Ein Leben lang - Haen Son - E-Book

Ein Leben lang E-Book

Haen Son

4,8

Beschreibung

Die österreichischen Gendarmen schauten komisch und interessiert zugleich, als am frühen Morgen ein großer blauer Tieflader in Richtung slowenische Grenze unterwegs war. Carl reihte sich in die Schlange der wartenden Trucker am Grenzübergang ein und wurde dann mit den anderen LKWs einfach durch gewunken. Slowenien war stolz jetzt auch zur freien Welt zu gehören, auch wenn das kleine Land am Anfang der Unabhängigkeit mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte. Es war noch ein langer Weg bis nach Novi Sad.

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Seitenzahl: 417

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Für Carlo, Annelise, Zwölfi und Fery

3.Auflage 2022

Jede Ähnlichkeit mit lebenden und bereits verstorbenen Personen ist rein zufällig. Namen und Handlung sind frei erfunden. Tatsache ist aber: das es über 100 000 Tote und Vermisste bei den Jugoslawien Kriegen gab.

Vom Autor erschienen oder in Planung:

Never give up – Ratgeber gesundes Leben

Never give up Teil 2 - Ratgeber gesundes Leben (In Planung)

Im Wendekreis des Virus – Tatsachen Krimi

Das Virus schlägt zurück – Tatsachen Krimi

Cranach Komplott – Liebeskrimi

Späte Zeit des Glücks – Thriller

Ein Leben lang – Roman

Back- und Lachgeschichten - Humor (Vergriffen)

Saisonarbeit – Roman (wird neu aufgelegt)

Ende der Weinlese – Fantasy (wird neu aufgelegt)

Todholz – Hatterer Krimi (wird neu aufgelegt)

Deadly Running – Hatterer Thriller (wird neu aufgelegt)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Ein Leben lang: Teil 1 – 1967 bis 1984

Ein Leben lang: Teil 2 – 1984 - 2018

Epilog

Prolog

Die österreichischen Gendarmen schauten komisch und interessiert zugleich, als am frühen Morgen ein großer blauer Tieflader in Richtung slowenische Grenze unterwegs war. Carl reihte sich in die Schlange der wartenden Trucker am Grenzübergang ein und wurde dann mit den anderen LKWs einfach durch gewunken. Slowenien war stolz jetzt auch zur freien Welt zu gehören, auch wenn das kleine Land am Anfang der Unabhängigkeit mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte. Am nächsten Morgen bestellte er sich einen Kaffee in einer Bäckerei an der Stadtburg Mariborskigrad und fuhr dann weiter in Richtung Kroatien. Erst jetzt merkte er, auf was für ein Abenteuer er sich da eingelassen hatte, aber ein Zurück gab es jetzt nicht mehr……. Es ist die sympathische Geschichte von Carl, der es vom einfachen Ausfahrer zum erfolgreichen Unternehmer schaffte. Eigentlich ein Frauenheld, wartete er 26 Jahre auf seine große Liebe. Eine Mischung aus Mainfränkischer Realität und schriftstellerischem Freiraum. Fantasievoll, plausibel und träumerisch erzählt. Den ersten Teil des Buches könnte man getrost als Roadmovie verfilmen, der zweite Teil eignet sich eher für eine Tragikomödie im Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert. Geöffnete Gastronomie, Kulturveranstaltungen, Sport und Reisen. Das alles war für die Menschen vor 2020 eine Selbstverständlichkeit über die nicht lange nachgedacht wurde. In den Zeiten der Pndemie sind die Menschen demütiger geworden und sehnen sich nach der Zeit die dieses Buch beschreibt.

Ein Leben lang Teil 1 – 1967 bis 1984

Vor dem Krankenhaus in Grünstadt war kein Parkplatz frei. Carl stellte den Mercedes-Benz 200 dann auf der Straße ab und suchte in der Klinik nach dem Sohn des Professors der von einem Begleitauto angefahren wurde. Zu viert waren sie zum Radrennen „Rund um die Pfalz“ nach Ludwigshafen gefahren. „Überlebt“ hat das 130km lange Straßenrennen in der C-Klasse nur Carl. Dusan fuhr in eine Straßenbahnschiene und flog schon nach wenigen Kilometern durch die Luft. William schoss sich selber ab als er auf der Windkante, in den Straßengraben bei Schifferstadt fuhr. Jeff war in einem Massensturz verwickelt. Carl musste jetzt auch noch alle Räder einsammeln und nach und nach aufs Dach montieren und dann den Mercedes vom Professor nach Kitzingen kutschieren. Die Stimmung bei der Heimfahrt war dementsprechend. „So eine verkakte Scheiße“, schimpfte Carl, „ich fahre so schnell kein Radrennen mehr!“ Er war sauer auf seine Mitfahrer, dass sie so unkonzentriert gefahren waren. „Hoffentlich ist am Auto nichts kaputt!“, meinte der Professor, der auch am Abend noch im Anzug mit Weste und bunter Fliege in der Haustüre stand und seinen, in einem weinrot frisch lakierten, Mercedes in Augenschein nahm.

Carl war ein großes Talent und hatte nach einem Sieg bei einem Kriterium in Dittelbrunn ein Angebot einer guten Radsportmannschaft bekommen. Er wollte jetzt aber erst ein bisschen Geld verdienen, zudem war vor kurzen erst seine Omi verstorben, zu der er ein besonderes Verhältnis hatte. Dann kam alles anders. Er hängte den Job als Elektriker an den Nagel und machte sich selbstständig.

Ein Jahr später. Carl steuert seinen Samba Bully durch die Frühstückskurve in der Auffahrt zum Schwanberg. Die US Army hatte auf dem Berg eine Horchstation gebaut mit der die Amerikaner bis weit hinter den eisernen Vorhang lauschen konnten. Carl hatte hundertzwanzig gut vertäute Literflaschen Rödelseer Küchenmeister Spätlese Jahrgang 1966, die er bei der Winzergenossenschaft in Repperndorf abholte, geladen. Diese waren nicht für die Horchstation bestimmt, er fuhr sie zum Turm Café des Schlosses. Im Autoradio lief Club 16, eine der ersten Musiksendungen für junge Leute. Judy In Disguise von John Fred and his Playboy Band. Der kecke Sprecher der Sendung, ein junger Oberfranke aus Kulmbach, sollte später einmal eine große Karriere als Fernsehmoderator machen. Oben angekommen musste Carl, eine kleine Treppe hochlaufen um sich im Büro des Ordens anzumelden. Erst dann wurde das große Tor geöffnet, durch das er fahren musste um zum Café zu gelangen. Schloss, Turm Café und Haushaltsschule gehörten damals alles zur Communität Casteller Ring einem evangelischen Frauenorden.

Am Eingang zum Cafe auf dem Schlossplatz standen einige Frauen und rauchten Zigaretten. Eigentlich kannte Carl alle Mitarbeiterinnen des Cafes, aber heute lachten neben Schwester Elisabeth noch zwei junge Damen, die er noch nie hier oben gesehen hatte. „Das ist Carl, unser Retter in der Not, er liefert uns so ziemlich alles was wir hier im Cafe brauchen, was hast du denn heute Schönes dabei?“ Während sie das sagte massierte sie ihre Schläfen mit dem Zeigefinger. „Nur den bestellten Silvaner“, gab Carl zum Besten. „Ja dann will ich dir die beiden jungen Damen hier mal vorstellen, die bei uns jeweils ein längeres Praktikum absolvieren, das ist Liesel“, und sie deutete auf die hoch aufgeschossene junge Frau mit süßem Lächeln, „und hier haben wir Dorina aus Jugoslawien.“ „Sehr erfreut“. Carl reichte jeder von den beiden jungen Frauen die Hand und schaute ihnen in die Augen, wie er es immer bei Begrüßungen machte. Liesel wandte sich gleich ab, aber Dorina hielt seinem Blick stand und fuhr unbemerkt mit ihrem Daumen ganz unmerklich über seinen Handrücken. Beide lachten sich an. „So, wo kommt denn der Wein hin, in das Kühlhaus oder gleich in das Cafe?“ Aus Platzmangel wurde im hinteren Eck des Schlossplatzes ein Kühlhaus mit der neuesten Kühltechnik eingebaut um den Getränkevorrat zu kühlen. Schwester Elisabeth, die Chefin des Cafes, ließ drei Kästen gleich in den Schankraum stellen und die restlichen sieben in das Kühlhaus, dass man leicht vom Schlossplatz aus erreichen konnte. „Wer kommt mit?“, fragte Carl in die Runde. Es wunderte ihn nicht, dass Dorina „ich“ rief. „Setz dich auf den Beifahrersitz!“ Er steuerte unter den Augen von Liesel und Schwester Elisabeth, den Bully rückwärts zum Eingang des Kühlhauses. Dorina hielt die Tür auf und er rollte die Weinkisten mit einem Sackkarren in die Kühlung. „Heiß heute“, sagte Carl etwas schüchtern und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dorina lachte ihn erneut dabei an.

Er nahm ein Päckchen Zigaretten aus dem Oberteil seiner blauen Latzhose und reichte die Packung Dorina hin. „Rauchst du?“ Sie zog eine Kippe und Carl reichte ihr sein messingfarbenes Zippo. Als seine Zigarette glühte, nahm er einen tiefen Zug und wieder schauten sie sich dabei tief in die Augen. Verlegen fragte er: „Wo kommst du denn her in Jugoslawien? Darf ich raten, Dubrovnik?“ „Neeiin.“ Sie zog das eeii richtig auseinander, so wie er es schon öfters bei einigen südländischen Leuten gehört hatte, wenn sie deutsch sprechen. “Alle Deutschen denken immer, wenn sie Juguslawien hören an Dubrovnik. Ich komme aus Novi Sad, kennst du Novi Sad?” “Ich glaube ihr habt einen guten Fußballverein, kann das sein?“ Beide lachen. „FK Vojvodina, wir wurden im letzten Jahr Jugoslawischer Meister! Aber wir haben noch mehr zu bieten.“ „Cool und wo liegt Novi Sad genau, ich glaube irgendwo im Norden?“ „Ja, wir sind die Hauptstadt der Teilrepublik Vojvodina und liegen mitten in Serbien, sind aber zum großen Teil Ungarn und sprechen auch ungarisch. Novi Sad liegt am Ufer der Donau. Auf einem Felsen am Flussufer steht die Festung Petrovaradin, die muss man gesehen haben“ Schlau die Kleine hat in der Heimatkunde gut aufgepasst dachte Carl und sagte dann: „Komm wir gehen was trinken bei Elisabeth.“

Als beide das Cafe betraten, schauten Elisabeth und Liesel ganz komisch zu den beiden hinüber. „Komm Carl, trink einen mit mir!“ „Bitte nur eine Schorle, ich muss noch fahren, was braucht ihr jetzt morgen was habt ihr wo bestellt?“ „Wir brauchen unbedingt die 500 Stück Kuchen, fünf große Vierpfünder Bauernstollen geschnitten und die Getränke gebe ich dir am Telefon durch“. „Gut dann pack ich´s wieder!“ Er drückte alle drei Frauen einmal links und einmal rechts, setzte sich in seinen alten Bully und fuhr den Berg hinunter Richtung nach Hause. Im Autoradio lief der Schwachsinnshit Wooly Bully von Sam the Sham the Pharaos, danach trälerten die Walkers Brothers - The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore

Es war die Zeit der kulinarischen Schwelle zwischen Hawaitoast und Käseigel. Clemens Willmenrod war Fernsehkoch. In deutschen Badeanstalten waren hässliche Badekappen aus Plastik Pflicht, die Polizei jagte Verbrecher noch mit dem Käfer und Model hieß noch Mannequin.

Carl fragte sich wie es mit seinem Lieferservice weitergehen soll. Immer mehr Menschen machten Führerschein und auch immer mehr Autos fuhren auf den Straßen. Er war froh, dass er fast alles alleine machen konnte, manchmal half ihm sein slowenischer Freund Dusan Bezjak, der im Haus der Firma Hasenknopf im ersten Stock in Kitzingen wohnte. Keiner wusste so genau was er beruflich machte und den meisten Leuten war es auch egal. Er war einfach da und gehörte irgendwie dazu.

Heinrich Lübke war 1967 Bundespräsident und Kurt-Georg Kiesinger Bundeskanzler. Es gab den Kalten Krieg zwischen den Großmächten. In Berlin stand die Mauer und teilte die Stadt. Dort beim Besuch des persischen Schahs Mohammed Resa Pahlawi und seiner Frau Farah Diba kam es zu schweren Ausschreitungen in dessen Folge der Berliner Student Benno Ohnesorg von einem Stasioffizier in westdeutscher Polizeiuniform erschossen wurde. Auch Che Guevara wurde von einem Feldwebel der bolivianischen Armee ohne Gerichtsverhandlung am 9.Oktober 1967 erschossen was ihn bis heute zu einem Märtyrer gemacht hat. In London gründete sich die Band Jethro Tull, Raumpatrouille lief im Fernsehen und Heino war mit „Wir lieben die Stürme“ erfolgreich. In Schweinfurt gewann der Nürnberger Jürgen Goletz die Internationale Ernst-Sachs-Gedächtnis-Tour für Radamateure bei der Carl den Zieleinlauf der Kugelring Etappe anschaute. Altkanzler Ludwig Erhard besuchte Hofratsgattin Luise Schuster, die in der Kitzinger Falterstraße über der Milchbar wohnte.

Hochstett und Bezjak fuhren auch selber gerne mit dem Rennrad durch die Gegend und galten dadurch in den damaligen Zeiten als ausgesprochene Exoten. Es gab noch keine Radhelme, in den Rennen waren Sturzringe aus Leder vorgeschrieben und den Versicherungen war es egal ob ein Alltagsradler einen Helm trug oder auch nicht. Die Gangschaltungen der Rennräder hatten nur 5 Ritzel (14, 16, 17, 19, 21) hinten und zwei Kettenblätter (42/52) vorne. Es wurde mit Stahlrahmen, von klangvollen italienischen Herstellern wie Ernesto Colnago, Gianni Motta oder Tolmino Gios gefahren. Ihr Verein die RSG Velo Würzburg hatte kein Geld um Sprit- oder Platzierungsgeld zu bezahlen. Beide waren astreine Amateure und rollten mit mäßigem Erfolg in der C-Klasse mit, bis auf den schon erwähnten Sieg von Carl in Dittelbrunn. Touristisches Fahren war bis auf ganz wenige Ausnahmen noch nicht entdeckt. Doch das sollte sich demnächst ändern, denn eine größere Gruppe von Radsportlern aus Mainfranken hatte vor, eine Tour mit dem Rennrad von Hammerfest, der nördlichsten Stadt Europas in Norwegen gelegen, nach Siracusa der südlichsten Stadt Europas am Ende von Sizilien, zu organisieren. Und auch zu fahren und zwar in 20 Tagen. Ende Juli sollte es soweit sein. Es war die Idee der Trans-Europa-Tour.

Bei mehreren organisatorischen Treffen kristallisierte sich heraus, dass noch Fahrer für einige Begleitbusse gesucht wurden. Organisationsleiter Peter Müller fragte Carl und Dusan bei einem Vorbereitungstreffen im Würzburger Luisengarten, einer gut bürgerlichen Kneipe in der Nähe der Residenz, ob sie nicht Lust hätten einen Begleitbus zu fahren. Lohnausfall und eine kleine Aufwandsentschädigung würden sie auch bekommen und obendrein, lachte Müller, könnt ihr ja auch ein paar Silvaner Bocksbeutel an die Wikinger verkaufen. Carl und Dusan schauten sich an und jeder der Beiden merkte und spürte sofort wie es in den Hirnhälften des Anderen zu arbeiten begann. Beide wussten wie teuer der Alkohol in Skandinavien war. Sie baten um eine kleine Bedenkzeit für ihre Entscheidung und wollten in den nächsten Tagen Bescheid geben, wussten aber bereits, dass sie es machen würden, wenn sie als Begleitfahrer in Frage kämen.

Während der Heimfahrt auf der damals noch einspurigen B8 von Würzburg nach Kitzingen, die noch durch die Ortschaften Rottendorf und Biebelried führten, sprachen sie nochmal darüber ob sie mitmachen sollten. Sie dachten beide an Hallvard Olafson einem ehemaligen Abiturienten des Gymnasiums Münsterschwarzach, der jetzt wieder bei seinem Vater in Oslo wohnte und ihm in dessen Feinkostladen behilflich war. Sie lernten Hallvard bei einem Konzert der Band I Drive kennen, die in der Aula einer Kitzinger Schule ein Konzert gaben. In der Pause luden sie ihn zu einem Joint ein, den er dann sein ganzes bisheriges Leben nicht mehr vergaß. Hallvard war so stonend, dass sie mit ihm nicht mehr ins Konzert zurückkonnten.

„Komm lass uns im Biergarten vom Zedlitz noch was trinken!“ Sie fuhren an der Landeszentralbank, gegenüber dem Rosengarten, vorbei in die Friedrich-Ebert-Straße Richtung Bahnhof in dessen unmittelbarer Näher der Biergarten, unter großen Kastanienbäumen lag. „Ich bekomme ein Märzen von Scheuernstuhl“. „Ich auch. Ob warm ob schwul ein Scheuernstuhl!“, lachte Dusan. „Hast du eine Telefonnummer oder eine Anschrift von Hallvard Olafson?“, fragte Carl und Dusan meinte, “telefonieren ins Ausland ist viel zu teuer, ich schreib den Beiden morgen ein Telegramm mit dem Wunsch uns anzurufen!“

Die Bügelverschlüsse der Bierflaschen klackten. Prost. „Wollen wir heute Abend wieder einmal in die Hilly gehen?“ „Warum nicht, aber der Haberkorn nervt mich halt immer mit seinem Getue, aber die Band ist gut die im Moment dort spielt“. Die Framus-String-Band von dem Kitzinger Musiker Heinz Reinhardt, spielte täglich und das schon fast 2 Jahre lang. Und täglich war der Schuppen gerammelt voll. Meistens mit Zupfern aber auch einige Deutsche bildeten das Gastgefüge. Auch Hugo Egon Balder soll mit seiner Band ein Gastspiel in der Hill Billy gegeben haben.

Faxgeräte gab es noch nicht und so watschelte Dusan um 8 Uhr des folgenden Tages zur Post und gab das Telegramm auf, mit der Bitte um Rückruf um 16 Uhr. Da würde dann auch Carl mit seiner Arbeit fertig sein. Von zu Hause rief er bei Carl an und fragte ob er alleine fertig wird, oder ob er ihm helfen solle. „Wäre schön, wenn du mir helfen könntest. Als erstes müssen wir die bestellten Kuchen und die aufgeschnittenen Brote in einer Bäckerei in der Falterstraße abholen. Dazu noch zehn gemischte Bierkästen von der Bürgerbräu. Wichtig dabei ist, dass wir den Kasten Märzen für den Hausmeister nicht vergessen.“

Gegenüber war die Brauerei Lang, da mussten vier große Stangen Eis zu je 30 kg abgeholt werden, der Braumeister hatte eine stattliche Figur und eine rote Knubbelnase, überhaupt schien er an Bluthochdruck zu leiden. Die Eisstangen mussten zu einer Gartenwirtschaft in Hohenfeld und waren für die Kühlung im dortigen Biergarten vorgesehen. Dann noch einige Kisten Limo, Wasser und Cola, die sie bei einem Getränkegroßhändler in Hoheim bekamen. Vom Kaisers Kaffeegeschäft am Marktplatz hatten sie vier Pfund Kaffee für das Cafe am Schwanberg in Rödelsee dabei. Verdienst bei der Tour für Carl etwa 35.- DM.

Mit diesem Service konnte sein Kumpel nicht reich werden, dachte Dusan nachdenklich. Carl fuhr dann noch zum Tanken an die freie Tankstelle Breier am Rosengarten und ließ von Frosch, der dort öfter jobbte, volltanken. Den richtigen Namen von Frosch kannte er gar nicht. Preis pro Liter Diesel 56 Pfennig. Im Radio lief Doktor Schiwago. „Mach den scheiss aus. Ich bekomme Ohrenkrebs!“ schrie Dusan Carl an. „Kauf dir endlich mal einen Kassetenrekorder für deine Karre!“ „Von was, du bist gut!“

Nachdem alles ausgeladen war, rauchte Carl am Kühlhaus im Schlosspark zusammen mit Dorina eine Zigarette, während Dusan ein Zwetschgenwasser und ein kleines Bier zusammen mit Elisabeth trank. Carl lachte mit Dorina. Irgendwie verstanden sie sich großartig und mochten sich von der ersten Minute an. Carl küsste bei der Verabschiedung ihre köstlich empfindsame Stelle zwischen Hals und Schulter und sie spürte in ihrem Inneren ein komisch, wohliges Dahinschmelzen. „Andiamo!!“, rief Dusan und fuhr mit Carl wieder zurück nach Kitzingen, um die nächste Tour zusammenzustellen. Kuchen für eine Beerdigung in Kaltensondheim, Briefumschläge in allen Größen, verschiedene Getränke für einen kleinen Laden in Iphofen und Brot für eine Gaststätte in Hoheim.

Dusan sagte zu Carl: “Süß die kleine Serbin, magst du sie?“ „Ja, sie hat mehr Farbe im Wesen als andere auf der Haut.“ Zurück in Kitzingen gingen sie in Carls bescheidene Neubauwohnung in der Unteren Bachgasse in Kitzingen.

Pünktlich um 16 Uhr klingelte das Telefon und Hallvard Olafson war am Rohr. Sie erklärten ihm, dass sie Wein und Spirituosen unverzollt mit nach Norwegen bringen könnten und ob Hallvard Interesse hätte. „Ich muss mit meinem Vater reden ob sich sowas lohnt und ob er es überhaupt machen möchte, ich rufe in einer Stunde wieder an. Tschüss ihr beiden. Schön wieder einmal was von euch gehört zu haben. Right on Guys!!“ Pünktlich nach einer Stunde klingelte es und Dusan ging ans Rohr und hob ab. „Hallo, ja bitte?“ „Hier Hallvard. Also wir würden 1000 Flaschen Liebfrauenmilch nehmen und 20 Flaschen Weinbrand, wäre das okay für euch??“ „Bekommen wir hin, ihr müsst dann halt auch das Geld cash bereit liegen haben!!“ Carl nahm den Hörer und schnaufte hinein: „Tausend Flaschen von der edlen Liebfrauenmilch aus dem Rheingau das macht so 10 000.- DM plus 800.- DM für den Weinbrand.“ „Das ist aber viel Geld!“, kam es im Hörer zurück. „Entweder – Oder, wir tragen ja auch das Risiko und ihr könnt da locker 10 000.- DM Gewinn draus machen, ohne großes Risiko und Arbeit.“ Es vergingen einige Sekunden des Schweigens. Carl und Dusan schauten sich an. Im Hintergrund hörte Carl ein gebrummel und dann den erlösenden Satz: „Okay, machen wir, Deal!“ Sandie Shaw trälerte ihr Puppet On A String durch den Äther und Dusan pfiff das Lied mit.

Carl pfiff durch die Zähne. Jetzt hieß es für die beiden die 1000 Mark aufzutreiben die sie brauchten, um alles zu besorgen. Dusan drehte an der Wählscheibe und Müller freute sich tierisch darüber, sah es doch fast so aus als würde er nicht genügend Begleitfahrer zusammen bekommen. Da hätte er die Jahrhunderttour absagen müssen, und Sponsoren und Fahrer enttäuscht und die ganze bisherige, zeitaufwendige Vorbereitung wäre umsonst gewesen. „Freut mich, dass ihr mitmacht! Ich wusste ich kann mich auf euch Beiden verlassen.“

Mit Hängen und Würgen brachten die beiden die 1000 DM zusammen. Carl musste dazu die zwei Reservistenkrüge seines Opas und dessen Bruder in Würzburg versetzen, den Offizierssäbel und ein paar Orden aus dem 1. Weltkrieg. Er wusste, dass der Militaria Händler in der Schönbornstraße ihn beschissen hatte, aber was solls, das Geld war jetzt erst mal wichtiger.

Sie wollten am kommenden Wochenende in den Rheingau fahren um die Schachteln mit den Flaschen zu holen. Knapp 180 Sixpack Schachteln Wein mit 0,7 Liter Flaschen mussten geladen werden. Dazu wollten sie sich einen Ford Transit einer bekannten Firma ausleihen. Zwischenlagern würden sie die Sachen in einer alten Scheune in der Kaltensondheimer Straße bei einem Freund bzw. Bekannten von Dusan.

Problem war nur das Gewicht der tausend Flaschen die 1300 kg wogen und der Transit nur auf 1000kg Zuladung zugelassen war. Also mussten sie auch noch den alten Buggy von Carl mit auf die Reise nach Worms nehmen. Vorher riefen sie aber beim Geschäftsführer der Genossenschaft in Worms an, ob der Wein alternativ auch in Tetra Pack abgefüllt werden könnte. Die Tetra Packs müssten dann auch nicht unbedingt bedruckt sein. Wenn das ginge würde das ihr Gewichtsproblem erheblich verbessern.

Zusammen schlenderten sie noch ein wenig durch die Stadt und gönnten sich in der Eisdiele einen leckeren Eisbecher. Aus der Musikbox tönten die Beatles mit Hello Good bye. Carl nahm den Erdbeerbecher und Dusan den mit Schokolade. Noch eine Reval und dann trennten sich ihre Wege. Carl schlenderte ein wenig am Main entlang bis zum Baywasilo. Dort ging er über die Krankenhaustreppen durch die Grünanlagen am Hindenburgring bis zum Hadlatempel und dem Falterturm. Von dort über die Lindenstraße an einer Flaschenbierhandlung vorbei zu den Treppenstufen hinunter in die Untere Bachgasse, wo Kinder mit einem alten ledernen Fußball herumkickten.

Er war früh aufgewacht, durch das geöffnete Fenster hörte er die Geräusche der aufwachenden Straße. Die kleinen Zwillinge von nebenan schrien und die Frühaufsteher auf der anderen Seite der Straße klapperten mit dem Frühstücksgeschirr. Auf seinem Fenstersims zwitscherten zwei Spatzen. Er hatte wieder eine Tour auf den Schwanberg im Programm und freute sich auf Dorina, anscheinend hatte sich eine Busgesellschaft angemeldet, jedenfalls musste er sechs große Bleche mit Schnittkuchen anliefern. Sie hatten eine Größe von 78x58 cm, also ziemlich unhandlich. Käse- Apfel- und Streuselkuchen. Er stieg ins Auto und fuhr zur Bäckerei, bevor er ausstieg hörte er sich im Radio noch den Wetterbericht an und es war wieder schönes Sommerwetter gemeldet.

Kaum, dass er den Buggy im Schlossplatz geparkt hatte, hörte er im Schankraum des Turmcafes einen Riesenlärm. Dort angekommen sah er, dass jeder der Besucher seinen Kuchen so schnell wie möglich bekommen wollte. Es herrschte ein großes Gedränge. Anscheinend war es so eine Art Verkaufsveranstaltung, die immer mehr in Mode kamen und bei der die Senioren meistens draufzahlten. Kaffeefahrt war der neudeutsche Ausdruck dafür. Das Gedränge wurde immer heftiger.

Der Chefin Elisabeth Neuer schien es nicht gut zu gehen, sie stand völlig bleich und apathisch in einer Ecke und auf ihrem Gesicht machte sich ein merkwürdiger Ausdruck breit. Die Sekeritärin der Comunität Gabriella Amber bittet ihn zu helfen. Der Schrecken ist ihr ins Gesicht geschrieben. Jetzt hieß es schnell handeln, darum organisierte er kurzerhand den Ablauf im Cafe. Carl kämpfte sich durch die laute, drängelnde und schubsende Menge und stellte sich vor der Theke auf eine leere umgedrehte Bierkiste. Dann rief er so laut er konnte: “Ruuuhe, verdammt nochmal Ruuuhe und hört mit dem Gedränge auf!!“ Er dachte bei dem Anblick der gierigen Meute, dass bei manchen Leuten die Schaukel einfach zu nah an der Hauswand aufgehängt war. Sein Schrei wirkte und Ruhe kehrte ein. Carl weiter: „Ihr seid eine geschlagene halbe Stunde zu früh hier bei uns im Cafe eingefallen und macht jetzt einen auf Verhungern. Jeder bekommt sein Stück Kuchen, aber es muss jetzt geordnet ablaufen, sonst gibt es gar nix!“ „Es kommen jetzt immer zehn Leute tischweise von euch mit ihrem Teller hier an die Theke und jeder holt sich sein Stück Kuchen ab. Wenn alle durch sind könnt ihr ein zweites Mal kommen und euch ein weiteres Stück holen, Kaffee steht in Kannen auf den Tischen und ihr könnt euch selber einschenken. Die Kondensmilch und der Zucker stehen ebenfalls auf den Tischen.“ Carl teilte mit aus und nach einer dreiviertel Stunde war alles gelaufen, Bleche geleert und der Kaffee getrunken aber Elisabeth ging es immer schlechter. Dorina fragte Carl ob er ihr helfen könne Elisabeth auf ihr Zimmer zu bringen. „Ja darf ich denn da als Mann rein?“ „Es ist ein Notfall, komm schon, stell dich nicht so an!“

Auf dem Weg zu Elisabeths Kemenate, der durch den Schlossgarten führte, musste sich selbige mehrmals übergeben. Irgendwann kurz vor dem Eingang der Schwestern Unterkunft kam dann zu allem Unglück auch noch die Priorin angewackelt und stellte für Schwester Elisabeth unangenehme Fragen. Es hörte sich so an als ob sie den Verdacht hege, dass Elisabeth öfters mal Einen zuviel hinter die Pinte kippte. Sie nahm sie in Empfang und legte ihre Hände um die von Elisabeth und sagte ruhig: „Das wird schon wieder, pass halt auch ein wenig auf dich auf!“ Ihre roten, rissigen Hände zeigten, dass sie wahrscheinlich zu viel mit Putzmittel in Berührung gekommen waren.

Carl ging zurück zu seinem Bus, klopfte die Kuchenbrösel von den Backblechen ab und lud sie in seinen Bus ein. Tauben pickten die Krümmel auf und Dorina kam mit der Priorin im Schlepptau, er wollte sich gerade verabschieden als die Frau ihm die Hand reichte und sich für seine Mithilfe bedankte. „Endschuldigen sie bitte, aber ich muss weiter um mit einigen Handwerkern diverse Sachen zu besprechen. Sie wissen ja wie das ist!“ Er wusste gar nichts, aber dann war die hagere, hochgewachsene Frau mit dem warmen Lächeln auch schon verschwunden.

„Na du Turmretter, was machst du morgen Abend?“, flötete Dorina mit einem strahlenden Lachen im Gesicht. „Ich stehe um 20 Uhr bei dir auf der Matte, oder noch besser am Neptunbrunnen.“ „Okay, und wie sieht deine Planung für das Wochenende aus, wenn du magst lade ich dich zum Essen bei meinen Eltern ein.“ „Und wo sind deine Eltern, wenn ich fragen darf?“ Dorina lächelte schelmisch, „Jugoslawien!“ Dabei schaute sie ihn verschmitzt an und Carl schmunzelte. „Na Bravo und wo da?“ Er hatte schon gemerkt, dass sie ihn veräppeln wollte. „Also, genauer gesagt in Herrenzimmern, das liegt in der Nähe von Bad Mergentheim, überlege es dir um 12 steht der Sonntagsbraten auf dem Tisch des Pfarrhauses.“ „Ich denke ich nehme die Einladung an.“ Carl ließ dann beim Abschiedskuss seine Zunge über Dorinas Lippen gleiten und hauchte ihr ein leises Servus in die Ohren. „Bis Sonntag dann.“ Dorina tauschte einen letzten Blick mit Carl aus. Er schob ihr eine Locke aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf den Hals. Seine grüngrauen Augen versprühten das pure Glück. Er freute sich auf den Sonntag.

Carl fuhr los und hielt bei der Rückfahrt in Rödelsee neben einer Telefonzelle an und wählte Dusans Nummer: „Hast du von der Genossenschaft schon was gehört?“ „Ja die haben bei mir angerufen und das mit den Tetra Packs klappt. Sie haben selber vor eine größere Menge in die Sowjetunion zu liefern und deshalb bekommen wir jetzt einen Preis von 89 Pfennig brutto pro Einheit und das bei einem Inhalt von einem Liter. Gepackt sind sie dann im Karton zu 10 Einheiten mit einem Gewicht von 10 kg. Das macht dann 1000kg und das können wir mit dem Transit abholen, aber erst in zwei Wochen.“ „Okay sowas hört man gerne.“ „Ja stimmt“, entgegnete Dusan, „sie sind dann aber bedruckt in russischer Sprache, also mit kyrillischen Buchstaben.“ „Egal, passt schon, den Norwegern ist es egal was draufsteht, Hauptsache was zu saufen.“

Carl stand um 20 Uhr am Neptunbrunnen, es war noch hell und Dorina schlich sich von hinten an und hielt ihm die Augen zu. Die Mauer war noch ganz warm als sie sich daraufsetzten, sie schauten der Sonne nach, die hinter Kitzingen unterging. Die beiden sprachen nicht viel, sie hielten sich nur an den Händen. Nach zwei Stunden fing Dorina an zu frieren, sie gab Carl einen Kuss und verabschiedete sich Richtung Unterkunft.

Nach einer stressigen Restwoche war Carl froh am Sonntag schön auszuschlafen. Nach einem traumlosen Schlaf, stnad er um 11Uhr auf, stellte sich unter die Dusche und schaute dann, nachdem er sich angezogen hatte, auf der Landkarte nach wo denn dieses Dörfchen Herrenzimmern liegt.

Am Abend vorher hatte er sich entschlossen für Dorina und ihre Mutter je einen schönen Blumenstrauß zu kaufen. Es waren einfache Feldblumensträuße bestehend aus Chrysanthemen, Lisianthus und Inkalilien, die er in einer Gärtnerei in Etwashausen holte. Er kannte die Floristin gut und diese konnte sich die flapsige Bemerkung nicht verkneifen das es auf Dauer teuer kommt mit zwei Frauen. Carl konnte nicht darüber lachen und ging grußlos.

Im Autoradio lief I’m a Believer von den Monkees als er Richtung Ochsenfurt fuhr, dann weiter über Gaukönigshofen, Richtung Bad Mergentheim, hinter Simmringen bog er ab nach Weikersheim, dort den Berg hoch nach Bronn und über Pfitzingen nach Herrenzimmern. Zehn vor zwölf stand er an der Eingangstür des Pfarramtes als er klingelte.

Mit einem strahlenden Lächeln, das aufrichtige Freude ausdrückte, umarmte Dorina den überraschten Carl und gab ihm einen Kuss auf die linke Backe. „Hallo schön, dass du da bist, ich freue mich so, komm doch rein.“ Sie stellte Carl ihren Eltern vor die ihn gespannt von oben bis unten musterten. Sandor und Ruth Balash waren ein sehr nettes Paar, das wie sich später im Gespräch herauskristallisierte, erst seit zehn Jahren verheiratet war.

Ruth Balash war die zweite Frau von Sandor und somit die Stiefmutter von Dorina. Sie stammte aus Pančevo im südlichen Banat, früheres Siedlungsgebiet der Donauschwaben in der Batschka. Direkt an der Mündung der Temesch in die Donau. Sandor, der Vater von Dorina war ein echter Serbe aus Belgrad, der als evangelischer Pfarrer in Pančevo seine Schäfchen betreute und später irgendwie die Pfarrstelle in der Hohenloher Diaspora besetzte. Herr Balash war ein lustiger Typ, klein in der Statur und schlitzohrig in seinen Bemerkungen.

Carl stand immer noch in der Mitte des Zimmers, die zwei prächtigen Blumensträuße in den Händen haltend. „Bitteschön, der ist für sie und der für Dorina.“ „Vielen Dank,“ strahlte Dorina ihn an. „Bitte Herr Hochstett nehmen sie Platz, was möchten sie trinken wir haben einen guten Wein aus der Fruška Gora im Kühlschrank, wissen sie wo die Fruška Gora liegt?“ Carl verneinte die Frage und fühlte sich gerade ein wenig hilflos, weil er befürchtete das er noch weitere solcher Fragen beantworten musste. „Wissen sie was Fruška Gora auf Deutsch früher hieß?“ Er wartete nicht auf die Antwort von Carl, „Frankenwald, die ganze Gegend war früher Deutsch.“ „Okay“, raunte Carl in einem Tonfall, der Herrn Balash signalisierte, dass es ihn nicht sonderlich interessierte. Carl suchte mit seinen Augen nach Dorina. Er war etwas unsicher im Gespräch mit Dorinas Vater über ungarische Traditionen und Essgewohnheiten, über den Hass der Volksgruppen, den Kommunismus und vor allem über Tito dem Großvisier.

Dann ging endlich die Tür auf und Carl sah im ersten Moment nur einen großen gebratenen Vogel auf einem silbernen Tablett. Dorina stellte die Maispoularde auf den Tisch, dazu eine gut gefüllte Soßenterrine mit Fettaugen oben auf, es gab Petersilienkartoffeln und kleine Gemüsemöhren. Während Sandor zum Zugreifen einlud, schenkte er den Fruška Gora ein. Dann nahm er die Geflügelschere um den Vogel zu zerteilen. Dabei rutschte er im Ansatz ab und es schien so als ob der Vogel noch einmal zum Fliegen ansetzen wollte. Der Soßenspiegel auf dem Silbertablett spritzte dabei auf die blütenweiße Damasttischdecke. „Was machst du?“, schimpfte Frau Balash, „Geht es wieder einmal nicht schnell genug? Na ja, er ist immer so hektisch.“ Dorina und Carl mussten lachen. Nach dem vorzüglichen Mahl schenkte Herr Balash noch einen Slibowitz ein und entschuldigte sich dann dafür dass er jetzt zu seinem Mittagsschlaf entschwinden würde. Ein Mann mit Prinzipien eben. Carl half beim Abräumen und aus der Küche, die neben dem Esszimmer lag, hörte er durch die geöffneten Türen, dass Frau Balash zu Dorina flüsterte, dass sie sich jetzt um Carl kümmern solle.

„Komm wir gehen eine rauchen,“ sagte Dorina zu Carl, „wir müssen aber vor die Türe, meine Eltern möchten nicht das im Haus geraucht wird.“

Der erste Zug an einer Zigarette nach einem Essen ist immer der Beste. „Was wollen wir jetzt machen?“, fragte Carl unruhig. Das Essen war zwar ganz gut, aber sein Unterbewusstsein signalisierte ihm irgendwie noch irgendwas anderes. „Okay“, meinte er, gehen wir hier gleich los oder fahren wir ein Stück mit dem Bus?“ „Das ihr Männer immer so ungeduldig sein müsst. Wir fahren ein Stück. Komm mach nicht so ein Gesicht!“

Es war ein herrlicher Frühsommertag mit angenehmen Temperaturen um die 20 Grad, als sie in einen kleinen Waldweg abbogen und den Buggy abstellten. Sie gingen in den lichtdurchfluteten Waldweg und Carl fasste nach der Hand von Dorina. Wortlos liefen sie weiter bis sie zu einer dunkelgrün gestrichenen Ruhebank kamen auf einem goldenen Schildchen stand „Gestiftet vom Heimatverein Rüsselhausen“. Sie schauten sich tief in die Augen. Dorina legte ihre Hände auf seine Schenkel und spürte dabei seine Erektion. Carl zog sie an sich und berührte dabei ganz zärtlich ihre Lippen. Ein Moment intensivster Spannung und Aufregung, aus dem dann immer mehr ein leidenschaftlicher Kuss wurde. Er konnte den Duft von Lavendel riechen. Dorina beherrschte das langsame Zungenspiel. Sie bekamen überhaupt nicht mehr genug voneinander. Nach einer kurzen Pause, in denen sie sich einige Momente in die Augen schauten, was für beide sehr reizvoll war, küssten sie sich wieder hingebungsvoll. Carl fuhr mit beiden Händen an ihren Ohren entlang, mit seinen Fingern in ihr gepflegtes, langes, schwarzglänzendes Haar, drehte ihren Kopf und zog sie erneut gefühlvoll an sich herran. Mit zielstrebigen, langsamen Bewegungen, die Dorina fast zum Wahnsinn trieben, wanderten seine Hände unter ihre Bluse. Er spürte förmlich wie sie es genoss von ihm geküsst und gestreichelt zu werden. Sie zerrte sein Hemd aus dem Hosenbund und streichelte seine kräftigen Brustmuskeln. Nach gefühlten zwei Stunden Fummel- und Knutscherei ließen sie voneinander ab. Carl steckte zwei Zigaretten an und Dorina zog ihren BH wieder an.

„Bist du morgen auf dem Schwanberg?“, fragte Carl nach einer Weile. „Ja ich bin oben, meine Eltern fahren mich morgen früh hoch, ich habe um 18 Uhr Dienstschluss. Es wäre super schön, wenn wir uns treffen könnten. Oder was meinst du?“ Während sie das sagte, nahm sie ihre Kette ab, kam mit strahlenden Augen Carl näher und legte ihm diese um den muskulösen Hals. Es war eine einfache Gliederkette mit einem kleinen Kreuz dran. Carl nahm ihre Hände in seine Hand, faltete sie zusammen und küsste sie. Schweigend stiegen sie in den VW Bus und küssten sich nochmal sehr innig. Im Autoradio lief Dear Mrs. Applebee von David Garrick und Dorina sagte lachend, „Du fragst aber jetzt nicht meine Mutter.“ Einen kleinen Abschiedskuss gab es dann noch bei der Ankunft in Herrenzimmern. Carl ging mit ins Haus und verabschiedete sich höflich bei Dorinas Eltern und fuhr mit Schmetterlingen im Bauch Richtung Heimat. Er war verliebt, es hatte ihn erwischt, sein Herz raste im Casino d´Amour.

Dusan rief bei ihm zu Hause an was er am heutigen Sonntag noch machen wolle: Wir könnten ja ins Roxy gehen es läuft Bonnie und Clyde, oder willst du lieber in „Helga“? sagte er lachend. „Nö, Bonnie und Clyde ist okay, das ist doch der Gangsterfilm?“

Am nächsten Tag hatte Carl eine Fuhre für Neustadt/Aisch, am Abend hatte Dusan gefragt ob er mitfahren könne. Es war hauptsächlich Wein von einer Genossenschaft, der an verschiedene Verkaufsstellen angeliefert werden musste. „Sag a mal Dusan wie bist du eigentlich von Slowenien nach Deutschland gekommen? Du sprichst so gut deutsch, man merkt gar nicht das du ein Yugo bist.“ „Ich bin auch kein Yugo, ich bin ein gebürtiger Slowene was ein großer Unterschied ist. Aufgewachsen bin ich in Österreich, genau an der Grenze im doppelsprachigen Sprachraum bei meinem Kärtnerslowenischen Onkel und seiner Wiener Frau. Meine Mutter ging zum Arbeiten nach Deutschland als ich sechs Jahre alt war. Ich musste da natürlich mikommen. In Karlsruhe schulte ich dann mit großer Schultüte ein. Ja so war das. Ich hatte es nicht leicht in der Schule „Zigeuner“, sagten meine Mitschüler zu mir, aber ich biss mich durch, auch wenn es nicht immer leicht war. Ab der vierten Klasse ging es dann langsam besser und in der Handelsschule war ich dann als Mitschüler anerkannt.“ „Und kannst du noch eure Sprache?“ „Naja das Slowenische schon aber mehr so als Dialekt.“ „Und was machst du eigentlich so beruflich, ich sehe dich nie was arbeiten.“ Dusan schaute Carl ungläubig an und meinte dann: “Sind wir heute wieder a bisserl neugierig, aber ich muss dich enttäuschen, ich kann dir das nicht sagen und ich denke du willst es auch gar nicht wissen.“ Irgendwann wird es Carl aber erfahren, Dusan war Cleaner für den CIA in Deutschland, hatte aber bis dato nie einen wirklichen Auftrag zu erledigen. Nur einmal und der brachte ihn dann dahin wo niemand so gerne hingeht.

Für die Pause die Carl, wenn es irgendwie ging, immer einzuhalten versuchte, kaufte er dem zufällig vorbeilaufenden Zeitungshorscht, der als mobiler Zeitungsverkäufer mit seinem großen ledernen Bauchladen in der Kaiserstraße unterwegs war, eine Mainpostille ab. Er brauchte noch Sandalen, seine abgelutschten Schlappen hielten nicht mehr lange durch so wie die aussahen. In das Geschäft in der Herrenstraße ging er schon als kleiner Junge mit seiner Oma. Schon damals gefielen ihm die dünnen, grünen Heftchen von Lurchi dem Salamander und seinen Freunden. Da er auf eine Verkäuferin warten musste, nahm er sich ein Exemplar und blätterte es durch. Sofort wurden wieder Kindheitserinnerungen bei ihm wach. „So bitteschön, was darf es denn sein?“ „Ich brauche ein paar schöne Sandalen mit Fußbett.“ Dusan kannte die Verkäuferin und raunte zu Carl: „Sie ist nett aber ich finde ihren Spitznamen diskriminierend.“ „Wie ist der denn?“ „Frau Lunge und du kannst dir denken warum.“

Weiter ging es mit der Tour in neuen Sandalen. „So da sind wir, die erste Station.“ Es war ein kleines Geschäft in Markt Bibart, dann kam Scheinfeld und dann Abladestationen in Neustadt/Aisch und Emskirchen.

Dort gingen sie dann ins Gasthaus „Rotes Herz“ und bestellten sich ein Helles und eine Portion Krustenbraten mit Klößen und gemischten Salat. „Wer schafft braucht Kraft“, lachte Dusan. „Guten Appetit!“ Nach dem Essen sagte Carl zu Dusan: „Verstehe mich nicht falsch, ich wollte dich nicht ausschnüffeln, passt schon so wie es ist, Hauptsache wir bleiben Kumpel.“

„Wann wollen die denn nach Norwegen aufbrechen, weißt du schon was Genaueres?“, fragte Carl während der Heimfahrt, er freute sich auf Dorina. „Ja Ende Juli hat doch Peter gesagt, ich kümmere mich drum.“ „Okay, danke, wo soll ich dich rauslassen?“ „Lass mich nach der Neuen Brücke am Krankenhaus raus, ich muss noch jemanden besuchen.“ Carl drehte und fuhr Richtung Schwanberg davon.

Oben erwartete ihn bereits sehnsüchtig Dorina. Süß sah sie aus mit dem blauen Minirock und dem ärmellosen weißen Stehkragenpulli. Sie stieg in den Bus von Carl und gab ihm einen dicken Kuss. „Willst du noch was trinken oder fahren wir ins Grüne?“ Carl hatte Durst und so gingen sie ins Cafe um diesen noch zu löschen. „Na Elisabeth, geht es wieder besser? Schenke mir mal die Hausmarke ein!“ „Den 66iger Rödelseer Küchenmeister Silvaner Spätlese?“ „Bingo!“ Elisabeth trank ein Glas mit und laberte irgendwelche privaten Geschichten. Dorina wurde langsam unruhig. Sie stupste ihn mit den Fuß und verdrehte die Augen in die Kommlassunsendlichgehen Stellung. “Also Lisbeth bis demnächst, wie machen wir es mit der Bestellung?“ Elisabeth gab ihm einen Zettel wo alles drauf stand. „Ich habe noch eine sehr schlechte Nachricht für dich, die Priorin möchte nicht mehr, dass du anlieferst. Sie hat schon Kontakt mit anderen Firmen aufgenommen um direkt beliefert zu werden“, erklärte sie mit ihrer Sozialarbeiterinnenstimme. Carl fiel die Kinnlade runter und auch Dorina schaute etwas verwundert. „Habe ich etwas falsch gemacht oder war ich nicht pünktlich oder was ist der Grund?“ „Sie wird es dir persönlich sagen oder schreiben.“ „Okay, dann kann ich den Laden langsam dicht machen.“

Dorina und Carl gingen zum Bus und waren etwas verstört als sie einstiegen. Sie fuhren jetzt nicht mehr ins Grüne, sondern zu Carl in die Untere Bachgasse nach Kitzingen.

„Komm jetzt, das wird schon wieder,“ versuchte Dorina Carl zu trösten und lachte gleichzeitig verführerisch. „Hast du was zu trinken da?“ Carl verneinte und Dorina zog eine Flasche Rakija aus ihrer Handtasche „Tatatata, hol die Gläser!“ Sie setzten sich auf sein abgewetztes Sofa und Carl legte eine Schallplatte auf - Scott McKenzie: San Francisco be sure to wear flowers in your hair… Er hatte nur Singles dafür aber einen Zehnerwechsler an seinem Dual Plattenspieler. Auf Scott McKenzie folgten: Lovin' Spoonful - Summer in the City, Simon & Garfunkel: The Sounds of Silence, Sonny & Cher - Little Man, Rolling Stones: Get off of My Cloud, The Monkees: I’m a Believer, The Four Tops: Reach Out (I'll Be There), Procol Harum: A Whiter Shade of Pale, The Beatles: Penny Lane, The Mamas & The Papas: California Dreamin' .

“Komm her Carl!”, säuselte Dorina in reizvollem Ton und hob ihren Minirock langsam hoch. Carl konnte sehen, dass sie nichts darunter trug. „Heute bleibt es nicht beim Knutschen.“ Dabei beugte sie sich langsam zu ihm vor. Einer der Spagettiträger ihrer Bluse fiel dabei über die Schulter, sodass ihre Brüste zum Vorschein kamen. „Prost, komm stoß mit mir an!“ Nach einem tiefen Schluck des vermutlichen Selbstgebrannten, bekam er fast keine Luft mehr. Dorina nahm seinen Kopf mit beiden Händen und steckte ihre Zunge tief in seinen Mund. Mit einer Hand langte sie dann in Carls Jeans und spürte seine harte Männlichkeit in ihrer Hand. „Ich prüfe jetzt mal deine Liebhaber Qualitäten.“ „Mach!“ Sie schupste ihn auf das Sofa und zog blitzschnell die wenigen Klamotten die sie noch am Leib trug aus. An beiden Hosenbeinen leierte sie ihm dann die Jeans von den Beinen, sie setzte sich auf ihn und drückte seinen Kopf an ihre Brüste. An denen saugte er dann leidenschaftlich, küsste und knabberte bis ihre Brustwarzen hart wurden und sich aufstellten. Sie sahen aus wie reife rote Himbeeren. Carl befreite sich aus der Umklammerung und riss sich ebenfalls die restlichen Klamotten vom Leib, spreizte ihre Beine und drang in sie ein. Der Moment der Vereinigung war heftig und voller Leidenschaft. Dorina schnappte nach Luft. Sie klammerte sich an seine Schultern und ihre Hüften wogen wie die Gezeiten hin und her. Sie drückte sich ihm entgegen. „Um Gottes Willen“, dachte sie „was für ein begnadetes Teil“, sie mochte es, wenn sie ganz ausgefüllt war. California Dreamin` war gerade zu Ende gegangen und beide hatten einen wahnsinnig guten Orgasmus.

Zufrieden und glücklich steckte Carl zwei Zigaretten an und gab eine davon Dorina, die ihren Kopf auf Carls Bauch legte. Carl machte die Gläser nochmal voll und reichte eins an sie weiter. „Egészségére!” „Na dann!” Ihm gefiel der ungarische Zungenschlag von Dorina.

„Nächste Woche werde ich wieder nach Novi Sad zurückkehren. Es geht mit meinem Studium weiter.” Carl schaute verduzt und fragte Dorina was sie denn studiere und wo. „In Belgrad studiere ich Pharmazie.” „Dann kannst du ja mal eine Apotheke eröffnen,” meinte Carl lächelnd. „Naja, ich kann auch in die Industrie. In Libyen, Syrien und auch im Irak suchen sie bei guten Löhnen in ihren Chemiewerken händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern.” „Die Betonung liegt auf Mitarbeiter, das sind muslimische Länder, die brauchen Frauen eigentlich nur für ihre Harems,” lachte Carl. Beide ahnten damals freilich nicht wie sich die Welt einmal verändern würde.

„Kann ich heute Nacht bei dir schlafen, ich melde mich krank, die bezahlen für Praktikantinnen eh nicht viel.” „Ja klar kein Problem, können ja morgen zusammen ins Schwimmbad, habe erst am Nachmittag eine Tour.”

„Hast du Lust noch ein wenig am Main auszuspannen, vielleicht hat ja Dusan Lust mitzukommen?” „Wer ist denn Dusan?” „Ein Freund von mir der ursprünglich aus Slowenien stammt, das liegt doch auch bei euch da unten.”

Dorina verzog das Gesicht und steckte sich eine Zigarette an. „Bei uns da unten ist gut, die Slowenen kochen schon immer ihr eigenes Süppchen und hören nur Ernst Mosch und die Oberkrainer im Radio, ich mag sie nicht.” „Naja bei Dusan kannst du ja eine Ausnahme machen. Er ist eigentlich Österreicher, aber so genau weiß ich das jetzt auch nicht, aber wenn du nicht magst auch egal.”

Sie gingen Hand in Hand durch die Kaiserstraße und waren trotz Dusan gut gelaunt. Als sie bei einem Reisebüro am Marktplatz vorbei kamen, schauten sie im Schaufenster die Reiseangebote an unter anderem auch aus Dubrovnik und der jugoslawischen Adria.

„Was hälst du davon wenn wir zusammen eine Reise entlang der Adria machen? Im September hätte ich zwei Wochen Zeit.” „Mal schauen ob mein Bully bis dahin durchhält, aber ich denke schon, ja das wäre eine coole Sache, ich war noch nie im Ausland.”

Auf eine Begegnung mit Dusan verzichteten sie dann. Sie liefen noch bis zum Bayernheim und tranken dort eine Kleinigkeit auf der Terrasse und schauten den Sportlern beim Training zu.

Um 21 Uhr waren sie dann wieder in Carls Wohnung. Dorina ging zu ihm hin und knöpfte wortlos genüsslich sein Hemd auf. In seinem leicht geöffneten Mund spürte er ihre Zunge. Dann kniete sie sich vor ihm hin und widmete sich seinem besten Stück. Ihre Bluse hatte sie dabei soweit aufgeknöpft, dass ihr Busen herausbaumelte. Carl legte den Kopf in den Nacken und stöhnte auf unter so viel unverhoffter Wohltat. Er griff in ihr tiefschwarzes Haar und stieß sich ihren leidenschaftlichen Liebkosungen entgegen. Die trieben seine Lust schon fast bis zum Gipfel. „Hör auf“, flüsterte er, „ich werde sonst wahnsinnig.“ Er zog sie hoch und trug sie in sein Matratzenlager wo er sonst schlief. Vorsichtig drang er in sie ein und beide liebkosten sich dabei bis er sich in ihr laut aufstöhnend entlud.

Am nächsten Morgen klingelte es um 8 Uhr und Dorina und Carl schauten sich an. „Mach halt auf!“, sagte Dorina. Carl sprang in eine Jogginghose und ging zur Tür. Es war Dusan mit einer Tüte frischer Brötchen. „Alles fit im Schritt mein Freund?“, strahlte dieser und ging schnurstracks in die Küche. In dem Moment kam auch Dorina aus dem Schlafzimmer und sagte auf Serbokroatisch: „Dobro jutro“ „Dobro jutro“, meinte dann auch Dusan, lachte und fragte: „Woher kommst du?“ Dorina lapidar „Serbien“. „Schön, ich war da noch nie, obwohl ich ja auch ein bisschen Yugo bin.“ „Ihr Slowenen wart noch nie richtige Jugoslawen.“ Jetzt schritt Carl ein und schimpfte: „Hey was wird das jetzt, wir sind alles Menschen und wenn ihr Serben und Slowenen nicht miteinander könnt, dann solltet ihr mal darüber reden aber das was du da machst Dorina ist doch Kindergarten.“ Erbost ging Dorina darauf hin ins Matratzenlager und packte ihre Habseligkeiten. „Carl komm bitte nochmal zu mir“, rief sie im scharfen Ton. „Gehst du oder wie sieht das jetzt aus wir wollten doch ins Schwimmbad?“ „Pass auf Carl, ich sage dir das jetzt nur einmal. Du musst dann entscheiden ob du so viel Vertrauen zu mir hast um das dann auch zu machen. Merke dir 15. September, Bahnhof Jesenice, 15 Uhr, ich gehe jetzt. Gib mir noch einen schönen Kuss.“ Sie steckte wieder ihre Zunge tief in Carls Mund und mit dem Knie spürte sie seine Erektion. Nach zwei Minuten sagte sie Tschüss und war auch gleich fort.

Carl war total verwirrt, Dusan kam aus der Küche und legte seine Hand auf seine Schulter und sagte nur so viel wie: „Weiber sind doch alle gleich“.

„Nächste Woche Worms und dann in zwei Wochen geht es nach Norwegen. Das Geld behalte ich bis wir in Worms sind, ist das okay für dich?“ Noch etwasverstört murmelte Carl, “Ja, ja passt schon.“

Carl fuhr dann später als Lieferant voraussichtlich zum letzten Mal den Schwanberg hoch. Die Priorin lud ihn zu einer kleinen Unterredung vor.

„Lieber Herr Hochstett. Es liegt nicht an Ihnen Carl, wir waren immer sehr zufrieden mit Ihnen, aber wir haben bessere Angebote von Direkt-Lieferanten beim Wein und Fleisch bekommen und auch die anderen Waren bekommen wir jetzt günstiger von einem darauf spezialisierten Großhändler. Hier haben Sie die Adresse, fragen Sie doch mal bei ihm nach ob er Fahrer braucht. Soviel ich weiß, sucht der laufend Mitarbeiter. Mehr kann ich beim besten Willen nicht mehr für Sie tun“ Es war der pure Protektionismus, empfand Carl. „Beim Bäcker stehen wir auch vor einer annehmbaren Lösung. Also vielen Dank für alles, auch für ihren Einsatz vor kurzem bei der Busgesellschaft, es ist nichts Persönliches und nochmal wir waren immer sehr zufrieden mit Ihnen. Also machen Sie es gut und viel Glück für die Zukunft. Stellen Sie bitte zeitnah die Abschlussrechnung.“ Carl brachte den Mund nicht mehr zu und stammelte nur noch ein: „Geht in Ordnung und vielen Dank“ heraus. Da drehte sich die Priorin aber bereits um und entschwand weiter Richtung Schlosspark.

Carl musste sich jetzt erst einmal auf eine Bank setzen und tief durchschnaufen. Die Aussicht war herrlich an diesem klaren Tag, man sah Fröhstockheim, Hoheim, Kitzingen und noch weiter. Dorina war vom Schwanberg schon abgereist. „Was war das mit ihr“, dachte er. 15. September, Bahnhof Jesenice, 15 Uhr. Er muss da mal im Atlas nachschauen wo das Kaff liegt. Im Autoradio lief: „Frag nur dein Herz von Roy Black“, und die Nachrichten berichteten von schweren Rassenunruhen in den USA, die sich dann auch in Kitzingen bemerkbar machten.

Mit Worms klappte alles gut, sie hatten jetzt 1000 Tetra Pack Liebfrauenmilch mit kyrillischer Aufschrift im Depot. Auf dem Etikett war eine junge Frau mit einer übergroßen roten Schleife im Haar abgebildet. Sie war mit einem Dirndl bekleidet und lächelte. In ihren Händen hielt sie einen Weidenkorb gefüllt mit Weintrauben. Im Hintergrund hatte der Maler eine kleine Stadt mit Kirchturm und Stadtmauer und weitere Personen, die mit der Weinlese beschäftigt waren, gezeichnet. „Sieht doch geil aus“, sinnierte Dusan. Dazu noch 20 Flaschen „Bruder Kuno“, einen Weinbrand eines lokalen Winzers und ein paar Flaschen Winzersekt durften natürlich auch nicht fehlen, der wie sich später herausstellte sie beinahe ins Gefängnis gebracht hätte.

Der Begleitkonvoi setzte sich aus insgesamt vier Kleinbussen zusammen. In dem Bus den Dusan und Carl fuhren war die Schmuggelware verstaut. Darüber Ersatzkleidung, Toilettenpapier, Ersatzreifen und lauter Zeugs das nicht so schwer war. Montageständer, Verpflegungsvorräte und Werkzeuge waren in den anderen Bussen untergebracht. Zum Glück konnten sie den Bus über Nacht mit nach Hause nehmen und so in aller Ruhe den Kleinbus laden. Niemand von den anderen Teilnehmern hatte eine Ahnung davon was die beiden in dem Kleintransporter mitführten.

Die A7 war damals noch nicht komplett ausgebaut, erst ein Jahr später war die Autobahn bis Hamburg durchgehend befahrbar. So konnten sie nur bis Schweinfurt auf der Autobahn fahren. Durch die Rhön ging es auf der Landstraße weiter.

In Kiel ging es mit der großen Autofähre „Prinzess Ragnhild“ nach Oslo weiter. Die Radsportler waren gut drauf und überhaupt nicht aufgeregt, jedenfalls konnte man nichts dergleichen bemerken. Einer von ihnen tönte bei jeder Gelegenheit: „Wir müssen es rollen lassen, einfach nur rollen lassen“. Nach 19 Stunden auf der Fähre fuhren sie die Busse von dem großen Schiff in Oslo an Land und durch den Zoll. Die Norweger staunten nicht schlecht als sie die bunten „Trans-Europa-Tour“ Fahrzeuge sahen und winkten alle vier Fahrzeuge problemlos durch. Von weitem sahen sie die Sprungschanzen des Holmenkollen.

Plötzlich, ein Schuss, oder so etwas ähnliches…. Carl und Dusan erschraken und sahen sich bestürzt an. Ein Korken einer mitgebrachten Sektflasche hatte sich mit einem riesen Krach aus der Flasche befreit. Es zuckten nicht nur Carl und Dusan zusammen. Auch die Zöllner hörten es. „Burst tyre!“, rief Dusan instinktiv, der Zöllner winkte lachend und drehte wieder ab. “Das hätte ins Auge gehen können, ich wusste gar nicht, dass wir Schampus an Bord haben, war das die einzige Pulle?“ „Ich sagte doch, dass ich ein paar Pullen Schampus mitnehme!“