Meet me in L.A. - Katrin Frank - E-Book

Meet me in L.A. E-Book

Katrin Frank

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Beschreibung

Nachdem die Krankenschwester Stephanie von ihrem Verlobten vor dem Altar stehengelassen wurde, hat sie genug von der Liebe. Sie konzentriert sich lieber auf ihre Arbeit. Als jedoch plötzlich der weltberühmte Popstar Ryan Boyce in einem ihrer Krankenbetten liegt, ändert sich das schlagartig. Ryan flirtet unverblümt mit ihr und lädt sie schließlich ein, ihn in L.A. zu besuchen. Stephanie ist hin- und hergerissen. Was wird passieren, wenn sie sich auf Ryan einlässt? Und kann sie jemals mehr für ihn sein als eines seiner Groupies?

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Die AutorinKatrin Frank, geboren 1983, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Klagenfurt am Wörthersee. Sie ist leitende Angestellte in einer Autovermietung und Hobbyautorin. Für ihre Liebes- und Fantasyromane holt sie sich Inspiration bei zahlreichen Reisen ins Ausland sowie bei ihrer Nebentätigkeit als Hochzeitsplanerin. Am liebsten liest sie berührende und spannende Romane, Schreiben bedeutet für sie vom Alltag abzuschalten und eigene Welten zu bauen.

Das Buch

Nachdem die Krankenschwester Stephanie von ihrem Verlobten vor dem Altar stehengelassen wurde, hat sie genug von der Liebe. Sie konzentriert sich lieber auf ihre Arbeit. Als jedoch plötzlich der weltberühmte Popstar Ryan Boyce in einem ihrer Krankenbetten liegt, ändert sich das schlagartig. Ryan flirtet unverblümt mit ihr und lädt sie schließlich ein, ihn in L.A. zu besuchen. Stephanie ist hin- und hergerissen. Was wird passieren, wenn sie sich auf Ryan einlässt? Und kann sie jemals mehr für ihn sein als eines seiner Groupies? 

Katrin Frank

Meet me in L.A.

Ein Popstar zum Verlieben

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Dezember 2016 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-152-6  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Wien – Kapitel 1

Blätter fallen von den Bäumen, an jeder Ecke sind kleine aufgetürmte Häufchen Laub zu sehen. Ich liebe diese ein wenig düstere Stimmung. Genauer gesagt haben wir Herbst, meine allerliebste Jahreszeit. Deshalb ärgert es mich nicht sonderlich, dass ich schon wieder in der Rushhour am Wiener Gürtel feststecke. Ich schaue aus dem Fenster und betrachte den Herbst in all seiner Schönheit. Als ich ein Kind beobachte, das mit seinen Füßen die Blätter vor sich her schiebt, übersehe ich glatt die grüne Ampel direkt vor mir. Weswegen sonst sollte der Taxifahrer hinter mir ein Hupkonzert der Sonderklasse veranstalten? Nein! Von dem lasse ich mir diesen wundervoll trüben Tag nicht verderben. Nicht heute. Ich setze ein gekonnt nettes Lächeln auf, winke entschuldigend und widerlege so auch gleich das angeblich unfreundliche Verhalten, das uns Wienern nachgesagt wird.

Auf dem Weg zur Arbeit halte ich bei McDonalds, wie jeden Morgen. Dort hole ich mir einen leckeren Milchkaffee, den ich mir nach dieser lautstarken Hupattacke redlich verdient habe.

An Tagen wie heute komme ich bedauerlicherweise häufig in Versuchung.

Ich vergesse mich. Schon wieder! Greife zu einer bereits etwas angetrockneten Zigarette, die sich bereits längere Zeit im Handschuhfach befindet. Ehrlicherweise muss ich mir eingestehen, dass es in letzter Zeit immer häufiger zu einer solchen Zigarettenpause gekommen ist. Möglicherweise sollte ich an meiner Disziplin arbeiten. Streng genommen geht mir der Zigarettengeruch auf die Nerven, deshalb hatte ich mit dem Rauchen aufgehört. Eigentlich aufgehört. Denn offensichtlich kann ich es trotzdem nicht sein lassen.

Das Ärgerliche daran ist, dass ich bevorzugt rauche, wenn es mir gut geht. Nicht, wie andere es tun, in Stresssituationen. Oder rede ich mir das nur ein, damit ich mich besser fühle?

Kaum im Parkhaus angekommen, ist mein Kaffeebecher auch schon wieder gänzlich geleert. Da ich noch eine halbe Stunde zur Verfügung habe, ergreife ich die Gelegenheit und gehe in die kleine Cafeteria nebenan, um mir dort den nötigen Koffeinnachschub zu holen. An sich mag ich meine Arbeit als Krankenschwester, allerdings gibt es eine Sache, die meinem Magen missfällt: morgens in ein Krankenzimmer zu marschieren, ganz ohne vorherige Nahrungsaufnahme. Dieser abgestandene, beißende Geruch ist ohne Kaffee, selbst nach einigen Dienstjahren, kaum auszuhalten. Natürlich macht es mir nichts aus, im selben Raum zu sein, während ein Pfleger einen Patienten frischmacht. Wenn dem so wäre, hätte ich wohl den Beruf verfehlt.

Möglicherweise rede ich mir die Sache mit dem Kaffee auch nur ein und die unzähligen Kaffeetassen, die ich täglich in mich reinschütte wie ein Tier in der Wüste, das nach etlichen Tagen der Durststrecke auf eine Wasserquelle trifft, sind etwas übertrieben. Wäre keine große Sache, denn darin bin ich gut. Also mir die Dinge schönzureden. Tja, schon die zweite Ausrede in Bezug auf mein Suchtverhalten. Warum belüge ich mich andauernd selbst? Morgen habe ich eine weitere Frühschicht und dann kann ich mal sehen, ob ich es vielleicht auch ohne Koffein und Nikotin schaffe.

»Guten Morgen, Bernadette. Na, war die Nacht einigermaßen ruhig?«, frage ich meine Kollegin.

»Du hast ja keine Ahnung, was heute so alles los war hier und wer auf unserer Station liegt!«, flüstert sie und sieht sich dabei behutsam um. Beinahe so, als würde sie ein Staatsgeheimnis bewahren. Mit ihren kurzen roten Haaren und ihrer dicklichen Figur erinnert sie mich ein wenig an Pumuckl.

»Nein, sollte ich es denn wissen?«

»Du wirst ihn ohnehin gleich sehen. Tu dir selbst einen Gefallen, kämm deine Haare und leg ein bisschen mehr Rouge auf. Viel zu blass siehst du aus.« Vorwurfsvoll sieht sie mich an, während sie auf ihrer Unterlippe kaut.

»Aha, danke für deinen Tipp, morgen dann vielleicht«, antworte ich schnippisch.

»Morgen? Meine Liebe, da wird der Gute vielleicht schon entlassen, und dann?« Ihre Unterlippe ist nun ganz verschwunden und ihre schiefen Schneidezähne stehen hervor.

»Was dann, Bernadette? Du solltest erst einmal ausschlafen, du bist ja total aufgekratzt.« Anscheinend verträgt man den Nachtdienst wenn man in die Jahre gekommen ist nicht mehr so gut. Hoffentlich rede ich später nicht so wirres Zeug daher.

»Willst du denn nicht wissen, wer der Patient ist?«, fragt sie erstaunt.

»Nein. Ich lass mich überraschen. Es muss der Bundespräsident sein, bei dem Zirkus, den du hier veranstaltest«, bekunde ich und wende mich ab, ehe sie noch etwas erwidern kann.

Was für ein Theater sie macht. Sie ist eine liebenswerte Kollegin, die mich an manchen Tagen mehr und an anderen weniger nervt. Grundsätzlich aber kann ich sie leiden. Schmunzelnd marschiere ich zur Stationsschwester Elfriede, während mir Bernadettes aufmüpfiges Verhalten nicht aus dem Kopf geht. Doch im nächsten Augenblick vergeht mir das Lächeln. Elfriede wirkt erschlagen. Hoffentlich hat sie ihre Tabletten nicht vertauscht oder ganz auf ihre Glücklichmacher verzichtet. Oje, sie fixiert mich. Kurz erschaudere ich. Was haben die denn heute alle? Beinahe gruselig, dieses Getue.

»Schwester Stephanie, Schwester Stephanie, es geht um eine äußerst prekäre Angelegenheit! Kommen Sie bitte sofort ins Dienstzimmer«, ruft sie mir aufgeregt entgegen.

»Wunderschönen guten Morgen, Schwester Elfriede, wie geht es Ihnen heute?«, antworte ich kaum hörbar und laufe ihr hinterher.

»Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren, Stephanie. Sie müssen verstehen, ich bin verpflichtet, Sie daran zu erinnern, dass wir nichts über unsere Patienten nach außen transportieren, äh tragen, ach, Sie wissen schon, was ich meine … Dürfen wir jedenfalls nicht.« Sie macht eine kurze Pause und sieht mich prüfend an. »Wir haben darüber nicht zu sprechen!« Sie steht vor mir, ihre Hände fest in die Hüften gestemmt.

»Selbstverständlich. Dessen bin ich mir bewusst, Schwester Elfriede«, erwidere ich und bin ehrlich irritiert über diesen Aufruhr heute.

»Jaja, das sehe ich auch so. Ich möchte, dass Sie sich um unseren berühmten Patienten kümmern. Zimmer 305. Ich ziehe Ihnen die restlichen Zimmer ab. Sie müssen ausschließlich diesen einen Patienten versorgen. Ist das klar?« Ihre Augen werden dabei immer größer. Verdammt, sie macht mir angst.

»Absolut klar.« Im Detail interessiert mich das alles nicht. Elfriede hat Teufelsaugen und ich bin froh, als sie das Besprechungszimmer endlich verlässt. Noch bevor ihr Dämon auf mich überspringt.

Ich bin schon sehr gespannt auf Reinhard Fendrich oder wer auch immer in diesem Zimmer auf mich wartet. Hoffentlich erkenne ich den Prominenten auch. Wenn es sich um einen österreichischen B-Promi handelt, kann ich es nicht garantieren. Die Situation könnte dann durchaus peinlich werden. Fendrich wäre natürlich ganz toll. Ob er dann sein Lied »I am from Austria« für mich singen würde? Dann hätte ich meiner Mum was zu erzählen. So hätten wir zumindest einmal eine Gesprächsbasis. Das ist nicht immer der Fall. Also nur so ganz kurz, einmal kurz anstimmen. Vielleicht, wenn ich ihm einen guten Bio-Joghurt besorge. Mal sehen. Auf der Station der Sonderklasse bekommen die Patienten ohnehin ein besseres Essen, also wird das mit dem Joghurt wohl nichts nützen. Hm, Schokolade! Ja genau, später kaufe ich Schokolade und dann können wir gemeinsam ein Liedchen trällern.

»Schwester Stephanie, Schwester Stephanie!«

»Ja, Frau Oberschwester?« Ich wende mich schwungvoll in ihre Richtung.

»Sie müssen mir Ihr Mobiltelefon geben«.

»Wie, geben?« Ich blicke sie entsetzt an. Das kann doch nicht ihr Ernst sein. »Sie wissen doch, dass ich es nicht benutzen werde. Außerdem liegt es im Spind«.

»Dann müssen Sie es holen«, sagt sie mehr als nur fordernd.

»Warum? Funktionieren die Telefone auf der Station nicht mehr? Ich sollte schon längst bei der Patientenübernahme sein.«

»Sie müssen mir Ihr Handy geben. Es dürfen keine Fotos von unserem Gast an die Öffentlichkeit gelangen.«

»Natürlich. Keine Fotos«, wiederhole ich gehorsam, gleichzeitig verdrehe ich die Augen, so dass sie es nicht sehen kann. Der Fendrich scheint ein eitles Kerlchen zu sein.

»Hey, Stephanie, also, hier sind die Patientenakten und die dazugehörigen Kurven. Was gibts sonst so?«

»Alles gut! Bernd, hast du heute schon ›I am from Austria‹ gesungen?« Ich sehe ihn erwartungsvoll an.

»Vermutlich öfter, als mir lieb ist«, grinst er. »Schönen Dienst und melde dich wegen des Films am Wochenende!«

»Nicht schon wieder eine Schnulze!«, rufe ich ihm hinterher.Allerdings scheint er es nicht mehr zu hören.

Na gut. Dann wage ich mich ins berüchtigte Zimmer 305, um nach dem geheimnisvollen Patienten zu sehen. Ich bin neugierig, wer dafür verantwortlich ist, dass hier alle verrückt spielen.

»Guten Morgen«, sage ich, während ich gespannt in den Raum blicke.

»Morning.«

Starr stehe ich im Türrahmen. Meine Beine werden schwer, als wären sie aus Beton gegossen. Oh nein, oh nein! Bemüht nicht sofort auszurasten, drehe ich mich mit einem Schwung aus dem Türrahmen in Richtung Gang.

»Seid ihr wahnsinnig?«, schnauze ich in die neugierige Runde, die sich vor mir versammelt hat. »Verdammt! Das ist doch Ryan Boyce, oder? Warum konnte mir das keiner verraten?«

Ratlos blicken sie einander an.

»Gut, vielen Dank für die zahlreichen Antworten!«, fahre ich sie an. »Kann mir eine von euch zumindest ein bisschen Make- up borgen?«

»Aber das wusste doch jeder! Warum …?«, flüstert Annette und reicht mir eine Schatulle.

»Egal. Die bekommst du später wieder.« Ungeduldig nehme ich sie entgegen.

Was zum Teufel mache ich im Zimmer von Ryan Boyce? Zitternd halte ich seine Akte in meinen Händen. Blutdruck messen, Infusion anhängen, das werde ich hinbekommen. Irgendwie. Verdammt, das darf doch alles nicht wahr sein. Er ist nur ein Patient. Er ist nur ein Patient. Verdammt. Verdammt. Verdammt. Ein äußerst attraktiver Patient. Er könnte glatt der aktuelle Sexiest Man Alive sein. Na gut, diese Auszeichnung hat sogar Matt Damon bekommen.

So, durchatmen und los. Schwungvoll öffne ich die Tür. Meine Hände sind nass, weshalb ich beinahe an der Klinke abrutsche. Wie können Hände binnen kürzester Zeit so viel Schweiß produzieren? Verdammt. Verdammt. Verdammt.

»Wie geht es Ihnen heute?«, frage ich bemüht desinteressiert und vermeide jeglichen Blickkontakt. Absolut übertrieben. Er ist nicht Medusa!

»Einigermaßen gut. Der Fuß schmerzt noch, aber ich möchte bald raus aus dem Krankenhaus.« Ich kann nicht anders und sehe auf. Tatsächlich, Ryan Boyce.

»Und wie geht es dir?«, fragt er mit einem frechen Lächeln im Gesicht.

»Ähm ja, ganz gut.«

Er lächelt, warum grinst er so? Und diese bronzefarbenen Augen. Ich habe noch nie jemanden mit solchen hellbraunen Augen gesehen. Verdammt. Verdammt. Verdammt. Ich sollte ihn nicht so anstarren.

»Ich konnte nur wenig schlafen heute Nacht. Nicht sonderlich bequem hier.« Ein schmerzvolles Keuchen entweicht ihm, als er sich aufrichtet.

»Sir, das tut mir leid. Ich muss Ihren Blutdruck messen«, sage ich geschäftig. Zögernd nehme ich seinen Arm. Er fühlt sich wohlig weich an, zart wie Babyhaut. Verflucht. Ich muss mich zusammennehmen. Womöglich bemerkt er meine Anspannung. Diese Augen sind mir noch nie aufgefallen. Na ja, ich lese auch nur selten die Klatschpresse, aber das eine oder andere Mal habe ich ihn in einem Magazin gesehen. Letztens sogar bei den MTV Video Music Awards. Der Auftritt war atemberaubend.

»Gut Sir, Ihr Blutdruck ist in Ordnung. Möchten Sie Kaffee oder Tee zum Frühstück?«, frage ich verlegen, noch immer bemüht, ihm nicht zu lange in die Augen zu schauen.

»Ein Coke gibts wohl nicht, oder?«

»Nein. Und Eiswürfel haben wir hier auch keine. Zumindest nicht um damit Getränke zu kühlen.« Für einen Moment treffen sich unsere Blicke. Sein Blick wirkt leer.

»Sorry, das war nicht so gemeint. Was darf ich Ihnen bringen?«, frage ich mit brüchiger Stimme.

»Tee.«

»Kommt sofort, Sir.«

»Lass doch bitte dieses ›Sir‹-Getue sein.«

»Äh ja. Kann ich sonst noch etwas tun?«

»Schmerztabletten«, fordert er mit einem finsteren Gesichtsausdruck.

»Ist das Ihr Ernst? Sie möchten das Krankenhaus verlassen, obwohl Sie offensichtlich immer noch von fürchterlichen Schmerzen geplagt werden?«, platzt es aus mir raus. Woraufhin er mich ignoriert.

Noch während ich das Zimmer verlasse, drehen sich meine Gedanken im Kreis. Bei dem charmanten Lächeln wundert es mich nun überhaupt nicht mehr, dass alle ganz außer sich sind. Zugegeben, sein Schmunzeln wirkt schon verführerisch. Sehr sogar. Beeindrucken lasse ich mich davon aber bestimmt nicht. Ich möchte nicht so perplex herumlaufen wie der größte Teil meiner Kolleginnen heute.

Im Aufenthaltsraum stehe ich vorm Spiegel, um mich zu betrachten. Ich nehme mir ausreichend Zeit dafür. Lange untersuche ich meine Augen, mit denen ich mehr als nur zufrieden bin. Sie sind groß, blau und strahlend. Meine Lippen sind makellos. Schön voll, aber nicht übertrieben prall. Ich finde mich ganz passabel und einige Körperteile kann ich besonders gut leiden. Meine Nase nicht. Was genau mit ihr nicht stimmt, kann ich nicht beurteilen. Sie ist weder groß noch kantig. Trotzdem harmoniert sie nicht sonderlich mit meinem Gesicht. Schluss damit. Ich wollte doch nicht auch noch durchdrehen wie der Rest hier.

»Herr Doktor Berger«, grüße ich nickend.

»Guten Morgen, Stephanie.«

Zum Glück macht Doktor Berger die Visite, er ist einer der wenigen Ärzte, die die Arbeit von uns Schwestern einigermaßen schätzen. Er ist beliebt beim Pflegepersonal.

»Können wir auf zur Visite?«

»Ja, Patient Boyce in Zimmer 305 hat starke Schmerzen und wollte eine Schmerztablette verabreicht bekommen.«

»Wir müssen zuvor Rücksprache mit seinem Arzt in Los Angeles halten, es dürfen keine Tabletten ausgegeben werden ohne vorherige Absprache.« Ungläubig stehe ich vor ihm. Gut, seiner Reaktion zufolge ist das sein voller Ernst.

»Mhm, verstehe.«

»Mmh?«, wiederholt er und blickt mich mit erhobenen Augenbrauen an.

»Vermutlich irritiert mich der Auflauf heute.«

»Nicht nur Sie«, bemerkt er trocken. »Gut, dann können wir«, fügt er auffordernd hinzu. Ich folge seiner großen Gestalt. Mit jedem Schritt hüpft eine seiner Locken empor.

Was Ärzte bei der Visite alles zu hören bekommen! Angefangen vom schlechten Abendessen bis hin zu den Putzfrauen, die angeblich nicht einmal den Besen halten können. Manchmal muss ich mich wirklich zurückhalten. Ja gut, es gibt diese eine rothaarige Reinigungsdame, der sollte man besser nicht bei der Arbeit zusehen.

»Der Patient bekommt heute Mittag Tramadol und am Abend ein leichtes Schlafmittel verabreicht«, informiert er mich und reißt mich so aus meinen Gedanken.

»Mittag Tramadol«, wiederhole ich automatisch. Silke stößt mit einem breiten Lächeln im Gesicht zu uns.

»Morgen.«

»Guten Morgen, Stephanie. Schön, dass du dir Ryan Boyce geschnappt hast.«

»Was meinst du? Und überhaupt, was machst du hier?«

»Ich begleite euch«, sagt sie selbstsicher. Silke hat eine traumhafte Figur, die Proportionen passen einfach. Sie wickelt die Ärzte um den kleinen Finger. Ihr schulterlanges blondes Haar ist nur eine nette Draufgabe zum restlichen Erscheinungsbild.

»Ich bitte um Ruhe, meine Damen.«

»Selbstverständlich, immerhin sind wir bei der Visite«, sagt sie und flirtet ihn dabei mit einem Augenaufschlag dreist an. Nun marschieren wir zu dritt in das Einzelzimmer von Herrn Meyer, eines älteren Patienten, der schon mehrere Wochen hier ist.

»Herr Meyer, wir müssen noch die Röntgenaufnahme machen und dann können Sie voraussichtlich am Dienstag das Krankenhaus verlassen«, erklärt er, während er Silke auf den Busen gafft. Kurze Zeit darauf verlassen wir das Zimmer des Patienten.

»Weshalb sind Sie beide hier?«. Doktor Berger scheint weiterhin mit Silkes Brüsten zu sprechen.

»Silke sollte die Visite machen, scheinbar möchte sie unbedingt zu Ryan Boyce.« Ich spüre ihren brennenden Blick auf mir. »Also bitte übernimm das für mich, ich gehe und bereite die Verabreichungen vor«, grinse ich und lasse ihr den Vortritt. Das Ganze ist mir zu blöd.

Silke grinst schelmisch. »Wenn ich dir damit den Tag erleichtern kann, Stephanie, sehr gerne.«

»Einfach zu lieb von dir.« Ich kann ihre aufgesetzte Miene nicht länger ertragen und wende mich zum Gehen. Erst jetzt fällt mir der äußerst muskulöse Mann vor Ryans Zimmer auf. Ist das etwa ein Bodyguard? Der steht hier den ganzen Tag rum? Kaum zu glauben. Was für ein Job, das wäre definitiv nichts für mich.

»Sir, möchten Sie einen Stuhl?«, frage ich den Mann mit dem ernsten Gesichtsausdruck im Vorbeigehen.

»Nein«, antwortet er knapp. Überraschenderweise klingt das nicht unhöflich. Das muss bestimmt trainiert werden, ein derart hartes Wort ohne weitere Floskeln freundlich rüberzubringen.

»Gut, sollten Sie etwas benötigen, dann geben Sie Bescheid.«

»Okay«. Okay? Okay was …? Ein Dankeschön bringt er wohl nicht über seine Lippen. Ich gehe an ihm vorbei, jegliche weitere Erwartung erscheint mir sinnlos.

»Hallo, wie war das Frühstück?«, frage ich Ryan. Nun stehe ich ihm gefasster gegenüber als vorhin.

»Hab selten besser gegessen«, lächelt er verschmitzt. Er bringt mich zum Schmunzeln.

»Na ja, das Essen ist ganz okay. Wenn Sie mittags brav essen, dann besorg ich Ihnen eine Coke. Deal?«

»Dann schließ ich dich heute in meine Gebete ein.« Prüfend fährt mein Blick zu ihm hoch. Hat er das ehrlich gesagt? Flirtet er etwa mit mir?

»Wie ich sehe, müssen Sie noch drei Tage hier bleiben«, gebe ich mich möglichst geschäftig.

»Dann muss ich ein Konzert in Prag absagen.«

»Das können Sie bestimmt nachholen.«

»Ist eine Sache des Managements. Welche Musik hörst du?« Einen Augenblick lang muss ich nachdenken, das hat mich seit meiner Schulzeit niemand mehr gefragt.

»Mir gefällt vieles. Wir sehen uns dann am Nachmittag und sollte etwas sein, dann bitte einfach hier drücken«, versuche ich von der Frage abzulenken und verlasse schnellstmöglich den Raum.

Mit einem Patienten lässt es sich entspannt arbeiten, keine Hetzerei. Tut richtig gut. Ich laufe in die Kantine, um einen Salat zu essen, dazu gönne ich mir eine Cola. Wenn Ryan Boyce das sehen könnte. Ich muss schmunzeln. Vielleicht sollte ich ihm doch eine Cola mitbringen. Andererseits hat er bestimmt Angestellte oder so, die ihm alle Wünsche von den Augen ablesen. Ich entschließe mich dann doch dazu und besorge das Getränk, immerhin habe ich es versprochen.

Nach der Pause marschiere ich umgehend zu seinem Zimmer. Siehe da, nun haben wir noch einen zusätzlichen Leibwächter hier. »Hier ist deine Coke«, sage ich und halte sie ihm entgegen. Besonders sorgfältig bewahre ich Abstand zum Bettrand. Er bedankt sich, öffnet die Dose und nimmt sofort einen kräftigen Schluck daraus.

»Also Ryan … zwei Mobiltelefone, ein iPad und ein MacBook, so wird man doch nicht gesund!«, stelle ich fest, als ich mich umsehe.

»So bleibe ich mit meinen Leuten in Kontakt, während ich auf Tour bin«, erklärt er ganz selbstverständlich.

»Verstehe. Wo lebst du? Also wenn du nicht auf Tour bist?« Als die Worte meinen Mund verlassen, ärgere ich mich fürchterlich. Wie kann ich denn solche dämlichen Fragen stellen? Zum Glück hört uns Elfriede nicht. Sie wäre verärgert und würde vorsorglich den Patientenanwalt kontaktieren.

»In Los Angeles«, antwortet er zögernd.

»Keine Angst, ich will deine Adresse nicht«, rede ich schnell weiter und drücke ihm das frisch bezogene Kopfkissen in die Hand.

»Echt nicht?«, lacht er.

»Los Angeles also. Ich habe eine Freundin dort, die ich im kommenden Monat besuchen werde.« Ich versuche das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

»Zum ersten Mal in Los Angeles?«

»Nein. Aber diesmal will ich darauf verzichten, bei Pinks für einen Hotdog eine Ewigkeit anzustehen.«

»Also ich bekomme dort immer sofort einen Hotdog«, schmunzelt er stolz.

»Oh, wie praktisch.«

»Vielleicht solltest du mich dieses Mal fragen, ob ich mit dir einen Hotdog essen gehe?«, sagt er und tippt auf der Tastatur seines MacBooks herum.

»Vielleicht. Du solltest dich ein wenig ausruhen.« Ich nehme die leere Teekanne vom Beistelltisch und verlasse das Zimmer.

»Meine Herren, ihr wollt noch immer keinen Stuhl?«

»Nein.«

Klar, wie konnte ich nur fragen.

Irgendwie scheint sich der Tag nun doch in die Länge zu ziehen. Bei den wenigen Patienten allerdings keine große Überraschung. Gelangweilt marschiere ich zur Stationsschwester, um nachzufragen, ob ich vielleicht doch noch andere Aufgaben übernehmen kann. Sie lehnt vehement ab und betont, dass ich mich hauptsächlich um Ryan Boyce zu kümmern habe, der aber gerade Besuch hat.

»Ich kann doch nicht die ganze Zeit im Zimmer von Boyce hocken.« Ihre kurzen Haare sind heute noch unordentlicher als sonst. Wie ein verwahrlostes Vogelnest. Ich bin bemüht nicht darauf zu starren. Funktioniert allerdings nur mäßig.

»Nein, natürlich nicht, aber Sie sollten sich in der Nähe aufhalten, der Patient soll die beste Behandlung bekommen.«

»Gut.« Anscheinend komme ich aus dem Ganzen nicht raus und jeglicher Widerstand ist zwecklos.

»Können Sie morgen den Nachtdienst anstatt des Tagdienstes übernehmen?«, ruft sie, als ich mich in Richtung Tür in Bewegung setze.

»Es sind doch bereits vier Schwersten eingeteilt, ist jemand krank geworden?«

»Nein, aber ich möchte eine zusätzliche Person hier haben, die sich um Herrn Boyce bemüht.« Für einen Moment überlege ich, ob das hier ein Scherz sein soll. Ich stelle mir vor, wie jemand hinter einer Pflanze hervorspringt, um mir die versteckten Kameras zu zeigen.

»Ja, ich kann den Dienst übernehmen«, gebe ich nach.

»Sehr gut.« Zufrieden stiefelt sie zur nächsten Pflegerin.

Da mein Dienst gleich endet, sehe ich zügig nach den Patienten und übergebe dann an die Nachtschwester. Bevor ich nach Hause fahre, blicke ich in Ryan Boyces Zimmer.

»Na, gehts schon besser?«

»Schon viel besser. Also welche Musik hörst du nun?«

»Das hab ich doch vorhin schon gesagt«, lächle ich verlegen.

»Hörst du auch meine Musik?« Seine Fragen machen mich sichtlich nervös. Warum lässt er mich nicht einfach meine Arbeit erledigen? Diese Fragerei bringt mich in Verlegenheit. Er bringt mich in Verlegenheit. Alleine seine Anwesenheit versetzt mich schon in diesen gottverdammten Zustand.

»Wenn sie gerade im Radio läuft, dann ja«, erwidere ich diplomatisch. Er muss ja nicht erfahren, dass mir das eine Lied so gut gefällt, dass ich das Radio jedes Mal lauter drehe, wenn es läuft. Auch seine anderen Songs finde ich toll, aber das werde ich ihm bestimmt nicht verraten.

»Welcher Song gefällt dir?« Er lässt einfach nicht locker.

»Ich kenne den Titel nicht und überrede mich jetzt bloß nicht zum Vorsingen«, warne ich, kann mein Lachen allerdings nicht zurückhalten. Er lächelt ohnehin die ganze Zeit. Macht mich verrückt mit dem dauernden Grinsen im Gesicht. Noch nie zuvor habe ich ein so außergewöhnlich warmes Lächeln gesehen. Während ich die Akte sortiere, spüre ich, wie sein Blick an mir haftet. Auf eine sonderbare Art gefällt es mir. Unbemerkt schaue ich hinter den Akten hervor, damit auch ich ihn genauer mustern kann.

Seine Haut ist dunkler als die eines Europäers. Seine genaue Herkunft kann ich nicht erraten. Die Haare sind zweifellos afrikanischen Ursprungs, aber seine braunen Augen sind dafür zu hell. Seine makellose, gerade Nase passt hervorragend zum restlichen Erscheinungsbild. Zweifelsohne ein sehr attraktiver Mann. Wenn er lächelt, kommen symmetrisch an beiden Wangen kleine Grübchen zum Vorschein.

»Ryan, ich muss noch Ihren Verband wechseln«, unterbreche ich meine Gedanken selbst. Bedacht bereite ich das Nötige vor und gehe ans Fußende des Bettes. Vorsichtig werfe ich die Decke zurück und hebe den Fuß an, was ihn kurz zusammenfahren lässt. Ich blicke in ein verzerrtes Gesicht. Übertrieben schnell wende ich meinen Blick ab. Üblicherweise sehen Patienten beim Verbandswechsel zu, doch im Moment fühle ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, beobachtet zu werden.

»Geht es einigermaßen?«, frage ich.

»Wenn es nicht schlimmer wird, dann singe ich später für dich … und womöglich errate ich sogar das Lied, das dir so gut gefällt«, sagt er und fährt mit der Hand seinen Oberschenkel rauf und runter. Er dürfte starke Schmerzen haben. Das mit dem Singen kann er nicht so meinen. Das wäre mir vielleicht unangenehm! Der Fendrich wäre mir lieber gewesen. Dann hätte ich meiner Mutter stolz die Aufnahme von »I am from Austria« vorgespielt, die hätte sich gefreut.

»Lebst du in Wien?«, fragt er mit einem mäßig entspannten Ausdruck im Gesicht.

»Ja, ich habe vor nicht allzu langer Zeit eine nette kleine Wohnung hier bezogen.«

»Also lebst du alleine?«

»Wie bitte?« Ich sehe entsetzt auf.

»Na ja, weil du sagtest, du hättest eine kleine Wohnung.«

»Nein, ich lebe mit Bruno zusammen.«

»Oh, du bist verheiratet?«

»Eine Ehe mit Bruno hätte in Österreich keine Gültigkeit.«

»Ist er illegal hier?«, fragt er lachend.

»Nein, ich habe Bruno impfen lassen und dem Vermieter gemeldet«, bemühe ich mich ernst zu bleiben.

Sein Lachen wird lauter. »Mr. Bruno ist ein Hund?«

»Bruno ist meine Katze.« Es dauert einen Moment, doch dann prusten wir beide los.

»Eine Katzenfrau also«, murmelt er kaum hörbar vor sich hin.

»Geschafft. Morgen wird der Verband erneut abgenommen und vom Oberarzt versorgt«, wechsele ich das Thema.

»Es hat nicht weh getan«, merkt er spitzbübisch an.

»Fein, nur das Beste für unsere Patienten«, gebe ich lässig zurück. Als ich mich zum Gehen wende, erhebt er seinen Oberkörper, so dass er im Bett sitzt. Mit seinem Zeigefinger deutet er auf den Sessel daneben. Will er, dass ich mich setze?

»Du wirst jetzt doch nicht wirklich singen?«, sage ich erschrocken.

»Sagte ich doch.«

»Ich werde jetzt aber nicht hier herumsitzen und dich anhimmeln wie ein Groupie«, stammle ich vor mich hin. »Musst du nicht, also mich anhimmeln. Ich finde heraus, welches Lied dir gefällt, und das Anhimmeln kommt dann sowieso. Auch wenn du dich jetzt noch dagegen wehrst.«

Sprachlos lasse ich mich auf den Stuhl plumpsen. Er nimmt seine Gitarre zur Hand und beginnt darauf zu spielen. Völlig perplex lausche ich den Klängen. Er fängt an zu singen, schließt dabei seine Augen. Als mich seine ersten Worte erreichen, erschaudere ich. Tatsächlich, er hat meinen Lieblingssong erraten. Er singt ihn nicht bloß, sondern verkörpert jede einzelne Silbe. Seine Stimme klingt nach Soul, und ich erkenne eine einzigartige Klangfarbe. Zugegeben, ich habe wenig Ahnung von Musik, doch ich würde ihn zu den besten Sängern der Welt zählen. Das Lied ist wunderschön, mir läuft ein kalter Schauder über den Rücken. Beim Refrain schlägt er seine Lider nach oben und blickt in meine Augen. Diesmal schaffe ich es nicht, seinem Blick rechtzeitig auszuweichen. Das muss man ihm lassen, er weiß, wie man die Frauen für sich gewinnt. Muss er wohl auch, täglich auf der Bühne liefert er eine Show nach der anderen und bricht dabei unzählige Herzen. Wie beeindruckend diese Welt wohl sein muss.

Als er die letzten Worte singt, werde ich nervös. Wie soll ich jetzt reagieren? Erwartet er einen Applaus? Er darf nicht bemerken, wie sehr mir seine Darbietung gerade gefallen hat. Der Typ ist ohnehin schon mehr als nur von sich selbst eingenommen.

Ein letztes Mal streicht er über die Saiten seiner Gitarre und beendet grinsend den Song. Nach einer kurzen Pause beginnt er, wild auf der Gitarre zu spielen und wiederholt den Refrain auf eine lustige, rockige Art und Weise. Ich muss lachen, und ohne zu überlegen klatsche ich im Takt mit. Er bedankt sich freundlich und schmunzelt.

»Danke«, sage ich verlegen und erhebe mich vom Sessel.

»Das war doch dein Lieblingslied, oder?«, grinst er.

»Vielleicht.«

»Ich wünsche eine angenehme Nacht«, verabschiede ich mich.

»Wirst du morgen auch wieder hier sein?«

»Ja.«

»Dann bis morgen.«

Ich lasse die Tür zufallen und fühle mich von seinen Leibwächtern beobachtet. Silke und Frau Elfriede lauern am Tresen gegenüber, wie zwei hungrige Hyänen kommen sie auf mich zu.

»Hat er etwa gesungen?«, fragt Silke entsetzt.

»Das hast du doch gehört, Silke«, sagt Elfriede in einer etwas zu schrillen Stimmlage.

»Für dich?«, fragt Silke ganz außer sich.

»Also so würde ich das jetzt nicht sehen. Er singt einfach gerne und ist eben ein Künstler. Unter uns gesagt, die leben in ihrer eigenen Welt.« Ich sehe in zwei verwunderte Gesichter. »Silke, der singt bestimmt noch die ganze Nacht irgendwelche Lieder. Künstler machen das. Hab ich zumindest gelesen.« Sie sehen mich weiterhin verdutzt an. Woraufhin ich mich in die Umkleidekabine verziehe.

Nur schnell weg von hier. Hoffentlich läuft mir nicht noch ein verstörter Kollege über den Weg. Außerdem beschließe ich, den Abend daheim zu verbringen, ich habe heute keine Lust auf Konversation. Der Tag war anstrengend genug. Auf der Fahrt nach Hause halte ich bei der Videothek an und besorge noch schnell ein paar Lebensmittel im Supermarkt. Eigentlich habe ich keine große Lust zu kochen, kaufe mir deshalb ein Fertiggericht und Schokolade für den Videoabend mit Bruno. Kaum öffne ich zu Hause die Tür, werde ich sehnsüchtig begrüßt. Erwartungsvoll sieht er mich an, er weiß, dass er gleich etwas zu Fressen bekommt.

Später lasse ich mir ein Bad ein und entspanne für eine Weile. Ich muss den Tag erst einmal verarbeiten. Ryan Boyce ist mein Patient, kaum zu glauben. Immer wieder sehe ich sein strahlendes, makelloses Gesicht vor mir. Nach dem heißen Bad lege ich die DVD ein und beginne den Film zu schauen. Sonderlich viel bekomme ich allerdings von der Geschichte nicht mit, der Tag heute war einfach zu aufregend.

Wien – Kapitel 2

Am nächsten Morgen erwache ich erst gegen zehn Uhr. Zum Glück habe ich einen Nachtdienst, ansonsten hätte ich verschlafen. Offensichtlich bin ich gestern während des Filmes ohne den Wecker zu stellen vor dem Fernseher eingeschlafen. Ich strecke mich und fühle mich absolut ausgeruht. Kein einziges Mal bin ich wach geworden, zumindest habe ich es nicht bemerkt. Nach einigen Dehnübungen gehe ich zur Kaffeemaschine hinüber und stolpere dabei über Bruno, der schon wieder um Essen bettelt. Ich koche mir einen Kaffee, erst dann bekommt er sein Fressen. Das ist schon eine Art Ritual bei uns. Morgens bin ich sehr egoistisch. Danach rufe ich meine E-Mails ab und nehme einen kräftigen Schluck Kaffee.

Schlagartig fällt es mir wieder ein: Ryan Boyce liegt auf meiner Station. Ich kann es nicht lassen und gebe seinen Namen in die Suchmaschine ein. Zahlreiche Ergebnisse werden mir angezeigt. Eine Ryan Boyce-Überflutung findet hier gerade statt. Was hatte ich auch anderes erwartet? Immerhin ist er ein Weltstar. Ich klicke eine Homepage an und betrachte eines der Fotos. Es fühlt sich mehr als nur seltsam an, das Foto zu sehen. Einerseits wirkt er auf dem Bild so unerreichbar, und andererseits liegt er mit hoher Wahrscheinlichkeit noch im Krankenhaus und ich werde ihn in wenigen Stunden wiedersehen. Ich scrolle nach unten und klicke auf einen Button für mehr Informationen. Eine Schaltfläche mit einer detaillierten Liste über seine Person öffnet sich. Ryan Boyce ist 26 Jahre alt. Zwei Jahre jünger als ich, ich hätte ihn für älter gehalten. Ach, wie lächerlich ist das nun wieder? Ich klappe den Laptop zu und gehe ins Badezimmer. Die Internetrecherche kann ich mir sparen. In wenigen Tagen ist er aus meinem Leben verschwunden. Im Badezimmer angekommen sehe ich in den Spiegel und beschließe kurzerhand, dass ich unbedingt zum Frisör muss.

Ich hätte große Lust auf eine Veränderung meiner Frisur, doch dann bin ich zu feige und lasse nur einen kleinen Wandel zu. Die Stylistin berät mich und ich beschließe, meiner brünetten Haarfarbe etwas mehr Glanz zu verleihen. Das ist besser als nichts. Anschließend laufe ich noch durchs Einkaufszentrum, um meinen Kleiderschrank aufzupeppen. Das macht sich dann aber sehr schnell auf meinem Bankkonto bemerkbar, was mir sofort per SMS mitgeteilt wird. Immerhin habe ich nun eine neue Hose, ein neues Kleid, zwei neue Oberteile und neue Schuhe. Die Schuhe sehen hammermäßig aus. Rundum zufrieden mache ich mich auf den Nachhauseweg.

Erst am späten Nachmittag komme ich zurück in die Wohnung. Dort beginne ich sofort zu putzen. Wobei, vielmehr ist es ein fades Herumlaufen mit einem Waschlappen in der Hand. Genauer gesagt laufe ich im Kreis und tue nur so, als würde ich saubermachen. Wem will ich hier was vormachen? Bruno? Selbst er hat mein Getue durchschaut und blickt skeptisch vom Kratzbaum herab. Es wäre sinnvoller, mich vor dem Nachtdienst etwas auszuruhen. Die Zeit vergeht rasend schnell und die quälenden Versuche einzuschlafen führen zu nichts. Bald muss ich ohnehin aufbrechen und zur Arbeit, um diese Uhrzeit ist besonders viel los auf den Straßen.

Als ich mich für die Arbeit frisch gemacht habe, bemerke ich, dass ich heute mehr Rouge aufgelegt habe als sonst. Bernadette wird sich freuen. Die Fahrt zum Krankenhaus verläuft überraschend gut, keine hupenden Taxifahrer, keine Zigarettenpause, kein Kaffee. Ich bin stolz auf mich. Im Krankenhaus angekommen, beschließe ich, mich doch mit einem Kaffee zu verwöhnen. Zufrieden schlendere ich damit in das Dienstzimmer. Als ich eintrete, gaffen mich einige Kollegen unverblümt an und tuscheln miteinander.

»Guten Abend, meine Lieben«, heuchle ich Freundlichkeit, obwohl mich ihr Verhalten nervt.

»Er hat gefragt, wann dein Dienst beginnt«, meint eine Kollegin vorlaut.

»Außerdem lässt er seinen Verband nur von dir wechseln«, sagt Bernadette neckisch.

Träume ich? Einen Moment lang kann ich nicht glauben, was ich höre. Ich kann ein Lächeln nicht zurückhalten.

»Gut, dann sollte ich wohl keine Zeit verlieren und meinen Dienst antreten«, sage ich selbstsicher.

Die Dienstübernahme verläuft problemlos und es sind tatsächlich zu viele Schwestern für diesen Nachtdienst eingeteilt. Normalerweise sind die Nachtdienste besonders fordernd, hauptsächlich wegen der Personaleinsparungen.

Ich husche an der Security vorbei in Ryans Zimmer. Als ich mich drinnen umblicke, bemerke ich jedoch, dass er gerade schläft. Enttäuscht verlasse ich den Raum wieder. Ich werde es später erneut versuchen. In der Zwischenzeit erledige ich den lästigen Papierkram und kümmere mich um die zahlreichen Neuaufnahmen. Ein Blick auf den Dienstplan verrät mir, dass ich tatsächlich für nur vier Zweibettzimmer zuständig bin. Elfriede scheint das Ganze nun doch lockerer zu sehen und setzt mich auch für andere Patienten ein. Dann beginne ich eben mit den anderen Patienten. Es ist mir ohnehin nicht wohl dabei, Ryan wiederzusehen.

Ein schriller Ton lässt mich hochfahren. Ryan hat geläutet. Eilends marschiere ich zu ihm. Einer seiner Bodyguards ist mir zuvorgekommen und steht neben seinem Bett.

»Schönen guten Abend«, strahlt er. Dieses Lächeln macht mich noch wahnsinnig. Möglicherweise bin ich es schon.

»Abend, wie ist das Befinden heute?«, frage ich so beiläufig, wie ich es vorher eingeübt hatte. »Wir müssen den Verband wechseln«, füge ich hinzu, ehe er antworten kann.

»Soll ich dann wieder für dich singen?«, feixt er.

»Hast du dir deshalb den Verband nicht wechseln lassen, weil du so gerne für mich trällerst?«, kontere ich.

»Vielleicht. Du könntest mir stattdessen anvertrauen, was du in L.A. geplant hast.«

Ohne auf seine Frage einzugehen, hebe ich sein Bein an und öffne vorsichtig den Verband. Die großflächige Wunde sieht deutlich besser aus als gestern. »In der Akte steht, dass du in voraussichtlich zwei Tagen entlassen wirst und in bereits drei Wochen wieder auf der Bühne stehen kannst.«

»Da beginnen bereits meine Studioaufnahmen, ich werde meine Konzerte in zwei Monaten nachholen müssen.«

»Wie lange warst du jetzt unterwegs?«, frage ich interessiert.

»Drei Monate. Es war eine Welttournee. Letzten Monat war ich in Neuseeland.«

»Na, dann hast du sicher einiges nachzuholen.«

»Ich werde vorerst nichts tun. Zumindest einige Tage lang. Bald muss ich dann ins Studio, um ein neues Album aufzunehmen.«

»Und Freunde hat man als berühmter Sänger keine?«

Seine Augenbrauen fahren prüfend hoch.

»Mit Freunden gehe ich mal ein Bier trinken, falls du das wissen wolltest«, meint er und beäugt mich weiterhin kritisch.

Blöd von mir. Ich werde unsicher, warum stelle ich solche Fragen? Hat mich doch nicht zu interessieren. »Funktioniert das? Ich meine, hast du die Möglichkeit, einfach so ein Bier trinken zu gehen, oder hast du deine beiden Freunde vor der Tür immer im Schlepptau?«, machen sich meine Lippen selbständig. Erschrocken erstarre ich. Kommt das tatsächlich aus meinem Mund?

»Wenn ich in L.A. unterwegs bin, habe ich sie oft nicht bei mir. Es kommt ganz darauf an. Grundsätzlich funktioniert es ganz gut, auch ohne Leibwächter«, sagt er und seine Augenbrauen entspannen sich wieder.

»Gut. Und in Österreich braucht man ständig Security bei sich, weil es ja hier viel gefährlicher ist als in Los Angeles«, bemerke ich sarkastisch. Seine Mundwinkel ziehen sich nach oben, auch er muss schmunzeln.

»Natürlich nicht. In L.A. weiß ich zumindest, wohin ich gehen kann, ohne irgendwelchen Fans oder Paparazzi in die Arme zu laufen.«

»Hm, klingt logisch. So, wir sind dann auch schon fertig«, stelle ich zufrieden fest.

»Weil es diesmal beinahe schmerzfrei war, kann ich als Dankeschön noch ein Liedchen singen!«, zwinkert er mir zu.

»Nein, heute nicht. Ich komme dann später wieder«, sage ich und verlasse fluchtartig den Raum. Nachdem die Tür zufällt atme ich einmal kräftig aus. Mir wird leicht schwindelig.

Nachdem ich mich eine Zeitlang mit einer Kollegin am Gang verquatscht habe, mache ich mich auf, um den angehäuften Papierkram zu sortieren und teile die Tabletten in kleine silberne Döschen. Bei dem Gedanken gleich wieder vor Ryan zu stehen, wird mir ganz mulmig. Um die Zeit zu vertreiben, helfe ich einer neuen Kollegin, die noch etwas überfordert wirkt. Als ich dann auf die Uhr blicke, bemerke ich, dass es schon spät ist und ich schleunigst zu Ryan sollte.

»Hier habe ich deine Schlaftablette.«

Er tippt auf seinem Smartphone herum. »Ich möchte heute keine Schlaftablette«, erklärt er knapp, ohne aufzusehen.

»Gut, solltest du etwas benötigen, ich sehe später nochmal rein.«

»Warte, eigentlich hatte ich gehofft, dass du bleibst. Wir könnten uns unterhalten.« Er sieht zu mir hoch und legt sein Mobiltelefon auf den Beistelltisch.

»Äh, unterhalten?«, erwidere ich irritiert.

»Ja, ich finde es interessant jemanden kennenzulernen, der nichts mit Musik und dem Showbusiness zu tun hat. Erzähl schon, was hast du in Kalifornien geplant?«

Kurz überlege ich, ob ich einfach aus dem Zimmer rennen soll. Muss jedoch feststellen, dass sich meine Beine nicht vom Fleck bewegen wollen. So sehr ich mich auch bemühe, sie scheinen meinen Befehlen nicht zu gehorchen.

»Wir haben noch nichts Konkretes geplant, also meine Freundin und ich«, sage ich und blicke in seine bronzefarbenen Augen. Zum ersten Mal heute.

»In welchem Stadtteil wohnt sie, deine Freundin, deren Namen du anscheinend nicht verraten möchtest?« Er sieht mich erwartungsvoll an.

»Sie heißt Alicia und lebt in Bel Air«, antworte ich schnell. »Geht doch, ich wohne in den Hollywood Hills.«

»War zu erwarten«, rutscht es mir raus, und ich halte verlegen meine Hand vor den Mund.

»Wie lange bleibst du?«

»Zwei Wochen. Allerdings macht mir der Jetlag immer ziemlich zu schaffen, deshalb plane ich die ersten Tage nur wenig.«

»Du wirst ja richtig gesprächig … Nachdem du dich dann erholt hast, geht ihr gemeinsam zu Pinks?«, spottet er.

»Ja genau, um dort stundenlang in der Schlange zu stehen. Eigentlich wollte ich meine Zeit mit Alicia und ihrer Familie verbringen.«

»Wann genau wirst du dort sein?«

»Nächsten Monat.«

»Das sagtest du bereits, wann genau?«

Oh, das gibt es doch nicht. Warum tut er so, als würde es ihn interessieren? Wie automatisiert gebe ich die Antwort.

»Vom 2. November bis 16. November.«

»Vielleicht können wir uns sehen!«

Skeptisch blicke ich in seine Richtung. »Du solltest dich jetzt besser ausruhen.«

Das kann doch nicht wahr sein. Er möchte sich unterhalten, scheinbar ist ihm langweilig. Das Treffen kann er doch nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Wie soll das bitte ablaufen? Ich melde mich über eine Fanpage an, um ein Treffen zu arrangieren? Oder womöglich über ein soziales Netzwerk? Er macht sich bestimmt einen Spaß aus der Sache, und ich mache mir ernsthaft Gedanken darüber.

Im Aufenthaltsraum sitzen Elfriede und Silke bei einer Tasse Tee. Sie besprechen die diesjährige Weihnachtsbäckerei. Ob ich ihnen sagen soll, dass sie noch zwei Monate Zeit haben? Besser nicht. Ohne sie zu unterbrechen, lasse ich mich auf dem Sessel neben ihnen nieder. Na, dann werde ich dieses Jahr wohl die Finger von den Keksen lassen. Immerhin weiß ich nun, dass diese an Weihnachten bereits zwei Monate alt sind. Ekelhaft. Sie wollen bereits dieses Wochenende mit dem Backen beginnen.

Als es mir zu blöd wird, schleiche ich mich davon und sehe nach den restlichen Patienten. Danach lenke ich mich mit den Eingaben für die Morgenvisite ab. Schon bald kommt Elfriede und tadelt mich, ich solle besser wieder nach unserem Superstar sehen.

Das gibts doch nicht. Sein Bodyguard hat es endlich eingesehen und sich einen Stuhl geschnappt. Der andere Mann im schwarzen Anzug unterhält sich mit Ryan.

»Abend, die Herren«, sage ich leise.

»Guten Abend, die Dame«, sagen sie beinahe gleichzeitig auf Englisch und mustern mich. Was mir unangenehm ist. Wäre ich hübsch gekleidet, würde es mir zumindest ein bisschen gefallen. Doch in dem lila Kartoffelsack, den wir als Arbeitskleidung tragen, passt mir das gar nicht. Sein Leibwächter, dessen Name James ist, verlässt ungebeten den Raum. Müssen die sofort gehen, wenn jemand mit ihm sprechen will oder einfach nur kurz nach dem Rechten sieht? Dürfen sie vielleicht nicht im selben Raum bleiben? Gibt es eine Vereinbarung? Zu gerne würde ich das wissen.

»Hast du heute viel zu tun?«, fragt Ryan und sieht mich dabei mit diesen unverschämt strahlenden Augen an.

»Eigentlich nicht. Du solltest wirklich ein wenig schlafen. Ich kann dir eine Schlaftablette bringen.« Mein Blick ist fürsorglich.

»Nein. Ich kann tagsüber schlafen, wenn du nicht hier bist«, grinst er frech.

Ich schnaube. Dann setze ich mich auf die kleine Couch, die rechts neben dem Bett steht, und drehe mich in seine Richtung. »Also, das funktioniert bei mir nicht«, erkläre ich bestimmt. »Tut es doch«, grinst er weiter.

Nun muss ich selbst schmunzeln und ärgere mich darüber. Toll gemacht, Stephanie.

»Du siehst müde aus«, stellt er fest.

»Ja, der Nachtdienst war nicht vorgesehen, außerdem konnte ich am Nachmittag nicht schlafen.« Wieder bewegen sich meine Lippen wie von Zauberhand. Warum passiert mir das andauernd?

»Du trägst deine Haare heute anders.«

Darauf werde ich bestimmt nicht antworten. Verdammt, warum fällt ihm das überhaupt auf? Mein Exfreund Christian, mit dem ich bereits eine Hochzeit geplant hatte, die allerdings ins Wasser fiel, weil er seine Finger nicht bei sich behalten konnte, hat diese Dinge nie bemerkt. Na gut, eine Kurzhaarfrisur wäre auch ihm aufgefallen. Soll ich mich davon beeindrucken lassen? Bei den meisten Frauen funktioniert das vermutlich.

Noch ist er still, aber es dauert bestimmt nicht mehr lange und er lässt wieder einen seiner lässigen Sprüche fallen. Oder schlimmer, er singt ein Liebeslied und setzt dann beliebig meinen Namen ein. Es gibt bestimmt unzählige Frauen, die ihm nachlaufen und mit ihm ins Bett gehen. Mit wie vielen Frauen er wohl schon Sex hatte? Verdammt, Stephanie reiß dich zusammen! Womöglich gibt Ryan Boyce Partys in seiner Villa mit zahlreichen weiblichen Gästen. Das liest man in Zeitschriften, die Stars feiern doch solche wilden Orgien. Selbst Prinzen lassen es in Las Vegas ordentlich krachen.

»Was machst du gerne?«, unterbricht er meine Gedanken.

Es dauert eine Weile, bis ich mich wieder gefasst habe. »Ich tanze. Ich mag allerlei Tänze, auch die klassischen, wie Walzer, oder Rock`n Roll und Freestyle. Meine Freunde bekommen mich kaum von der Tanzfläche runter.«

»Ich tanze auch.« Seine Augenbrauen wandern interessiert nach oben.

»Dachte ich mir schon. Immerhin tanzt du in den meisten deiner Videos«, sage ich und bereue meine Worte gleich wieder. Er soll nicht erfahren, dass ich mir heute seine Videoclips angesehen habe. Oh, wie peinlich.

»Ja, ich stand schon als Kind auf der Bühne. Was magst du sonst noch?«

»Gute Bücher und gutes Essen. Eigentlich auch weniger gutes Essen. Es darf dann auch mal die Pizza vom Griechen sein«, lache ich. »Ansonsten reise ich viel, treffe mich mit Freunden und gehe gerne ins Theater«, rattere ich herunter, als säße ich bei einem Verhör.

Er hört mir zu und scheint sich ernsthaft dafür zu interessieren. Na ja, ich sollte mir vor Augen halten, dass ihm wahrscheinlich total langweilig ist und er sich nur die Zeit vertreiben will. Üblicherweise würde ich jetzt mit der Fragerei beginnen, allerdings fühle ich mich angesichts dessen, dass er ein Superstar ist, nicht wohl dabei und lasse es sein. Vermutlich würde er mir auch nichts erzählen wollen.

Dann geht die Tür auf und eine mehr als nur hübsche Frau kommt ins Zimmer. Lächelt kurz in meine Richtung, geht zu Ryan und gibt ihm einen Kuss. Das wird dann wohl eine der Damen sein, die er auf einer Hollywood-Party kennengelernt hat. Augenblicklich fühle ich mich unwohl, mein Bauch zieht sich krampfartig zusammen. Umgehend ergreife ich die Flucht. Die Situation ist merkwürdig. Nicht, dass ich ernsthaft daran geglaubt hätte, dass er sich mit mir treffen würde oder ich ihm gefallen könnte. Aber ich habe auch nicht angenommen, dass er eine Freundin hat. War das eben seine Freundin? Oder haben diese Stars in jeder Stadt Groupies, die sie im Krankenhaus besuchen, wenn etwas passiert? Sie sieht aus, als würde auch sie in den Hollywood Hills leben. Oder nicht? Wie sieht eigentlich jemand aus, der in den Hills wohnt? Ob Bernd noch wach ist …? Ich tippe eine Nachricht.

<Hey … sorry für die späte Störung, unser Star hat gerade Damenbesuch bekommen!!!>

<Männer haben Bedürfnisse;)>, schreibt er sofort zurück.

<ja ja … ich weiß ;)>

<Stört es dich???>

Warum sollte es mich stören? Wie kann Bernd eine so dämliche Frage stellen, er müsste mich doch kennen.

<Natürlich nicht! Ich finde es nur seltsam, um diese Uhrzeit und im Krankenhaus … war sie gestern auch hier?>

<Also stört es dich doch ;)>

<Ach vergiss es, und es stört mich nicht!!! Fand es nur seltsam …>

Ich ärgere mich ein wenig, dass ich Bernd geschrieben habe, weil er mich damit aufziehen wird. Aber Damenbesuch um diese Uhrzeit ist doch eigenartig. Wird sie die ganze Nacht bleiben? Ich werde noch ein wenig warten und sollte sie länger hier verweilen, werde ich noch ein Bett anfordern. Ein Krankenbett ist für zwei Personen nicht sonderlich bequem. Was bildet sich der Typ überhaupt ein, flirtet mit mir und hat eine Freundin! Hat er überhaupt mit mir geflirtet, oder wollte er sich einfach nur nett unterhalten? Ach, ist doch egal. Mich widert sein Verhalten an, wenn er doch offensichtlich in einer Beziehung ist.

Wien – Kapitel 3

Erst am späten Nachmittag erwache ich. Nach und nach erscheinen die Bilder der gestrigen Nacht vor meinen Augen. Ein wenig zerstreut schlendere ich in die Küche, mache einen Kaffee, bestreiche ein Brot mit Honig und gehe mit den beiden Leckereien zurück ins Wohnzimmer. Bernd hat mich bereits angerufen. Allerdings möchte ich jetzt mit niemanden sprechen und lege das Mobiltelefon zur Seite. Dann kann ich es doch nicht lassen und schreibe ihm eine Mitteilung. Der Kaffee macht mich auch nicht wacher und kurz darauf schlafe ich wieder ein.

Erst am nächsten Morgen wache ich wieder auf. Ich kann es kaum glauben, ich habe einen Tag und eine Nacht verschlafen! Auch mein Handy habe ich nicht gehört und erneut einen Anruf von Bernd verpasst. Mein Dienst beginnt in drei Stunden, also bleibt noch genügend Zeit, um eine schnelle Runde im Park zu drehen. Eilig ziehe ich eine schwarze Trainingshose an und nehme meinen iPod. Wieder einer dieser wundervollen Herbsttage, stelle ich fest, als ich die Tür öffne. Nach den letzten 24 Stunden tut der erfrischende Herbstwind gut. Einige Frühaufsteher joggen sportlich an mir vorbei oder gehen mit ihren Vierbeinern spazieren. Die Melodie von Ryans Song erklingt in meinen Ohren. Nicht irgendein Song, sondern genau das Lied, das er für mich gesungen hat. Meine Schritte verlangsamen sich, wie betäubt setze ich mich auf eine Parkbank. Für einen Moment schließe ich meine Augen. Sofort erinnere ich mich an seine Grübchen, die zum Vorschein kommen, wenn er lächelt. Sie sind nicht sehr ausgeprägt, das rechte kann man nur erahnen, das an der linken Wange ist deutlicher zu sehen. Seine Haut wirkt weich, untypisch für einen Mann. Die letzten Töne seiner Stimme verklingen und ich muss seufzen. Das Lied muss ich unbedingt von der Playlist nehmen. Ich sollte sowieso ausschließlich schnellere Songs für den Sport wählen.

»Hey, tut mir leid, dass ich nicht erreichbar war, hatte wohl das Bedürfnis zu schlafen«, sage ich zu Bernd.

»Ich wollte schon kommen und nach dir sehen. Es ist mir aber etwas dazwischengekommen.«

»Phil?«, frage ich. Phil ist Bernds Lebenspartner, mit dem er inzwischen schon eine kleine Ewigkeit liiert ist.

»Ja.«

»Oh, wie unangenehm.«

»Sehr. Fährst du bald weg?«, fragt er.

»Ja, ich habe nur noch wenige Dienste bis zum Urlaub. Zum Glück. Ich brauche dringend eine Veränderung.«

»Ach, nimm mich mit nach L.A.!«

»Du wolltest doch nicht«, sage ich vorwurfsvoll.

»Ja, weil sonst Alicia wieder eifersüchtig wird. Ich sag dir, Jason steht auf mich.«

Zugegeben, Alicias Mann Jason sieht Bernd tatsächlich auf eine sonderbare Art an. »Das glaub ich nicht.«

»Willst du wissen, wie viele Männer schwul sind und es jahrelang unterdrücken?«

»Hör auf, so was will ich nicht hören«, wehre ich vehement ab.

»Du wärst erstaunt«, erklärt er.

»Such lieber einen Film aus, damit endlich was aus deinen Träumen wird, und frag Phil, ob er auch Lust hat.«

»Er hat sich nach dir erkundigt!«

»Oh, wie nett! Wir sollten uns bald treffen.«

»Doch nicht Phil! Ryan hat nach dir gefragt«, erklärt er.

»Das macht er nur aus Langeweile«, sage ich mit plötzlich zittriger Stimme.

»Na und! Schnapp ihn dir. Du hattest schon seit einer Ewigkeit keinen Sex mehr. Was kann schon passieren? Wenn es nicht gut war, kannst du zumindest behaupten, du hattest Sex mit Ryan Boyce. Ich würde es tun«, lacht er. Ich kann nicht glauben, was Bernd von sich gibt.

»Tja, das glaub ich dir«, sage ich trotzdem, noch immer erstaunt von Bernds Ansage. »Selbst wenn er kurz mit mir geflirtet hat … ach, vergiss es. Die Vorstellung alleine ist schon lächerlich!«

»Er sieht wirklich heiß aus«, schwärmt er.

»Jep. Ich muss jetzt weiter.«

»Schönen Dienst und ruf mich am Abend an.«

Wie soll ich reagieren, wenn ich vor ihm stehe? Soll ich die Frau von gestern erwähnen? Besser nicht! Damit würde ich nur zeigen, dass mich der Damenbesuch irritiert hat. Ich hätte mich krankmelden sollen. Auf ein erneutes Zusammentreffen habe ich keine große Lust. Dazu kommt, dass Elfriede krank ist und ich sie vertreten soll. Mehr Büroarbeit und weniger Patienten.

Mit dem Papierkram lasse ich mir so richtig viel Zeit. So kommt es, dass ich erst am späten Vormittag zu Ryan gehe.

Als sich unsere Blicke treffen, bin ich sprachlos. Für einen langen Moment starren wir einander an, bis ich einen flüchtigen Gruß hervorbringe. Er trägt eine blaue Jeans, dazu ein lässiges braunes Hemd, bei dem die obersten Knöpfe geöffnet sind. Eine übertriebene Goldkette hängt um seinen Hals. Seine Haare sind gestylt und sein Afro ist verschwunden.

»Hey, na?«, höre ich ihn sagen.

»Du wirst entlassen«, stelle ich fest.

»Weil du mich so gut gepflegt hast.« Er grinst.

»Das wirds wohl sein. Oder der Damenbesuch letztens!«, rutscht es mir raus. Verdammt, das wollte ich nicht erwähnen. »Warum hast du dich nicht verabschiedet?«

»Ich wollte nicht stören«, sage ich und halte seinem Blick stand. Verdammt. »Du hättest nicht gestört«, sagt er herausfordernd und kneift beide Augen zusammen.

Irgendwie mysteriös. Ich muss hier weg und zwar schnell. »Wir sehen uns dann im nächsten Monat«, sagt er, als wäre es das Normalste auf der Welt.

Daraufhin kommt er auf mich zu, legt seine rechte Hand auf meine Schulter, zieht mich zu sich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Mit seiner linken Hand drückt er meine Rechte und steckt mir ein Stück Papier zu. Ich stehe benommen da und starre vor mich hin. Es dauert eine Zeit, bis ich begreife. Dann sehe ich zu ihm auf und lächle entschuldigend. Das kleine Stück Papier lege ich auf das Tischchen neben dem Bett.

»War nett, dich kennengelernt zu haben«, sage ich.

Ich warte nicht auf seine Reaktion, rasch verlasse ich den Raum. Einen Augenblick später befinde ich mich, noch immer mit zitternden Händen, im Dienstzimmer.

Auf dem Nachhauseweg verabrede ich mich mit Bernd. Wir treffen uns abends und wollen japanisch Essen gehen und anschließend ins Kino. Er holt mich ab und beschließt, ins Restaurant ums Eck zu gehen. Phil lässt ihm nicht viel Entscheidungsfreiheit, zumindest was die Kulinarik angeht. Bernd lässt sich darüber oft bei mir aus. Ich hingegen lasse mich gerne überraschen.

Aufmerksam hört mir Bernd zu, als ich ihm vom heutigen Tag und der Verabschiedung erzähle.

»Warum hast du das gemacht?« Er schüttelt entsetzt den Kopf.

»Das weiß ich nicht, aber die Nummer hätte mir nichts gebracht«, sage ich leise.

»Eine Konzertkarte, guten Sex, was auch immer!« Bernd scheint sich nicht mehr fangen zu können. Er sitzt mit einem fassungslosen Ausdruck im Gesicht vor mir.

»Eine Enttäuschung. Nämlich, weil die Nummer ohnehin nicht gültig ist. Oder er dann doch kein Interesse zeigt.«

»Du glaubst doch nicht, dass er dir eine falsche Nummer hinterlässt? Entweder er wechselt sie von Zeit zu Zeit oder er hat eine eigene Hotline eingerichtet, nur für seine Ladys«, schmunzelt er.

»Na siehst du! Aus dem Grund habe ich sie dort gelassen und außerdem bin ich nicht jemand, der sich von ein paar Sprüchen beeindrucken lässt«, erkläre ich genervt.

Daraufhin sind wir für eine Weile still.

»Bernd, ich bereue, dass ich seine Nummer nicht habe«, gebe ich schließlich zu.

»Man sieht sich immer zweimal im Leben«, versucht er mich aufzumuntern.

»Das wäre dann das vierte Mal, und ich würde nicht darauf wetten, dass ich ihm zufällig bei Alicia über den Weg laufe. Das hier ist kein Hollywoodfilm, sondern das echte Leben.«

»Die Filme gefallen dir doch so«, spottet er.

»Ach, du weißt doch, was ich meine«, sage ich augenrollend.

Bernd beäugt mich. Vergebens versuche ich, meine Gefühle zu verbergen. Mit Sicherheit hat er mich bereits durchschaut und weiß, dass mich Ryan nicht kaltlässt.

Bernd ist ein großer, gut aussehender und muskulöser Mann. Ein Traummann schlechthin. Seine Gesichtszüge sind maskulin und seine blauen Augen strahlen immerzu. Bernd habe ich im Krankenhaus kennengelernt. Gleich darauf auch Phil, Bernd hatte das damals so arrangiert, um Missverständnisse zu vermeiden. Wir verstanden uns auf Anhieb und hatten bereits zu Beginn einen guten Draht zueinander. Er zählt zu meinen engsten Freunden, neben Alicia, die vor einem Jahr nach Los Angeles gezogen ist. Sie fehlt mir. Denn Bernd ist ein Mann. Er versucht zwar, mich zu verstehen, aber das gelingt nicht immer.

»Das wars dann wohl«, bemerke ich trocken.

»Sieh in der Patientenakte nach. Du könntest die Telefonnummer über seine Versicherung bekommen.« Seine Augen blitzen auf.

»Die Nummer steht sicher nicht in der Akte und bei der Versicherung rufe ich nicht an. Zuerst nehme ich seine Nummer nicht und dann veranstalte ich ein solches Theater? Was sag ich ihm dann? Hallo, ich wollte nur mal kurz hören, wie es dir so geht, und übrigens habe ich den Präsidenten bestochen, um an deine Nummer zu gelangen?«

»Eine dezent überzogene Darstellung«, grinst er.

»Du weißt doch, was ich meine.«

»Du kannst es dir noch überlegen. Komm, der Film beginnt.«

»Stimmt, übrigens tolle Filmauswahl. Habe ich dir erzählt, dass mir das Buch nur bedingt gefallen hat?«

»Ich will dich damit quälen, bis du dann schlussendlich doch Gefallen daran findest«, lacht er.

Wien – Kapitel 4

Als ich am nächsten Morgen aufwache, nehme ich mein Handy zur Hand und recherchiere in sämtlichen sozialen Netzwerken alles über Ryan Boyce. Etliche Vorschläge werden angezeigt. Wie zum Teufel soll ich bei der Menge an Hinweisen Ryans richtige Seite finden? Höchstwahrscheinlich ist er dort unter einem anderen Namen registriert oder hat den Suchmodus gesperrt, so dass man ihn nicht finden kann. Zweifelsohne haben einige dieser Seiten seine Fans angelegt.