Saisonarbeit - Haen Son - E-Book

Saisonarbeit E-Book

Haen Son

5,0

Beschreibung

Als Saisonarbeit bezeichnet man Arbeit zu einer bestimmten Zeit des Jahres. Wie zum Beispiel in der Landwirtschaft, zur Spargelzeit und zur Weinlese, wo in befristeten Zeiträumen Erntehelfer gesucht werden. Die stammen meist aus Osteuropa wie Polen, Rumänien oder Bulgarien. Für Manfred Stöhr bedeutete Saisonarbeit sieben Monate Brötchenverkauf auf einem Wohnmobilstellplatz in Main-franken.

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Seitenzahl: 271

Veröffentlichungsjahr: 2022

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1.Auflage 2017

2.Auflage 2018

3.Auflage 2022

Die Personen und die Handlung des Buchs sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Cover Photo: Hans Will

Vom Autor erschienen oder in Planung:

Never give up – Ratgeber gesundes Leben

Never give up Teil 2 - Ratgeber gesundes Leben (In Planung)

Im Wendekreis des Virus – Kitzingen-Krimi 6

Das Virus schlägt zurück – Kitzingen-Krimi 5

Cranach Komplott – Kitzingen-Krimi 7

Späte Zeit des Glücks – Kitzingen-Krimi 1

Ein Leben lang – Roman

Back- und Lachgeschichten - Humor (Vergriffen)

Saisonarbeit – Kitzingen-Krimi 2

Ende der Weinlese – Fantasy (wird neu aufgelegt)

Todholz – Kitzingen-Krimi 3 (wird neu aufgelegt)

Deadly Running – Kitzingen-Krimi 4 (wird neu aufgelegt)

Für alle Camper und diejenigen, die es noch werden wollen.

Das Buch wurde in einer Zeit geschrieben, als Benzin und Mieten noch bezahlbar waren, Corona nur als Biermarke bekannt war, Putin noch nicht größenwahnsinnig geworden war und die Menschen nicht wussten, wie gut es Ihnen eigentlich ging.

Als Saisonarbeit bezeichnet man Arbeit zu einer bestimmten Zeit des Jahres. Wie zum Beispiel in der Landwirtschaft, zur Spargelzeit und zur Weinlese, wo in befristeten Zeiträumen Erntehelfer gesucht werden. Die stammen meist aus Osteuropa wie Polen, Rumänien oder Bulgarien. Ausschreibungen auf einschlägigen Internetseiten sehen dann zum Beispiel so aus: „Wir suchen ganzjährig Saisonarbeitskräfte. Die Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 6 Stunden, wobei Mehrarbeit von bis zu 2 Stunden/Tag möglich ist. Nach Möglichkeit wird an 7 Tagen in der Woche gearbeitet. Die Bezahlung erfolgt in Euro. Der Stundenlohn Brutto beträgt 8,50 Euro. Die Unterkunft befindet sich in einer Wohnung bzw. einem Haus. Vorhanden sind Schlafraum, Aufenthaltsraum, Waschmöglichkeit und Kochmöglichkeit. Bettwäsche wird gestellt. Für die Unterkunft werden am Tag 5,80 € berechnet. Verpflegung wird nicht gestellt.“ Es gibt spezielle Internetseiten, die in Deutsch, Rumänisch, Polnisch und Bulgarisch darüber informieren, wo gerade in der Landwirtschaft Saisonkräfte gesucht werden. Saisonarbeit ist auch im Tourismus weit verbreitet. Köche und Servicekräfte sind im Winter in Österreich und der Schweiz sehr gesucht. Auch auf Kreuzfahrtschiffen sind Saisonarbeiter/innen gefragt.

Für Manfred Stöhr bedeutete Saisonarbeit sieben Monate Brötchenverkauf auf einem Wohnmobilstellplatz in Mainfranken.

Ein Buch über Camper und ihre kleinen Geschichten. Dazu zwei Mordfälle und Sexarbeiterinnen, die den Absprung schaffen.

Die Geschichte spielt vor den beispiellosen Jahren, die von der COVID-19-Pandemie und den Protesten für soziale Gerechtigkeit auf der ganzen Welt geprägt waren.

Prolog

Der Wind blies ihm über die Ohren und durch die Haare. Im Licht der Straßenleuchten wirbelte ein bisschen Schnee. Er spürte ihn mit geschlossenen Augenlidern. Die Blätter des letzten Herbstes tanzten auf dem verlassenen Radweg. Bald wird er hier wieder seine Brötchen verkaufen können. Am Main schaute er den Schiffen nach. Es war die Zeit, in der er sich mit langen Spaziergängen die Kondition für den Sommer holte. Mit dem Schiffsfernglas, das er von seinem Großvater geerbt hatte, suchte er nach den wenigen verbliebenen Vögeln. Ein paar Krähen und Elstern hatte er gesehen. Über die Brücke durch die Stadt ging er zum Alten Friedhof. Tannenreisig legte sich schützend auf das Grab, in dem seine Eltern liegen. Hier liegen sie alle: der Großvater, der Urgroßvater, der Ururgroßvater und auch ihre Gemahlinnen. Die drei Brüder vom Großvater, die im Ersten Weltkrieg ums Leben kamen, fanden ebenfalls in dem großen Familiengrab ihren Platz. Hinter ihren Todestagen war jeweils das Eiserne Kreuz in den Grabstein graviert. Sein alter MP3 Player spielte Suzanne von Leonard Cohen. Melancholie pur. Zu Hause kochte er sich dann einen grünen Tee, der ihn wieder etwas aufwärmte.

Saisonarbeit

Manfred, von seinen Freunden Manne genannt, bog über die hintere kleine Zufahrt auf den Wohnmobilstellplatz ein. Sie ist für Wohnmobile nicht geeignet, weil große Findlinge so hingelegt wurden, dass diese nicht vorbeifahren können. Von weitem sah er German, wie immer mit einem Paket Feuchttüchern bewaffnet, wie er über den noch schlafenden Platz zum Toilettencontainer hechelte.

Manne war dabei, den kleinen Laden im Info-Container in der Mitte des Kitzinger Wohnmobilstellplatzes unter der Nordbrücke liegend, einzuräumen – so wie er dann jeden Tag im Sommerhalbjahr aussehen muss. Im Digital Radio lief Grönemeyers Stück vom Himmel und der erste Kunde trat ein. Zwei Mohnsemmel und zwei Mehrkornbrötchen, bitteschön, danke. Sie kamen ins Gespräch, wegen eines Aufmachers auf dem Titel der Zeitung mit den vier Buchstaben. Es ging um Politiker, die sich nichts mehr zu sagen trauen; um Lobbyisten, die über alles bestimmen. Der Mann redete sich in Rage über Asylanten, unfähige Politiker und noch mehr und das alles um kurz nach sieben Uhr. Manne suchte seine Brille. Dann mussten Schröder und Fischer herhalten und das alles für die abschließende Erkenntnis, dass das Geld auf der Straße liege und wir, dabei meinte er wohl sich und Manne, wahrscheinlich zu blöd seien, es aufzuheben.

Der nächste Kunde, der einkaufte, kam aus Kleve vom Niederrhein, die abgewetzte beige Hose, die er trug, hatte ihm wohl früher einmal wesentlich besser gepasst, sie hing an ihm wie ein nasser Sack. Aus dem aufgeknöpften Karo-Hemd schaute ein Goldkettchen mit einem kleinen Kreuz hervor. Manne musste an die Kreuzverordnung der bayerischen Staatsregierung denken und fragte sich, ob er im Container auch ein Kreuz aufhängen sollte.

„Bitte von den Zahnrädern dort hinten zwei Stück und fünf Brötchen bitte separat gepackt.“ „Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben dürfte: das sind keine Zahnräder, das sind Eierringe, das Traditionsgebäck aus Kitzingen!“ „Aja, sehen aber trotzdem gut aus, bitte noch die Zeitung!“ Er nahm die mit den vier Buchstaben, mit der Mainpostille könne er hier nichts anfangen. „Steht aber mehr drin und hat auch einen fantastischen überregionalen Teil!“ „Kann sein, aber die Bilder sind schöner!“ Manfred war jetzt klar, was für Bilder er meinte.

Die Kaisersemmeln musste er noch in die Verkaufskörbe schlichten, ein paar Exemplare des Kitzingen-Krimis „Späte Zeit des Glücks“ auf die Theke drapieren, Ansichtskartenständer aus der Abstellkammer, Zahlteller hinrichten. Er hatte sich eine Checkliste erstellt und an vier von sieben Vorbereitungspunkten konnte er jetzt einen Haken machen. Dann kam auch schon der nächste Kunde. Eine Kölsche Frohnatur, das hörte Manne gleich. „Haben sie Röggelchen für einen halve Hahn?“ „Für was?“ „Halve Hahn, wissen sie nicht was das ist!?“ „Würde mal sagen: ein halbes Hähnchen, oder wie wir in Franken sagen: Göger mit Roggenbrötchen!“ „Ha, hat mit Hähnchen nichts zu tun, Röggelchen sind zwei aneinander gebackene Roggenbrötchen, die aussehen wie die Brüste einer Frau und die werden durchgeschnitten und dann kommt ein mittelalter Gouda drauf, der gerne etwas dicker sein darf!“ „Okay, wieder was gelernt, ich habe hier Roggenbrötchen, die sollten doch auch gehen, auch wenn sie nicht so aussehen wie die Brüste einer Frau.“ „Pack mal vier ein!“

Im Radio kommt die Meldung, das der Bahnverkehr zwischen Neustadt/Aisch und Kitzingen gesperrt ist. Dann lief die Little River Band Help mit Is On it's Way.

Maximilian Eichel, einer der Kontrolleure, ist auch inzwischen auf dem Platz gelandet. „Moin, Manne.“ „Hörnle?“ „Danke!“ Auf dem Main tuckert der alte Diesel der „Luzia“, einem Schiff, das Sand und anderes Schüttmaterial transportiert, vorbei.

Das Geschäft lief gut und so gegen viertel neun kam Gottfried Meister mit seinem weinroten Caddy angeblasen. „Machst du mir bitte einen Kaffee, scheiße was mit Carl abgelaufen ist! Ansgar hat gemeint, dass er nicht mehr leben wollte.“ „Bitteschön, der Kaffee. Milch, Zucker kannst du dir selber reinmachen. Da wird jetzt viel erzählt. Ich glaube, es war schon so, dass er eine tödliche Lungenembolie hatte. Es war, glaube ich, schon seine Dritte. Zwei überlebt und bei der Dritten dann empty. Ich weiß nicht, ob du die Geschichte kennst, wo in meinem Kaffee eine Wespe war, die mich dann von innen in den Hals stach, weil ich nicht merkte, dass sie in den Kaffee gefallen war. Jedenfalls rettete Carl mir, dank seines beherzten Eingreifens das Leben. Ja, so war das. Ich pack jetzt zam, heute geht da nicht mehr viel!“ „Pass mal auf Manne, ich nehme noch einen Silvaner Bocksbeutel hier mit, was macht es zusammen?“ „7,10!“ Er gab Manne einen 20 Euro Schein. Das lässige „Passt scho!“ konnte er nicht mehr hören. Manne freute sich trotzdem, fragte sich aber, woher der Typ so viel Kohle hatte, dass der so damit rumschmeißt. „Übrigens, bis vor zwei Jahren habe ich auch noch in dem Laden gearbeitet. Kann mich noch gut an meine Touren nach Sommerhausen und Nordheim erinnern. Fahre jetzt zu Ansgar, der hat in Ungarn wieder einen schönen 2002er gefunden, will aber nicht auf die Auktion in der Kunsthalle damit warten. Die ist ja erst in zwei Monaten und außerdem weiß man im Moment nicht so genau, wann er hier in Kitzingen ist und wann er in Thailand bei seiner Thao weilt.“ Für den Rest des Tages machte er es sich zu Hause gemütlich.

Am nächsten Morgen. Mit lautem Getöse fahren die Stadtgärtner mit ihrem umgebauten Transporter auf dem Platz ein. Die morgendliche Ruhe war dahin. „Zwei Eierringe und eine Schnecke!“ verlangte der Große, während der Kleine sich einen Plunder mit Pudding und Kirschen in die Tüte stecken ließ.

Ein Schweizer kommt in den Container und verlangt drei Gipfeli, er komme aus der Gegend von Luzern in den Bergen und will, wie viele seiner Landsleute zum Nordkap fahren. „Salü, auf der Rückfahrt sehen wir uns wieder!“ „Wenn wir noch leben!“ sagte Manne.

Für die Auslage sortierte er die Plunderteilchen wie Quarktaschen, Dänisch Plunder Pudding-Kirsch, Schnecken mit Nussfüllung, Schokocroissant und Apfeltaschen in das vordere Regal. Der letzte Haken ist gemacht. Ein Mann im flotten Schritt unterwegs, stolpert über die Schwelle, „zwei Schnittbrötchen und zwei Mehrkorn bitte!“, krachst er im Fallen. Nach kurzem Schütteln erzählt er von seinem Kroatienurlaub.

Er möchte heute noch die Strecke nach Melle bei Osnabrück schaffen. Wenn man dem Fan-Shirt Glauben schenken darf, ist er Anhänger des Drittligisten VFL Osnabrück. Ein anderer Gast des Wohnmobilstellplatzes erklärt Manne, dass Burghausen nicht in Niederbayern liegt, wie zuvor von ihm angenommen. Er erkundigt sich, ob heute beim Markttag auch ein Hamburger Fischhändler dabei ist, er habe sowas gelesen. „Keine Ahnung, ich gehe nicht in den Markt zum Einkaufen, keine Parkplätze und scharfe Politessen!“ „Ja, i braucherts a neda, aber mei Frau wills halt wissen und auch hingehen auf ein Fischbrötchen!“ Dann fing er wieder von seinem Burghausen an. „Wissens: Burghausen hat 18.000 Einwohner und 17.000 Pendler, da wissen sie schon, was da abgeht. Wir haben die schlechteste Verkehrsanbindung in Bayern überhaupt und sind der zweitgrößte Industriestandort im Freistaat. Nur ein Bahnanschluss und der ist nicht elektrifiziert.“ Carl drückte die Reset-Taste. „Na dann, einen schönen Tag noch, aber nicht, dass ihre Frau den Main mit der Nordsee verwechselt, wegen der Fischbrötchen mein ich!“

Die Frau, die gestern das Buch mit dem späten Glück gekauft hatte, sagt zu Manne, dass ihr Mann es in einem Rutsch durchgelesen hatte und sehr spannend fand. „Ja, ich muss es dann halt auch mal lesen, wenn alle sagen, dass es so gut sei. Was brauch mer denn?“

„Zwei Mehrkornstangen und eine Kaisersemmel bitte!“ „Bitteschön, heute ist ja vorne im Park die lange Nacht im Paradies, das können sie sich anschauen, wenn sie Lust haben.“ „Was ist das denn genau, kommen da Adam und Eva aus dem Jenseits?“, lachte die Frau. „Augenblick!“ Manne las aus einem der Prospekte vor: “Die Besucher können durch den Park des ehemaligen Gartenschaugeländes wandeln, die durchgängig gespielten Aufführungen der Produktion „Im Garten meiner Kindheit“ von der Berliner Künstler-Compagnie „Theater Anu“ ansehen und verschiedene Lichtinstallationen genießen.“ „Wow, das lasse ich mir nicht entgehen!“

Ein Mann mit einem Rennrad auf dem Shirt bestellt ein Körner, ein Dinkel und ein Roggen und beklagt sich, dass er viel zu wenig Zeit zum Rennradfahren hat. Er sieht irgendwie aus wie ein kurz vor der Pension stehender Klinikchef.

„Hummel, Hummel, vier Körner bitte, ich bin ja Würzburg-Liebhaber, komme aber aus Hamburg. Wie kommt man denn zu der Kirche von Balthasar-Neumann? Ich wollte ja in Würzburg mein Wohnmobil abstellen, aber der Platz ist ja viel zu laut und auch nicht wirklich schön. Wir haben uns entschlossen mit der Bahn nach Würzburg zu fahren.“ Manne erklärte dann: „Die Kreuzkapelle von Balthasar-Neumann, die sie suchen, ist gleich da vorne. Einfach den Radweg entlang laufen bis zur Mainbrücke und dann sehen sie die Kirche schon. Sie wissen ja, dass der Grundriss der Kirche früher den 50- Markschein verschönerte. Und noch einen Tipp für Würzburg: Gehen sie mal in die Fisch Bar „Krebs“ direkt am Main, hinter dem alten Kranen gelegen. Ganz toll dort, Essen, Ambiente und Leute. Oder zur Landesgartenschau am Hubland.“ „Danke für die Tipps!“ „Ja, passt scho und viel Spaß wünsche ich.“

„Quatre chocolat croissant, s'il vous plaît! “„You come from?” “Belge!” „War ja fast klar!“ dachte sich Manne, nachdem die Frau auch die restlichen Schokocroissants gekauft hatte.

Eine Urlaubsrückkehrerin aus Unna füllt ihren Verpflegungsvorrat für die Heimfahrt auf. Dann schwärmt ein Mann in kurzen Jeans und Musketier- Kinnbärtchen von der Seiseralm, Südtirol und dem Gardasee. „Es geht gleich weiter“ sagt er, „nach Hannover.“ „Bon Voyage!“ Und dann waren noch die beiden jungen Männer, die zu der Jahrgangs-Präsentation mit Hofausschank zu einem Winzerhof und Weingut nach Iphofen wollten. Sie mochten den Wohnmobilstellplatz in Iphofen, direkt neben den Feuerwehrgaragen nicht. Eine Frau fragt, wo sie den Euro wieder bekommt, der beim Billet-Automat nicht mehr rausgekommen ist. Manne kotzte es an, immer wegen dem scheiß Parkscheinautomaten alle fünf Minuten erklären zu müssen, wie das jetzt funktioniert. „Entweder sie warten, bis der Kontrolleur oder die Kontrolleurin kommt, oder sie gehen durch das Gartenschaugelände zur Alten Mainbrücke. Rechts nach dem Brückenbogen geht eine Holztreppe nach oben. Sie laufen über die Brücke und am Ende der Brücke links ist dann die Touristinfo untergebracht. Ich glaube, ab 9 Uhr ist dort geöffnet. Da können sie dann den Euro bekommen. Im Übrigen steht am Automaten, dass er kein Wechselautomat ist.“

Noch mehr hasste Manne die Erklärung, dass er das Wlan-Passwort nicht hat. „Ja, wieso kennen sie das nicht?“ ist dann die gängige Reaktion. Manne versucht dann zu erklären, dass jedes Wohnmobil sein eigenes Passwort bekomme (dazu mit eigenem Login). Beim Einrichten des Routers hatte die Stadt Kitzingen als Betreiber halt noch Angst gehabt, dass sie zur Haftung herangezogen wird, wenn jemand auf irgendwelchen Porno- oder Gamerseiten oder Ähnlichem herumsurft. Doch nach einem Urteil im vergangenen Sommer ist diese Haftung aufgehoben worden. Wahrscheinlich ist dies noch nicht bis zu den Verantwortlichen durchgedrungen. Ein schöner Hotspot hier auf dem Platz – das wärs halt!

Die Luft ist dampfig, so als könne sich gleich wieder ein Gewitter über der Stadt entladen.

Als Manne das Prospektregal auffüllen will, fällt ihm auf, dass die drei Stadtpläne in italienscher Sprache nicht mehr da waren. Seit drei Jahren war dies das erste Mal, dass jemand einen Stadtführer in italienscher Sprache mitnahm, darum ist es ihm auch gleich aufgefallen. Im selben Moment fährt ein großes Wohnmobil mit ungarischer Nummer am Container vorbei.

Ariel-Caprice ist ein gefragtes Aktmodell aus Ungarn. Sie hat ihren großen Luxus-Liner zu einem kleinen Fotostudio ausbauen lassen. Sie fährt damit durch ganz Europa und hat auf dem Womoplatz ein Foto-Date mit Gottfried Meister klar gemacht.

„Biological, Cleanroom Systems, Facility, Industrial Handling“, liest Manne am nächsten Morgen an der Ampel auf dem angerosteten Transporter vor ihm. „Geht wohl nur noch in Englisch“, dachte er.

Die Lindenallee mit der Zufahrt zum Platz steht in voller Blüte und auf dem Rasen ist alles noch ruhig, als er auf den Weg zum Container einbiegt. Hinter dem großen Morelo Loft mit ungarischem Kennzeichen steht der weinrote Caddy von Gottfried.

Manne hatte noch nicht ganz eingeräumt, als ein junger Mann eintritt, sie kommen ins Gespräch und dann stellt sich heraus, dass er als Busfahrer beim Heeresmusikkorps Veitshöchheim arbeitet. Er hat beim Steuern der großen Luxus-Liner keine Probleme, erzählt er. Am Wochenende fährt er die Bläser und Trommler des Heeresmusikkorps Veitshöchheim durch Paris. „Höchste Sicherheitsstufe dort, kann man sich ja denken. Ich habe jedenfalls ein bisschen Fracksausen. Ich war schon bei Auftritten in Großbritannien, Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Schweiz, USA und Kanada dabei.“ „Das wird scho!“ sagt Manne beiläufig. Der Busfahrer nimmt zehn Butter Croissants und vier Flaschen Kakao-trunk mit.

Heute war Angela Merkel auf der Titelseite der Zeitung mit den bunten Bildern groß abgedruckt. Manne wird am Ende der Verkaufszeit feststellen, dass er kein einziges Exemplar verkauft hat.

„Buongiorno, achte Croissants, prego!“ „Wie viele Croissants möchten sie?“, „Achte!“ „Ach so, acht. Bitteschön, Kommen sie aus Italien?“ grimmig antwortete der südländisch aussehende Typ: „Wer wille das wissen?“ „Schon gut: 12.-Euro. Prego!“

Ein gut gelaunter älterer Herr betrat nach einigen Minuten den Container und schwärmte: „Das ist ja einmal eine Auswahl, bitte drei von den Pariser Handgemachten, eine Brezel und zwei Käsestangen und für heute Mittag von den lecker aussehenden Quarktaschen hier vorne zwei Stück. Sie haben hier einen wunderschönen Platz, aber wir müssen heute wieder zurück nach Gemünden fahren!“ „Geht die Fähre noch?“ „Ja klar, die wird auch noch einige Zeit fahren müssen, bis die Brücke über den Main fertig gebaut ist!“

„Vier Gaiser und zwei Bruin alsjeblieft!” Sagte eine dralle Holländerin im knappen Outfit. “Daar ga je!”

Anscheinend ist der nächste Kunde Mathemathiker. Er erklärt Manne: “Rechnen sie bitte einmal mit: an 220 Tagen sind, sagen wir einmal knapp gerechnet, 50 Wohnmobile am Tag auf dem Platz, das wären 11.000 Wohnmobile im Jahr mal 9 Euro, sind knapp 100.000 Euro. Wahrscheinlich ist das noch spärlich gerechnet, was der Platz abwirft.. In zehn Jahren dann immerhin eine Millionen Euro. Das wäre dann aber wirklich noch knapp gerechnet!” krakelte er. Nach seiner Meinung könnte dafür doch eine Duschcontaineranlage aufstellt werden. Der Mann wurde lauter. Einen Bewegungsmelder für das Licht hier im Container sollte doch auch drin sein. Er wurde noch lauter. Ein Schild an der Einfahrt des Platzes, auf dem draufsteht, dass es weiter hinten Brötchen zu kaufen gibt, sollte doch auch Standard sein. Er nahm dann zehn Kaisersemmel mit und sagte zum Abschied: “Nichts für ungut!” “Passt scho!” war die Antwort von Manne.

Eine mollige, gut gelaunte Mitvierzigerin sagte nur, dass es schon schrullige Erbsenzähler gäbe. Manne sagte nix und packte 5 Kaiser, 4 Vollkorn und 2 Brezen in die Tüte. Dem Dialekt zu urteilen stammte die Frau aus Oberfranken.

Nachdem der nächste Kunde gegangen war, dachte Manne, was denn heute los sei. Der Nächste beschwerte sich heftig, dass der Platz wieder übervoll sei. “Tja, jedes Jahr werden zirka 50.000 neue Wohnmobile zugelassen und irgendwo müssen die sich ja hinstellen. Wir haben nunmal mit der guten Lage am Main und der Nähe zur Altstadt einen geilen Platz und da kommen dann halt auch die Camper gerne her!” Der Mann war trotzdem sauer und kaufte nur eine Zeitung mit den vier Buchstaben.

Der Moosburger, ein alter Stammkunde, betritt den Container und Manne wusste, dass er jetzt gleich vier Kürbiskernbrötchen in die Tüte zählen muss. “Für morgen bestelle ich wieder 20 Stück zum Mitnehmen. Die friere ich ein!” Manne dachte im Stillen, dass er das immer sagt, das mit dem Einfrieren. Anscheinend sind die Kürbiskern-brötchen in Moosburg teuerer, wie hier auf dem Platz.

Dann kam Gottfried und nahm drei coffee-to-go und sechs Plunderstückchen mit. “13,80 bitte!” Er ließ die 20 Euro wie immer aufgehen. “Wenn du willst, komm doch mal rüber, wenn du fertig bist!” “Gerne!”

Ein Schwede kommt in den Container und lässt sich die letzten sieben Kaisersemmel einpacken. Auf ein Blatt Papier schreibt er folgenden Satz: „Kort gåtur til by og indkøb. Burde snart studse buskene. Spærrer for udsigt til floden Main.” Zu Hause wird sich Manne mit einem Übersetzungsprogramm am PC den Satz übersetzen lassen. Dabei kommt Folgendes heraus: “Sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Wir sollten bald die Büsche stutzen. Blockiert die Haupt- Ansicht des Flusses.“

Manne hatte den Container ausgeräumt, Kasse, Retouren und Leergut im Combo verstaut, klopfte nun an die Wohnmobiltür der Ungarin. Er ging über zwei Treppenstufen durch die Tür ins Innere. Er staunte nicht schlecht, jede Menge Plüsch, rotes Licht hinten sogar eine Pool-Stange. Dank der großzügig angebrachten Decken-fenster war es ziemlich hell über dem großen Bett, in dem sich gerade Ariel-Caprice für Gottfried aalte, der sie fotografierte. Dass sie dabei nackt war, störte anscheinend niemand. Gottfried gab Anweisungen, wie sie sich bewegen sollte und was für Posen sie einnehmen könnte. Der Begleiter des Models saß völlig unbeteiligt vor einem Fernsehapparat und schaute irgendeine ungarische Quizsendung an (oder war es eine Italienische?). „Setz dich, willst du was trinken? Alles inklusive. Morgen am Nachmittag kommen noch drei Fotografen!“ „Ja schön, da will ich jetzt aber nicht weiter stören, wünsche frohes Schaffen!“ Beim Hinausgehen schaute er den Begleiter groß an. Ihm fällt auf, dass dieser sehr große Ähnlichkeit mit Gottfried besitzt.

Die Hitzewelle mit ihren schweren Gewittern, Starkregen und Hagel im Gepäck war jetzt erst einmal vorbei. Schwülwarme dreißig Grad im Juni waren schon sehr ungewöhnlich. Die „Schafskälte“ brachte es jetzt noch auf angenehme 22 Grad.

Beim Hinausfahren fiel ihm wieder der unfreundliche Italiener auf, der im hinteren Bereich des Platzes, an seinem etwas älteren Wohnmobil herumlungerte. Zu Hause war wieder, wie an fast jeden Tag, chillen angesagt. Später geht er in der Nähe des Golfplatzes noch ein bisschen spazieren.

Am nächsten Tag, nachdem er in der Bäckerei seine bestellte Ware abgeholt hatte, stellt Manne den Wagen ab und geht ein paar Schritte, um die noch kühle Morgenluft zu genießen. Als erstes schmeißt er dann erst einmal den Zettel des Schweden von gestern in den Kummerkasten der im Container hängt. Es ist noch kühler geworden. Ein netter älterer Herr aus Holland schaut neidisch auf den schwarz-gelb-roten Blütenkranz, den sich Manne an den Innenspiegel gehängt hat. „Ja schade, dass wir es nicht geschafft haben. Die WM 2018 findet ohne Holland statt. Bitte vier Kaiser und drei Bruin wie gestern!“

Eine braungebrannte, attraktive Lady auf dem Weg von Kroatien nach Hause holt sich Verpflegung für die letzten Kilometer des Urlaubs nach Marburg. „Auf der Autobahn ist es ja immer so teuer! Eure Brötchen sind auch am Nachmittag noch schön rösch“ „Gute Fahrt!“ Manfred hob die Hand zum Gruß.

Der Luxus-Liner von Ariel-Caprice steht immer noch da und Manne musste daran denken, dass ja heute ein Model-Sharing in dem großen luxuriös ausgestatteten Wohnmobil stattfindet.

Ein Belgier aus Brügge holt sich sein Klischee- Baguette.

Mannes Blick fällt auf den Titel der Klatschpresse, die er verkaufen muss. „Für beide geht es jetzt um alles!“ Gemeint sind Seehofer und Merkel, die großformatig abgebildet sind.

„Sie sind aber schön braun geworden!“ Schmeichelte Manne zu einer gebräunten Schönheit. „Wir waren vier Wochen auf Ibiza und haben dort den Sonnenuntergang beim Café del Mar erlebt. Unbeschreiblich! Jetzt fahren wir noch eine Woche durch Bayern.“ Das mit dem Café del Mar sagte sie so, als ob es ihr größtes Lebensereignis bis dato gewesen wäre.

Ein zotteliger Hund bellte in den Container und der Belgier, der am anderen Ende der Leine hereinstolperte, will auf der „Romantic Road“ zum Schloss Neuschwanstein fahren.

Auf dem Heimweg fährt Manne noch bei Ansgar vorbei. Er will sich einen Termin für einen Ölwechsel am Combo abholen.

Zu Hause geht er zu Nachbar Preissler auf die Terrasse und trinkt mit ihm sein wohl verdientes Feierabend-Bierchen aus der Dose. Sie quatschen über seine Sattelschweine und seine beiden Pferde. Am Nachmittag fährt er ins Kino-Cafe in den Mainfrankenpark, genießt Kaffee und Kuchen und schaut sich dann die französische Komödie „Ein Dorf zieht blank“ an. In dem Movie geht darum, dass mithilfe eines berühmten Aktfotografen der Bürgermeister eines französischen Dorfes auf die bittere Lage der Bauern aufmerksam machen will. Der Haken dabei: Die Bauern sollen sich für das Foto ausziehen.

Wolfgang Preissler war früher unter anderem Verkaufsfahrer einer Tiefkühlkostkette. Fuhr von Haus zu Haus und hatte viele Kontakte, besonders zu älteren alleinstehenden Frauen. Eine von den Frauen lud ihn regelmäßig nach Feierabend zu sich nach Hause ein. Sie tranken Eierlikör und vergnügten sich mit Rommé. Es entwickelte sich eine platonische Liebe zwischen den Beiden. Die Diplomatenwitwe hatte in ihrem Leben viel mitgemacht. Ihr Mann war meistens in Einsatzorten der Kategorie C, weil gefährlich und unbeliebt, mit höchster Besoldungsstufe von 14.000 Euro Brutto unterwegs. Ihre Rente war dementsprechend hoch. Sie schickte Preissler oft zum Einkaufen, mit Karte und Pin, meistens Eierlikör und irgendwelche Schokoladen. Manchmal schlief er bei ihr nach einem likörigen Abend auf der Couch ein. Kurz vor Weihnachten muss es dann so gewesen sein, dass die Diplomatenwitwe am Morgen nicht mehr aufwachte. Die Anklage warf ihm dann vor, die Frau in die Tiefkühltruhe gepackt zu haben und ihr Konto systematisch leergeräumt zu haben. Nach zweieinhalb Jahren wurde er auch wegen guter Führung aus der Haft entlassen. Er ließ einige Wochen verstreichen und grub dann das Geld aus und kaufte sich in Kitzingen das Haus mit dem großen Grundstück.

Das Model-Sharing ist für alle beteiligten Fotografen super gelaufen. Tolle Bilder sind in den vier Stunden entstanden. Ariel und Gottfried teilten die Einnahmen auf. Sie bekommt 300 Euro und Gottfried steckt einen Hunni ein. Ein beteiligter Fotograf aus der Gegend um Stuttgart ist voll des Lobes, vor allem die Location im Luxus-Liner hatte es ihm angetan, aber natürlich auch die natürliche Schönheit des ungarischen Models.

Am nächsten Morgen, als Manne auf den Platz einfährt, erschrickt er leicht, weil so wenige Wohnmobile auf dem Platz stehen.

Ein älterer Mann mit ungepflegtem Bart, steht schon vor dem Eingang und wartet auf die frischen Semmeln, als Manne die kiesbestreute Auffahrt hochfährt. „Wissen sie, wir wollen heute noch Bekannte in Würzburg besuchen und dann weiter nach Wertheim fahren. Bitte zwei Kaisersemmel!“ „Bitteschön!“ „Mann“, denkt Manne „wegen zwei Kaiser so eine Hektik.“ Im selben Moment gibt es einen Riesen- Knall und einige Sekunden später noch einmal Einen. Im Radio hörte er später, dass zwei Eurofighter der Alarmrotte Süd aus Neuburg an der Donau die Schallmauer durchbrochen hatten. Die beiden Knaller am Dienstag gegen 7.16 Uhr kurz hintereinander hätten viele Menschen verunsichert. Die Luftwaffe gab aber schnell Entwarnung: Ein ziviles Flugzeug hatte den Funkkontakt zur Flugsicherung am Boden verloren, weshalb das Nationale Lageund Führungszentrum Sicherheit im Luftraum (NLFZ) in Uedem am Niederrhein den Auftrag an die Eurofighter erteilte, bla, bla, bla.

Ein weiterer Mann im fortgeschrittenen Rentenalter kam hereinspaziert. „Haben sie den Knall auch gehört, mein Camper hat ganz schön gewackelt!?“ Er strahlte Ruhe und Gelassenheit aus und die Lachfältchen um seine Augen deuteten darauf hin, dass er Humor hatte. „Zwei runde Brötchen bitte, zwei Mehrkorn und ein Hörnchen für den Hund.“Na Bravo“, dachte Manne und sagte „Bitteschön!“.

Es ist wenig Betrieb auf dem Platz und Manne beschließt, kurz Hallo bei Ariel-Caprice zu sagen. Nachdem er seine Retouren und die Kasse in seinem Auto weggesperrt hatte, geht er die wenigen Meter zum Luxus-Liner. Er klopft an. Keine Antwort, es kommt ihm so vor, als höre er ein Schluchzen im Inneren des riesigen, mobilen Fotostudios. Er probiert die Türe zu öffnen, sie ist nicht verschlossen. Er steigt hinauf und sieht zuerst die in der linken hinteren Ecke kauernde Ariel, sie zittert wie Espenlaub und ist völlig apathisch. Sie sieht ihn zwar, reagiert aber überhaupt nicht. Dann bemerkt Manne einen blutigen Klumpen am Boden liegen. Es ist Nandor, der Fahrer von Ariel, man hat ihm die Ohren und den kleinen Finger an der rechten Hand abgeschnitten. Ekelhaft. Er muss unter großen Schmerzen gestorben sein.

Die Obduktion wird später ergeben, dass er mit einem Draht erdrosselt wurde. Manne ist geschockt und kann nur mit Mühe die Polizei anrufen, die nicht so recht verstehen will, was da passiert ist. Als er sich Ariel nähert, um sie zu trösten oder was auch immer, beginnt diese mit beiden Händen auf ihn einzuschlagen. An den Beinen ist sie gefesselt und er sieht erst jetzt, dass über ihrer linken Wange ein tiefer Einschnitt klafft. „Beruhige dich, es ist alles vorbei!“ Sie bricht in Tränen aus und Manne hört das Martinshorn näherkommen. Mit gezogenen Pistolen nähern sich Polizeihauptwachtmeister Franz Hell und Polizeimeister Herbert Gebhardt dem Wohnmobil und gehen in das Innere des Liners. „Meine Fresse, wie sieht es denn hier aus? Herbert spanne bitte gleich mal großräumig mit Flatterband ab!“ Dann rief Hell in der Direktion und beim Rettungsdienst an. Das Rote Kreuz war nach wenigen Minuten ohne Blaulicht und Martinshorn vor Ort, nahm Ariel durch die hintere Türe auf und brachte sie auf unspektakuläre Weise in die Uniklinik nach Würzburg. Manne gab ihr vor der Abfahrt seine Karte und ihre Handtasche, in dem sich ihr Smartphone befand.

Die Leute von der Spurensicherung trafen nach einer Stunde ein und auch ein Leichenwagen des örtlichen Bestatters und einige Pressevertreter. Auch das Lokalfernsehen war schon da. Mittlerweile hatten sich auch Hunderte von Gaffern auf dem Platz versammelt. Manne ging zu seinem Auto und fuhr unbemerkt auf der vorderen Ausfahrt vom Platz. Er dachte zumindest, dass er unbemerkt davonfuhr. Ein Motorrad folgte ihm mit einigem Abstand.

Er gab Retouren und Kasse in der Bäckerei ab und fuhr weiter, Richtung nach Hause.

An der Ampel am Falterturm viel ihm im Rückspiegel ein Motorradfahrer auf, es war mehr der Helm der ihm ganz gut gefiel.

Als er sein Auto in der unteren Bergstraße vor seinem kleinen Häuschen abstellte, bemerkte er abermals das Bike mit dem ihm fremden Mann, der immer noch den verspiegelten Helm auf seinem Kopf sitzen hatte. Dieser stand dann nach wenigen Schritten neben ihm und packte Mannes linken Arm und drehte diesen auf seinen Rücken. Es schmerzte höllisch und der Fremde fragte ihn: „Ist der Tote Gottfried Meister und lüge mich nichte an?!“ „Hey, lass mich erst einmal los, sonst sage ich gar nix!“ Das war die falsche Antwort. Der Vermummte bog Mannes Arm soweit nach oben, dass er sich auskugelte. Er schrie laut auf vor Schmerzen. Dann schrie er immer weiter auch um Hilfe.

Sein Nachbar schaute kurz aus der Türe. Nach wenigen Sekunden kam er wieder heraus, in den Händen ein MP7 Heckler & Koch. Er war ein Waffennarr mit Waffenschein und wartete eigentlich sein ganzes Leben schon auf so eine Situation. „Lass ihn los!“ Der Vermummte ließ Manne los und schubste ihn auf die Seite, um im selben Moment nach hinten zu greifen und eine Pistole zu ziehen. Dazu kam er aber nicht mehr. Wolfgang Preissler hatte die HK MP7 Heckler & Koch auf Dauerfeuer eingestellt, als er abdrückte und 10 Sekunden auf den Fremden feuerte. Hundertsechzig Schuss zerfetzten den Fremden förmlich. Preissler hatte einen langen Schalldämpfer auf seiner Waffe und es sah so aus, als ob niemand etwas, in der abseits gelegener Ecke der Stadt, von den Schüssen mitbekommen hatte. Die Makarow des Getöteten steckte er ein. Dann zog er dem am Boden liegenden Mann, aus dessen unversehrter linken Gesäßtasche, den Geldbeutel heraus und schaute auf den Ausweis. „Salvatore Fiscianelli!“, las er laut vor. „Mafia!“ rief Manne. „Wir müssen den Typen verschwinden lassen!“ Als Preissler den Helm des Getöteten abnahm, erkannte Manfred den unfreundlichen Typen vom Womoplatz.

Manne konnte nur mit einer Hand helfen, als sie den Italiener über das Gatter von Preisslers Schweinestall hievten. Sie machten es so, dass Außenstehende von einer jahrelangen Routine ausgehen mussten. „So, du musst jetzt erst mal ins Krankenhaus, sieht nicht gut aus, wie der Arm dranhängt. Vorher müssen wir aber noch die Ducati 959 Panigale verstecken“. Im Futterheu-Schuppen fand sie erstmal einen sicheren Platz.

Am Tatort Wohnmobilstellplatz war jetzt Felix von Stein eingetroffen, eigentlich schon pensioniert, aber wegen des großen Personalmangels bat ihn der Polizeipräsident noch ein Jährchen anzuhängen, was er nur mit Widerwillen machte. Von Stein und sein jüngerer, langjähriger Partner Kriminalkommissar Eduard Gersteg schauten sich entsetzt an, als sie das Gemetzel betrachteten. Stein war etwas mulmig zu Mute, war er doch am vergangenen Nachmittag vorher noch einer der Teilnehmer beim Model-Sharing gewesen und hat fleißig Bilder von der ungarischen Schönheit gemacht.

Ein Krankenwagen fuhr Manne in die Würzburger Uniklinik, Abteilung Schulterambulanz, wo ein Arzt ihm ohne viel Aufhebens die Schulter wieder einrenkte. Er rief Ansgar auf dem Handy an, ob er Zeit hätte um ihn abzuholen. „Ich stehe doch schon mit dem Capri auf dem oberen Parkplatz, Preissler hat mir Bescheid gegeben.“ Am Info-Schalter erkundigte sich Manne nach Ariel und besuchte sie dann in ihrem Zimmer, das sie noch mit einer anderen im Moment schlafenden Patientin teilte. Ihr aufgeschlitzter Backen musste geklammert werden und wird sie wohl als Narbe in der Zukunft immer an die Bluttat erinnern. „Nimm mich mit, ich sterbe hier!“ bettelte sie in