Bis wieder bessere Zeiten kommen - Haen Son - E-Book

Bis wieder bessere Zeiten kommen E-Book

Haen Son

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Beschreibung

Hartwig, ein Trauerredner und Einbrecher hilft der jungen Ukrainerin Valentyna, die vom russischen Geheimdienst gejagt wird, beim Überleben. Er wird dabei ein Held wider Willen. Dann wird er unheilbar krank, doch das Leben und der Krieg in der Ukraine geht weiter.

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Seitenzahl: 203

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Zur Person: Hans Will war bis 2007 selbstständiger Bäckermeister und Konditor. Durch eine schwere Krankheit musste er den Beruf wechseln und wurde innerhalb kurzer Zeit ein erfolgreicher Fotograf mit etlichen Auszeichnungen und gelungenen Ausstellungen.

Vom Autor erschienen oder in Planung:

Späte Zeit des Glücks – Kitzingen-Krimi 1

Ein Leben lang – Roman

Saisonarbeit – Kitzingen-Krimi 2

Totholz – Kitzingen-Krimi 3

Deadly Running – Kitzingen-Krimi 4

Im Wendekreis des Virus – Kitzingen-Krimi 5

Das Virus schlägt zurück – Kitzingen-Krimi 6

Cranach Komplott – Kitzingen-Krimi 7

Bis wieder bessere Zeiten kommen – Kitzingen Krimi 8

Never give up – Ratgeber gesundes Leben (Restexemplare noch erhältlich)

Never give up Teil 2 – JoJo Effekt vermeiden (In Arbeit)

Back- und Lachgeschichten - Humor (Vergriffen)

Ende der Weinlese – Fantasy

Die Personen und die Handlung des Buchs sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Der Überfall auf die Ukraine ist allerdings real.

Cover-Foto: Hans Will

Beim Auslaufen über den Hudson in New York, rechts die Skyline, links die Freiheitsstatue, in der Hand einen Drink und aus dem Lautsprecher Frank Sinatra New York, New York aus seinen Augen fließen ein paar Tränchen des Glücks. Besser geht’s nicht. Es klopft an der Eingangstür, Hartwig wacht langsam auf. Was war das denn, er hatte geträumt.

Sein Freund Frido bringt ihm einen Kasten Alkohlfreies. Es ist noch früh am Tag „Danke dir! Wieso bist du schon unterwegs?“ „Keine Ursache, ich muss weiter! Du weisst doch doch der frühe Vogel fängt den Wurm. Bei mir heisst der Wurm Annemarie!“ „Okay. Warte trotzdem einen Augenblick. Was bekommst du!“ „Keine Zeit, geb mers nächste Woche. Tschau!“ Weg war er.

Den restlichen Tag verbringt Hartwig im Garten. Kopfschmerzen plagen ihn. Er setzt sich an den PC und bestellt bei einer niederländischen Versandapotheke drei Packungen Ibuprofen. Von seiner Freundin Leonie hat er am Vormittag ein paar Tabletten gegen Schmerzen erhalten, sie helfen gut. Er muss nach Würzburg fahren. Als Trauerredner kann man sich die Arbeitszeit nicht aussuchen.

Für seinen nächsten Bruch, in eine Villa, an der Mainstockheimer Straße, hat er alles vorbereitet. Es soll sein letzter oder vorletzter Einbruch werden. Es ist der Kitzel des Verbotenen der einen natürlichen Reiz auf Hartwig ausübt, weil es ihm erlaubt, etwas hautnah zu erleben, etwas, das er nicht haben soll. Er klaut nur bei Leuten die, nach seiner Meinung, einfach zu viel Geld haben. In kleinen Einfamilienhäuschen ist er noch nie eingestiegen. Tipps bekommt er in der Regel von Leonie die bei den Superreichen putzt oder von Frido der als Zeitungszusteller auch immer weiß, wenn jemand im Urlaub ist. Die Leute bei denen er als nächstes sein Glück versuchen wird sind dann wahrscheinlich in ihrer Finva auf Mallorca.

Er will gerade wieder zur Haustüre rein. Als er lautes Hallo hört. Es ist seine moldawische Bekannte Elizaveta, mit der er unzählige Brückenrunden* gelaufen ist. „Wir wollen uns verabschieden. Du weißt Alexandru mag das deutsche Fleisch nicht und ihm fehlt sein Land und seine Freiheit und die frische Luft. Weißt du Alexandru sagt hier in Deutschland bist du nur die grüne Spalte in einer Excel Tabelle. Er hat hier kein Fleisch gegessen. Wenn wir Arbeit finden bleiben wir unten, wenn nicht kommen wir wieder zurück, kann ja auch sein das die Russen einmarschieren dann fahren wir wieder nach Deutschland. Mach gut mein Freund war immer lustig mit dir zu laufen!“

„Schade, wenn du wieder kommst dann bring mir bitte was von dem guten Sonnenblumenöl mit von dem du mir erzählt hast. Bon Voyage!“

Leonie Matschke, ausgerüstet mit Staubsauger, Mikrofasertücher und Kraftreiniger kommt in ein Großraumbüro. Es ist ihre einzige gewerbliche Putzstelle. Ihre restliche Zeit verbringt sie in Privatwohnungen. Sie liebt ihren Job. Vor allem liebt sie es sauber zu machen. Es ist ihr Fitnessprogramm. Der Tracker des Schrittzählers ist immer eingeschaltet. Kopfhörer rein und Musik an. Aber heute sitzt da noch jemand an einem Rechner. Leonie etwas verwirrt fragt den jungen Mann: „Na noch fleißig?“ „Bin gleich fertig!“ „Ist schon gut!“ Irgendwie denkt sie das der Mann Familienplanung macht. Jedenfalls hat sie so eine Überschrift am Schirm aus dem Augenwinkel herausgelesen als sie den Papierkorb ausleert. Verhütung für den Mann. „Na, Männer wünschen sich doch meistens eine Tochter!“ Der junge Mann schaut sie entgeistert an und sagt dann, fast schon ein wenig erbost, „Ich doch nicht da hätte ich viel zu tun!“ Leonie denkt dann nur das wieder ein Stück Rente in einem Taschentuch verschwindet. Manche nehmen ja auch Socken. Aber was solls. Schon komisch das viele junge Leute keine Kinder mehr wollen. Party, Reisen und Selbstdarstellung bis zum Schluss. Sie schaltet ihre Spotify Playlist an Remedy von ihrer Namenskollegin nur mit Y.

Zur gleichen Zeit in einem Ferienflieger von Frankfurt nach Split: „Ich habe Angst!“, schreit die Dame von Reihe 27 „ich will neben meinem Mann sitzen!“. Der sitzt in Reihe 31 am Fenster. Die Flugbegleiterinnen fragen aufgeregt einige Personen zwecks Sitzplatzwechsel. Der Flugkapitän mahnt durch den Bordlautsprecher zur Eile. „Wir haben jetzt schon 20 Minuten Verspätung!“ Er kling aufgeregt.

Ein bulliger Mann, im karierten Hemd, steht auf, geht zu dem Ehemann der noch immer schreienden Frau aus Reihe 27 und sagt zu ihm: „Steh auf und geh zu deiner Alten das sie endlich aufhört herumzuschreien. Überlegt es euch doch vorher ob sie in der Lage ist zu Fliegen! Die Dummheit hat anscheinend aufgehört sich zu schämen. Ist doch unglaublich! Wegen euch warten jetzt alle nochmal eine halbe Stunde!“

Der Kapitän informiert in einer weiteren Durchsage das die südöstliche Route wegen sehr schlechten Wetters vorläufig gesperrt sei.

„Das kann alles bedeuten Wartezeit zwischen einer Minute und zwei Stunden!“

Ein Raunen geht durch das vollbesetzte Flugzeug. Eine Frau im orangenen Pullover räumt ebenfalls ihren Platz. Irgendwie entsteht ein großes Durcheinander. Nach gut zehn Minuten sitzt dann die Frau die so grässlich, ängstlich geschrien hatte neben ihren Mann in der letzten Reihe, genau neben Hauptkommissar Arne Hatterer aus Kaltensondheim der mit seiner Familie am Meer bei Makarska seinen Sommerurlaub verbringen möchte. Der 57-jährige Kriminalbeamte reist mit seiner knapp 20 Jahre jüngeren Frau Hildie, wie er seine Hildegard liebevoll nennt, seinen 5-jährigen Sohn Delcy aus erster Ehe und der erst 2-jährigen Marina.

Der Flugkapitän macht erneut eine Durchsage, dass die Route neu berechnet wird und der Flug dann über dem Schweizer Luftraum geht. Die Flugbegleiterinnen verteilen kleine Schokoladenriegel um die Wartezeit ein wenig zu versüßen.

Schon die Reise zum Flughafen Frankfurt war für die Familie alles andere als reibungslos verlaufen. Wegen des 9 € Tickets bekamen sie in der Mainfrankenbahn, die zwischen Nürnberg und Würzburg pendelt, von Kitzingen bis zum Würzburger Bahnhof keinen Sitzplatz. Die kleine Marina quengelte. Hatterer nahm sie in die Arme und versuchte sie irgendwie bei Laune zu halten. Die Reise hat erst begonnen. Der ICE in Würzburg hat dann 20 Minuten Verspätung. Kurz vor dem Frankfurter Hauptbahnhof dann die Durchsage das es einen Oberleitungsschaden auf der Strecke zum Flughafen gibt. Die Reisenden sollen zum Bahnhof Frankfurt Süd ausweichen. Von dort werden sie weitergeleitet.

Ein Regio Express steht auf Gleis sieben bereit. Als die geplante Abfahrtszeit um 20 Minuten überschritten ist steigen viele Passagiere wieder aus um mit dem Bus zum Flughafen zu fahren. Hatterer und seine Familie schließen sich an. Im Bus wieder nur Stehplätze.

Dann im Flieger das Theater mit der Frau die anscheinend unter starker Flugangst leidet. Der Flugkapitän meldet sich erneut. „Wir können jetzt starten im unteren Luftraum über der Schweiz liegt jetzt unsere Route.“ Die Verspätung war jetzt auf über eine Stunde angewachsen, die Flugbegleiterinnen hatten noch kleine Wasserflaschen verteilt. Marina war eingeschlafen und Delcy schaute interessiert aus dem Bordfenster. Die Frau mit der Flugangst bibberte neben Hatterer in der letzten Reihe. Dann hebt der Flieger endlich ab.

In Split angekommen muss die Familie abermals eine Stunde warten ehe der Transfer ins Hotel nach Makarska abfährt. Die Reiseleiterin belehrt Hatterer vorwurfsvoll, nachdem dieser zur Abfahrt drängt das sie eine dreiviertel Stunde warten müsse. „Das ist Vorschrift. Es fehlen noch zwei Passagiere!“, die aber auch nach der vorgegebenen Frist nicht am Transferterminal erscheinen. Nach einer Stunde Fahrt gibt es nur noch Käsebrot, Tomaten und kalten Tee im Hotel.

Das Appartement das Hatterer in dem Reisebüro in einem Kitzinger Supermarkt gebucht hat, entsprach genau den Abbildungen im Prospekt. Die beiden Schlafzimmer waren geräumig, Bad und Dusche großzügig und vom Balkon dem eine weiterer Raum angegliedert ist konnte die Familie das Meer sehen, hören und riechen. „Herrlich mein Schnucki das hast du toll ausgesucht!“ Hatterer und Hildie sind beide begeistert. „Komm lasst uns noch einen Abendspaziergang machen“. Der malerische Ferienort Tucepi liegt am längsten Strand der Makarska Rivera. An der 6 km langen Strandpromenade lässt es sich herrlich entlangspazieren. Viele kleine Shops, Bars und Restaurants säumen den Weg. Dazu der Strand unter Pinien. „Kinder wollt ihr ein Eis?“ Natürlich wollen sie ein Eis was für eine Frage. Salz-Karamell und Pistazie für Hildie, Dark Schoko für Delcy, Banane für die kleine Marina, Hatterer lässt sich Lakritz-Sauerkirsch und Orangeneis mit Kurkuma & Chili in die Tüte drücken. Mit großer Geste reicht der Eisverkäufer die Tüten über die Glastheke. Sie gehen eine kleine Treppe hinunter zum Strand und schauen den letzten Strahlen des Sonnenuntergangs nach. „Das Eis ist lecker! Morgen gehen wir aber im Meer baden!“ „Natürlich mein Großer!“ Arne Hatterer streichelte dabei Delcy über den Kopf. „Darf ich einmal dein Eis probieren?“ Hildie schleckt an Hatterers Eistüte. „Meins wäre es nicht!“ Mittlerweile ist es 22 Uhr und das Nachtleben in dem kleinen kroatischen Städtchen nimmt Fahrt auf. Der Korso beginnt. Die kleine Familie schlendert zurück ins Hotel. Früher hätte Hatterer die Zimmer mit Sagrotan desinfiziert, die Bakterienphobie hat er, seit er mit Hildie zusammen ist, abgelegt.

Müde von den Strapazen des Tages geht er auf den Balkon und schaut auf das weite Meer. Die salzige Luft tut gut. Er denkt an das Kitzinger Freibad. Da sagt er zu Hildie, die sich zu ihm gesellt hat, nachdem die Kinder in den Betten waren. „Nächstes Jahr fahren wir im Sommer nicht mehr in den Urlaub. In Kitzingen ist es im Sommer auch wunderschön. Freibad, Stadtbalkon und Mountainbiken im Wald. Da haben wir den ganzen Anreisestress nicht!“

„Aber wir sehen doch jetzt auch was anderes!“ „Ja okay das ist aber auch alles!“ Er gibt Hildie einen Kuss und verzieht sich in sein Bett. Decke über den Kopf. Er will nichts mehr hören.

Jetzt schaut Hildie sehnsüchtig auf das wellenschlagende Meer. Dann schaut sie noch die Nachrichten im Fernsehen an. Bei einer Parade mit Kriegsschiffen in St. Petersburg stuckt Russlands Präsident Wladimir Putin große Töne. Naja wenn weiter nix ist. Denkt sich Hildegard. Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat ein Schiff mit Getreide den Hafen von Odessa verlassen. Das mit Mais beladene Frachtschiff "Razoni" ist in Richtung Libanon aufgebrochen. Die deutschen Fußballerinnen haben ihren neunten Triumph bei einer Europameisterschaft verpasst. Das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg verliert das Endspiel gegen England im Londoner Wembley-Stadion ohne die verletzt fehlende Kapitänin Alexandra Popp mit 1:2 (1:1, 0:0) nach Verlängerung. Nun geht auch Hildie ins Bett. Beim Zähneputzen hört sie Hatterer wie er schnarcht.

Zur gleichen Zeit beginnt in Würzburg die traditionelle Gothic Party „Creatures oft the Night“ in einem Club etwas außerhalb in der Peripherie im Osten der Stadt. Gothic steht für Tiefgründigkeit, Freiheit und Individualität. So wie das dunkle Lebensgefühl ist auch die Musik der Menschen der schwarzen Szene.

Heute auch mit dabei Valentyna. Sie war schon in der Ukraine ein Fan alles Neuen. Eigentlich hat sie sich noch nicht festgelegt. Sie liebt auch die Technomusik. Es muss hip sein, neu, kreativ und wild. Mit dem neun Euro Ticket ist sie von Kitzingen nach Würzburg gefahren. Mit einer Navi App hat sie dann den Club gefunden. Sie ist erst sechszehn Jahre alt und Mariupol war, vor dem Einmarsch der Russen in die Ukraine, ihre Heimatstadt. Sie kam als Vollwaise Mitte März nach Deutschland.

Sechs Millionen, meist Frauen und Kinder sind aus ihren Heimatland Ukraine vor den Kriegswirren geflohen. Ungefähr 650 000 davon hat es nach Deutschland verschlagen. Ihr Vater kam in der Nähe Asow Stahlwerk ums Leben und ihre Mutter verlor Anfang März bei einem Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk ihr Leben. Sie wollte zu ihrer Tochter nach Kiew reisen um mit ihr nach Deutschland zu flüchten. Sterbliche Überreste gab es keine mehr. Valentyna wartete vergeblich. Als sie die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhielt geriet sie in einen Ausnahmezustand, den man schlecht beschreiben kann. Angst und Hass vermischten sich in ihrem Inneren. Sie bekam Herzrasen, Kurzatmigkeit, Muskelschwäche sowie ein Leeregefühl im Magen. Es dauerte ein paar Tage dann kam ihre Energie zurück. Sie fing wieder an zu posten. Jetzt mit noch größerer Wucht. Den Hass auf die Russen ließ sie jetzt freien Lauf. Sie flüchtete dann doch über Polen nach Deutschland.

Sie wohnt jetzt in einer Einrichtung der Waisen & Jugendhilfe Ukraine ev. in einer Art Wohngemeinschaft im Kitzinger Innopark.

Für heute Nacht hat sie sich chic gemacht. Das Leben geht trotz allem irgendwie weiter. Natürlich hat sie das alles schwer getroffen, aber traumatisiert ist sie nicht mehr.

Ihre langen Haare die sie als Bob trägt hat sie Pink und blau gefärbt um den Hals hängt ein Choker und eine Kette mit einem Pentagramm Anhänger. Verschiedene Metall Bands hatten schon in den achtziger Jahren dieses Zeichen in die dunkle Musik Szene eingebracht. Unter dem engen schwarzen Ledershorts bedecken eingerissene Fishnets ihre hübschen langen Beine. Besonders stolz ist sie auf ihr edles Korsett in Bordeaux das ihren Busen gut zur Geltung bringt. Über Instagramm hatte sie sich mit Ulyana verabredet. Auch Ukrainerin. Sie ist aus Cherson einer Stadt am Schwarzen Meer rechtzeitig geflohen. Ulyana Boyko ist vier Jahre älter als Valentyna und hat einen Job als Model in einer Agentur gefunden. Sie trägt an diesen Abend schwarze Rippedtights, auch ein tolles schwarzes Leder Korsett. Wegen ihres Jobs hatte sie die Haare nicht gefärbt. Beide trugen Boots aus veganem Leder mit Plateausohle und vielen Details wie Metall Kappe, Metall Platten, 4 Schnallen und verschiedene Nieten. Durch das Hashtag des Stiefellabels lernten sich die beiden in Insta kennen. Valentyna ist keine ausgesprochene Gothic Apologetin, sie liebt auch Rave, Elektro und Metall, darum war sie etwas unsicher was ihr Outfit angeht.

Als sie die Katakomben des Clubs betreten lassen sie sich nicht lange bitten. Die Stroboskop Lichter tanzen im wilden Takt von Temple of Love der Band Sister of mercy und die beiden jungen Frauen vergessen die Wirren des Krieges dem sie entkommen waren. Dabei merken sie nicht wie sie beobachtet werden. Nach no more vom suicide commando kam she´s lost control von joy division alles Klassiker der Gothszene.

„Zigarettenpause draußen?“ „Eigentlich rauche ich nicht. Aber heute smoke ich mal eine mit dir!“

Sie zwängen sich an den vielen Menschen in schwarzen Outfits, die auf der Treppe stehen, vorbei.

„Wie bist du eigentlich nach Deutschland gekommen und wie lange bist du schon hier?“ Fragte Ulvana.

„Lange Geschichte. Als Vollwaise. Konnte ich problemlos nach Polen fahren und von dort nach Deutschland. Irgendwie bin ich dann nach Kitzingen gekommen!“

„Willst du bei mir im Hotel schlafen? Ich fahre morgen früh erst wieder nach München zurück!“

„Wie war es bei dir?“

„Wie soll ich dir das erklären. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt als Model. Wenn du es genau wissen willst als Aktmodel. So ein alter Sack hat mich bei sich aufgenommen. Ich mache bei ihm im Studio so Modelsharings!“

„Was ist Modelsharing und du ziehst dich dort aus!“

„Also Modelsharing geht so. Ich bin das Model und vier bis fünf Fotografen kommen dann zu Ludwig ins Studio und fotografieren mich. Das geht so fünf Stunden und ich darf das ganze Geld behalten. Ludwig will nichts davon haben. Dafür muss ich ab und zu für ihn posieren, wenn er eine neue Idee hat. Ich verdiene an so einem Tag so um die 500.- Euro und es sind keine versauten Bilder. Klassischer Akt. Keine Pinkshots und so Zeug!“

„Was ist Pinkshot!“

„Wie soll ich dir das erklären? Keine auseinandergestreckten Beine. Verstehst du! “Ja bin ja nicht blöd!“

Beide beginnen zu kichern. Valentyna muss husten, sie schmeißt die angerauchte Kippe über den Asphalt.

„Weißt du er ist Rentner. Er war Beamter und hat gute Pension. Fotografieren ist seine große Leidenschaft! Er vermittelt mich auch an andere Studios und Fotografen. Eigentlich habe ich immer zu tun. Wenn du mal Geld brauchst ich kann dir immer was leihen!“

„Du hast es gut, für mich ist das aber nichts. Jedenfalls jetzt noch nicht. Ich muss zurück zur Jugendhilfe. Ich weiß nur noch nicht wie ich zurück nach Kitzingen komme. Die letzte Bahn ist ja schon abgefahren!“

Ein Mann trat aus dem Schatten des Eingangs. „Dóbryj dén. Entschuldigt, wenn ich mich einmische, ich fahre ungefähr in einer Stunde zurück nach Kitzingen, wenn du willst kannst du mitfahren“.

Der Mann spricht ukrainisch wie die beiden jungen Frauen. Er ist über 1,80m groß, hat sehr kurze Haare und seine Bekleidung ist vollkommen schwarz.

Valentyna sagt zu ihm, „super in einer Stunde dann hier vor dem Eingang. Das passt“.

„Mein Name ist Maxim Skabeeva, freue mich ihre Bekanntschaft zu machen!“

Beim Hineingehen sagte Ulyana Boyko zu Valentyna ob sie wirklich mit dem Schmierlappen mitfahren will. „Ist doch nur bis Kitzingen, der kann mich dann gleich zur Wohngemeinschaft den Berg hinauffahren!“

Um halb fünf drückte sich Maxim Skabeeva auf die Tanzfläche und packte Valentyna am Arm und sagte zu ihr das er jetzt fahren wird.

Valentyna verabschiedet sich abrupt von ihrer neuen Freundin und ging mit dem fremden Mann hinaus auf die Straße.

Er fuhr einen, bei Russen, sehr beliebten Mercedes-AMG G 63.

„Schicke Karre!“, sagte Valentyna beim Einsteigen. Ulyana winkt beim Abfahren, Valentyna winkt zurück.

Sie konnte nicht wissen das Maxim Skabeeva vom russischen Geheimdienst auf sie angesetzt war.

Der FSB* ist auf Valentyna durch ihre kritischen Instagram Posts gekommen. Sie hat mittlerweile über 170T. Follower und sie postet sehr kämpferisch und ruft immer wieder zum Widerstand gegen die russischen Besatzer auf. Maxim Skabeeva hatte den Auftrag sie zu eliminieren. Er hat sich dazu eine ganz perfide Methode ausgedacht. Auf das Äußerste Ende des Präsers hat er eine mit Nowitschok versetzte Salbe geschmiert.

Beim Fahren durch die laue Nacht hält er sich strikt an die Vorschriften. Er spricht kein Wort. Valentyna ist das recht sie ist müde. Skabeeva fährt nicht schneller wie achtzig und hält an roten Ampeln an. Valentyna döst ein, sie schöpft keinen Verdacht, wie auch.

In Kitzingen angekommen, fährt Maxim Skabeeva den G 63 auf einen Parkplatz am Mainkai und wird plötzlich anzüglich. Er ist scharf auf Valentyna und ist zu ihr auf den Beifahrersitz geklettert. Bei Valentyna erstickt Panik jede Frage und Gegenwehr. Sie vergräbt ihre Schreie tief in ihrem Inneren. Dort, wo seit ihren Erfahrungen in ihrer Heimatstadt sie ihre Worte und Gefühle vergraben hatte. Nach einem kurzen Moment wacht sie auf aus ihren Träumen und schreit, hämmert mit ihren Fäusten auf den Mann ein. Sie versucht die Türe zu öffnen, was ihr auch gelingt. Skabeeva hat aber viel mehr Kraft als sie und hat ihre beiden Arme zusammengedrückt um sie mit einen Kabelbinder festzuzurren. Valentyna schreit immer lauter. „Sei ruhig, es ist sowieso gleich vorbei!“

Die Lust auf Sex mit der Kleinen ist ihm vergangen. Er hat ihr einen Knebel verpasst und nahm aus dem Handschuhfach eine Spritze heraus. Valentyna gerät jetzt vollkommen in Panik.

Plötzlich, Skabeeva setzt gerade die Spritze an, wird die Beifahrertür ganz aufgerissen. Eine starke Hand langt an den Kragen des Peinigers von Valentyna und zieht diesen mit einem kräftigen Schwung aus dem Mercedes. Der Russe ist völlig konstatiert. Der Schwung war wohl zu groß. Skabeeva fliegt aus dem Auto und knallt mit dem Kopf in einen Stabel mit Baustahl und bricht sich dabei das Genick.

Der Mann schaut die zitternde Valentyna mit großen Augen wortlos an.

„Was jetzt?“, kommt über seine Lippen.

Beide schauen sich entgeistert an. „Ist er tot!“ „Mausetot!“

Beim Gerangel mit Valentyna ist die Brieftasche des Mannes aus seiner Jackentasche gefallen.

Valentyna beruhigte sich nur sehr langsam wieder. Der Mann schaut die immer noch zitternde junge Frau genauer an. Ihm fällt sofort das Muttermal zwischen rechter Oberlippe und Nase auf und auch die bunten Haare. Dann sagt er zu ihr.

„Wir müssen hier weg!“ Er schaut sich dabei aufgeregt um.

„Wir!“

Die Angst frisst sich wie eine Bohrmaschine in seine Magengrube.

„Natürlich wir. Oder willst du Totenwache schieben. Er ist tot, ich wollte das nicht! Ich habe deine panischen Schreie gehört und wollte dir nur helfen!“

Valentyna nahm wie in Trance versetzt die Brieftasche des Toten zu sich.

„Maxim Skabeeva, heißt der Typ!“, sie zeigte ihren Retter eine Plastikkarte mit kyrillischer Aufschrift.

„Ich kann kein Russisch, was steht da drauf?“

„Der Typ war beim FSB, wahrscheinlich sollte er mich eliminieren!“

„Wieso sollte er dich eliminieren, Erklärs mir beim Fahren! Ich weiß jetzt was wir machen! Mein Name ist Hartwig Kogen, wie heißt du!“

„Valentyna. Valentyna Melnik. Ich bin Ukrainerin...!“

Während der Fahrt, die aus Kitzingen hinausführt erzählt Valentyna, ihre Geschichte. Ihre Müdigkeit war verflogen. Sie war plötzlich hellwach.

Kogen erklärte ihr das er jetzt erst einmal zu sich nach Hause fährt um etwas sehr Wichtiges zu holen. Ruhig sagt er zu der zitternden Teenagerin „Du brauchst keine Angst haben ich tu dir nichts! Okay! Behalte die Nerven und sei vor allem ruhig!“

Es ist das von einem US-amerikanischen Start-up entwickelte Produkt namens Invisible das Hartwig holt. Bei der Anwendung ist eine Auswertung menschlicher DNA praktisch unmöglich. Zwei Chemikalien, ein Kontaminationsmittel und ein Lösungsmittel, die wie ein Parfüm in Flacons aus Plastik abgefüllt sind, vernichten jegliche DNA-Spuren, die der Mensch hinterlässt.

Das Hartwig Kogen diese Mischung zu Hause hat ist dem Umstand zu verdanken, dass er eine Karriere als Einbrecher hinter sich hat und eigentlich gelegentlich immer noch verschiedene Einbrüche begeht. In dieser Nacht hatte er sich in einer Villa am Main umgeschaut. Bisschen Geld und ein paar Goldmünzen hat er mitgenommen. Anderen Krempel nimmt er nicht mit. Aus Prinzip. Geld und Gold kann man nicht so leicht nachweisen. Er ist wählerisch bei seinen Einbrüchen geworden. Nicht umsonst ist er auch nach dreizehn Einbrüchen noch nicht gefasst worden. Bald ist Schluss, dass hat er sich vorgenommen. Vielleicht noch einen aber dann reicht es auch.

Am neuen Friedhof biegt er ab. Sein kleines unscheinbares, von hohen Hainbuchenhecken auf der einen Seite und Thujahecken auf der anderen Seite umgebenes Haus steht verlassen am Ende der engen Straße. Er ist von Beruf Trauerredner und hat bei einem Dettelbacher Bestattungsunternehmen einen festen Job und ist mittlerweile 54 Jahre alt.

„Ich komme gleich wieder, soll ich dir was zu trinken mitbringen, Wasser oder einen Schnaps?“

„Hast du Wooodka!“ Sie zog das O wie alle Osteuropäer lange hinaus.

Kogen musste trotz der misslichen Situation in der er geraten war lachen.

„Hab ich. Er wird dich beruhigen!“

„Ich bin ruhig. Der Typ hat es nicht anders verdient! Scheißrussen!“

Nach wenigen Minuten taucht er wieder aus der Dunkelheit auf. Er gibt Valentyna ein schwarzes Basecap mit einem großen weißen Smilie drauf. „Setz die auf und steck deine Haare hoch! Wir müssen uns beeilen in einer halben Stunde wird es hell.“ Den Benzinkanister schmeißt er auf den Rücksitz und die Wodkaflasche zu der Kleinen.

„Was hast du vor Koogen!“ Fragt Valentyna, mit langgezogenen O sie hat jetzt doch ein bisschen Angst.

„Trink einen Schluck. Warts ab. Es wird alles gut werden.“ Nach einem langen Zug aus der Flasche sagt Valentyna erbost zu Hartwig. „Er wollte mich vergewaltigen und umbringen das Schwein!“

„Ach was!“

Er fährt Richtung Kaltensondheim. An einem Waldstück biegt er links auf einen Betonweg ein der zu zwei Mühlen führt. An der hinteren Mühle auf einer gemähten Wiese stehen unheimlich viele Fahrzeuge. Beim näheren Hinsehen kann Valentyna erkennen das das alles ältere Autos waren.

Angekündigt war die Veranstaltung in der Zeitung, in Facebook und in Instagram mit folgenden Sätzen: „Die Oldie-Freunde im Auto-Club Kitzingen und die Mitglieder des ADAC Kitzingen zeigen Oldtimer-Schätze auf der Wiese bei den Mühlen!“

Jetzt kann auch Valentyna das Schild lesen. „Oldtimer-Ausstellung!“

Ganz hinten am unteren Ende der Fahrzeugreihen steht ein alter schwarzer Mercedes Bestatter. Hartwig weiß das, weil er tags zuvor am Morgen noch vorbei gejoggt ist und sich die Fahrzeuge flüchtig angeschaut hatte. Die hintere Tür des schwarzen Kombis mit den Milchglasscheiben und dem darauf gedruckten Kreuz mit Palmwedel an der Seite war schnell geöffnet. Für Hartwig kein Problem.

„Jetzt musst du mit anfassen!“