Späte Zeit des Glücks - Haen Son - E-Book

Späte Zeit des Glücks E-Book

Haen Son

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Beschreibung

Der Krimi wurde in einer Zeit geschrieben wo Corona noch kein Thema war. Die Menschen noch unbeschwert feiern konnten, der Diesel noch bezahlbar war, die Russen noch nicht die Ukraine bedrohten, der Begriff Querdenker noch nicht das ausdrückte was er in der heutigen Zeit bedeutet, Begriffe wie Omikron- oder Deltavariante waren völlig unbekannt und überhaupt war es einfach eine entspanntere Zeit, wenn es auch nicht als solche von den meisten Menschen empfunden wurde. Die Demut fehlte bei vielen. Was sich aber ab 2020 ändern wird.

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Seitenzahl: 281

Veröffentlichungsjahr: 2022

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3.Auflage 2022

Jede Ähnlichkeit mit lebenden und bereits verstorbenen Personen ist rein zufällig. Coverfoto: Hans Will

Vom Autor erschienen oder in Planung:

Never give up – Ratgeber gesundes Leben

Never give up Teil 2 - Ratgeber gesundes Leben

Im Wendekreis des Virus – Tatsachen Krimi

Das Virus schlägt zurück – Tatsachen Krimi

Der Cranach Komplott – Roman

Späte Zeit des Glücks – Thriller 3. Auflage

Ein Leben lang – Roman (wird neu aufgelegt)

Back- und Lachgeschichten - Humor (Vergriffen)

Saisonarbeit – Roman (Vergriffen)

Ende der Weinlese – Fantasy (Vergriffen)

Todholz – Hatterer Krimi (Vergriffen)

Deadly Running – Hatterer Thriller (Vergriffen)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

Tag 9

Tag 10

Tag 11

Tag 12

Tag 13

Tag 14

Tag 15

Tag 16

Tag 17

Tag 18

Tag 19

Tag 20

Tag 21

Tag 22

Tag 23

Tag 24

Tag 25

Tag 26

Tag 27

Tag 28

Tag 29

Tag 30

Tag 31

Tag 32

Tag 33

Tag 34

Tag 35

Tag 36

Tag 37

Tag 38

Tag 39

Tag 40

Tag 41

Tag 42

Tag 43

Tag 44

Weihnachten

Epilog

Prolog

Der Krimi wurde in einer Zeit geschrieben wo Corona noch kein Thema war. Die Menschen noch unbeschwert feiern konnten, der Diesel noch bezahlbar war, die Russen noch nicht die Ukraine bedrohten, der Begriff Querdenker noch nicht das ausdrückte was er in der heutigen Zeit bedeutet, Begriffe wie Omikron- oder Deltavariante waren völlig unbekannt und überhaupt war es einfach eine entspanntere Zeit, wenn es auch nicht als solche von den meisten Menschen empfunden wurde. Die Demut fehlte bei vielen Menschen

Tag 1

Gottfried riffelte das Brezelsalz von seiner Laugenstange. Er liebt es, am frühen Morgen in so eine ofenheiße, dampfende Spezialität zu beißen. Er ließ sie im Mund stecken und drehte den Zündschlüssel herum und startete den Motor des Citroen Jumpy. Er hatte sehr schlecht geschlafen und war noch ziemlich müde. Er fuhr wie so oft die ersten hundert Meter gegen die Einbahnstraße und dann den Rosenberg hinunter, um seine Tour am Königsplatz zu starten.

Morgens um vier sind sehr wenige Menschen unterwegs, manchmal trifft er Gustav, den Zeitungsauslieferer, der mit seinem fast 40 Jahre alten golden lackierten T4 täglich so um die 200 Zeitungspakete an Wiederverkäufer in Mainfranken ausliefert. Über 500000 km hat er schon auf seinem Bock, aber für einen Neuen reicht die Kohle auch als Multijobber nicht und so flickt und schraubt er sein geliebtes Gefährt immer wieder aufs Neue zusammen. „Mehr als 800kg kann ich nicht laden, sonst macht er mir noch die Grätsche. Wenn man ihn stets mit den nötigen Flüssigkeiten versorgt, die er braucht, fährt er bestimmt noch etliche Meilen“, erzählte er einmal Gottfried, der sich in motortechnischen Dingen nicht so gut auskennt.

Es ist neblig, eine dicke Suppe hängt im Maintal, ungewöhnlich dicht für Mitte Oktober, am Marktplatz sieht er den Ausfahrer einer großen Backfabrik, die im Namen eines Frankenapostels ihre Industrieware ausliefert. Weiter geht die einsame Fahrt durch die Fischergasse, in der Johann Rudolph Glauber von 1651 bis 1656 wohnte und arbeitete. Essig und Weinstein stellte er dort her, bevor er wegen einem Rechtsstreit nach Amsterdam weiterzog, um dort dann das nach ihm benannte, berüchtigte Glaubersalz zu entwickeln. Am Bootshaus vorbei geht es in den schönsten Kreisverkehr Kitzingens. Die 20 Birken, die dort von den Stadtgärtnern gepflanzt wurden, sind schon recht üppig angewachsen. Ausfahrt Nordbrücke und wie jeden Tag steht die Ampel auf Rot. Überhaupt ist die Ampelschaltung in der kleinen Kreisstadt sehr nervig. Gottfried muss an einen Artikel in der Mainpostille denken, in dem beschrieben wird, dass schon Heerscharen von Gutachtern versucht haben, die Ampelschaltungen in Kitzingen zu optimieren. Aber vergebens. Dabei wäre es doch so einfach: (jedenfalls nachts) einfach die Ampeln ausschalten, viel Strom und Sprit würde gespart werden. Böse Zungen behaupten das der damalige Stadtrat von der Ampelfirma Geld bekommen hätte damit diverse Kreisverkehre nicht gebaut würden. Das ist natürlich nur ein Gerücht. Aber egal, die Ampel schaltet um. Er fährt über die im Nebel verhangene Nordbrücke weiter zur Nordtangente, die aber nach 2 km schon wieder abrupt endet, sie wurde einfach nicht weiter gebaut, aus was für Gründen auch immer. Über eine üppige Linkskurve geht es in einer Abfahrt auf die Straße Richtung Autobahn und Volkach.

Es nieselt vor sich hin und viele LKWs sind unterwegs. Man merkt, dass ein großer Discounter sein Verteilzentrum für Nordbayern an der Straße zur Autobahn gebaut hat. Hunderte von LKWs rollen so in den Morgenstunden über den Asphalt um Tomaten aus Holland, Bier aus Norddeutschland, Wein aus Chile, Waschmittel, Zahnpasta, Toilettenpapier, Magerquark, Biotofu, Mineralwasser und tausend andere Artikel anzuliefern. In Kitzingen zwischengelagert, werden sie dann wieder auf andere LKWs verteilt und in die süddeutschen Filialen des Discounters gefahren. Nachhaltiger Umgang mit unserer Umwelt sieht anders aus! Auch die Post hat ein Paketverteilzentrum gleich um die Ecke gebaut, und die vielen Subunternehmer rollen mit ihren LKWs dann auch noch über die Straßen. Time is Money! Bei so einem Job und so wird auch gefahren, was das Zeug hält. Es werden nicht die letzten Logistikzentren in Kitzingen bleiben. Um vier Uhr sind auch schon einige Pendler unterwegs, die zum Beispiel ihren Job in Nürnberg oder Frankfurt haben. Im Radio läuft der düstere Song Hollow Talk von Choir of Young Believers einer dänischen Band. Es ist der Titelsong der dänischschwedischen Co-Produktion „Die Brücke – Transit in den Tod“.

Gottfried muss gerade dran denken, wie er in den unbeleuchteten bulgarischen Laster reingefahren ist, der an der Abzweigung nach Mainsondheim, kurz vor der Autobahnauffahrt rückwärts in dem gegenüberliegen Platz einfahren wollte, den früher die Amis benutzten, wenn sie mit ihren Konvois vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr zurückkamen. Der Unfall war für Gottfried ein ganz schöner Schock. Er hatte Glück und ihm ist nicht viel passiert, wie man so schön sagt. Ein mulmiges Gefühl hat er seit der Zeit aber immer noch, wenn er mit dem Auto nachts unterwegs ist. In einer Zeitung hat er mal gelesen, dass im Verhältnis zur hellen Tageszeit überproportional viele Unfälle in der Nacht passieren, vor allem, wenn die Straßen nass sind. Einer der wichtigsten Gründe dafür sei, dass der Mensch an sich nicht dafür geeignet ist, in der Nacht ein Auto zu steuern.

Weiter geht die Fahrt durch die Dunkelheit an Hörblach und Schwarzach vorbei, am Mainkanal entlang bis zur Abzweigung Richtung Nordheim, kurz vor Volkach. Bei der Brücke über den Mainkanal sieht er oft die großen Fluss- Kreuzfahrtschiffe, die nachts in voller Beleuchtung ihre Gäste zum nächsten Anleger schippern. Der Nebel ist hier am Altmain noch dichter geworden, Rehe springen über die Straße mit den tiefen Spurrillen. Roadkill liegt auf der Straße: “War das gerade ein Fuchs?“ Es hat ganz schön gerumpelt als er über das tote Tier fuhr.

Weiter vorne sieht er einen Lichtstrahl und ein Blinklicht. Den halb im Graben liegenden PKW erkennt er erst, als er aus der langgezogenen Rechtskurve unmittelbar bei der Unfallstelle eingetroffen ist. Das Auto liegt auf dem Dach, ein Rad dreht sich noch, der Kühler dampft und auf dem Boden liegt ein Mann, der stark aus dem Gesicht blutet, er war wohl nicht angeschnallt gewesen und ist durch die Frontscheibe geschleudert worden, alles liegt voller Glassplitter und anderen Trümmern. Gottfried stellte den Motor ab und stieg langsam aus seinem Wagen. „Hallo“, rief er, bekam aber keine Antwort. Es herrschte Totenstille. Nur ein Geräusch eines Vorderrades war zu hören das sich mit einer Unwucht drehte. Der Unfall dürfte erst vor wenigen Minuten passiert sein. Gottfried schaute ins Auto, ob dort Verletzte lagen, denen er vielleicht noch helfen konnte, überall jede Menge Blut auf dem Boden, auf den Scheiben, Armaturen und einfach überall. Es knirschte, als er über die Glassplitter lief. Er sieht nur einen großen Alukoffer und es riecht nach einem teuren Parfüm. Er ging zu dem am Boden liegenden Mann und langte ihm an die Schläfe. Er spürte nichts mehr: der Mann war tot. Er war sehr gut gekleidet und hatte teure, aus mehrfarbigem Leder gefertigte Schuhe an den Füßen. Dandy Style.

Wieso Gottfried den Alukoffer an sich nahm und einfach weiterfuhr, kann er bis heute nicht genau erklären. Sein Leben änderte sich dadurch schlagartig, was er zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte. Er schaute sich um, es war niemand zu sehen und zu hören. Er stellte den Koffer in den Fußraum des Jumpy, das leise Klicken eines Smartphones hörte er dabei nicht. Leise pfeifend sog er die feuchte Herbstluft in seine Lungen, stieg ins Auto ein und fuhr ins einige Kilometer entfernte Dorf weiter. Es roch nach Traubenmaische und Federweißer, dieses heimtückische Gesöff, das wegen der Gärung entstehender Kohlensäure recht spritzig schmeckt. Solange noch reichlich Zucker vorhanden ist, wird durch dessen Süße der bereits entstandene Alkohol kaschiert, so dass dieser beim Trinken relativ unbemerkt in den Organismus aufgenommen wird. Man ist dann ziemlich schnell beschwipst. In Franken sagt man zum Federweißen, Federrose oder Federroten, je nach Farbton einfach Bremser.

Er hat einen Schlüssel für den Laden in Nordheim und muss nur die Körbe reinschieben und das Leergut mitnehmen, das Ganze dauert eine gute Minute. An jeder Ecke des Winzerdorfes stehen die Traktoren, mit großen Planen ausgelegte Anhänger für die Weinlese des Tages bereit. Im ganzen Ort sind bunte Fähnchen über die Dorfstraßen gespannt, die im Wind flatterten. Nachdem er die Backwaren korrekt ausgeliefert hatte, setzte er sich in den Lieferwagen und fuhr über Sommerach zurück. Im Katzenkopf mit seinen gut 300 ha, eine der größten Weinlagen in Franken, fuhr schon oder noch immer ein voll beleuchteter Vollernter, um die reifen Weintrauben zu lesen, er sah nur das bewegte Licht im Weinberg. Als er den Bus über die Kanalbrücke bei Gerlachshausen steuerte, sah er Notarztwagen, Polizei und einen Krankenwagen, die im Konvoi Richtung Volkach fuhren. Tatü, Tata, Tatü, Tata das Lied von Seiler und Speer lief gerade dazu passend im Radio. In Höhe von Hörblach kam ihm noch ein Streifenwagen entgegen.

In Kitzingen angekommen, lud er erneut den Jumpy voll und fuhr zur Filiale nach Sommerhausen und wieder auch zurück. Auch hier auf der langen Abfahrt nach Sommerhausen begegnete er einem Vollernter mit gelbem Rundum-Licht. Nach dem Ausladen des Leerguts überlegte er, wie er möglichst unauffällig den Alukoffer in sein Auto bekam. Er stellte den weißen Jumpy einfach neben seinem blauen Caddy ab und hievte den Koffer durch die Seitentür auf die Rücksitze und sperrte ab. Dann ging er zurück zur Bäckerei und holte sich ein paar frische Brötchen und die Mainpostille und zuckelte durch die noch menschenleere Falterstraße, auf die schon gut befahrene Bundesstraße 8. Hinter einem großen LKW, der riesige Baumstämme aus dem Steigerwald geladen hatte und mit gut siebzig Sachen durch den frühen Morgen düste, fuhr er bis zur Abzweigung Kaltensondheimer Straße. Es war inzwischen hell geworden und der Nebel hatte sich auch gelichtet, so dass er den Alukoffer noch im Caddy ließ. Die neugierigen Nachbarn brauchen das nicht zu sehen, dachte er so im Stillen. Er ging ins Schlafzimmer, um ein wenig zu schlafen, später wollte er dann in den Weinbergen um Sulzfeld schöne Herbstbilder aufnehmen. Das Wetter war gut gemeldet und die Bäume und das Laub der Weinstöcke begannen sich eben gerade zu verfärben, er brauchte für seinen Sulzfeld Bildkalender noch ein schönes Kalenderblatt für den Oktober.

Gottfried war eigentlich Fotograf, aber seit das iPhone 5 auf den Markt kam und Selfies ab 2012 in Mode gekommen waren, hatte er fast keine Aufträge mehr im Portraitsektor zu verzeichnen. Auch Passbilder und Bewerbungsfotos waren nicht mehr so stark gefragt, seitdem es präzise Anleitungen im Internet und auch entsprechende Apps dafür gab, um die eigenen Passfotos selber mit dem Smartphone zu erstellen. Sein Fotostudio hatte er verkauft, obwohl er nur eine sehr geringe Miete dafür bezahlen musste. Es machte ihm keinen Spaß mehr, weil eben zu wenig Betrieb war. Früher organisierte er an Freitagabenden oder Samstagnachmittagen, wenn er nicht gerade eine Hochzeit fotografierte, sehr oft ein Modelsharing, zu dem er ein Aktmodel engagierte und 45 Fotografen dazu einlud. Da gab es die unterschiedlichsten Typen unter den Fotografen. Manche, die nur kamen, wenn das Model Körbchen Größe 85D und mehr vorweisen konnte. Andere zogen Modelle vor, die angaben, gerade mal 18 Jahre alt zu sein und dabei ein sehr jugendliches Aussehen hatten. Aber drei Jahre 18, das fällt dann halt auch auf. Es gibt die Fetishfreaks, die auf Latex standen oder auf ein tätowiertes „Alternativmodel“ mit vielen Piercings. Es waren aber auch Fotografen dabei, die künstlerisch wertvolle Bilder machen wollten. Dann war Gottfried gefragt, um eine schöne Lichtführung aufzubauen. Diese Jungs bevorzugten dann langbeinige Modelle mit einem schönen Body. Eigentlich gibt es nichts Schöneres, als einen zauberhaften Frauenkörper mit schönen Kurven in einem spannenden Licht zu fotografieren. Er hat da auch immer ganz gut dabei verdient mit diesen Veranstaltungen. Es ist halt alles eine Preisfrage. Modelle aus Tschechien waren so um 2005 noch sehr günstig zu haben, mittlerweile haben alle nachgezogen, selbst die Mädels aus Weißrussland lesen die Zeitung. Diese Art der Fotografie hat sehr wohl ihre Reize, wenn man das Spiel mit dem Licht beherrscht. Gottfried war es aber mittlerweile zu langweilig geworden. Nach dem 300. Modelsharing löste er das Studio auf. Er hatte genug von Aktfotos, aber auch aus den schon erwähnten Schwierigkeiten im Portraitbereich. Er orientierte sich neu, verkaufte das gesamte Inventar samt Blitzanlagen und Hintergrundrollen und stieg wieder in die Sportfotografie ein. Er hatte ja schon früher in der Zeit, als er selber noch Radrennen gefahren ist, sehr viel Sport fotografiert. Irgendwo in einem großen Umzugskarton hatte er noch die ganzen belichteten Filme, „Ob ich jemals die Muse finde, sie zu sortieren?“, fragte er sich oft. Aber wegschmeißen wollte er sie nun auch nicht, es klebte zu viel Schweiß und Engagement an Ihnen. Fußball ist es nun geworden. Im Fußball wird halt immer noch am meisten Geld verdient und nicht nur die Spieler merken das. Obwohl man als Fotograf im Fußballprofibereich auch am meisten verdienen kann, stand es für Gottfried nie zur Debatte, 1. – 3. Bundesliga zu fotografieren. Das war ihm zu viel Business, die ganzen Steueraffären, die gigantischen Einkommen der „Stars“ und deren geldgierigen Berater, die Wettmanipulationen und auch die Holligan- Szene, das war es nicht, was er wollte. Manche Fans vergöttern ja ihre Stars.

Gottfried stand im Weinberg, die Sonne im Rücken, vor ihm die Reben, die Blätter strahlten goldgelb im Licht, er drückte ab: wow, great shot, das ist das Bild, das er noch für seinen fränkischen Weinbergs Kalender brauchte. Er watschelte wieder zu seinem Auto und fuhr nach Hause, im Autoradio liefen nach Madonnas „La Isla, Bonita“ die Nachrichten. Vom Verkehrsunfall (in der Nähe von Nordheim am Main) am Morgen, brachte der kleine Lokalsender, dass der Tote ein hochrangiger irischer Banker war und die Überlebende sei mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus nach Würzburg geflogen worden. Überlebende hat er doch gar keine gesehen, dachte er. Zum damaligen Zeitpunkt wusste er noch nicht, was diese Tatsache einmal für ihn bedeuten würde. Ihm lief es eiskalt den Rücken runter und er bekam eine Gänsehaut. Über Segnitz ging es zurück nach Kitzingen in seinen Carport. Im Haus holte er sich einen Kaffee in der Küche. Er trank gerne kalten Kaffee, am liebsten aber, wenn er noch etwas lauwarm war, wie dieser hier, den er gerade aus der Thermokanne einschüttete. Er ging die Treppe hinunter, stellte den Kaffee ab, zog seine dicke Jacke aus, nahm die Speicherkarte aus dem Kartenslot seiner Kamera und stecke sie in den Card Reader. Klasse sah das Herbstbild vom Weinberg aus. Er zog in Photoshop die Kontraste noch ein wenig hoch und fertig war der Lack. Abspeichern, hochladen und den fertigen Kalender online zur Jury schicken.

Mittlerweile war es draußen dunkel geworden, er ging hinaus und klebte den Bewegungsmelder ab, dann wartete er eine weitere Stunde, in der er die neuesten Posts in Facebook anschaute. Die

Seite „Blaulicht Mainfranken“ schrieb zu dem Unfall bei Nordheim, dass die schwer verletzte Beifahrerin eine Prostituierte aus Polen gewesen sein soll und das Auto war ein Maserati Ghibli. Ach, war jetzt nicht mehr von einem Banker die Rede, sondern von einem Hedgefonds Manager? Wieso strömte plötzlich ein wohliges Gefühl durch seinen Körper und er merkte eine deutliche Linderung seiner Frustrationstoleranz, die ihn seit einigen Jahren plagte, aber dazu später mehr.

Gottfried ging hinaus und holte den Koffer aus seinem Wagen. Kaum hatte er ihn in seinem Office abgestellt, klingelte es an der Tür. Durch das Seitenfenster sah er, dass es zwei Streifenbeamte waren, die da vor seiner Tür standen. War er zu schnell gefahren, hatte er jemand angerammelt, oder hat ihn gar jemand in Nordheim am Unfallort gesehen?? Er machte die Türe auf.

„Grüß Gott, mein Name ist Polizeihauptwachtmeister Franz Hell und das ist Polizeimeister Herbert Gebhardt. Sind sie der Halter des Fahrzeugs KT-HS 330?“ „Wieso?“ fragte Gottfried; und Franz Hell, ein kleiner, dicker Mittfünfziger schaute jetzt etwas düsterer und sagte im lauten Tonfall: „Sind sie es oder sind sie es nicht?“ Gottfried sagte nur, dass er es nicht sei, die Beamten verabschiedeten sich und verschwanden in der Dunkelheit. „Was wollten die Beiden?“, fragte er sich und nahm die Klebestreifen von dem Bewegungsmelder wieder ab. „Ob die das bemerkt hatten?“, dachte er. Egal. Er ging ins Haus und wollte endlich diesen Scheißkoffer aufmachen. Nachdem, was er bis jetzt gehört hatte, waren da bestimmt nur irgendwelche Zertifikate oder ähnlicher Scheißdreck drin! Zahlenschloss, toll!

Er überlegte kurz, dann setzte er sich ins Auto und fuhr durch die hell beleuchtete Stadt nach Etwashausen, einem Stadtteil von Kitzingen. Sein Freund Ansgar hatte dort eine kleine Halle zur Autoreparaturwerkstatt umgebaut.

Sie waren jetzt nicht so eng befreundet, eigentlich waren sie nur gute Bekannte. Er nahm ihn ab und zu zum Knipsen mit. Ansgar war ein Schrauber, der oft bis spät in die Nacht an irgendwelchen Autos rumfummelte. „Hoffentlich hocken nicht wieder die ganzen Subberexperten (Mainfränkisch für neugescheite Leute) bei ihm drin!“, dachte Gottfried. Sie ließen sich oft das gut gekühlte Bier von Ansgar schmecken, ein kleiner Nebenverdienst von ihm (sozusagen), was gerade so seinen hohen Zigaretten-Konsum finanzierte, wie er einmal Gottfried erklärt hatte. Von der Straße sah er schon die ganze Bande, die sich oft über ihn lustig machte, weil er sich mit Autos nicht so gut auskannte, wie er es ihrer Meinung nach wissen sollte. Eigentlich kannte er sich überhaupt nicht mit Autos aus. „Scheiße“, dachte Gottfried, fuhr aber trotzdem hin, stieg aus und fragte Ansgar gleich, ob er ein Stemmeisen hatte. Dann, die blöde Leier der Subberexperten: “Für was brauchst du denn ein Stemmeisen?“ Normalerweise hätte Gottfried ihnen den passenden Text verpasst, jetzt sagte er aber nur, dass sein Nachbar den Schlüssel für sein Gartenhaus verloren hätte. Deswegen brauchte er das Stemmeisen, um dieses damit zu öffnen, damit er den Laubsauger für seinen Garten holen könnte.

„Okay, das haben sie geschluckt!“, dachte Gottfried und er hatte auch gleich das Stemmeisen von Ansgar in der Hand, der nur noch sagte: „Wiedersehen macht Freude.“ Mit einem höhnischen Gelächter und dem hintennach gerufenen Spruch. „Tu dir nicht weh!“, stieg er ins Auto.

„Arschlöcher!“, dachte er im Stillen. Zu Hause im Vogelspinnweg, ging er schnurstracks in sein Büro, ließ die Rollos der drei Fenster seines Arbeitszimmers runter, schaltete das Licht an und versuchte den Metallkoffer aufzustemmen, was ihm aber auf Anhieb nicht gelang. Beim zweiten Versuch, den Koffer aufzuhebeln, hatte er mehr Glück, eigentlich mehr Glück als Verstand oder so ähnlich. Es war keiner der neuartigen Sicherheitssystemkoffern mit automatischer Tinteneinspritzung beim Versuch, ihn gewaltsam zu öffnen. Er hatte keinen GBS- Signalgeber und auch keine elektronisch geschützten Scharniere und Schlösser, was im Anbetracht des Inhalts leicht hätte möglich sein können. Das Ding war auf und er hob die Oberseite hoch. Woooooooooow,..oh mein Gott! Er verfiel sofort in eine Art Schockstarre bei dem Anblick des Inhalts. Es waren nur lila 500 Euro Geldscheinbündel zu sehen, er nahm ein Bündel heraus und zählte die Scheine. Hundert Scheine in einem Bündel, er zählte die Bündel, es waren genau 98 Stück. Er war so aufgeregt, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Er setzte sich an den Computer und rechnete mit dem Online Taschenrechner 50000 mal 98. Das sind sage und schreibe 4,9 Millionen Euro. Wahnsinn, kalt lief es ihm den Rücken runter. Soviel! Er zitterte am ganzen Körper und bekam Angst. Was sollte er jetzt machen? Er setzte sich auf seinen uralten, durchgesessenen Bürostuhl und überlegte sehr lange, dann ging er in den Garten und holte zwei feste, gelbe Laubsäcke und die weißen Baumwollhandschuhe, die er bei einer Bilderausstellung in einer Bank bekommen hatte.

Zum Glück hatte er die noch Original verpackten Handschuhe nicht verschenkt! Die zuständige Mitarbeiterin der Bankfiliale hat damals eine 50 Stück Packung für 19 Cent das Stück gekauft.

In den einen Sack schlichtete er, mit zittrigen Händen, das Geld, nicht ohne vorher einen 500 Euro Schein zu entnehmen. Gottfried wischte den Plastiksack sehr gründlich ab.

„Scheiße“, er brauchte Kabelbinder, „die wird er morgen unbedingt im Baumarkt besorgen müssen!“ Mittlerweile war es 20 Uhr geworden und Gottfried nahm die Herausforderung innerlich an. „Wäre doch gelacht!“, dachte er sich. Er verstaute den Plastiksack mit dem Geld in der Wohnung seines Nachbarn, der erst vor einigen Wochen verstorben war. Die Doppelhaushälfte hatten beide vor mehr als 20 Jahren gekauft, während sein Nachbar bar bezahlte, hatte er immer noch 50000 Euro bei der Bank stehen. Er ging öfters durch den Hintereingang über die gemeinsame Terrasse ins Haus des Verstorbenen. Deshalb hatte er die Wohnungstüre auch nicht abgesperrt. Es gab ja auch nichts mehr zu holen, außer einer Tiefkühltruhe voll Fertiggerichte und einem Regal voller Ravioli- Dosen und Hering in Tomatensoße. Seit Wochen ernährte er sich von dem Zeug.

Das ganze Haus roch noch nach kaltem Zigarettenrauch. In der Bude wurde zu Lebzeiten des Nachbarn sehr viel geraucht. Seine beiden Kinder hatten es auf die Schnelle nicht nötig, das Häuschen zu versilbern. Ulf, der ältere Sohn war mit einer Brasilianerin verheiratet und lebte in deren Heimatland. Er war einer jener Typen der deutschen Automobilindustrie, die dafür sorgten, dass es unseren Planeten immer schlechter ging und die den Dieselmotor plötzlich in die Schlagzeilen brachte. Mit seiner Frau und den drei Kindern wohnt er in einem abgeschotteten Wohnviertel in Rio de Janeiro. Dessen jüngere Schwester lebt in Hamburg und hat zwei Töchter großgezogen, ließ sich irgendwann einmal scheiden und hat sich seit geraumer Zeit in einen Banker aus Basel verliebt, der jedes Wochenende mit dem Flieger nach Hamburg kommt.

Er verstaute den Sack mit dem Geld in einen zweiten Sack. Nachdem er auf den Spitzboden geklettert war, legte er ihn in eine Kiste mit den alten Sporttrikots seines Nachbarn, der in seiner Jugend einmal Deutscher Hallenmeister über 1500m war.

Erledigt!

Aber das Adrenalin war noch sehr hoch und irgendwie war er total aufgeregt. Darum setzte er sich ins Auto und fuhr über die Bundesstraße 8 nach Würzburg. Es war in den Abendstunden nicht mehr viel Verkehr sodass er zügig vorankam. Bei einem Verbraucher- Großmarkt fuhr er auf den Parkplatz. Er ging hinein und kaufte zwei Flaschen Domina Spätlese vom Wiesenbronner Wachhügel Jahrgang 2013 und bezahlte mit einem 500.- Euro Schein. Er war ziemlich angespannt, als die Verkäuferin den Geldschein in einem Cash Tester auf seine Echtheit prüfte. Es hätte ja auch leicht Falschgeld sein können, und die Reise hätte hier dann schon zu Ende sein können. Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm, dachte er zumindest.

Er bekam genau 475,80 Euro Wechselgeld zurück. „Ganz schön viel Asche!“, dachte er, stieg in seinen Caddy und fuhr wieder nach Hause. Er hatte eine unruhige Nacht mit wenig Schlaf und schlimmen Träumen.

Tag 2

Er hätte im Nachhinein nicht mehr sagen können, wodurch er eigentlich geweckt worden war. Er lag plötzlich hellwach in seinem Bett. Das helle Licht seiner LED-Lampe strahlte auf ihn herab. Der Wecker hatte noch nicht geläutet. Er zog sich an, fuhr mit seinem Auto in die Bäckerei, lud an der Laderampe seine Backwaren ein und fuhr Richtung Nordbrücke. Heute steuerte er den Lieferwagen aber nicht so wie sonst über Volkach, sondern über Sommerach und auch genauso wieder zurück. Von Kitzingen dann wieder nach Sommerhausen und retour, nur nicht auffallen und keine großen Sprünge machen. Dann geht das schon! Dass er schon längst aufgefallen war, sollte er bald merken - und nicht nur bei den Polizeiermittlern!

Sein Nachbar heizte mit Holz, hackte dieses auch selber in handliche Scheite und stapelte sie akkurat an die Hauswand. Er half ihm oft dabei und hinterher tranken sie immer ein Fläschchen Wein und rauchten ein paar Peter Stuyvesant auf der Terrasse. Er griff sich das Hackbeil, um damit den Koffer zu zerkleinern. Er wollte ihn in kleine Stücke hacken und in den Main schmeißen. nicht in den Staustufen hängen blieb. Gottfried pfiff vor sich hin und war guter Laune, als er in sein Auto stieg. Im Autoradio lief Fatboy Slim: „Praise You“. „Der Videoclip dazu ist immer noch eines der besten Clips der Rockgeschichte der Welt!“, dachte Gottfried, als er in Richtung des ehemaligen Truppenübungsplatzes der Amerikaner, in der Nähe von Kaltensondheim, fuhr. Vorher schaute er bei Ansgar vorbei, und gab das Stemmeisen bei ihm ab, dass er vorher gründlich abgewischt und in eine Plastiktüte gesteckt hatte. Ansgar lachte, als er unter einem 40 Jahre Golf hervorkroch. „Na, alles geklappt, mein Freund?“ schwadronierte er. „Logo, kennst mich doch!“, sagte Gottfried, Ansgar lachte und sagte: „Ja, genau, weil ich dich kenne!“ „Scheiße!“, dachte Gottfried, als er den Caddy startete, „Ich hätte mit dem Stemmeisen doch das Schloss am Gartenhaus von meinem Nachbarn wegrupfen sollen! Aber egal, das mache ich heute Abend!“ Nun ging es zuerst zum Baumarkt, um die Kabelbinder zu holen. In der Einfahrt wäre er beinahe mit einem alten, roten Ford Granada zusammengestoßen. „Du Penner!“, schrie Gottfried, nur konnte das der Andere nicht hören. Dann ging es weiter über die Südtangente, Richtung Kaltensondheim. Kurz vor dem Dorf, bog er links Richtung Klingenwald ab, um in der so genannten Hinkelsteinlichtung den Koffer zu zerhacken. Er war tief im Gedanken, was eigentlich passiert war und bekam immer noch eine Gänsehaut, wenn er über das Geschehene nachdachte. Dabei merkte er nicht, dass ihm ein Auto folgte und ebenfalls hinter ihm abbog. Der Mann stieg aus seinem alten Ford Granada und folgte Gottfried zu Fuß, was ziemlich einfach war, denn die Straße, die sich hinauf zum Klingenwald schlängelt, stammt noch aus der Zeit der US-Army und ist mit tiefen Schlaglöchern übersät, sodass Gottfried im Schritttempo fahren musste. Oben angekommen, stieg Gottfried aus seinem Auto und machte erst einmal ein paar Dehnübungen. Dann legte er den Koffer auf einen großen Stein, der wie ein Opferstein einer Prähistorischen Zeit eines Druidentreffpunktes aussah. Er zog sich die Jacke aus, und fing mit dem Zerhacken des Koffers an, was mit dem scharfen Beil keine große Schwierigkeit darstellte. Plötzlich und von Gottfried unbemerkt, stand der bullige Mann, der ihm zu Fuß gefolgt war, hinter ihm und schlug Gottfried mit der Faust mit voller Wucht in den Rücken. Der Schlag war so fest ausgeführt, dass Gottfried für einen kurzen Moment die Luft wegblieb! Dann rappelte er sich wieder hoch, doch der Fremde war schnell und schon über ihm. Er zog Gottfried hoch und versuchte erneut, ihm einen mit der Faust mitzugeben! Gottfried konnte sich aber losreisen und griff nach seinem Beil, in diesen Moment hatte der Fremde aber auch schon eine Glock 22 in der Hand und feuerte auf ihn! Der Schuss streifte nur seine gelbe Sicherheitsjacke, die an einer alten Eiche hing und die Kugel blieb in irgendeinem Baumstamm hängen. “Wo hast du Geld??“, sagte der Fremde und zielte auf die Beine von Gottfried. In einer wahnsinnig schnellen Reaktion schleuderte Gottfried das Beil auf den Fremden, der zwar noch einen Schuss aus seiner Glock abgeben konnte, der aber Gottfried nicht mehr gefährlich werden konnte. Das geschleuderte Beil dagegen schlug voll in den Schädel des Fremden ein und spaltete sein Gesicht. Der Körper des Fremden zuckte nur noch einmal kurz, bevor er tot zusammenbrach. „Scheiße!“ dachte Gottfried, doch erschießen wollte er sich auch nicht lassen, und seine Kniescheiben brauchte er auch noch. Er wunderte sich über die Wucht seines Wurfes, aber da war viel Adrenalin im Spiel! Und er war nicht umsonst Divisionsrekordhalter im Kugelstoßen und Speerwerfen in der vor Jahren aufgelösten Panzerdivision 4 gewesen, als er dort seinen Wehrdienst als ehrlicher W15 abgeleistet hatte, aber das war lange her.

Es war jetzt 10 Uhr in der Frühe. „Was sollte er tun?“ Zuerst zog er sich Gummihandschuhe an, die er immer im Auto liegen hatte und durchsuchte den Mann, was gar nicht so einfach war, bei dem vielen Blut. Er nahm die Geldbörse und das Smartphone an sich und steckte Beides ein. Er schaute sich auf dem Handy um und fand in der Galerie ein Bild eines weißen Citroën Jumpy. Beim Autokennzeichen konnte man nur die Anfangsbuchstaben KT – und ein halbes H erkennen. Das Bild war gestern von einer Zinaida Vidanava verschickt worden, um genau 4:15 Uhr. „Okay“, dachte er, „dann muss ich dieser Zinaida Vidanava auch noch einen Besuch abstatten!“

Er zitterte plötzlich am ganzen Körper und musste sich erst einmal beruhigen, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Er atmete tief durch, die kalte Herbstluft tat ihm gut und er konnte langsam wieder klar denken.

Im herbstlichen Klingenwald kannte er sich sehr gut aus und er überlegte, was zu machen ist und schnaufte dabei noch ein paar Mal ganz tief durch. Er zog den bulligen Toten erst mal ins nahe Brombeergestrüpp. „Dann war er erst mal weg!“, dachte er. Der Waldboden war noch weich und noch nicht gefroren, er setzte sich in sein Auto, fuhr einige hundert Meter, vorbei am NATO Gate wo noch die Bunker der Pershings standen, zu der kleinen Waldhütte, von der er wusste, dass dort die Waldarbeiter des südlichen Teils der Klinge ihre Geräte und Werkzeuge aufbewahrten. Sie war einen guten Kilometer entfernt und mit einem Spaten und einer zweizackigen Weinbergshacke im Transportraum kam er wieder zurück zur Hinkelsteinlichtung und schaufelte ein großes Loch, zehn Meter hinter den großen Steinen. Das Dornengestrüpp riss sogar die Gummihandschuhe auf. Diese Art von körperlicher Anstrengung war er schon lange nicht mehr gewohnt und so musste er mehrmals eine kleine Pause einlegen. Nach fast drei Stunden war es geschafft und er schleifte den Koloss an den Rand der Grube und ließ ihn hinein plumpsen. Dann schaufelte er Laub auf den Leichnam. Die Wildschweine werden den Rest erledigen! Spaziergänger, Waldarbeiter und Forstleute kamen noch recht selten in diese Gegend.

In einigen Jahren würde das anders aussehen da führt dann der Traumrunden Pfad Kitzingen-Sulzfeld vorbei.

Die Lichtung kannte er auch nur, weil er mal für ein Modelsharing einen Platz suchte, wo man ungestört Aktaufnahmen mit einer größeren Anzahl von Fotografen in einem Waldstück machen konnte. Er nahm das Handy, die Glock und den Geldbeutel des Toten, schnaufte tief durch und überlegte was er machen sollte.

Er fuhr zuerst die wenigen Kilometer nach Hause und zog sich um, die Klamotten die er zum Graben getragen hatte schmiss er in die graue Restmülltonne.

Er hatte Hunger und fuhr frisch geduscht und in frischer Garderobe nach Sommerhausen. Er stellte den Wagen auf einen Parkplatz am Ortseingang, neben einer Sparkasse ab und achtete darauf, dass ihn die Videoaufzeichnung der Bank nicht erfassen konnte und ging, bepackt mit einer Plastiktasche, Richtung Mainbrücke. Nachdem er die Mitte der Brücke erreicht hatte, warf er das Handy schön abgeputzt und die SIM- Card, getrennt voneinander, von der menschenleeren Mainbrücke in den Main und die Glock hinterher. Alles lief wie in einem Film vor seinen Augen ab. Dann schlenderte er Richtung Dorfmitte und setzte sich gegenüber dem Torturmtheater erstmal auf eine Bank und steckte sich eine Zigarette an. Beim Rauchen kann er immer gut nachdenken und das war jetzt das Wichtigste für ihn.

Auf der Straße hatten es die Winzer des Ortes ziemlich eilig, geschäftig fuhren sie mit ihren Traktoren an denen meistens zwei Anhänger hingen, in die Weinberge, um die gelesenen Trauben abzuholen. Nach einiger Zeit machte er sich auf, um weiter in den Ort zu gehen, von weitem sah er den Ausleger des Sterne- Restaurants

„Mannis“ , er war schon ewige Zeit nicht mehr beim Essen gewesen, genauer gesagt, seit der Zeit als ihn sein Steuerberater Raymund Müller und der Vermögensberater Leo Maier um sein ganzes erspartes Geld, seine Lebensversicherungen, seine Pensionskasse und auch eine Erbschaft gebracht hatten. Er hat sich von den Beiden verarschen lassen, und beide lachen wahrscheinlich heute noch über das Vertrauen, das er ihnen entgegengebracht hatte. Das war aber jetzt seine geringste Sorge, er wollte einfach das Geld nicht mehr hergeben, koste es was es wolle! Er fühlte sich im Recht. Sozusagen ausgleichende Gerechtigkeit und sein früherer Kampfgeist stieg wieder in ihm hoch.