Broken Strings - Katrin Frank - E-Book

Broken Strings E-Book

Katrin Frank

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Beschreibung

Ein zerplatzter Traum und eine Liebe, die nicht sein darf …  Abigail träumt davon, wie ihre Schwester Ava auf den großen Musicalbühnen des Broadways zu stehen. Sie hat die besten Voraussetzungen dafür, denn ihre Stimme ist einzigartig. Aber leider hat sie furchtbares Lampenfieber und bringt vor anderen keinen Ton heraus. Deshalb vergeigt sie auch das Vorsingen an der New Yorker Musicalakademie. Doch zum Glück hat Abi einen Plan B: Sie beginnt eine Ausbildung zum Make-up Artist und bekommt so die Möglichkeit, hinter den Kulissen zu arbeiten. Dabei lernt sie Liam kennen, den Stardarsteller ihrer aktuellen Produktion. Die beiden kommen sich näher, doch Abi hält ihn auf Abstand. Sie hat Angst, er könnte von ihrem Geheimnis erfahren. Denn es gibt einen Grund, warum sie immer wieder versagt … Von Katrin Frank sind bei Forever by Ullstein erschienen: Meet me in L.A. I kissed the Boss Faith in Love Broken Strings

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Seitenzahl: 376

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Broken Strings

Die Autorin

Katrin Frank, geboren 1983, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Klagenfurt am Wörthersee. Sie ist leitende Angestellte in einer Autovermietung und Hobbyautorin. Für ihre Liebes- und Fantasyromane holt sie sich Inspiration bei zahlreichen Reisen ins Ausland sowie bei ihrer Nebentätigkeit als Hochzeitsplanerin. Am liebsten liest sie berührende und spannende Romane, Schreiben bedeutet für sie vom Alltag abzuschalten und eigene Welten zu bauen.

Das Buch

Ein zerplatzter Traum und eine Liebe, die nicht sein darf …

Abigail träumt davon, wie ihre Schwester Ava auf den großen Musicalbühnen des Broadways zu stehen. Sie hat die besten Voraussetzungen dafür, denn ihre Stimme ist einzigartig. Aber leider hat sie furchtbares Lampenfieber und bringt vor anderen keinen Ton heraus. Deshalb vergeigt sie auch das Vorsingen an der New Yorker Musicalakademie. Doch zum Glück hat Abi einen Plan B: Sie beginnt eine Ausbildung zum Make-up Artist und bekommt so die Möglichkeit, hinter den Kulissen zu arbeiten. Dabei lernt sie Liam kennen, den Stardarsteller ihrer aktuellen Produktion. Die beiden kommen sich näher, doch Abi hält ihn auf Abstand. Sie hat Angst, er könnte von ihrem Geheimnis erfahren. Denn es gibt einen Grund, warum sie immer wieder versagt …

Katrin Frank

Broken Strings

Abi & Liam

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinSeptember 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-477-0

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Nachwort und Danksagung

Leseprobe: I kissed the Boss

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Playlist

Widmung

Für meine Mama, die mich stetig bestärkt, bedingungslos unterstützt und mich zu keiner Sekunde meines Lebens zu einem anderen Menschen formen wollte.

Playlist

Musical: Rudolf: Affaire Mayerling – Du bist meine WeltFlowrag – Dann kommt die MusikMusical: Elisabeth – Die Schatten werden längerP!nk – F**kin’ PerfectMusical: Schikaneder – Träum großLady Gaga und Bradley Cooper – ShallowMusical: Tanz der Vampire – Totale FinsternisP!nk – Walk Me HomeMusical: Elisabeth – Wenn ich tanzen willMovie: The Greatest Showman – This Is MeMusical: Pretty Woman – You’re BeautifulRachel Platten – Fight SongMovie: Grease – Summer Nights

Kapitel 1

»Shit, du hast es vergeigt!«

Als wäre mein Versagen nicht offensichtlich, donnern mir die Worte meiner Schwester Ava entgegen. Mit blasierter Miene starrt sie mich an. Dabei wirkt ihr sonst so hinreißendes Porzellangesicht, als wäre es um Jahre gealtert. Soeben habe ich meinen Traum hingeworfen. Mein Körper zittert, als ich durch den Korridor der Musical-Akademie in Richtung der Waschräume laufe. Eilig drücke ich die Klinke mit schweißnassen Händen nach unten und verschließe die Tür hinter mir. Im nächsten Augenblick sinke ich auf die Knie und übergebe mich. Immer wenn ich denke, dass es vorbei ist, schüttelt es mich erneut. Qualvoll zieht sich mein Magen zusammen und erbebt schmerzhaft, bevor ich erlöst werde. Sobald die Krämpfe nachlassen, wische ich mir den Mund mit einem Taschentuch trocken und bevor ich die Klospülung betätige, lausche ich, ob ich jemanden vor der Tür ausmachen kann. Als ich nichts höre, atme ich erleichtert auf. Ava ist mir nicht gefolgt.

Ich bin keine graue Maus, aber im Vergleich zu meiner Schwester wirke ich farblos. Sie ist fünf Jahre älter als ich und hat letztes Jahr die Ausbildung an der Musical-Akademie in New York City abgeschlossen. Bereits während des Abschlussjahres bekam sie ihr erstes Engagement am Broadway. Nicht irgendeines. Seither darf sie die Hauptrolle im Musical Wicked spielen: die Elphaba. Ihr Erfolg kam nicht überraschend. Sie ist grandios. Wenn sie die Bühne betritt, umhüllt sie eine magische Aura. Mit ihrer klassischen Stimme hat sie es auf die große Bühne des Musicals geschafft. Nur das Belting, eine Gesangstechnik, bei der die Stimme besonders schmetternd und voll klingt, beherrscht sie nicht. Dabei ist diese Technik für eine Musicalstimme von Bedeutung, und gerade deshalb ist ihr Durchbruch besonders erstaunlich. Denn grundsätzlich zeichnet gerade das Belting einen Musicaldarsteller aus. Doch sie schafft es bei Auditions mit ihrer klassischen Stimme zu überzeugen.

Während sie ihren Traum lebt, spüle ich meinen im Klosett hinunter. Es gab nur eine Chance: dieses eine Vorsingen. Und ich habe es vermasselt. Ich stand mit weit aufgerissenen Augen auf der Bühne und brachte keinen Ton hervor. Ich hätte es besser wissen müssen. Es war nie anders. Sobald ich auf der Bühne stand, versagte ich. Ich hätte nie auf Ava oder Mom hören dürfen. Sie haben mich dazu gedrängt, mir zugesprochen.

Meine Mom war in jungen Jahren ebenfalls eine herausragende und erfolgreiche Schauspielerin am Broadway. Da lag die Frage nahe, warum nicht auch ich auf den großen Bühnen stehen sollte. Die Antwort ist simpel: Ich konnte noch nie vor anderen singen. Ich singe nicht mal vor Ava oder Mom. Sie haben mich zu Hause gehört, als ich dachte, ich sei ungestört. Zwar war mir das irgendwann bewusst, doch da sie mich dabei nicht sehen konnten, war es mir egal.

Lange lasse ich das eiskalte Wasser über meine Handinnenflächen laufen. Es fühlt sich wohltuend an, so als würde es mein Scheitern lindern. Die Minuten davor eliminieren, als wären sie nie geschehen. Der Strahl, der auf meine Haut trifft, löscht meine Zukunft aus.

Es dauert eine Weile, bis ich mich überwinde und den Kopf anhebe, um mein Spiegelbild anzublicken. Verquollene Augen und schwarze Mascarareste, die an den Wangen kleben, stechen hervor. Mit meinen nassen Händen wische ich die hartnäckigen Überreste der Wimperntusche ab, immer und immer wieder, bis sie endlich verschwinden. Dabei gebe ich mir Zeit. Ich lasse meine Finger über die Lippen gleiten, wasche meinen Mund und spüle einige Male aus, bevor ich erneut prüfend mein Spiegelbild mustere.

Als ich gerade sichergestellt habe, dass nichts mehr darauf hinweist, dass ich eben noch erbrochen habe, bleibt mein Blick an ihm hängen. Sofort beschleunigt sich mein Puls und meine Knie fühlen sich ungewöhnlich weich an, so als könnten sie jeden Augenblick nachgeben. Sein blondes gelocktes Haar fällt locker nach hinten, der Look sieht überraschend natürlich aus. Seine vollen Lippen sowie das unverwechselbare Grübchen am Kinn, das ihn maskuliner aussehen lässt, als es erträglich ist, brennt sich in mein Gedächtnis. Nein! Mach, dass er sich eben erst in der Tür geirrt hat.Er darf nichts mitbekommen haben!

Die Zeit scheint stillzustehen, als ich in die ernsten Züge seines Gesichtes starre. Ich kenne ihn. Nicht nur, weil er eben noch in der Jury saß. Ich meine, wer kennt ihn nicht? Liam Baker ist der Star am Broadway. Ich blinzle erschrocken, bevor ich mich ihm zuwende.

»Es gibt Schlimmeres, als bei einer Audition nicht zu singen.« Einer seiner Mundwinkel zuckt, als er das sagt und mir ein kleines Handtuch hinhält. Ich zögere, weil ich nicht will, dass er meine zitternden Hände bemerkt, bevor ich das Tuch schließlich doch annehme und mein Gesicht damit abtrockne. Währenddessen macht er keine Anstalten die Toilette zu verlassen. Selbst dann nicht, als ich das Tuch in den Korb werfe und mich eilig zur Tür wende. Sein Blick brennt sich auf meinem Rücken ein, als säße ich an einem heißen Sommertag in der Mittagssonne.

»Hey, ich meine das ehrlich.«

Seine Stimme beschert mir eine hauchzarte Gänsehaut, vielleicht weil ich weiß, wie einzigartig sie klingt und was sie in mir auslöst. Das macht alles nur noch schlimmer. Ich liebe es zu singen. Ich liebe die Musik. Ich liebe das gottverdammte Theater! »Was?«, will ich wissen und sehe über meine Schulter hinweg zu ihm. Inzwischen beobachtet er mich mit verschränkten Armen. Sein Gesicht hat sich etwas aufgehellt.

»Der Tod.«

Auch wenn die Situation noch so absurd erscheint und ich mich alles andere als glücklich fühle, ich lächle.

»Eine Pizza ohne Käse?«, bemerkt er, dabei macht er einen Schritt auf mich zu und mein Herz stolpert unbeholfen vor sich hin, als er über meinen Kopf hinweg zur Tür greift, um sie zu öffnen.

Ich seufze hörbar auf. »Dir ist bewusst, dass ich mir das Singen am Broadway abschminken kann, oder?«

Er überlegt kurz. »Wenn du es wirklich gewollt hättest und es die eine Sache gewesen wäre, für die du zu kämpfen bereit gewesen wärst, dann hättest du gesungen.«

Die Feststellung lässt mich hart schlucken. Sicher war es mein größter Traum auf der Bühne zu stehen, und ich habe keinen blassen Schimmer, weshalb sich Zukunftsträume so stark von der Realität abheben. Allerdings war es nicht ich, die darauf gedrängt hat, mich für das Studium hier anzumelden. Gerade deshalb ist die Tatsache, wie sehr mich mein Versagen kränkt, angsteinflößend.

»Ist es nicht so?«, hakt er nach.

Seine Worte gefallen mir kein bisschen, aber vermutlich hat er nicht unrecht damit.

»Oder du kannst kein bisschen singen.« Er zwinkert mir zu, woraufhin ich breit grinsen muss, obwohl mir eigentlich nicht danach ist, denn ich weiß es besser. Dann schlüpfe ich unter seinem Arm hindurch nach draußen.

»Es gibt nichts, das ich lieber tun würde, als auf einer Bühne zu stehen und zu singen.«

Der Blick seiner blauen Augen ruht geduldig auf meinen, ehe wir von Ava unterbrochen werden. »Liam, sie warten auf dich.«

»Komm mit mir, ich gebe dir fünf Minuten, um es ihnen zu zeigen.«

Liams Aufmerksamkeit gehört mir, als er ein ganzes Stück näher an mich heranrückt und mich mit seinem Blick einfängt. Die Zeit scheint stillzustehen, als ich mich in seinen Augen mit dem ungewöhnlichen Sternenmuster verliere.

»Liam!«, ruft meine Schwester erneut. »Sie machen sonst ohne dich weiter.«

Angespannt trete ich von einem Bein aufs andere, kaue auf meiner Unterlippe herum, während ich überlege, es erneut zu versuchen.

»Geh schon. Hast du nicht gehört, sie machen sonst ohne dich weiter«, sage ich unsicher.

»Letzte Chance?«

Anders als vorher klingt seine Stimme nun rau und ich weiß, wenn ich jetzt nicht gleich mit ihm gehe, war es das. Meine zweite Chance, die sich eben aufgetan hat, würde wie eine Seifenblase zerplatzen.

Ich rühre mich nicht vom Fleck, ich spüre, wie sich kalter Schweiß unter meinen Achseln und an meinen Handflächen sammelt.

»Du wirst deinen Weg gehen«, erklärt er ruhig, darauf wendet er sich Ava zu.

Ich bin weiterhin wie versteinert, deshalb erwidere ich nichts. Stattdessen starre ich ihm hinterher, wie er mit meiner Schwester, die mich ignoriert und kein tröstendes Wort für mich übrighat, aus meinem Blickfeld verschwindet.

Kapitel 2

»Eine weitere Nacht?« Ava rollt mit den Augen. »Du wiederholst dich!«

»Ich bitte dich. Ich bekomme den Ausbildungsplatz.«

Ihr verächtliches Schnauben lasse ich unkommentiert. Ich weiß, dass ich ihr, seitdem ich bei ihr lebe, mächtig auf die Nerven gehe. Dennoch will ich nicht zurück nach Santa Monica. Ich weigere mich, denn Mom hat mir ein Ultimatum gestellt. Ich müsse mich für eine andere Musikakademie entscheiden und es erneut versuchen. Nur dann will sie mir finanziell weiter unter die Arme greifen. Das ist wahre Erpressung und da es mich betrifft, ihre Tochter, irgendwie herzlos. Natürlich könnte ich Dad um Hilfe bitten, doch er lebt zurzeit in Europa und hat viel um die Ohren. Ich will ihn da nicht mit reinziehen.

Ich bin einundzwanzig Jahre alt und gezwungen, mir schnell einen anderen Plan zurechtzulegen. Es war nie meine Absicht, mich bei Ava einzuquartieren. Mit ihr zusammenzuwohnen zählt nicht unbedingt zu meinen Highlights. Ihre pedantische, perfektionistische Lebensweise nervt. Nur leider kenne ich in New York eben niemanden, deshalb ist mir nichts anderes übriggeblieben.

Meine Freunde leben in Kalifornien. Natürlich hätte ich für ein paar Tage bei ihnen Unterschlupf gefunden, aber ich will es unbedingt versuchen und in New York Fuß fassen. Das wollte ich immer schon. Selbst wenn ich nicht auf der Bühne stehen kann, will ich wenigstens hinter den Kulissen arbeiten. Ein Leben ohne das Theater will ich mir erst gar nicht vorstellen. Schon als Kind war ich ständig hinter der Bühne unterwegs. Eine lange Zeit war das Theater sozusagen Avas und mein Spielzimmer. Wir begleiteten unsere Mom oft und haben ihre Auftritte hautnah miterlebt. Und ich habe es damals schon geliebt. Mehr als das. Ich kann es nicht in Worte fassen, manchmal selbst nicht begreifen, was diese Welt mit mir anstellt. Sie macht mich glücklich. Nimmt mich mit in eine vollkommen andere Sphäre. Wenn ich den Klängen des Orchesters lausche und die Hingabe in einer Stimme höre, zerfließe ich. Ich bin sozusagen süchtig nach diesem Gefühl. Es lässt mich auf einer Wolke schweben und herabsehen auf das wahre Leben. Mit dem Zauber der Musik im Ohr und der nötigen Distanz wirkt die Realität erträglicher.

»Selbst wenn du diese Ausbildung beginnst, du wirst dir in New York keine Wohnung leisten können und weiterhin hier wohnen müssen«, stellt Ava trocken fest.

Ich weiß das natürlich. »Du hast ein Gästezimmer, das leer steht. Tagsüber bin ich ohnehin nicht hier und abends bist du unterwegs. Ich verspreche dir, sobald ich mehr Geld beisammen habe, suche ich mir eine eigene Bleibe.«

Sie nimmt sich zusammen, das kann ich an ihren flatternden Nasenflügeln erkennen. Sie sieht aus wie ein Drache, kurz bevor er eine meterlange Feuerspur speit. Ich sollte es für den Moment gut sein lassen.

Himmel, wie sehr ich diese Stadt vergöttere. Ich kann mir keinen passenderen Ort für mich vorstellen. Aus Liebe zu New Yorks Straßen und weil ich in Wahrheit nicht genügend Geld für ein U-Bahn Ticket besitze, laufe ich die fünfundzwanzig Blocks zum Vorstellungsgespräch. Die Sonnenstrahlen bahnen sich den Weg zwischen den Hochhäusern hindurch und wärmen den Beton. Der kühle Wind ist unnachgiebig, weshalb ich mir eine Wollmütze bis tief zu den Augenbrauen gezogen habe. Klar, meine Frisur ist somit dahin. Das ist nicht gerade optimal, wenn man bedenkt, dass ich gleich ein Vorstellungsgespräch bei dem Visagisten am Broadway habe.

Mein Magen knurrt, als ich die letzten beiden Blocks entlanglaufe. Ich war zu angespannt, um überhaupt einen Bissen runterzubekommen. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, habe ich seit mehr als vierundzwanzig Stunden nichts gegessen. Avas Kühlschrank bietet außer Salat und Cola kaum etwas. Ich kann es mir auch nicht leisten, großartig einzukaufen, sonst hätte ich das bereits gemacht. Zwanzig Dollar trage ich in meinem Portemonnaie bei mir und siebzig sind im Seitenfach meines Rucksacks, der in Avas Wohnung liegt. Ich glaube zwar, dass mir Mom ein bisschen Geld schicken würde, wenn ich darum bitte, doch das will ich nicht. Das würde voraussetzen, mit ihr zu telefonieren und das wiederum würde bedeuten, mich mit ihren Ratschlägen auseinandersetzen zu müssen. Ich habe mir fest vorgenommen, sie nur im äußersten Notfall um Geld zu bitten. Ihre Worte waren unmissverständlich und mein Wunsch, mich aus ihren Fängen zu befreien, ebenso.

Als ich endlich an der 41sten Straße ankomme und vor dem gerade mal zehn Stockwerke hohen Gebäude stehe, gucke ich prüfend auf mein Smartphone. Ich habe mir die Adresse mit einer Stecknadel markiert, denn die Straßen in New York sind für mich wie ein Labyrinth. In Santa Monica war ich immer mit dem Wagen unterwegs, nie bin ich irgendwohin zu Fuß gegangen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Das tut in Santa Monica niemand. Jedenfalls niemand, der sich ein Auto leisten kann. Hier in New York sieht das anders aus. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die meisten Leute parken ihre Autos die meiste Zeit in der Tiefgarage oder sie haben sich erst gar keines zugelegt.

Erneut blicke ich auf das alte Backsteingemäuer, das zwischen den Hochhäusern heraussticht, und plötzlich setzt es ein. Mein Herz wummert gegen die Brust, als würde es jeden Augenblick herausspringen. Ich habe keine Kontrolle über meinen Körper. So sehr ich mich konzentriere, versuche meine innere Ruhe zu finden, es hämmert unaufhörlich weiter. Das Vorstellungsgespräch in wenigen Minuten wird über meine Zukunft entscheiden. Nicht nur das, es wird darüber bestimmen, ob ich jemals an einer Produktion werde mitarbeiten dürfen. Denn ich wüsste nicht, wie ich dem Theater sonst nahe sein könnte. Personen zu verwandeln, aus einem Mann einen Horrorclown zu zaubern oder aus einer Frau eine Diva, das liegt mir. Schon als Kind probierte ich mich darin und schminkte Avas Puppe, was sie immer rasend wütend machte. Später dann schminkte ich meine Freundinnen zu Halloween. Kein Tutorial auf YouTube war jemals eine Herausforderung für mich. Ich habe das Gefühl, ich kenne sie alle und es gibt nichts, was mir nicht gelingt. Trotzdem habe ich außer meines jämmerlichen Lebenslaufes, der nicht viel hergibt, und meines Abschlusszeugnisses nichts, das auf meine Kreativität hinweist. Deshalb bin ich unsicher.

Schließlich überwinde ich mich, schiebe meine Gedanken beiseite und zwinge mich durch die Tür. Als ich im Inneren des Gebäudes ankomme, bin ich erstaunt. Denn nichts hier drin sieht heruntergekommen aus. Die Fassade hat ihre besten Jahre bereits hinter sich, deshalb verblüfft mich das schicke, moderne Interior umso mehr.

Ein auffälliges Räuspern lässt mich herumfahren, während ich noch dabei bin, mir alles genau anzusehen.

»Hey, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

Ein Mann mit einem viel zu roten Gesicht, das auf erhöhten Blutdruck hindeutet, winkt mich zu sich heran.

Meine Schritte hallen durch die Lobby, als ich nähertrete. »Ich möchte zu Mr Shan.«

Könnten Mäuse sprechen, würden sie vermutlich genau so klingen. Fiepsig, eine Stimme in einer derart hohen Tonlage, dass sie für menschliche Ohren ungeeignet ist.

Ich sehe die Belustigung in seinen Augen aufblitzen, während er mich inspiziert. Dann senkt er den Kopf und tippt etwas in den Computer. Ungeduldig trete ich von einem Bein auf das andere. Immerhin bleiben nur noch wenige Minuten bis zum Termin und ich will nicht zu spät kommen.

»Der Fahrstuhl befindet sich links. Fünfter Stock«, erklärt er endlich, ohne vom Bildschirm aufzusehen.

Ich zögere.

»Auf was warten Sie noch?«

»Die Treppe?«, frage ich kleinlaut.

Er verdreht die Augen. »Gleich daneben.«

Ich bedanke mich schnell und laufe los. Wenn es eines gibt, was ich nicht leiden kann, dann sind es Fahrstühle. Weshalb genau kann ich nicht sagen. Ich habe keine Höhenangst oder dergleichen. Okay, vielleicht bin ich nicht besonders scharf darauf, mich mit anderen Personen auf engem Raum einsperren zu lassen, aber das ist nicht der Grund, weshalb ich so gut wie immer die Treppe nehme. Ich mag Fahrstühle nicht, das ist alles.

Während ich die letzten Stufen erreiche, ziehe ich mir die Mütze vom Kopf und streiche mein braunes glattes Haar zurecht. Ich atme noch einige Male kräftig durch, bevor ich gegen die einzige Tür in diesem Stockwerk klopfe. Meine Finger halten inne, als sich nichts tut. Doch dann öffnet sich die Tür und ich schaue in strahlend blaue Augen. Mein Herz setzt einige Schläge aus, als ich beobachte, wie sich sein Mundwinkel in Zeitlupe zu einem Lächeln verzieht.

»Sag bloß«, bemerkt Liam und legt den Kopf leicht schief.

Unter seinem Blick stellen sich die kleinen Härchen auf meinen Unterarmen auf. Ich bin erleichtert, denn ich trage eine Jacke und somit bleibt ihm meine Reaktion verborgen. Die Überraschung, ihn hier wiederzutreffen, steht mir ohnehin ins Gesicht geschrieben.

»Ich habe einen Termin mit Mr Shan.«

Meine Stimme hat ihren Klang wiedergefunden. Unbemerkt atme ich auf.

Er schwingt die Tür ein Stück weit auf und deutet mit dem Kopf über seine Schulter hinweg. Ich wende mich von ihm ab und betrete den Raum. Es ist ein mondförmiger Saal mit unzähligen Spiegeln und Schminktischen darin. Ich schätze, es dürften sich an die zwanzig Tische und Spiegel darin befinden. Ich sehe mich weiter um, bis ich Mr Shan entdecke.

»Guten Tag.«

Mit großen Schritten gehe ich auf ihn zu und strecke ihm meine Hand entgegen. Ich weiß, wie er aussieht. Ich habe ihn gegoogelt. Und das nicht nur ein Mal.

Sein Blick wandert zu meiner Hand und dann wieder hoch in mein Gesicht. »Setzen Sie sich.« Er deutet auf einen schwarzen Stuhl direkt vor seinem Schreibtisch. Meine Hand ignoriert er.

Unbeholfen blicke ich darauf, lasse sie dann aber so unauffällig wie möglich sinken. Die Situation ist mir unangenehm. Ekelt er sich vor mir? Oder weshalb wollte er sie nicht schütteln? Habe ich eine hässliche Hand? Vielleicht ist sie schmutzig und ich habe es nicht bemerkt? So dezent wie möglich schiele ich erneut zu ihr herunter. Doch da ist nichts Offensichtliches zu sehen.

»Liam, du wolltest doch eben gehen oder irre ich mich?«

»Du irrst dich, mein Freund.«

Zu wissen, dass er hier ist, beruhigt mich, auch wenn wir uns eigentlich nicht kennen.

Mr Shan spricht über meinen Kopf hinweg und Liam antwortet hinter meinem Rücken. So absurd die Situation ist, so wenig stört sie mich. Vorhin war ich nervös, doch nun ist es, als färbe Liams Gelassenheit auf mich ab. Ich spüre eine Ruhe in mir emporkriechen, während ich höre, wie Liams Jeansstoff gegen das Leder reibt. Hat er sich auf das Sofa gesetzt? Weiß er, dass ich jetzt gleich ein Vorstellungsgespräch habe?

»Du willst also bleiben?« Mr Shan blickt erneut ungläubig über meinen Kopf hinweg. Er dürfte um die vierzig sein und seine Haut gleicht der eines Babypopos. Trotzdem sieht er ziemlich hetero aus. Auf den Fotos konnte ich das nicht erkennen, aber der Mann wirkt mächtig maskulin. Ein kleines bisschen ärgere ich mich über mich selbst, weil ich so schnell geurteilt habe. In Wahrheit ist das völlig gleichgültig und trotzdem ging ich davon aus, dass er auf Männer stehen würde.

»Klar.« Ich höre Liams unverwechselbare Stimme, die ich aus tausenden heraus erkennen würde, hinter mir. Er klingt irgendwie neugierig.

»Gut, wenn Sie nichts dagegen haben?« Mr Shan beäugt mich fragend.

Was sollte ich dagegen haben? Es ist doch nur Liam. Der Musicalstar am Broadway, der mich ohnehin schon scheitern hat sehen. Da kommt es auf dieses eine Mal nicht mehr an.

»Das ist in Ordnung.« Ich lächle, gleichzeitig ziehe ich mir die Jacke aus. Entweder ist es hier drin viel zu heiß oder die Stufen hier rauf haben mir den Rest gegeben. Möglicherweise bin ich doch nervöser, als ich dachte.

»Sie haben sich als Trainee für meine Visagistenschule beworben?«

Ich nicke. »Ja, genau.«

»Was haben Sie vorzuweisen?« Mr Shan hat sich in der Zwischenzeit hingesetzt und blättert meine Unterlagen durch.

»Nichts«, sage ich zu schnell, das verrät mir Liams Räuspern. »Ich meine …«, stottere ich.

Mr Shans Augenbrauen wandern skeptisch hoch. »Die Ausbildung dauert zwei Jahre, Sie werden auf allerhöchstem Niveau qualifiziert. Warum sollte ich Sie zulassen?«

Jetzt, da ist es. Ich wusste es! Seine Augen verweilen auf meinem Haar, das von der Mütze völlig zerzaust aussieht.

»Ich bin gut. Richtig gut«, beharre ich überzeugt, denn das bin ich.

Seine Augen blitzen auf, als er seinen Oberkörper über den Tisch beugt. »Gut ist die kleine Schwester von schlecht. Für mich arbeiten die Besten!«

»Dann bilden Sie mich zur Besten aus. Das ist doch ein Ausbildungsplatz? Ich bin gut und Sie machen mich zur Besten. So läuft das doch.«

Was habe ich zu verlieren? Es bringt nichts, wenn ich mit meiner Meinung hinterm Berg halte.

Sein rechtes Augenlid flattert. Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er überlegt und mein vorlautes Mundwerk abwägt.

»Ein Vampir. Sie haben zehn Minuten«, fordert er letztendlich.

»Shit.« Ich schlage mir die Hand vor den Mund. »Verzeihung«, sage ich schnell und lächle verlegen. Die Forderung ist eindeutig zu simpel. Er will sehen, wie ich eine Puppe in einen Vampir verwandle? Er hat mich bereits abgeschrieben. Ich schlucke schwer, ehe ich mich erhebe.

»Die Puppe hier drüben.« Er nickt in Richtung der Fenster und reicht mir einen schwarzen Gürtel aus Leder mit mehr als zwanzig Pinseln darin. »Die restlichen Utensilien finden Sie in der Schublade.«

Ich habe das Gefühl am ganzen Körper zu schlottern, doch als ich den Gürtel entgegennehme, sind meine Finger verblüffend ruhig. Dann wende ich mich von ihm ab und drehe mich herum, ohne Liam zu beachten. Wenn ich das hier vergeige, dann war es das. Dann kann ich den nächsten Flieger nach Los Angeles nehmen. Unter Umständen könnte ich mir als Kellnerin einen Job suchen, aber Betrunkene in einer Bar zu bedienen, steht nicht ganz oben auf der Liste von Dingen, die ich für meinen Lebensunterhalt tun möchte.

»Die Zeit läuft.«

Er sagt das nicht besonders freundlich. Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, dann ist er sogar ziemlich genervt.

Also gut, der selbstverliebte Visagist will es wissen. Ich trete an die Puppe heran und öffne die Schublade, die mir eine Vielfalt an Farbtönen zeigt, die ich so nicht erwartet habe. Schon klar, dass es hier viele Hauttöne gibt, aber es sind bestimmt um die dreißig. Mit einem Schlag scheint alles, was ich bisher über Masken oder Farbkombinationen und Konturen zu wissen geglaubt habe, zu verblassen. Kalter Schweiß sammelt sich unter meinen Achseln. Verdammt.

»Kannst du es?«

Es ist nicht Mr Shans überhebliche Stimme, sondern Liam, der plötzlich neben mir steht. Sofort schwappt seine Ruhe auf mich über.

»Ja«, antworte ich und sehe dabei zu Boden, weil ich nicht wieder vor seinen Augen scheitern will.

»Dann leg los.« Liam lässt sich in den Drehsessel fallen und rückt damit näher an mich heran.

»Willst du mir dabei helfen?«, frage ich zögernd und sehe ihn nun direkt an.

»Nee.« Er schmunzelt und schüttelt den Kopf. Eine Strähne seines lockigen blonden Haares fällt ihm in die Stirn. »Ich kann dir dabei nicht helfen. Aber vielleicht hilft es dir, wenn du mich in Graf Dracula verwandelst und nicht dieses Ding.« Er deutet auf das bleiche, leblose Gesicht.

Spätestens jetzt bin ich überwältigt. Weshalb tut er das? Wir kennen einander nicht gut, und schon wieder ist er es, der mir hilft. Und würde er nicht so aussehen, wie er eben aussieht, würde ich behaupten, dass er der nette freundliche Kerl von nebenan ist. Aber Herrgott, er sieht nicht aus wie der zurückhaltende Nachbarssohn. Er ist nicht nur niedlich, er ist sexy und der heißeste Typ überhaupt. Chris Hemsworth kann einpacken. Und das sage ich nicht nur so daher, das ist Tatsache.

»Ich soll dich schminken?«, frage ich, um wirklich sicherzugehen. Immerhin könnte er sich einen Scherz erlauben.

»Ach, das ist jetzt nicht wahr, oder?«

Mr Shans Stimme holt mich zurück aus den Tiefen dieser paradiesischen blauen Augen.

»Leg los.« Er hält meinen Blick fest. »Lee will in sechs Minuten das Ergebnis sehen.«

Ich höre das Schnauben im Hintergrund, so als wäre es in einem Raum nebenan, doch Mr Shan verbietet es nicht, Liam anstatt der Puppe zu schminken. Also was soll’s.

Geschwind greife ich nach dem geeigneten Schwamm, blicke erneut in Liams Augen, um sicherzugehen, dass er sich tatsächlich keinen Jux erlaubt. Dann tunke ich den Schwamm in eine fast zähe braune Flüssigkeit ein.

»Atme«, sagt er, dabei klingt seine Stimme tief und rau, anders als sonst. Im nächsten Augenblick fühle ich seine warme Hand durch den Pullover hindurch auf meinem Unterarm. In einem Atemstoß puste ich die angestaute Luft aus mir raus. Ich habe nicht mehr geatmet, den Sauerstoff zu lange in meinen Lungen behalten, sodass mir jetzt ganz schummrig zumute ist. Dass mich Liam berührt, macht es nicht unbedingt besser. Die Stelle, an der er mich hält, glüht durch meinen Pulli hindurch. Das Gefühl ist neu für mich.

Es verstreichen einige Sekunden, bis ich endlich anfange, die dunklen Konturen auf seinem Gesicht zu setzen. Der erste Strich fällt mir schwer, vermutlich deshalb, weil mich seine Augen verfolgen. Als wären sie dafür geschaffen, jeden meiner Handgriffe zu studieren. Ich setze meine Arbeit fort, auch wenn es mir unter seinen unnachgiebigen Blicken, die ich nicht einzuordnen weiß, schwerfällt. Dass mir Liam gefällt, kann ich nicht leugnen.

»Du setzt mir aber keine lächerliche Clownsfratze auf, oder?« Kritisch schielt er auf die bunte Farbschablone, die ich in meiner linken Hand halte.

»Keine Sorge«, antworte ich und schmunzle. Daraufhin lasse ich den feinen Pinsel in die klebrige Farbe gleiten und tupfe eine Linie an seinem Mundwinkel herab. Ich ertappe mich dabei, wie ich seinen vollen Lippen zu viel Aufmerksamkeit schenke. Wie sie sich wohl anfühlen?

Als ich mich endlich von diesen herrlichen Lippen löse und prüfend sein Gesicht mustere, bemerke ich seinen zufriedenen Ausdruck. Mist. Klar, es musste ihm auffallen! Unablässig habe ich auf seinen Mund gestarrt. Zumindest ist er Gentleman genug, um einen Kommentar zurückzuhalten. Stattdessen erkenne ich ein verräterisches Zucken seiner Mundwinkel. Er weiß, welche Wirkung er auf mich hat.

»Die zehn Minuten sind um.«

Mr Shan tritt neben mich und begutachtet Liam. Seine Miene lässt keine Deutung zu. Ich weiß nicht, ob er total angewidert ist oder ob ihm gefällt, was er sieht.

»Es ist okay«, murmelt er schließlich.

Okay? Okay? Wenn man bedenkt, dass ich nur ein paar Minuten Zeit dafür hatte, ist das mehr als nur okay. Es ist gute Arbeit, die ich hier abgeliefert habe.

Unterdessen dreht sich Liam in Richtung des Spiegels und betrachtet mein Werk. »Ich finde es gut. Ich könnte damit auf die Bühne gehen oder an Halloween Frauen … beißen.« Er grinst.

Herrje, dieses Grinsen!

»Warum sollte ich gerade Ihnen die Chance geben, für mich zu arbeiten?« Mr Shan stolziert ein paar Schritte und reibt seine Finger über sein Kinn. Er denkt offensichtlich nach.

Ich säubere den Pinsel, stecke ihn anschließend zurück in die Tasche und lege sie am Schminktisch ab. Ich zucke mit den Schultern. »Ich liebe es, den Leuten eine Maske aufzusetzen. Sie zu verwandeln. Und das nicht erst seit gestern.« Meine Worte klingen nicht nur selbstsicher, ich fühle mich in diesem Moment stark.

Seine Augen bilden leichte Schlitze, als er anhält und mich abschätzig mustert. »Ist es das, was Sie tun wollen?«

Shit. Er hat mich. Stünde ein Flaschengeist vor mir, der mir einen Wunsch erfüllen würde, würde ich ihn bitten, mir die Angst vor der Bühne zu nehmen. Es ist nicht meine erste Wahl als Make-up-Artist zu arbeiten. Doch es macht mir Spaß und ein wesentlicher Punkt ist, dass ich es kann. Ziemlich gut sogar.

»Ihr Schweigen genügt mir nicht.«

Kurz klappt mein Mund auf. »Würde ich den Ausbildungsplatz nicht wollen, wäre ich nicht hier.« Will er, dass ich ihm in den Hintern krieche, ihm Honig um den Mund schmiere, ihm sage, dass er der Größte und beste Visagist am Broadway ist? Das hat er doch nicht ernsthaft nötig?

»Lee.«

»Liam! Bei aller Freundschaft.« Mr Shan schneidet ihm das Wort ab. »Ernsthaft. Sie sind geeignet, ja, aber ich habe nicht das Gefühl, dass Sie es unbedingt wollen. Ihr Herz ist nicht bei der Sache. Aus diesem Grund gebe ich Ihnen den Ausbildungsplatz nicht.«

Ich schlucke. »Gut.« Meine Lider fühlen sich schwer an und der Boden unter mir scheint zu wanken. Es ist vorbei. Meine Zeit hier. Meine Zeit in der Nähe des Broadways hat nicht mal begonnen und ist bereits zu Ende. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.« Die Worte presse ich aus mir hervor, denn am liebsten würde ich ihm an die Gurgel springen und ihm meine Meinung geigen. Wer ist er, dass er über meine Zukunft bestimmen kann? Dass er sich ein Urteil darüber bildet, was ich wirklich will? Mr Shan Fiesling Lee.

Ich rufe ein »Auf Wiedersehen«, wende mich aber kein weiteres Mal um, auch nicht zu Liam. Die Tür lasse ich ein kleines bisschen zu fest ins Schloss fallen.

Eilig stolpere ich die Treppe runter, als ich höre, wie mein Name gerufen wird. Es ist die Stimme, die mich verzaubert, der Mann, der mich aus meiner Komfortzone zieht, obwohl ich ihn praktisch nicht kenne.

»Er will sehen, wie sehr du es willst.«

Ich schaue zurück und auch wenn es die Situation nicht zulassen dürfte und ich mich echt mies fühle, schmunzle ich kurz. Denn ich blicke in das Gesicht eines Vampirs, und auf eine Art wirkt die Situation hier draußen so unwirklich.

»Du hast es doch gehört, er will mich nicht«, widerspreche ich.

»Äh. Nein, das hat Lee nicht gesagt.« Leichte Falten bilden sich auf seiner Stirn.

»Was genau er gesagt hat, ist doch schlussendlich egal. Er wird mich nicht nehmen, das hast du doch eben selbst gehört.«

Ich meine ein Seufzen zu hören. »Weshalb gibst du immer so schnell auf?« Seine Augen fixieren mich, intensiv und finster, sodass ich ernsthaft überlege, ob er mich gleich beißen und in einen Vampir verwandeln wird. Womöglich saugt er das letzte Tröpfchen Blut aus mir heraus und lässt mich jämmerlich zugrunde gehen.

Im Prinzip ist das Schwachsinn, das weiß ich.

»Ich gebe nicht auf Liam. Ich kämpfe Tag ein, Tag aus.«

Und dann setze ich meinen Weg fort und lasse diesen heißen Vampir, dessen Lippen so viel versprechen, hinter mir.

Kapitel 3

Zwei Tage liegt mein Gespräch mit Mr Shan zurück. Ich bin in New York geblieben, vorerst will ich in der Stadt bleiben.

Es hat mich überrascht, dass Ava mich nicht sofort rausgeworfen hat. Natürlich weiß ich, dass mich meine Schwester liebt. Auf ihre Weise. Und dennoch hatte ich damit gerechnet, dass sie mich vor die Tür setzen würde.

Klar verstehe ich, dass sie ihre Wohnung, die sie selbst bezahlt, für sich haben will. Ich bin mir ebenso sicher, dass ich nicht unbedingt erfreut darüber wäre, wenn sie sich quasi ungefragt bei mir niederließe, wären die Rollen vertauscht und sie in meiner Lage.

»Sag mal, geht‘s noch?«

Wenn man vom Teufel spricht …

Ava steht plötzlich ohne Vorwarnung in meinem Zimmer. Anklopfen wird ohnehin überbewertet. Okay, es ist in Wirklichkeit ihr Gästezimmer.

»Hast du gestern Abend eine Party mit Freundinnen gefeiert?« Sie hält die Mülltüte hoch und sieht mich aus grauen Augen zornig an, dabei tänzelt ihr eine lange blonde Haarsträhne ins Gesicht. Papierreste von Reese‘s Peanuts Butter Cups blitzen aus der durchsichtigen Tüte hervor. »Du musst mich fragen, bevor du jemanden in meine Wohnung lässt. Das ist doch das Mindeste, findest du nicht?«

Mist, ich könnte vor Scham im Boden versinken, weil ich den Müll im Wohnzimmer völlig vergessen habe. Ehrlich gesagt wollte ich ihn gestern nach draußen in den Flur bringen, um ihn dann im Müllraum zu entsorgen, bevor ihn Ava sieht. Was soll ich ihr darauf antworten? Ihr offen sagen, was Sache ist? Sie belügen?

»Es tut mir leid.« Ich entscheide mich gegen eine direkte Lüge, aber ich widerspreche ihr nicht, somit ist es nicht die ganze Wahrheit.

Ein unterdrücktes Seufzen ist zu hören, das an ihr ganz niedlich klingt, doch ihr genervter Ausdruck spricht Bände und gibt leider keine Entwarnung. »Was willst du jetzt tun?« Ihre Stimme klingt nicht vorwurfsvoll, sondern interessiert. Das überrascht mich, denn kurz hatte ich das Gefühl, sie würde mir den Müllbeutel entgegenschleudern.

Ich hieve mich aus dem Bett hoch, in das ich mich nun beinahe zwei Tage verkrochen habe. Dabei ist mir kurz schwindelig und es dauert einen Augenblick, bis sich die Schärfe meiner Augen einstellt. Ich überlege, doch dann zucke ich mit den Schultern.

»Du weißt es nicht? Deine Stimme ist toll. Wie wäre es, wenn du deine Angst überwindest und deinen Hintern hochbekommst? Das ist doch nicht so schwer.« Genervt rollt sie mit den Augen.

»Doch, das ist es. Du verstehst das nicht.«

»Glaubst du, ich hatte anfangs keine Ängste?«, widerspricht sie aufgebracht.

Ich betrachte sie skeptisch. Ava hatte Bammel vor der Bühne? Vor anderen zu singen? Das glaubt sie doch selbst nicht. Schon als Kind hat sie sich so oft es ging ins Rampenlicht gestellt und sich präsentiert. Sie liebte den Jubel schon damals.

»Außerdem würde dir Mom das Geld für eine andere Ausbildung geben, das weißt du. Du bist dir nur zu schade dafür, sie danach zu fragen.«

Ich spüre die Hitze in mir emporkriechen. »Sie hat mir unmissverständlich gesagt, dass sie mich nicht unterstützen wird«, erwidere ich trotzig und schiebe die Unterlippe vor.

»Du kennst sie doch. Sie sagt viel und dann ändert sie ihre Meinung doch wieder. Sie war eben enttäuscht.« Sie macht einen Schritt auf mich zu und legt ihre Hand an meinen Oberarm. Die Geste ist lieb gemeint, doch es fühlt sich an, als würde mich ein Roboter berühren. Es schwappt keine Wärme zu mir herüber.

»Du bist nicht diejenige, die sie ständig kritisiert. An dir nörgelt sie nicht herum. Du hast keine Ahnung, wie ich mich dabei fühle. Die Tage hier sind vermutlich das Beste, was mir jemals widerfahren ist. Ich weiß, dass du mich nicht hier haben willst, aber du meckerst nicht ständig an mir herum. Du bist die perfekte Tochter, die sie sich immer gewünscht hat. Ich bin wohl alles andere.« Sowie die Worte aus mir rauspurzeln, macht sich Erleichterung breit, denn es tut gut, das endlich loszuwerden.

Schockiert weiten sich Avas Augen. In dieser Deutlichkeit habe ich ihr das nie gesagt. Ich hatte sie damit aufgezogen, aber ihrer Mimik nach zu urteilen, scheint das hier in der Tat Neuland für sie zu sein. Sie tut so, als wäre ihr das nie aufgefallen.

»Das bildest du dir doch ein«, wiegelt sie ab und ihre Miene hellt sich wieder auf. Sie belügt sich selbst.

»Ernsthaft? Ich bitte dich um einen Gefallen!«, fordere ich, dabei schaue ich sie eindringlich an. Woraufhin sie zögert. Erst nach einer Weile nickt sie zustimmend.

»Achte bei unserem nächsten Zusammentreffen mit Mom darauf. Mach dir meinetwegen eine imaginäre Liste ihrer Bemerkungen über mein Aussehen oder was auch immer. Sieh hin und hör ihr zu. Ich garantiere dir, sie wird nichts an dir auszusetzen haben. Mich hingegen wird sie permanent kritisieren.«

»Das ist Schwachsinn!«

»Tu es doch einfach.« Ich zucke mit den Schultern. »Oder hast du Bammel, ich könnte recht behalten?«

Sie seufzt tief. »Gut. Auch wenn es vollkommener Blödsinn ist«, sagt sie spitz.

Im selben Moment ertönt mein Handy und als ich danach greife, bleibt mir kurz die Luft weg. Auf dem Display scheint die Nummer von Mr Shans Büro auf.

»Das ist der Visagist, von dem ich die Absage erhalten habe«, erkläre ich verwundert.

»Und auf was wartest du noch? Geh ran«, sagt sie, während ich mit zitternden Fingern auf das Display starre und sich meine Atmung unangenehm beschleunigt.

»Bestimmt habe ich etwas dort vergessen«, überlege ich laut.

»Geh doch endlich ran«, befiehlt sie forsch.

Stimmt, das sollte ich. Ich lasse den Finger über den Bildschirm gleiten, während mir das Herz bis zum Hals schlägt. Den Ausbildungsplatz hätte ich zu gerne bekommen.

Fünf Stunden später stehe ich vor dem Winter Garden Theater und starre auf die leuchtende Reklame des Stückes Elisabeth. Ich habe mitbekommen, dass es das neue Musical am Broadway sein soll. Ava hat letztens mit Mom darüber gesprochen und in ihrer Stimme schwang Neid mit, als sie von der Hauptrolle erzählte. Sie wollte zu den Auditions, allerdings ist sie derzeit noch bei Wicked unter Vertrag. In Europa soll Elisabeth über viele Jahre hinweg erfolgreich gewesen sein.

»Wie lange wollen Sie noch hier rumstehen?«

Ich erschrecke, als ich Mr Shan zwischen den zahlreichen Stimmen der Menschen und Autos direkt neben mir ausmache. Wie bei unserem ersten Gespräch steckt er von Kopf bis Fuß in schwarzen Klamotten. Offensichtlich ist das sein Ding.

»Kommen Sie.« Mit schnellen Schritten setzt er sich in Bewegung. Ich bin mir unsicher, ob ich erleichtert sein soll, ihm gleich hier draußen zu begegnen. Lieber hätte ich mir mehr Zeit gelassen. Andererseits führt er mich hinein und ich muss mich nicht erst durchkämpfen. Ich folge Mr Shan, bleibe dicht hinter ihm, als wir beim Haupteingang vorbeilaufen und nebenan durch den Seiteneingang schlüpfen. »Hier lang.« Er öffnet eine weitere Tür, die uns in den nächsten dunklen Gang führt. Nun bin ich heilfroh, dass ich ihm draußen über den Weg gelaufen bin. Zahlreiche verwinkelte Gänge und viele Türen, die alle gleich aussehen, das ist eindeutig nichts für mich. Labyrinthe konnte ich als Kind schon nicht leiden, und das hier fühlt sich wie eines an.

Endlich strahlt Licht von der Decke. Von Neugier erfüllt schaue ich mir die abstrakten Bilder an, die an den Wänden hängen, während ich die verstaubte Theaterluft in mich aufsauge. Sie ist natürlich nicht wirklich verstaubt. Es ist wie mit einem alten Buch, das man nach ein paar Jahren wieder aufschlägt und bei dem man die Nase nahe an das Papier drückt. Es ist ein einmaliger, herrlicher Duft. So ähnlich riecht es hier.

»Mist! Das ist doch … Liam.« Meine Wortwahl ist nicht gerade die beste, wenn ich bedenke, dass Mr Shan möglicherweise mein Ausbilder werden könnte. Aber als meine Augen das zwei Meter hohe Bild entdecken, auf dem Liam in einem schlichten und doch eindrucksvollen weißen Anzug zu sehen ist, kann ich offensichtlich nicht mehr klar denken und folge dem Impuls das Gedachte auszusprechen.

Mr Shan bleibt stehen, blickt auf das Bild und dann zurück zu mir. »Er ist der Tod«, teilt er mir schulterzuckend mit.

»Der Tod?« Ich runzle die Stirn. Herrgott, ich kenne so ziemlich jedes Stück und es gibt kaum eines, das ich nicht bereits gesehen habe. Doch über dieses hier weiß ich rein gar nichts. Heute Nachmittag, nachdem mich Mr Shans Anruf erreicht hatte, hatte ich damit zu tun, mir ein Outfit zurechtzulegen und den Plan der öffentlichen Verkehrsmittel zu studieren. Keine Sekunde habe ich darüber nachgedacht, mich in die Geschichte der Aufführung einzulesen. Und ich will ehrlich sein – mir wäre es egal, wenn ich Tag ein, Tag aus Clowns schminken müsste. Für diesen Ausbildungsplatz würde ich das gerne tun.

Ich blinzle und zwinge mich von dem verführerischen Anblick des »Todes« abzulassen. Unterdessen bedenkt mich Mr Shan mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.

»Wenn Sie den Ausbildungsplatz bekommen und hier im Winter Garden Theater arbeiten wollen, müssen Sie die Finger von ihm lassen.« Einerseits wirkt er ernst, so als würde Dad mit mir sprechen, andererseits belustigt, als würde er sich einen Spaß erlauben. Was jetzt?

Ich wollte Liam, also vielmehr das Bild, nicht anstarren, als wäre es ein saftiges Steak. Schon gar nicht vor Mr Shan, das war nicht meine Absicht.

»Ich war nur überrascht«, wiegle ich ab und mache eine übertriebene Handbewegung, die mich sofort entlarvt. Denn ich war nicht nur überrascht. Liams Anblick nimmt mich gefangen.

»Finger weg von den Darstellern. Entweder sie sind liiert, schwul oder sie brechen dir das Herz. Ich habe keine Lust auf mittelmäßige Resultate und heulende Frauen«, meint er, dabei ruht sein Blick lange auf mir.

Seine Argumente sprechen für sich. Doch ich frage mich unmittelbar, zu welcher Sorte Liam gehört? Er steht sicher nicht auf Männer. Oder? Meine Güte, lass ihn nicht auf Männer stehen! Mit Sicherheit wirke ich etwas enttäuscht, deshalb überspiele ich es und nicke lächelnd.

»Hier sind wir.« Während Mr Shan die letzte Tür öffnet, frage ich mich, ob ich alleine rausfinden würde. Nein. Definitiv nicht. Das Gebäude wirkt wie ein Irrgarten auf mich.

»Das hier ist Leila«, sagt er, als wir einer dunkelblonden Frau mit schulterlangem Haar in die Arme laufen. »Du wirst ihr heute über die Schulter sehen.«

Ihr Gesicht wirkt gestresst, aber freundlich. Die Nerdbrille, die sie trägt, ist eindeutig zu groß für ihre zarten Gesichtszüge.

»Freut mich, ich bin Abigail«, grüße ich und halte ihr meine Hand hin. Mir fallen Gesteinsbrocken von der Brust, als sie sie anstandslos schüttelt und mich zudem breit anlächelt.

»Leila, freut mich.«

»Wir sprechen uns später«, erklärt Mr Shan abwesend. Inzwischen klebt sein Blick an einer Frau, die einer Darstellerin eine Perücke aufsetzt.

»Er ist schwierig.« Sie zuckt mit den Schultern. »Aber wir mögen ihn. Komm, wir müssen noch ein paar Tänzer zurechtmachen.«

Während ich ihr folge, fühle ich mich um Jahre zurückversetzt. Als wäre ich noch das kleine Mädchen, das zwischen den ganzen Kostümen Verstecken spielt. Ava und ich hatten riesigen Spaß zusammen, auch wenn wir müde waren, weil es abends meist spät wurde. Als Ava auf die Junior High School kam, änderte sich unsere Beziehung aus heiterem Himmel. Wir haben nicht großartig gestritten, also nicht mehr als sonst. Wie es Geschwister eben tun. Ich seufze leise, denn so wirklich komme ich nicht dahinter, was zwischen uns steht.

Die Welt des Theaters ist mir nicht fremd, trotzdem finde ich es aufregend, hier zu sein. Die Zeit als Mom am Broadway in San Francisco arbeitete, liegt lange zurück, aber meine Erinnerungen daran sind schön.

Ich beobachte, wie ein Teil des Ensembles zusammensteht, sich unterhält und lacht. Ich kenne das von Mom, und auch von Ava weiß ich ein wenig darüber. Die Bindung während einer Produktion ist intensiv, denn das Ensemble arbeitet für gewöhnlich ein Jahr oder länger zusammen. Und das an sechs Abenden pro Woche und manchmal sogar an Nachmittagen.

»Die Tänzer sind cool drauf, du musst dir keine Gedanken machen.«

Ich bin ihr dankbar, dass sie mich beruhigt. Obwohl ich nicht das schüchterne Mädchen bin, das sich nicht zu wehren weiß. Solange ich nicht auf der Bühne stehe, komme ich zurecht.