haben sonst niemanden. Wenn ich nicht einspringe, werden sie möglicherweise noch getrennt und in verschiedenen Familien untergebracht.“
„Du hast auch gesagt, dass Audrey kein Kind von Traurigkeit war. Also machst du auf jeden Fall einen DNA-Test, wie es der Anwalt geraten hat, oder?“
„Ja, heute Nachmittag. Die Nanny hat einen Termin beim Kinderarzt vereinbart.“
„Und was ist mit der Nanny?“
Vor Liams geistigem Auge erschien sofort das Bild der umwerfend aussehenden jungen Frau. Sie hatte nicht nur pfirsichweiche Haut, sondern auch eine hübsche Nase, hohe Wangenknochen und karamellbraune Augen. Volle, sinnliche Lippen und einen schlanken, wohlgeformten Körper. Und ihre Haltung verlieh ihr etwas … Hochherrschaftliches.
Schnell verscheuchte er die Gedanken wieder. „Was meinst du damit?“
„Du sagst, dass sie derzeit der Vormund ist.“
„Stimmt. Als Audrey und Owen ums Leben gekommen sind, hat sie seinen Anwalt gebeten, sie bei Gericht als vorläufige Erziehungsberechtigte einsetzen zu lassen, damit die Kinder in ihrem Elternhaus bleiben können.“
„Willst du dich denn mit ihr abwechseln?“, fragte Conor.
„Nein, um Himmels willen.“ Liam spürte, wie die Frage seinen Stresspegel steigen ließ. „Wenn das Gericht sie zum Vormund erklärt hat, dann muss sie doch bei ihnen sein, oder? Auch meinetwegen, denn ich habe keine Ahnung, was ich mit ihnen anfangen soll. Ich meine, ich will sie zwar kennenlernen, und sie sollen mich kennenlernen, falls ich ihr Vater bin. Wäre auch ganz gut für mich, wenn ich mich um die Erziehung kümmern soll. Und sollte ich nicht der Vater sein, will ich doch um Audreys willen, dass sie gut versorgt werden. Aber ich kann nicht allein mit ihnen bleiben.“
Sein Bruder schaute ihn amüsiert an. „Verstehe. Aber dir ist klar, dass genau das passieren kann, wenn du der Vater bist.“
„Ähm … ja. Aber so weit ist es ja noch nicht. Im Moment gibt es ja die Nanny, und ich will sie unterstützen.“
Conor grinste. „Du hast also Angst vor den Kleinen?“
„Hättest du die nicht?“
„Während meiner Ausbildung habe ich auch eine Zeit lang als Kinderarzt gearbeitet. Ich habe also ein bisschen Erfahrung.“
Liam erhob sich vom Küchentisch, nahm einen Teller und spülte ihn ab, um sich von seinem wachsenden Unbehagen abzulenken. Die Vorstellung, mit vierjährigen Zwillingen allein zu sein, machte ihn regelrecht nervös. „Ich muss nun mal tun, was zu tun ist. Was immer das sein wird.“
„Klar. Und wenn ich etwas für dich tun kann – werde ich dir helfen“, versprach Conor.
„Du könntest ein paar Klamotten mit mir kaufen“, antwortete Liam. „Ich habe keine Zivilsachen dabei. Die Uniform macht den Kindern bestimmt ein bisschen Angst.“
„Haben die Zwillinge auch Namen?“
„Oh ja“, entgegnete Liam und klang dabei ein bisschen überfordert. „Das Mädchen heißt Evie, der Junge Grady.“
„Evie Madison. Grady Madison. Klingt doch gut“, meinte Conor.
„Lass uns nichts überstürzen“, warnte Liam.
„Der Mann von gestern kommt wieder, und wir müssen mit ihm zum Arzt gehen?“, fragte Evie. Dani hatte es ihr und ihrem Bruder gerade erzählt.
„Ja. Er heißt übrigens Liam, und er kommt mit uns zum Doktor“, bestätigte Dani. Sie kämmte Evies langes Haar und flocht es zu Zöpfen, während Grady sie beobachtete.
„Aber wir sind gar nicht krank“, protestierte er. „Warum sollen wir dann zum Arzt? Werden wir gepikst?“
„Nein, keine Impfung und nichts, was wehtut. Ihr braucht euch nicht mal auszuziehen. Ihr müsst nur euren Mund öffnen, und die Schwester wird kurz ein Stäbchen reinstecken.“
„Aber warum?“, wollte Evie wissen.
„Es ist ein Test. Erinnert ihr euch an das letzte Mal, als ihr Halsschmerzen hattet? Da hat die Schwester euch auch ein Wattestäbchen in den Mund gesteckt. Das Stäbchen wird an ein Labor geschickt, und das Ergebnis kann einiges über euch preisgeben.“
„Was denn?“, fragte Grady misstrauisch.
„Zum Beispiel, dass Evie ein Mädchen und du ein Junge bist. Es verrät die Haar- und die Augenfarbe …“
„Das kann ich dir auch so sagen“, konterte Evie.
Es war nicht leicht, die Prozedur neugierigen Vierjährigen zu erklären.
„Das Ergebnis verrät auch Dinge, die man nicht sehen kann – zum Beispiel, was in dir drin ist und wer deine Familie ist. Wenn ich den Test machen müsste, könnte er mir zum Beispiel sagen, dass meine Großmutter tatsächlich meine Großmutter ist.“
„Also werden wir erfahren, ob wir eine Großmutter haben?“
„Nein. Wie wir wissen, sind eure Großeltern schon im Himmel. Aber der Test verrät euch, ob ihr noch andere Familienangehörige habt, die ihr nicht kennt.“
„Glaubst du das denn?“
„Vielleicht“, antwortete Dani. „Und das wäre doch schön zu wissen, oder? Dass es noch jemanden auf der Welt gibt, der euch auch gern als Teil seiner Familie betrachten möchte.“ Sie hoffte nur, dass sie die Wahrheit sagte – dass Liam Madison aus seiner Schockstarre vom Abend zuvor herauskommen, die Kinder akzeptieren und ein liebender Vater für sie sein würde.
„Vielleicht wäre das ganz nett“, sagte Grady zögernd.
„Dann müssen wir aus dem Glashaus ausziehen und bei ihnen wohnen?“, wollte Evie wissen.
„Das weiß ich nicht“, antwortete Dani aufrichtig. Da sie diesen Punkt nicht vertiefen wollte, wechselte sie vorsichtshalber das Thema. „Wollen wir mit einem der neuen Puzzles anfangen, bis Liam kommt?“
Es kam ihr ein wenig seltsam vor, Liams Namen zu erwähnen, als gehörte er schon zur Familie. Sie tat es nur wegen der Kinder, denn sie wollte ihnen den Eindruck vermitteln, dass er wirklich ihr Freund war.
Während die Zwillinge mit den Puzzles beschäftigt waren, ging Dani in ihr Zimmer, um sich zurechtzumachen. Da sie den Eindruck vom Abend zuvor auslöschen wollte, gab sie sich dieses Mal besonders viel Mühe mit ihrem Make-up. Sie legte Lidschatten und Mascara auf und entschied sich für einen dezenten Lippenstift. Dazu wählte sie eine ihrer besseren Jeans, ein Tanktop mit Seidenträgern und ein etwas tiefer ausgeschnittenes blaues T-Shirt. Außerdem widmete sie sich ausgiebig ihrem Haar, das sie nicht zu einem Knoten band, wie sie es normalweise tat, wenn sie sich um die Kinder kümmerte, sondern über ihre Schultern fallen ließ. Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ja, so konnte sie Liam Madison gegenübertreten, ohne dass er einen falschen Eindruck von ihr bekommen würde.
„Evie hat ein Teil von meinem Puzzle genommen!“, schrie Grady aus dem Nebenzimmer. „Jetzt kann ich es nicht zu Ende machen.“
In diesem Moment läutete die Türglocke. Liam Madison war zehn Minuten zu früh dran. Um den Streit der Kinder würde sie sich später kümmern.
„Das ist Liam, und wir müssen pünktlich beim Arzt sein. Zieht eure Schuhe an“, wies sie die Kinder an, ehe sie einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf.
Auf dem Weg zur Tür stellte sie überrascht fest, dass sie sich darauf freute, den stattlichen Marinesoldaten wiederzusehen.
„Bleibt er wirklich hier?“, flüsterte Grady Dani zu, nachdem sie alle vier am Abend nach Hause zurückgekehrt waren. Liam Madison war draußen damit beschäftigt, seine Sachen aus dem gemieteten SUV zu holen. Dani stand mit den Kindern in der Küche.
„Er bleibt wirklich hier“, bestätigte sie. „Er wohnt oben im Gästezimmer. Das wollte eure Mom so.“
„Weil er ihr Freund ist?“, fragte Evie ungläubig.
„Ja. Und weil sie wollte, dass ihr euch besser kennenlernt. Und er möchte sich auch ein bisschen um euch kümmern.“
„Das glaube ich nicht.“ Grady blickte skeptisch drein.
„Seid geduldig mit ihm, ja?“, forderte Dani die Zwillinge auf. „Ich glaube, mit Kindern kennt er sich nicht so gut aus.“
„Ich glaube nicht, dass er uns mag“, erwiderte Evie.
„Ich glaube nicht, dass wir ihn mögen“, echote Grady leise.
„Wir müssen uns alle gegenseitig eine Chance geben.“ Dani ließ keinen Zweifel daran, dass es ihr mit ihrer Bemerkung ernst war. „Das ist doch der Grund, warum wir andere Menschen kennenlernen – um Dinge über sie herauszufinden, damit wir sie mögen können.“
„Er lächelt nie“, stellte Evie fest.
„Er ist wie ein Roboter. Aber kein lustiger Roboter“, pflichtete Grady seiner Schwester bei.
Die Kritik war berechtigt, denn beides stimmte.
„Das wird schon besser werden“, versicherte Dani und hoffte, dass sie recht behielt. „Jetzt geht in eure Zimmer und zieht die Pyjamas an. Danach gibt es Käse, Tomaten und Avocados zum Abendessen.“
Auf dem Weg zu ihren Zimmern warfen sie einen misstrauischen Blick zur Haustür. Sie waren alles andere als begeistert von dem Neuzugang in ihrem Haus.
Dani konnte es ihnen nicht verdenken.
Die vier Stunden, die sie zusammen unterwegs gewesen waren, hatten sich unendlich lang angefühlt. Und die Stimmung war nicht die lockerste gewesen.
Ihre erste Station war die Kinderarztpraxis, wo sie eine halbe Stunde warten mussten. Während die Kinder spielten, saß Liam stocksteif auf seinem Stuhl und sagte kein Wort.
Als sie in das Sprechzimmer gebeten wurden, erklärte ihnen der Kinderarzt, dass er Liam nicht testen dürfe, und gab ihnen die Adresse eines Labors, zu dem sie etwa zwanzig Minuten fahren mussten. Auf dem Weg dorthin sprach Liam wieder kaum ein Wort, sondern fragte Dani nur nach der Richtung.
Im Wartezimmer des Labors standen nur drei Stühle, und es gab kein Spielzeug für die Kinder. Dani hatte zwar Malbücher und Stifte eingepackt, aber es gab auch keinen Tisch, an dem sie hätten malen können. Also setzten sie sich auf den Boden, und Dani achtete die ganze Zeit darauf, dass sie den anderen Patienten nicht im Weg waren. Liam hatte die ganze Zeit gestanden und wieder kein Wort gesagt.
Nach dem Test hatte Liam vorgeschlagen, in ein Restaurant zu gehen, das sein Bruder ihm empfohlen hatte. Auch dort mussten sie lange warten, bis ihnen endlich ein Tisch zugewiesen wurde. In der Zwischenzeit hatten die Kinder die Sitzfläche eines Stuhls benutzt, um malen zu können, allerdings schnell das Interesse daran verloren. Liam hatte sie betrachtet, als sei ihm die Situation unangenehm. Da er sich nicht setzen wollte, wirkte er wie ein Wachposten im Dienst.
Als sie endlich zu ihrem Tisch geführt wurden, nahm Liam am Kopfende Platz, und die Kinder drängten sich am gegenüberliegenden Ende so eng wie möglich an Dani.
Sie bestellten Käsesandwiches, und während sie warteten, ärgerte Grady seine Schwester, die sich das natürlich nicht gefallen ließ. Souverän schlichtete Dani den Streit. Liam, der mit der Situation sichtlich überfordert war, schaute starr über ihre Köpfe hinweg wie ein Wache stehender Soldat vor dem Buckingham Palace.
Kaum stand das Essen vor den Kindern, weigerten sie sich, es anzurühren, weil der gegrillte Käse weiß anstatt gelb war. Dani bestand darauf, dass sie ihn zumindest probierten, aber Evie bekam ihren Bissen kaum heruntergeschluckt, und Grady spuckte ihn zurück auf den Teller mit der Bemerkung, dass es eklig schmecke.
Wenigstens aßen sie die Pommes frites und das Obst, das zum Gericht gehörte. Aber Liams unbehaglicher Miene war anzusehen, wie peinlich ihm das alles war.
Auch die Zwillinge waren nicht gerade erfreut gewesen, als sie beim Essen erfuhren, dass Liam ab sofort bei ihnen im Haus wohnen würde.
Dani war heilfroh, dass sie in seiner Gegenwart nichts Unhöfliches gesagt hatten, sondern sich erst beschwerten, als er kurz außer Hörweite war. Trotzdem war die Stimmung verdorben gewesen, und sie hatten Liam während der nächsten Stunden kaum eines Blickes gewürdigt.
Dani hatte es schließlich aufgegeben, zwischen den dreien zu vermitteln, zumal Liam keinerlei Anstalten machte, einen Draht zu den Zwillingen zu finden.
Doch das wird er tun müssen, sagte sie sich, als sie nun wieder zu Hause waren. Wenn Liam tatsächlich der biologische Vater von Evie und Grady war, musste sie unbedingt eine andere Lösung finden, als das Gesetz sie vorsah.
In diesem Moment kam Liam zurück. Er hatte einen riesigen Rucksack aus dem Wagen geholt.
Dani ging ihm entgegen und versuchte, nicht darauf zu achten, wie gut er in seinen Kakihosen und dem weißen Hemd aussah, gegen die er seine Uniform vom Sonntag getauscht hatte.
„Aufzug oder Treppe?“, fragte sie ihn.
„Das überlasse ich Ihnen.“
„Normalerweise nehme ich die Treppe. Ich lebe zum ersten Mal in einem Haus mit Aufzug. Also benutzen wir ihn doch einfach. Ich muss den Kindern gleich noch etwas zu essen zubereiten. Sollen wir uns noch ein wenig unterhalten, wenn Sie sich eingerichtet haben und die Kinder ihren Zeichentrickfilm sehen?“, schlug sie vor.
„Selbst in Zivil haben sie noch Angst vor mir, nicht wahr?“, vermutete er.
Dani verkniff sich ein Lachen. Dieser Mann war riesig, muskulös und stand wie ein Fels in der Brandung. Und er glaubte wirklich, dass es seine Kleidung war, die zwei kleinen Kindern Furcht einflößte?
„Ich weiß nicht, ob sie wirklich verängstigt sind“, erwiderte sie vorsichtig, während sie den Aufzug betraten.
In der engen Kabine umhüllte sie sein Duft, und sie musste sich eingestehen, dass er nicht nur gut aussah, sondern auch umwerfend roch. Sie drückte auf den Knopf, und die Lifttüren schlossen sich.
Konzentriert versuchte sie, sich weder von seinem Aussehen noch seinem herrlichen Duft die Sinne vernebeln zu lassen. „Ich weiß noch gar nicht viel über Sie“, begann sie.
„Ledig. Und ungebunden.“
Hatte er wirklich geglaubt, dass sie seinen Beziehungsstatus meinte? Nun ja, zumindest ließ sich ihre Frage in diese Richtung interpretieren. Und eigentlich hatte sie sich das ja tatsächlich schon gefragt …
„Und kinderlos, richtig?“, fügte sie hinzu. „Also – abgesehen von den Zwillingen möglicherweise, meine ich.“
„Kinderlos“, wiederholte er so kurz und bündig, wie er schon den ganzen Tag redete.
„Und vermutlich haben Sie auch nicht viel Erfahrung mit Kindern“, fuhr sie fort und brachte das Thema auf den Tisch, über das sie mit ihm reden wollte. In diesem Moment hielt der Aufzug. Die Türen öffneten sich und gaben den Blick auf den Wohnbereich der Gästesuite frei.
„Keine Erfahrung. Nein“, bestätigte er.
„Vielleicht hätten Sie nichts gegen den einen oder anderen Ratschlag?“, fragte sie diplomatisch.
„Ratschlag …“ Er wirkte verwirrt. „Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass ich ein paar brauche, oder?“
„Nein“, antwortete sie wahrheitsgemäß.
Er lächelte kaum merklich, indem er einen Mundwinkel nach oben zog. Belustigte ihn ihr Angebot vielleicht? Sein Lächeln wirkte jedoch ziemlich sexy.
„Zeigen Sie mir, wo ich hier oben alles finde“, sagte er und trat aus dem Fahrstuhl. „Später komme ich dann runter, und wir können reden.“
„Gut“, willigte Dani ein und überlegte, wie empfänglich er wohl für ihre Ratschläge sein mochte.
Weil sie die Kinder nicht zu lange allein lassen wollte, führte sie ihn rasch herum, zeigte ihm die Fernbedienung des Fernsehers und mit welchem Schalter er die Vorhänge vor den Panoramascheiben schließen konnte, die drei der vier Wände bildeten. Nachdem sie ihm noch erklärt hatte, wie die Sauna funktionierte, ließ sie ihn allein und ging zurück nach unten.
Auf der Treppe wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass sie und der äußerst gut aussehende Mann nun unter einem Dach lebten.
Nun ja, lebten war nicht der korrekte Ausdruck. Sie teilten sich das Haus.
Und der Gedanke daran sandte unvermittelt ein Kribbeln durch ihren Körper.
Was eigentlich nicht angebracht war. Erstens handelte es sich bei dem Arrangement nicht um ihre persönliche Entscheidung, die ihr Privatleben in irgendeiner Weise berühren würde. Und mit ihrem Freund Bryan hatte sie sich ja auch schon eine Wohnung geteilt. So ungewöhnlich war die Abmachung also nun auch nicht.
Bryan war zwar ihr bester Freund und schwul, doch er war ein Mann. Und das war Liam Madison schließlich auch. Und was für einer …
Unglaublich heiß. Unglaublich sexy.
Ein Mann, von dem sie kaum die Augen lassen konnte.
Und der sich in diesem Moment eine Etage über ihr auszog.
Unter die Dusche ging.
Und dort oben auch schlafen würde.
Als sie die Küche betrat, stellte sie fest, dass sie eine Gänsehaut hatte.
Das ging ja gar nicht!
Denk an ihn, wie du an Bryan denken würdest, wies sie sich zurecht.
Allerdings mit wenig Erfolg. Die Gänsehaut blieb, und das Prickeln im ganzen Körper ebenfalls.
Sie nahm sich fest vor, ihre Gefühle einfach nicht zu beachten.
Sie würden schon wieder verschwinden, wenn sie sich erst einmal an diese neue Situation gewöhnt hatte.
Bitte, bitte, lass es vorübergehen …
Sie brachte den Kindern ihr Essen und stellte ihnen den Fernseher an. Als sie zurückkehrte, betrat Liam gerade die Küche.
„Da ich Sie oben gerade herumgeführt habe, können wir hier gleich weitermachen“, schlug sie vor. „Aus dem Kühlschrank hier können Sie sich jederzeit bedienen. Morgen müssen wir einkaufen. Dann können Sie auch die Sachen besorgen, die Sie mögen.“
Sie zeigte ihm die Speisekammer, wie die Kaffeemaschine funktionierte, in welchen Schränken er Geschirr und Besteck finden würde und wie er die Spülmaschine bedienen musste. Sämtliche Geräte waren hinter chromblitzenden Paneelen versteckt.
„Die Küche kommt mir vor wie eine Raumstation“, meinte er, als sie ihre kleine Tour beendet hatte.
„Owen liebte Science-Fiction. Er hätte das als Kompliment aufgefasst. Aber stimmt, Sie haben recht. Es könnte wirklich das Raumschiff Enterprise sein. Nur die Kinderzimmer sind konventionell eingerichtet.“
„Gibt es auch einen Fitnessraum?“
„Neben dem Tanzstudio. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. Sie können ihn jederzeit benutzen.“ Einen solchen Körper hatte man wirklich nur dann, wenn man regelmäßig Sport machte.
Nach der Besichtigung gingen sie zurück in die Küche. Dani setzte sich auf einen Stuhl, von dem aus sie die Kinder im Auge behalten konnte. Liam stand mitten in der Küche, steif und bewegungslos.
„Okay. Was mache ich falsch?“, wollte er wissen.
Dieses Mal lachte Dani tatsächlich. „Audrey hat mir erzählt, dass Sie durch und durch Soldat sind. Sie müssen sich wirklich ein bisschen lockerer machen. Immerhin sind Sie hier jetzt zu Hause und warten nicht darauf, dass Ihnen irgendjemand Befehle erteilt. Setzen Sie sich und entspannen Sie sich.“
„Entschuldigen Sie. Die Macht der Gewohnheit. Vor allem, wenn ich nicht in meiner gewohnten Umgebung bin. Das prägt ungemein“, gestand er.
Fast hatte sie ein wenig Mitleid mit ihm. Dabei machte er doch den Eindruck, als könnte ihn nichts erschüttern.
Er setzte sich, wobei er zwei Stühle zwischen sich und ihr frei ließ.
„Besser so?“, fragte er.
„Auf jeden Fall“, versicherte sie ihm, obwohl er noch immer nicht so aussah, als würde er sich zu Hause fühlen.
„Habe ich’s mir mit den Kindern verdorben? Hassen sie mich?“, wollte er als Nächstes wissen.
„Ich glaube, sie wissen noch nicht so recht, woran sie mit Ihnen sind“, antwortete sie erneut sehr vorsichtig. „Grady sagt, Sie sind wie ein Roboter.“
„Ist er auch ein Science-Fiction-Fan, und ist das ein Kompliment?“
„Ich fürchte nein.“ Wieder musste sie sich auf die Zunge beißen, um nicht zu lachen.
„Was soll ich also tun? Mit Kindern kenne ich mich überhaupt nicht aus.“
„Nun, Sie waren doch selber mal eins … oder?“, scherzte sie, nicht sicher, wie er auf ihre Bemerkung reagieren würde.
„Vor langer Zeit, ja“, erwiderte er erneut mit einem Anflug von Humor und lächelte fast unmerklich wie zuvor.
„Dann erinnern Sie sich doch einfach daran, wie Sie damals als Kind waren. Wie Erwachsene auf Sie wirkten und wie Sie auf sie reagiert haben. Grady und Evie sind genauso Kinder, wie Sie mal eines waren. Sie spielen gern, und sie mögen es, wenn man mit ihnen spielt.“
„Oder Malbücher mit ihnen ausmalt, wie Sie es im Restaurant getan haben?“
Das war ein unüberhörbarer Seitenhieb. Schließlich hatte sie die Kinder nicht dazu überreden können, sich länger mit ihren Malbüchern zu beschäftigen.
Dani lachte. „Na gut, es klappt nicht immer, vor allem, wenn sie einen erlebnisreichen Tag hinter sich haben und müde sind. Aber heute Morgen haben sie mit mir gemalt.“ Geradezu triumphierend zeigte sie auf ein Bild, das am Kühlschrank hing.
Liam lächelte. Offenbar gefiel es ihm, dass sie seine Anspielung mit Humor quittierte. Das machte ihn in ihren Augen noch attraktiver. Verflucht …
„Und Sie können auch mit den beiden reden“, fuhr sie fort. „Direkt mit ihnen. Heute haben Sie eigentlich nur über sie gesprochen. Und zwar mit mir.“
„Verstehen sie mich denn überhaupt, wenn ich so mit ihnen rede, wie ich mit allen Leuten reden würde?“
Dani versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie einfältig sie seine Frage fand. „Doch, bestimmt. Für Vierjährige haben sie bereits einen erstaunlichen Wortschatz. Und wenn sie ein Wort oder einen Satz nicht verstehen, fragen sie nach. Dadurch lernen sie weitere Wörter. Sie sind ja keine Babys mehr. Stellen Sie sich einfach vor, dass es kleine, wissbegierige Menschen sind. Heute haben Sie bis auf ‚Hallo‘ kein einziges Wort zu ihnen gesagt.“
„Fairerweise müssen Sie zugeben, dass sie auch mit mir kein Wort geredet haben.“
„Kinder reden nun mal nicht mit Leuten, die sie unfreundlich finden.“
„Sie finden mich unfreundlich?“
„Durchaus.“
„Ich bin ein netter Kerl“, verteidigte er sich. Für einen Moment lang hatte Dani den Eindruck, tatsächlich einen Blick hinter seine Fassade werfen zu können.
Wieder lachte sie. „Na gut. Aber Sie müssen hinter diesem militärischen Verteidigungswall hervorkommen, damit die Zwillinge Sie wirklich kennenlernen können. Sie wirken eher wie ein Geheimagent, der auf die Kinder des Präsidenten aufpassen muss. Nur dass Sie Ihre Missbilligung nicht verbergen können, wenn Evie und Grady sich wie Kinder verhalten – und zum Beispiel vor der Kellnerin herlaufen, wenn sie uns einen Tisch im Restaurant zuweisen will.“
Seine Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er das wirklich nicht angebracht fand. „Und dann die Szene mit den Käsesandwiches …“, fügte er tadelnd hinzu.
„Ich weiß. Aber wie ich schon sagte – es sind Kinder. Man nutzt solche Situationen, indem man ihnen beibringt, dass man Sachen nicht auf den Teller spuckt. So bringt man ihnen Manieren bei und erklärt ihnen, was unhöflich ist.“
„Das haben Sie ja getan.“
„Während Sie ausgesehen haben, als wären Sie am liebsten im Erdboden versunken.“
„Wäre ich auch am liebsten“, gestand er. „Wie soll ich mich also in Zukunft verhalten? Soll ich mit ihnen Ball spielen?“
„Seien Sie einfach Sie selbst … jedenfalls so, wie Sie sich in Gesellschaft Ihrer Familie oder Freunde verhalten. Gehen Sie einfach ein wenig aus sich heraus, reden Sie mit den Kindern, sodass sie das Gefühl bekommen, ernst genommen zu werden. Sie merken dann ja, wie sie reagieren und womit Sie ihr Interesse wecken können.“
Er schwieg eine Weile. „Na gut“, sagte er schließlich. „Dann versuche ich das mal.“
„Sie mögen es, Gutenachtgeschichten zu hören. Ich kann sie fragen, ob Sie mal eine vorlesen sollen. Dann könnten Sie damit anfangen.“
„Heute Abend?“ Er schaute sie an, als habe sie etwas ganz Schreckliches vorgeschlagen.
„Müssen Sie sich erst vorbereiten?“, witzelte sie.
„Ja“, gab er unumwunden zu.
„Okay. Klar.“ Sie wurde wieder ernst.
Aus dem Kinderzimmer erklang die Abspannmusik des Zeichentrickfilms, und Grady rief: „Es ist zu Ende!“
„Das ist das Stichwort für die Gutenachtgeschichte“, erklärte Dani.
„Und Sie müssen wieder zu ihnen“, schlussfolgerte Liam. Er klang ein wenig enttäuscht. „Dann werde ich mal nach oben gehen und auspacken. Und mich für morgen vorbereiten – sie sind doch morgen noch hier, oder?“, scherzte er.
„Auf jeden Fall.“
„Um acht bin ich mit dem Anwalt verabredet, den mein Bruder mir besorgt hat. Ich kenne ihn noch nicht persönlich. Ist das in Ordnung für Sie und die Kinder?“
„Natürlich. Und was ist mit Frühstück?“, fragte sie. „Es gibt Toastbrot …“
„Ich habe die Cornflakes in der Speisekammer gesehen und Milch im Kühlschrank. Mehr brauche ich nicht.“
Dani nickte. „Wenn Sie sonst noch etwas benötigen oder irgendwelche Fragen haben, melden Sie sich einfach.“
Er holte tief Luft. „Gut, dann sehen wir uns morgen, und ich versuche, ein bisschen lockerer zu sein“, versprach er. Dann grinste er spitzbübisch. „Übrigens … Ihre Frisur sieht heute besser aus.“
Dani lachte. Sie war froh, dass er den gestrigen Fauxpas als „Kunstfrisur“ verbucht hatte.
„Vielen Dank. Heute habe ich mich selbst frisiert und nicht Evies Unterstützung in Anspruch genommen.“
„Ich glaube, das Mädchen hat keine Chance auf eine Karriere im Frisiersalon.“
Dani schmunzelte. „Da stimme ich Ihnen zu.“
Sie sah Liam Madison hinterher, als er die Küche verließ, und hoffte, dass er sich am nächsten Tag den Zwillingen gegenüber genauso menschlich und zugänglich verhalten würde, wie er es bei ihr getan hatte.
Außerdem genoss sie den Anblick seines knackigen Hinterns in der engen Kakihose. Wenigstens endete der Tag nicht so schlecht, wie er begonnen hatte.
„Bryan! Hast du schon unsere neuen Socken gesehen?“, rief Evie aufgeregt und stürmte auf Danis besten Freund zu, als der am Dienstagmorgen das Haus betrat.
„Zeig mal“, forderte Bryan Dreeson sie auf und blickte interessiert auf ihre Füße. „Du meine Güte! Die sind ja fantastisch. Mit Minnie und Micky Maus ganz in Rot. Warum machen sie so was nicht in meiner Größe?“, jammerte er.
„Zeig mal deine!“, befahl Grady und zog eins von Bryans Hosenbeinen hoch. Der Anwalt trug Socken mit einem eleganten, rautenförmigen Muster. Danis Freund und ihre Schutzbefohlenen verband eine Vorliebe für ausgefallene Socken.
„Hübsch“, stellte Evie ehrfurchtsvoll fest.
„Und er hat euch auch eine seiner selbst gemachten Quiches fürs Frühstück mitgebracht …“
Die Zwillinge brachen in Jubelrufe aus.
„Beruhigt euch“, bat Dani, als sie die Tür hinter ihrem Freund schloss. „Geht runter und zieht euch fertig an. Ich muss mich mit Bryan unterhalten. Und danach gibt’s Frühstück.“
Bryan und Dani waren gleichaltrig und beste Freunde seit Kindertagen. Am Abend zuvor hatte er angerufen, um ihr mitzuteilen, dass er auf dem Weg zur Kanzlei bei ihr vorbeikommen würde, um ihr die Dokumente zu bringen. Er war spezialisiert auf Grundstücks- und Immobilienrecht und kümmerte sich um das Erbe, das Danis Großmutter ihr hinterlassen hatte.
„Mhmm – Tomaten, Spinat und Käse“, sagte Dani, als sie die Quiche in die Küche trug. „Die Kinder lieben sie. Und ich auch.“
„Sie schmeckt ja auch toll“, konterte Bryan ganz unbescheiden.
„Isst du mit uns, oder hast du schon gefrühstückt?“, fragte sie, während sie die Quiche auf die Kücheninsel stellte.
„Nein, ich hatte noch kein Frühstück, und ja, ich esse gern mit euch. Und ich sehne mich nach einer Tasse Kaffee“, fügte er pathetisch hinzu. Da er sich mittlerweile bei Dani wie zu Hause fühlte, ging er zum Schrank und holte eine Tasse heraus.
„Ich muss dich warnen. Ich habe den Kaffee nicht gekocht. Er ist ziemlich stark.“
„Hat der Soldat ihn aufgegossen?“ Da sie fast jeden Tag miteinander sprachen, gab es nichts in Danis Leben, was Bryan nicht wusste.
„Der Soldat oder irgendwelche guten Geister. Er stand schon da, als ich aufgestanden bin.“
„Werde ich ihn heute mal zu Gesicht bekommen?“, flüsterte ihr blonder, wie aus dem Ei gepellter Freund, während er sich eine Tasse Kaffee eingoss.
„Ich habe ihn heute Morgen noch nicht gesehen. Offenbar steht er mit den Hühnern auf. Er joggt gerne bei Sonnenaufgang. Danach hatte er einen Termin bei seinem Anwalt wegen der Vaterschaft, falls der DNA-Test beweist, dass er der Vater ist.“ Sie sprach leise, damit die Kinder nichts mitbekamen.
„Zu schade. Ich würde mich gern davon überzeugen, ob er deiner Beschreibung entspricht.“
„Wie habe ich ihn denn beschrieben?“, wollte sie wissen.
„Er scheint ja ein ziemlich heißer Typ zu sein“, erwiderte Bryan.
„Das habe ich nicht gesagt“, protestierte Dani, während sie vier Teller und Messer hervorholte, um die Quiche zu servieren.
„Und ob du das gesagt hast“, konterte Bryan. „Bis zur letzten Sommersprosse.“
„Er hat gar keine Sommersprossen.“
„So genau, wie du ihn dir offenbar angeschaut hast, muss das ja wohl stimmen. Du hast mir den Mund so wässrig gemacht, dass ich gehofft habe, er würde in meinem Team spielen.“
„Evie und Grady stammen vielleicht von ihm. Also mach dir keine falschen Hoffnungen“, flüsterte sie zurück.
„Andernfalls wärst du wahrscheinlich kaum so angetan von ihm“, neckte Bryan sie.
„Unsinn“, widersprach sie – ein wenig zu heftig, sodass er lachen musste. Dann musterte er sie kritisch. „Deine Haare sehen gut aus. Und statt der üblichen Yogaleggings oder abgewetzten Jeans hast du eine schicke Hose angezogen. Und dieser rosafarbene Pullover verrät mir, dass das keine Arbeitsklamotten sind“, stellte er fest. „Ist schon okay, wenn dir dieser Typ gefällt. Immerhin hast du ein paar harte Monate hinter dir und ein bisschen Spaß verdient.“
„Den werde ich mit ihm kaum haben“, erwiderte sie, obwohl sie zugeben musste, dass sie sich am Morgen tatsächlich Gedanken über ihr Outfit gemacht hatte – mehr als sonst. Doch das lag wohl daran, dass sie einiges vorhatte – und nicht an Liam Madison.
„Dann habe ich ja noch Hoffnung, dass er schwul ist“, sagte Bryan.
„Das werde ich Adam erzählen“, drohte Dani. Adam war Bryans langjähriger Freund.
Daraufhin mussten sie beide lachen. Solche Wortgefechte lieferten sie sich, seit sie Kinder waren.
Während Dani die von Bryan gebackene Quiche aufteilte, holte er die Dokumente aus seiner Aktentasche und schob sie ihr über die Arbeitsfläche zu. „Grammas Erbe.“ Er nannte sie beim selben Kosenamen wie Dani, obwohl er nicht mit ihr verwandt war. „Da es sonst niemanden mehr gibt, bist du die Alleinerbin. Damit ist dir alles überschrieben.“
Sie wurde ernst. „So schnell.“
„Es ist sechs Wochen her, dass sie gestorben ist. Und wir haben die Erbschaftsangelegenheit so einfach wie möglich gehandhabt – keine Gerichtsverhandlung, keine Gerichtskosten, fertig. Du bist jetzt die alleinige Besitzerin des Hauses und von Marconis italienischem Restaurant.“
Das hatte sie von Anfang an gewusst, aber die Endgültigkeit, mit der es nun Wirklichkeit geworden war, ließ ihr unvermittelt das Herz schwer werden. Der Verlust ihrer Großmutter hatte sie sehr getroffen.
In diesem Moment kam Evie in die Küche und bat sie, ihr Kleid zuzuknöpfen. Bryan übernahm für sie, damit Dani den Tisch zu Ende decken konnte.
Evie lief zurück in ihr Zimmer, nicht ohne Bryan darauf hinzuweisen, dass er ihre Schuhe lieben werde, und Dani holte tief Luft.
„Deine Cousine möchte das Haus kaufen“, sagte sie.
„Ich weiß, dass Shannon das Haus liebt, aber ich habe ihr gesagt, sie soll dich nicht bedrängen“, erklärte Bryan. „Es könnte auch ein schönes Heim für dich sein. Wenn erst mal ein wenig Zeit vergangen ist.“
„Oder ich könnte es verkaufen und das Geld für die Renovierung des Restaurants nehmen“, überlegte Dani. „Oder ich könnte beides verkaufen …“ Darüber hatten sie sich seit dem Tod ihrer achtzigjährigen Großmutter schon öfter unterhalten.
„Viele Entscheidungen stehen an. Lass dir genügend Zeit dafür.“
„Das werde ich. Aber über meine Zukunft entscheide ich erst, wenn ich weiß, was mit den Kindern geschieht.“
Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Genau deshalb liebe ich dich so sehr.“
Seine Worte ließen ihr die Tränen in die Augen treten. Sie blinzelte, um sie zurückzuhalten.
In diesem Moment stürmten die Zwillinge in die Küche. Grady hatte eine weiße Leggings mit roten Sternen und ein lachsfarbenes T-Shirt angezogen und stahlblaue Turnschuhe, die beim Auftreten blinkten, was er Bryan sofort vorführte. Evie hatte sich für ein marineblaues Kleid und grün gestreifte Leggings entschieden. Auch ihre pinkfarbenen Schuhe leuchteten auf, wenn sie sich bewegte.
„Wow. Ihr seht ja wirklich farbenprächtig aus“, lobte Bryan und tat schwer beeindruckt.
„Dani lässt uns unsere Sachen selber aussuchen, weil wir Ferien haben und tragen können, was wir wollen.“
„Und ihr habt echt toll gewählt“, lobte Bryan. „Jetzt probiert mal meine Quiche und sagt mir, wie lecker sie schmeckt“, fügte er hinzu.
Eifrig kletterten die Zwillinge auf ihre Hocker, nahmen einen Bissen und lobten ihn in höchsten Tönen.
Dani wünschte, Liam wäre dabei, um sich von Bryan einige Tipps abzuschauen, wie man mit den Zwillingen umging.
Überhaupt wünschte sie sich schon seit dem Aufstehen, dass Liam bei ihr wäre.
Das hatte allerdings nichts mit den Zwillingen zu tun.
„Man spricht es pit-zelle aus und nicht pissele“, korrigierte Grady. „Und die sind für uns. Die kaputten dürfen wir nehmen, sagt Dani.“
Missbilligend hatte Liam den Zwillingen dabei zugeschaut, wie sie hinter die Theke von Marconis Restaurant liefen und sich aus einer Schublade voller Waffeln bedienten.
„Das geht schon in Ordnung“, beruhigte Dani ihn. An die Zwillinge gewandt mahnte sie: „Aber esst nicht zu viele pizzelle. Zwei Stück für jeden. Den Rest packt ihr in eine Tüte und nehmt ihn mit nach Hause. Hier, probieren Sie mal.“ Sie reichte Liam eine Waffel. „Das ist ein traditionelles italienisches Gebäck. Ein Rezept meiner Großmutter – mit Anisöl und Anissamen. Es schmeckt ein bisschen nach Lakritze, und die Waffel zergeht auf der Zunge. Haben Sie so etwas schon mal gegessen?“
„Ich mag Lakritze“, sagte er und nahm das Gebäck entgegen. Er biss hinein und legte den Kopf schräg. „Lecker.“
„Sehr lecker“, echote Evie. „Du kannst welche von unseren abhaben.“
Das war doch ein gutes Zeichen!
Es war ein ziemlich geschäftiger Tag gewesen.
Liam war nach Hause gekommen, als Dani den Zwillingen nach dem Mittagessen verkündete, sie müssten einen Mittagsschlaf halten, auch wenn sie nicht müde seien. Anschließend waren sie zum Supermarkt gefahren, und Liam hatte verwundert zugesehen, wie die Kinder alles haben wollten, was ihre Neugier erregte, und Dani jedes Mal „Heute nicht“ antwortete. „Kriegen wir es denn zum Geburtstag?“, lautete die nächste Frage, die Dani jedes Mal bejaht hatte.
Und jedes Mal hatte Liam verständnislos den Kopf geschüttelt.
„Sie sind vier“, hatte Dani ihn mit sanftem Tadel in der Stimme erinnert.
Anschließend waren sie in den Park gegangen, und Liam hatte seine Zurückhaltung tatsächlich aufgegeben und sich angeboten, die Kinder auf den Schaukeln anzuschieben.
Leider war sein Angebot so steif und förmlich ausgefallen, dass die Zwillinge es vorzogen, von Dani angeschubst zu werden.
Eine Sache brachte Dani kräftemäßig jedoch nicht zustande, und deshalb bat sie Liam, es für sie zu tun: nämlich die Kinder zu einer Reckstange hochzuheben, an der sie frei schwingen konnten. Das ließen die beiden mit sich machen, ohne zu maulen.
Zwar war anschließend das Eis zwischen ihnen immer noch nicht gebrochen, aber Dani hatte den Eindruck, dass es wenigstens zu schmelzen begann.
Dienstag war traditionsgemäß Fast-Food-Tag, wie Dani ihrem neuen Mitbewohner erklärt hatte. Was die Kinder sehr wörtlich nahmen, denn sie verschlangen ihr Essen, um so schnell wie möglich auf den Spielplatz zu kommen. Auf dem Heimweg fuhren sie an Marconis Restaurant vorbei, um das sie sich nun ebenfalls kümmern musste.
Sie hatten das Restaurant durch den Hintereingang betreten, wo sie vom Küchenpersonal begrüßt wurden. Die Kinder hatten sofort die Theke angesteuert, um sich mit den Waffeln zu versorgen.
„Sie fühlen sich hier ja richtig zu Hause“, meinte Liam, während er den Rest seiner Waffel verspeiste. Grady und Evie hatten eine Papiertüte, die in einem Fach unter der Kasse lag, hervorgeholt und füllten sie vorsichtig mit Bruchstücken der pizzelle.
„Sie sind schon oft hier gewesen“, erklärte Dani. „Vor allem in letzter Zeit.“
Griff, der Restaurantmanager, kam auf sie zu, und Dani machte ihn mit Liam bekannt. Danach besprach sie noch einige geschäftliche Dinge mit ihm. Unter anderem berieten sie, ob und wann sie das Restaurant würden schließen müssen.
Auf der Rückfahrt schwieg Liam die meiste Zeit. Nur einmal meinte er: „Sie können ganz schön laut sein, nicht wahr?“, als die Kinder begannen, auf der Rückbank lauthals Lieder zu singen, die sie in der Vorschule gelernt hatten.
„Das stimmt“, pflichtete sie ihm bei. „Aber es ist doch ein fröhlicher Lärm.“ Einen Moment lang befürchtete sie, dass er sie auffordern würde, den Mund zu halten.
Aber er zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Da haben Sie recht.“
Dani atmete erleichtert auf.