Faith in Love - Katrin Frank - E-Book

Faith in Love E-Book

Katrin Frank

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Beschreibung

Nach einem schweren Verlust lässt sie niemanden mehr an sich heran. Kann er ihren selbst errichteten Schutzwall durchbrechen? Die 19-jährige Elli liebt es zu flirten und zu feiern und hält nicht viel von festen Bindungen. Für ihr Studium in York zieht sie in eine WG, in der sie sich auf Anhieb wohlfühlt. Nur einer ihrer neuen Mitbewohner, der Medizinstudent Yasin, kommt mit Ellis lockerem Lebensstil nicht klar. Er sieht mit seinen tiefgründigen braunen Augen und den definierten Muskeln unglaublich gut aus, seine reiche Familie, die zu Englands High Society gehört, legt aber viel Wert auf Moral und religiöse Werte. Elli dagegen glaubt nicht mehr an Gott, seit sie vor Jahren einen schweren Verlust erlitten hat. Trotz der Gegensätze führen die beiden immer wieder tiefgründige Gespräche, und Elli fühlt sich mehr und mehr zu Yasin hingezogen. Doch eine Beziehung scheint undenkbar – denn Elli will nie wieder jemanden so nah an sich heranlassen. Meinungen zum Buch: Hätte ich einen Wunsch frei, ich würde mir wünschen, diese gefühlvolle Geschichte verfilmen zu lassen. Dieser Roman ist ein grandioses, durchdachtes und atemberaubendes Leseerlebnis. (Rezensentin auf NetGalley) Mit Faith in Love: Elli & Yasin ist Katrin Frank eine Geschichte über Verlust, zwei unterschiedlichen Menschen und viel Liebe gelungen, welche mich überzeugen konnte. Eine Geschichte, welche man definitiv gelesen haben sollte. (Rezensentin auf NetGalley) Von Katrin Frank sind bei Forever by Ullstein erschienen: Meet me in L.A. I kissed the Boss Faith in Love

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Seitenzahl: 329

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Faith in Love

Die Autorin

Katrin Frank, geboren 1983, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Klagenfurt am Wörthersee. Sie ist leitende Angestellte in einer Autovermietung und Hobbyautorin. Für ihre Liebes- und Fantasyromane holt sie sich Inspiration bei zahlreichen Reisen ins Ausland sowie bei ihrer Nebentätigkeit als Hochzeitsplanerin. Am liebsten liest sie berührende und spannende Romane, Schreiben bedeutet für sie vom Alltag abzuschalten und eigene Welten zu bauen.

Das Buch

Nach einem schweren Verlust lässt sie niemanden mehr an sich heran. Kann er ihren selbst errichteten Schutzwall durchbrechen?

Die 19-jährige Elli liebt es zu flirten und zu feiern und hält nicht viel von festen Bindungen. Für ihr Studium in York zieht sie in eine WG, in der sie sich auf Anhieb wohlfühlt. Nur einer ihrer neuen Mitbewohner, der Medizinstudent Yasin, kommt mit Ellis lockerem Lebensstil nicht klar. Er sieht mit seinen tiefgründigen braunen Augen und den definierten Muskeln unglaublich gut aus, seine reiche Familie, die zu Englands High Society gehört, legt aber viel Wert auf Moral und religiöse Werte. Elli dagegen glaubt nicht mehr an Gott, seit sie vor Jahren einen schweren Verlust erlitten hat. Trotz der Gegensätze führen die beiden immer wieder tiefgründige Gespräche, und Elli fühlt sich mehr und mehr zu Yasin hingezogen. Doch eine Beziehung scheint undenkbar – denn Elli will nie wieder jemanden so nah an sich heranlassen.

Von Katrin Frank sind bei Forever by Ullstein erschienen:Meet me in L.A.I kissed the BossFaith in Love

Katrin Frank

Faith in Love

Elli & Yasin

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJanuar 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-336-0

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Leseprobe: I kissed the Boss

Empfehlungen

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Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Widmung

Dieses Buch widme ich allen Personen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion diskriminiert werden. Mein tiefstes Mitgefühl gilt euch.

Zitate

Die Liebe ist langmütig,

die Liebe ist gütig.

Sie ereifert sich nicht,

sie prahlt nicht,

sie bläht sich nicht auf.

(1. Korinther 13,4)

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;

doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

(1. Korinther 13,13)

Kapitel 1

»Also, weshalb hast du dich für das Studium der sozialen Arbeit entschieden?« Der Typ, der sich erst vor wenigen Minuten mit einem freundlichen Lächeln als Simon vorgestellt hat, sieht von seinem Notizheft hoch, das er mit seiner linken Hand festhält. Er führt den Stift, mit dem er bis eben eifrig in sein Heftchen gekritzelt hat, an seine Lippen und wartet gespannt auf meine Antwort. Seine Brille ist ihm ein ganzes Stück in die Mitte der Nase gerutscht, was ihn für mich durch und durch sympathisch macht. Er sieht aus wie Clark Kent. Nur jünger, weniger muskulös und nicht so, als wäre er gerade Superman.

 Nicht nur Simon wirkt nett, die Besichtigung übertrifft auch alle bisherigen. Kein Vergleich zur Wohnung des alten Mannes, der, bis auf seine Hautfarbe, aussah wie 50 Cent und offensichtlich junge Studentinnen als Untermieterinnen suchte. Zu meiner Überraschung traf ich dort tatsächlich zwei junge Frauen an, die keineswegs verstört wirkten. Trotzdem kam das Zimmer nicht infrage. Old 50 Cent war nicht der Grund, es war zu klein und außerdem zu dunkel.

»Schätze, ich will diejenigen, die den alltäglichen Wahnsinn nicht ertragen, begleiten. Wie sieht es bei dir aus? Lass mich raten, Psychotherapie? Nein. Psychologie, nicht wahr?« Ich deute mit dem Finger auf ihn und halte seinem Blick stand, der mich glasig mustert und geheimnisvoller nicht sein könnte. Er hat dieses gewisse, undurchsichtige Funkeln in seinen Augen, doch was sein Studium angeht, habe ich ihn durchschaut. Ganz bestimmt sogar.

»Sie gefällt mir.« Das Mädchen, das so wirkt, als wäre es gerade erst Achtzehn geworden, stößt Simon in die Seite und lacht herzhaft auf. 

»Ich warne dich, Paula«, sagt er, während er sie gespielt bedrohlich anfunkelt. Und wir wissen alle, dass Clark Kent nicht wirklich düster dreinschauen kann, jedenfalls nicht, wenn er Clark ist. Superman kann das natürlich.

Himmel, ich würde alles darauf setzen, dass er unsterblich in sie verliebt ist und sie es nicht mal ahnt. Er könnte ihr Superman sein.

Während mich die Augenpaare eingehend mustern und sich vermutlich unschlüssig darüber sind, wer mit der Befragung weitermachen soll, weil sich Simon nicht sonderlich gut dabei anstellt, meine schäbigsten Angewohnheiten herauszufinden, sehe ich mir über ihre Köpfe hinweg die Wohnung an. Zumindest das, was ich von hier aus erkennen kann.

Dabei fällt mein Blick sofort auf ein märchenhaftes Bücherregal aus Walnussholz, das den ganzen Raum zu wärmen scheint. Das Wohnzimmer ist nicht modern, sondern eine Mischung aus zusammengetragenen älteren Möbelstücken, die mir augenblicklich ein heimeliges Gefühl einhauchen. Ich fühle mich wohl, obwohl ich erst seit wenigen Minuten hier sitze und mir das alles fremd erscheinen müsste. Und als ich zwischen Paula und Simon hin- und hergucke, weiß ich, dass wir uns auf Anhieb verstehen würden.

Doch als mein Blick zu meinem möglicherweise zukünftigen Mitbewohner Yasin schweift, stelle ich das auf der Stelle infrage. Unvermittelt trifft mich seine kühle Ablehnung. Ich bin erleichtert, als sich Paula räuspert und ich einen Grund habe, mich von ihm abzuwenden. Doch zurück bleibt eine bittere Vorahnung. Er will mich hier nicht haben, das steht fest.

 Ich will diese Wohnung unbedingt und hoffe, dass mir Yasin nicht in die Quere kommt. Ich brauche sie so sehr. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist Mitleid. Und noch weniger, dass sie sich über die Beweggründe erkundigen, weshalb ich mich erst unterm Semester nach einer Bleibe umsehe. Ich will nicht darüber sprechen, meine Vergangenheit hinter mir lassen und einen verflixten Neustart. Jetzt.

»Wann könntest du einziehen?«, fragt Simon, der seinen Notizblock inzwischen auf dem schmalen Tisch neben sich abgelegt hat.

»Sofort«, antworte ich, allem Anschein nach zu schnell, denn Paula wirkt erschrocken. »Herrje, du bist obdachlos?«

Ich lache. »Nein, natürlich nicht. Ich lebe etwa zwei Stunden von hier. Ich will nicht mehr pendeln«, erkläre ich, doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Paula atmet erleichtert auf. »Also, könntest du dir die Miete leisten?« Ihre Stimme wird zum Ende der Frage hin dünner, denn das Zimmer ist nicht gerade günstig.

 »Ich nicht«, gebe ich zu, ehe sich ein Lächeln über mein Gesicht ausbreitet. »Aber mein Vater.«

Man könnte meinen, wir würden uns schon eine halbe Ewigkeit kennen, denn wir strahlen einander an, als wären die nächsten Semester auf dem College ein Kinderspiel. Gemeinsam stehen wir das durch, oder so ähnlich.

Während Paula und ich uns anhimmeln, rollt Simon mit den Augen und Yasin stiert uns skeptisch entgegen.

»Meine Lieben, das hier ist noch nicht entschieden.« Simons Worte lassen mich von Wolke sieben plumpsen. Er deutet zwischen uns hin und her. »Es gibt noch Fragen«, vermeldet er, während seine Braue eindrucksvoll noch oben wandert. Yasin stößt unterdessen ein genervtes Brummen aus, das wohl verdeutlichen soll, wie viel er von den Fragen hält.

»Ach, Simon, können wir nicht gleich entscheiden?« Paula klimpert mit den Wimpern und zieht eine Schnute.

Zu meiner Überraschung bleibt Simon hart und lässt sich nicht darauf ein, obwohl ich ihm anmerke, dass er sich alle Mühe geben muss, nicht einzuknicken.

»Pizza oder Burger?«

»Pizza«, antworte ich und gleichzeitig bezweifle ich, ob er jemals ein guter Psychologe werden wird. Was zum Teufel soll das eigentlich?

»Nachthemd oder Pyjama?«

Ich runzle die Stirn. »Äh, weder noch.« Als ich das sage, bemerke ich Yasins Blick, der mich von meinen Beinen aufwärts scannt. Nicht auf die gute Art.

»Warum sollte sie zum Schlafen was tragen, sie läuft ja auch so halbnackt rum.«

»Yasin, du Chauvi! Lass deine schlechte Laune nicht an Elli aus«, rügt Paula ihn, dabei blickt sie ihn äußerst streng an. Diese kraftvolle Stimme und Souveränität hätte ich ihrer mädchenhaften Gestalt nicht zugetraut. »Hör nicht auf ihn. Er ist heute mies drauf, sonst ist er nicht so, nicht wahr, Yasin?«

»Nein, so bin ich wohl nicht. Wenn Paula das sagt …« Seine Aura trifft mit einer brachialen Wucht auf mich und lässt mich hart schlucken. Er ist so vollkommen anders als ich.

»Hört zu, ich esse für mein Leben gerne, lieber Pizza als Burger, aber eigentlich mag ich beides. Vielleicht sieht man das auch an meinen Hüften. Ich kümmere mich regelmäßig um den Haushalt, und als Zuhörerin bin ich spitze. Als Partybegleitung eigne ich mich übrigens auch ganz gut.« Ich mache eine flüchtige Pause und hole erneut tief Luft. »Mein Gefühl verrät mir, dass ich hier unbedingt einziehen muss. Also, ich würde gerne hier wohnen. Überlegt es euch in aller Ruhe und gebt mir Bescheid.«

Ich warte ihre Erwiderung nicht ab, erhebe mich und lächle ihnen entgegen, ehe ich mich zur Tür wende. 

Als ich im Vorraum meine Schuhe anziehe, höre ich tapsende Schritte näherkommen. »Du hast das Zimmer«, flüstert Paula euphorisch. Im nächsten Moment räuspert sie sich. »Gut, dann rufen wir dich morgen an und teilen dir unsere Entscheidung mit«, sagt sie viel zu laut, während sie mir kichernd entgegenstrahlt. 

Ich kann nicht anders, ich ziehe sie freudig an mich und hauche ihr ein Danke entgegen.

Als die Eingangstür hinter mir zufällt und ich in den strahlend blauen Himmel hinaufblicke und die frische Herbstbrise inhaliere, weiß ich, dass es von nun an besser wird. Bestimmt sogar. Beflügelt vom Glück drehe ich eine Pirouette und grinse der Sonne entgegen.

Die Besichtigung liegt erst zwei Tage zurück. Gestern habe ich die offizielle Zusage für das Zimmer erhalten. Wie vereinbart hatte sich Simon bei mir gemeldet. Ich konnte meine Freude kaum zurückhalten und mir ein Kreischen nur schwer verkneifen.

Deshalb sortiere ich die Kleidungsstücke aus, die ich unbedingt in meine neue Bleibe mitnehmen will. Mein neues Zimmer ist nicht gerade groß, weshalb ich nur einen meiner Kleiderschränke mitnehme. Auch die Kommode, in der ich allerlei Krimskrams aufbewahre, bleibt hier. Lediglich das Bett, der Kleiderschrank und der Schreibtisch kommen mit. Und meine Nähmaschine, für die ich bestimmt ein passendes Plätzchen finden werde. Für die anderen Dinge lasse ich mir was einfallen. Vielleicht fahre ich an den Wochenenden hierher, immerhin ist das mein Zuhause. Und wenn Caleb auch kommen würde, wäre das schön. Doch er ist immer seltener hier. Es kommt schleichend, wie bei Dad.

»Meine kleine Schwester breitet also die Flügel aus«, höre ich eine mir allzu bekannte Stimme vom Korridor aus rufen. Ich habe ihn bereits zwei Wochen nicht zu Gesicht bekommen, und hätte ich nicht um seine Hilfe gebeten, wären vermutlich weitere Wochen dazugekommen.

Mein Bruderherz ist Chief Marketing Officer in der Marketingfirma Englands. Zumindest behauptet er das. Gut möglich, dass er schlicht und einfach keine Lust hat, sich öfter sehen zu lassen, um mit seiner kleinen Schwester abzuhängen.

Als er mich vor drei Jahren mit seinem besten Kumpel beim Sex erwischt hat, änderte sich diese Ich-muss-meine-kleine-jungfräuliche-Schwester-beschützen-Nummer schlagartig. Zugegeben, der Anblick war vermutlich nicht gerade ohne, denn während mich sein Kumpel von hinten nahm, leckte meine beste Freundin, die meinem Bruder vor allem als meine unschuldige Verbündete aus der christlichen Zukunftswerkstatt bekannt war, meine Nippel.

Die Szenen, die dann folgten, waren wenig reizvoll. Caleb hat seinem Kumpel, ich glaube er hieß Charles, ein blaues Auge verpasst, meine Freundin von mir weggezogen, und ich blieb unbefriedigt im Zimmer zurück.

Nach dem Abend haben wir kein Sterbenswörtchen mehr darüber verloren. Bis heute nicht. Ich weiß, dass er meine Begeisterung für Sex nicht gutheißt. In erster Linie deshalb, weil ich eine Frau bin. Ich kann mir vorstellen, dass er sich durch Londons Betten schläft, doch für eine Frau, noch dazu seine Schwester, schickt sich das nicht. Jedenfalls nach der Erziehung, die wir beide genossen haben.

Meine Röcke waren immer zu kurz, selbst wenn sie bis zum Knie reichten. Mein Shirt zeigte meist zu viel Ausschnitt. Dass ich obenrum eben etwas mehr zu bieten habe, interessierte niemanden. Meine Brüste ließen sich schon mit Dreizehn kaum verstecken.

Es ist nicht so, dass ich ein lausiges Verhältnis zu meinem Bruder hätte. Wir telefonieren regelmäßig, aber es gibt Themen, über die wir nicht sprechen. Mein Sexleben ist tabu, und das ist gut so. Vermutlich liefen sonst einige Jungs am College mit blauen Veilchen rum. Und das wäre nun wirklich unschön anzusehen.

»Du wirst begeistert sein, die Wohnung ist nur wenige Minuten vom College entfernt.« Aufgeregt gehe ich auf ihn zu und drücke ihn an mich. Es tut gut, ihn endlich wiederzusehen. »Du siehst fabelhaft aus, aber meinst du nicht, dass du ein wenig overdressed bist?«

»Und du siehst für deine Verhältnisse underdressed aus«, gibt er locker zurück, während er sein Sakko auszieht und über die Stuhllehne legt.

Ich rolle mit den Augen und stoße ihn in die Seite. »Ich trage Hotpants und einen ockerfarbenen Pulli. Das perfekte Outfit zum Umziehen. Du hast doch keinen Schimmer.«

»Zum Glück nicht.« Er lacht laut auf.

»Wer hilft uns?«, fragt er, und ehe er die Worte zu Ende gesprochen hat, stößt Josh, den ich zu Semesterbeginn in einem meiner Kurse am College kennengelernt habe, zu uns. Josh und Caleb könnten nicht unterschiedlicher sein. Josh ist mit seinen langen Haaren, die er zu einem Dutt zusammengebunden hat, verschlissenen Jeans und Vollbart das genaue Gegenteil meines Bruders, dessen Gesicht nicht den Ansatz eines Bartes zeigt und dessen Hemd und Krawatte perfekt sitzen.

Für das Hundertstel einer Sekunde scheint die Zeit stillzustehen, als sie sich gegenseitig mustern und im Stillen ihre Ablehnung kundtun.

Als wir Stunden später vor meinem neuen Zuhause halten, spähe ich aus dem Fenster hoch zu dem Backsteingemäuer und weiß, dass ich hier in York richtig bin. Ich erinnere mich an die Zeit zurück, als ich ein Kind war und vor der Church of Saint Peter stand. Ich liebte den Anblick dieser Kirche schon damals. Ich ging noch nicht mal zur Schule und wusste bereits, dass ich in York studieren wollte. Allerdings gab es auch eine Zeit, da konnte ich mir nicht vorstellen hierher zu gehen, obwohl ich das immer wollte. Denn so sehr ich dieser Stadt verfallen bin, gleichzeitig löst sie einen unheilbaren Schmerz in mir aus.

»Und ich dachte, du würdest in die Winkelgasse ziehen und Harry Potter heiraten«, scherzt Caleb, ehe er aus dem Wagen steigt. Damit zaubert er mir ein Lächeln auf die Lippen. Das konnte er schon immer, also mich ablenken und auf andere Gedanken bringen.

Caleb hat sich von einem Freund einen Transporter geliehen. Erst dachte ich, dass meine Möbel niemals reinpassen würden, aber die Jungs haben es doch tatsächlich geschafft, die Ladefläche bis obenhin zu füllen. Den Rest habe ich vor meinen Beinen verstaut.

»Ich bin so aufgeregt«, rufe ich freudig, lasse die Wagentür hinter mir zufallen und stelle mich euphorisch und voller Tatendrang neben meinen Bruder.

Der jedoch sieht mich völlig entgeistert an. »So wie vorhin, als du uns Befehle erteilt hast und nur Sorge um deine Nähmaschine hattest?« Er zieht eine Braue nach oben. 

»Du hast sie eindeutig zu grob angefasst!«, antworte ich vorwurfsvoll und deute auf die alte hölzerne Eingangstür. »Das hier ist es.«

Er mustert das Gebäude. »Sieht passabel aus.« Dabei blickt er mich einen Moment zu lange an, sodass sich meine Augen mit Tränen füllen. Ich schaffe es gerade noch, sie wegzublinzeln, als ich mich von ihm abwende.

Im richtigen Augenblick oder im falschen, wie man es nimmt, gesellt sich Josh zu uns, der mit seinem Wagen hinter uns hergefahren war. Ich schmunzle, denn Caleb und Josh mögen einander immer noch nicht. Ich dachte zuerst, sie würden sich während der gemeinsamen Arbeit anfreunden, doch, wie so oft, lag ich vollkommen daneben. 

»Jungs, dritter Stock. Kein Lift.« Ich zucke mit den Schultern und klimpere unschuldig mit den Wimpern.

Ihre Mienen wirken entgeistert, während ich ihnen die tolle Neuigkeit offenbare. Als ich mich zur Tür wende, um sie aufzusperren, spüre ich einen leichten Widerstand und trete einen Schritt zurück. Dann sehe ich in dieses finstere Augenpaar, das mir pure Ablehnung entgegensprüht. Ich verenge meine Augen zu Schlitzen, denn ich will ihm die Stirn bieten. Doch meine Lider geben augenblicklich nach, als mich ein herber Rosenduft erfasst und ich ihm mit offenem Mund hinterherstarre. Es dauert kurz, bis ich mich wieder fange, den betörenden Duft aus meiner Nase bekomme und mir klar wird, dass Yasin mich noch nicht mal begrüßt hat. Happy Wohngemeinschaft! 

Kapitel 2

Der Einzug liegt nun einige Tage zurück. Mit Paula und Simon läuft‘s prima. Die zwei haben für mich heute Abend eine kleine Willkommensparty geplant. Paula wirkt wie die Unschuld vom Lande, zumindest nach außen hin, sie sprudelt nur so vor ironischen Anspielungen. Und Simon ist einfach nur wunderbar. Nachdem sich Josh und Caleb verabschiedet hatten, verstrickte er mich in eine tiefgründige Diskussion über Erik H. Eriksons Ansätze.

Dass ich nicht Psychologie, sondern soziale Arbeit studiere, spielt für ihn keine Rolle. Natürlich nehmen wir im Studium auch die Psychoanalyse und weitere Methoden durch, doch in Wirklichkeit ist das alles nur ein klitzekleiner Abriss von dem, was Simon in seinem Studium lernt.

So klammerte ich mich den Abend über an mein Weinglas und lauschte seinem Monolog. Auch wenn ich ihn erst seit Kurzem kenne, bin ich mir sicher, dass er einer der besten auf seinem Fachgebiet wird. Was ich ja am Tag der Wohnungsbesichtigung noch stark angezweifelt habe.

Während Simon erzählte und erzählte, ist Paula mehrmals eingeschlafen. Als Simon sie anstieß, tat sie jedes Mal so, als würde sie an seinen Lippen hängen. Ich habe mich gekrümmt vor Lachen, was bestimmt auch auf den Wein zurückzuführen war. 

Von Yasin fehlte allerdings jede Spur. Bis auf das kurze Zusammentreffen beim Einzug habe ich ihn kein weiteres Mal gesehen. Paula meinte, dass er oft lange auf dem Campus bleibt, um zu lernen, und anschließend zum Sport geht.

»Das mit heute geht doch klar?«, fragt Josh, als die Vorlesung beendet ist und wir in die Mensa laufen. Ich hatte ihn zur Party eingeladen. Paula und Simon meinten, dass es kein Problem wäre, wenn ich jemanden mitbringen würde. 

»Klar. Wie läuft es eigentlich mit Grace?« Ich deute auf die Schlange, die sich vor der Essensausgabe gebildet hat. Er fährt herum, entdeckt Grace und zieht sich seine Wollmütze tief in sein Gesicht.

»Offensichtlich hat sich deine Prophezeiung nicht bewahrheitet?«

»Halt die Klappe und lass uns verschwinden.« Sein Gesichtsausdruck wird panisch, sodass ich laut auflache.

»Blümchensex hoch zwei?«

»Blümchensex hoch unendlich …« Er schnappt sich meine Hand und zieht mich mit sich. Ohne zurückzublicken läuft er schnurstracks aus der Mensa und vom Campus.

Ich habe damit zu tun, ihm zu folgen. Nicht dass ich gänzlich unsportlich wäre, aber er legt ein derartiges Tempo vor, dass mir die Puste wegbleibt. 

Als wir endlich zum Stillstand kommen und ich meine Atmung beruhigen kann, pruste ich ein weiteres Mal lauthals drauflos. »Ich hatte dich gewarnt.« 

»Du meintest nur, dass sie vermutlich nicht auf Analsex steht. Du hast kein Wort darüber verloren, dass ich sie ausschließlich in der Missionarsstellung vögeln darf. Danach hat sie ernsthaft in Erwägung gezogen, mich ihren Eltern vorzustellen. Stell dir das vor.«

»Was für ein Biest!« Ich bemühe mich, eine fassungslose Grimasse zu schneiden, dabei nicke ich zustimmend.

»Ich wusste, dass du eine Hexe bist.« Er fährt mit seinen Fingern durch mein Haar. Zuerst spielerisch, doch dann legt sich ein hauchzarter Schatten über seine Augen. Er krallt sich tiefer darin fest, zieht meinen Kopf ein kleines Stück nach hinten und zwingt mich somit zu ihm aufzusehen. Ein Schauder zieht sich über meinen Rücken, das Knistern zwischen uns spitzt sich zu. Seitdem wir uns vor zwei Monaten kennengelernt haben, wissen wir, dass wir vom gleichen Schlag sind. Wir stehen auf Sex. Auf verdammt guten Sex.

»Wir wollen unseren Grundsatz doch nicht über Bord werfen«, hauche ich ihm entgegen.

Er braucht eine Sekunde, bis er sich fängt und mich loslässt. Und dann ist wieder alles so, wie es sein sollte. Wir sind Freunde.

»Natürlich nicht, meine rothaarige Hexe.« Er schmunzelt.

Als ich am frühen Abend nach Hause komme, ist für die Party bereits alles arrangiert. Kleine Schälchen mit Knabbereien wurden vorbereitet, Bier und Cola gekühlt, selbst die Küche, die sonst immer etwas unorganisiert aussieht, wirkt ausgesprochen aufgeräumt.

Ich beeile mich, denn die ersten Gäste, Freunde von Paula und Simon, wollten in weniger als einer Stunde eintreffen. Ich bugsiere meinen Rucksack auf das Bett und gehe zum Kleiderschrank. Ich habe extra für den heutigen Abend einen Jeansrock umgeändert. Ich habe ihn gekürzt, ausgefranst und Applikationen aus Kunstleder darauf genäht. Dazu ziehe ich eine schlichte, olivgrüne Bluse hervor, und das Outfit steht. Ich mag es, ausgefallene Klamotten mit schlichten Teilen zu kombinieren.

Dass ich mich nach dem Abschluss für ein Studium anstelle der Modeschule entschieden habe, war wohl die größte Überraschung für meine Familie. Doch das eine schließt das andere nicht aus. Ich kann weiterhin meine Kleidung designen und trotzdem meinem Herzen folgen.

Schon früh habe ich mitangesehen, dass es Menschen gibt, denen es weniger gut geht. Als wir von der Kirche aus bei sozialen Einrichtungen mitgeholfen haben und ich die Schicksale der Menschen erfuhr, wusste ich, dass ich später einmal helfen will. Ich wollte ein permanentes Mitglied einer sozialen Einrichtung sein und nicht nur an zwei Abenden die Woche oder an den Wochenenden. Denn die Menschen brauchen Unterstützung, und das nicht nur vor den Weihnachtsfeiertagen, an denen die ganze Welt meint, sie müsse helfen. Viele leben das ganze Jahr auf den Straßen oder stehen stundenlang an, um einen der begehrten Schlafplätze zu ergattern. Ich wollte helfen. Vielleicht auch in den Jugendzentren, in die sich die jungen Leute zurückziehen und bis zur letzten Minute ausharren, bevor die Einrichtung am Abend schließt. Und das alles, weil sie womöglich kein Zuhause haben, in dem sie sich geborgen fühlen. Einige von ihnen werden geschlagen, missbraucht und niemand sonst kümmert sich um sie.

Ich musste mit meinen Eltern jeden Sonntag zur Kirche gehen. Das Einzige, was mir davon geblieben ist, ist die Nächstenliebe. Der Gedanke zu helfen. Das Wissen, dass andere kein Dach über dem Kopf haben. Kein warmes Essen auf dem Tisch und nicht die Wahl, sich für einen ordentlichen Beruf zu entscheiden. 

Die vielen Bibelstunden, die Gebete, die mich mein halbes Leben begleiteten und die Besuche in der Kirche waren dagegen nutzlos. Dass ich an Gott so lange festhielt, erscheint mir heute völlig absurd. Eine einzige Nachricht änderte alles. Zerstörte mich. Nahm mir den Glauben an Gott. Was für ein Gott lässt zu, dass ein Kind seine Mutter verliert? Welcher Gott lässt das Leid, das auf dieser Erde herrscht, zu?

Das hätte mir schon eher bewusst werden müssen und nicht erst, als ich erfuhr, dass meine Mum an Brustkrebs erkrankt war und nur noch wenige Wochen zu leben hatte. Doch manchmal braucht es so einen Auslöser.

Alles, wirklich alles in mir zerbrach. Ich stumpfte ab, fühlte nicht mehr, war in einer harten Hülle gefangen. Ich spürte die Regentropfen auf mir, wenn es regnete, die Sonnenstrahlen, wenn der Himmel keine Wolken zeigte, doch mit alledem konnte ich nichts anfangen. Ich starb. Verkam wie Unkraut, auf das man Gift gesprüht hatte. Und mein Gift war die Tatsache, dass ich meine Mum bald verlieren würde.

 Die letzten Wochen mit ihr trage ich tief in meinem Herzen. Sie hat sich alles abverlangt, um uns nicht zu zeigen, wie sehr sie litt. Wie sehr sie die Schmerzen quälten. Hat sich ein Lächeln abgerungen, war zu jeder Sekunde bedacht um unser Wohl. Dabei hätte sie auf sich achten sollen. Sie war selbstlos.

An einem Tag, an dem sie besonders starke Schmerzen hatte, meinte sie: »Schatz, die Liebe zu seinem Kind ist das Größte und mit nichts zu vergleichen. Mit nichts, mein Schatz. Ich hoffe, Gott lässt dich diese Liebe erfahren.« Dabei strich sie liebevoll über meine Wange. Das war das einzige Mal, dass ich sie weinen sah.

An einem Tag hatte sie mir versprochen, mit mir ins Einkaufszentrum zu fahren. An dem Morgen hatte sie sich eine Stunde im Badezimmer verschanzt. Ich konnte die Würgelaute hören. Es schien, als würde es nicht wieder besser werden. Doch dann setzte sie sich ihre Perücke auf, fasste sich, so wie es bestimmt niemand sonst unter diesen kläglichen Schmerzen geschafft hätte, und fuhr mit mir ins Shoppingcenter. Wir schlenderten umher, mussten uns häufig setzen und eine Pause einlegen, weil sie in Wahrheit zu schwach war. Und trotzdem schenkte sie mir einen unvergesslichen Mutter-Tochter-Tag. Sie war eine Löwin, eine Frau, die bis zur letzten Sekunde kämpfte. Sie hielt am Leben fest. Keine war so stark wie sie. Meine Mum, meine Löwin.

Am Tag der Beerdigung setzte meine erste Periode ein, und die Symbolik hätte dramatischer nicht sein können. Ich hatte niemanden, an den ich mich wenden wollte. Mein Vater und mein Bruder kamen nicht infrage und zu den anderen weiblichen Verwandten wollte ich nicht. Sie alle waren nicht meine Mum und konnten mir nicht das geben, was sie mir hätte geben können. Das Verständnis und Mitgefühl einer Mutter.

Als ich die Badezimmertür zufallen höre, wische ich meine Tränen mit den Handflächen ab und wende mich zur Zimmertür, die ich vorhin vergessen habe, hinter mir zuzuziehen. Gerade als ich den Knauf fasse, erkenne ich Yasin, der einen Moment innehält, als er mich sieht und vermutlich meine geröteten Augen bemerkt.

Ich presse meine Lippen fest aufeinander und wende mich von ihm ab, als mich seine dunkle Stimme erreicht. »Das Badezimmer ist frei.«

Die Party ist ein riesen Erfolg, zumindest bis sich Simon an den Laptop setzt, die Playlist löscht und den DJ gibt. Die Stimmung droht augenblicklich zu kippen, als Our Farewell von Within Temptation erklingt.

Zeit für einen Shot, der mich hoffentlich vergessen lässt, dass ich noch vor drei Stunden heulend in meinem Zimmer hockte.

»Elli, die brauchen wir für später«, ruft Paula aus der Küche.

Ich hebe entschuldigend die Schultern und deute auf Simon. »Das ist doch nicht auszuhalten.«

Yasin, der den Abend über zurückhaltend war und mir ausnahmsweise nicht das Gefühl gab, er wäre ausschließlich genervt von meiner Anwesenheit, schnaubt verächtlich. Zu früh gefreut. Toll.

»Was ist dein Problem?«, spreche ich ihn unverblümt an und warte auf sein geistreiches Argument.

Doch anstatt einer Antwort schweigt er, und ich könnte schwören, ein Zucken seiner Mundwinkel wahrzunehmen. Vielleicht nur den Bruchteil einer Sekunde lang, aber es war da. Ganz bestimmt.

»Was ist das für ein Arsch«, lallt Josh an meinem Ohr. Mir ist schlagartig klar, dass er zu viel getrunken hat, aber immerhin weiß er sich zu benehmen, im Gegensatz zu Yasin.

»Mein WG-Kollege aka direkter Zimmernachbar«, erkläre ich und stoße meine Bierflasche gegen seine, sodass das Klirren in meinen Ohren nachhallt. »Zum Wohl. Auf das WG-Leben.«

»Cheers«, erwidert er und grinst in Paulas Richtung.

»Nein. Nein. Nein«, schimpfe ich, als ich seinem Blick folge. »Das kommt nicht in die Tüte, hörst du!«

Doch er hat mich schon längst stehengelassen und meine Worte erreichen ihn nicht mehr. Verdammt. Doch nicht Paula.

Für gewöhnlich bin ich die Letzte, die sich in seine Bettgeschichten einmischt, doch hier mache ich eine Ausnahme. Josh würde über Paula herfallen wie ein Bonobo-Affe über seine Artgenossen. Außer vor dem gleichen Geschlecht macht er vor nichts Halt. Das ist aber auch das Einzige, was ihn von der Primatenart unterscheidet.

Ich laufe ihm hinterher und geselle mich ungefragt zu ihnen. Josh verstrickt Paula sofort in eine Unterhaltung, die sie offensichtlich genießt. Ich erkenne das daran, dass sie sich verlegen durch ihre Haare fährt. Ich weiche kein Stück zurück. Ich störe mich nicht daran, dass ich überflüssig bin. Mein Auftrag ist klar, ich werde Josh von Paula fernhalten.

»Deine Begleitung scheint das Interesse an dir verloren zu haben«, raunt mir Yasin zu, der sich ebenfalls in die Küche geschlichen hat. Über meinen Kopf hinweg greift er an den oberen Schrank, um von dort ein Glas herauszunehmen, sodass mir sein herber Rosenduft sofort in die Nase steigt. Er ist mir eindeutig zu nahe.

Mist. Ich finde diesen Typen nicht heiß. Nicht heiß, Elli.

Ich erstarre, denn, was ich am wenigsten will, ist ihn zu berühren. Warum bin ich noch mal in diese WG gezogen? Ach ja, Paula und Simon waren mir auf Anhieb sympathisch. Doch auf Yasin könnte ich gut verzichten. Das ist wie mit dem Twinni Eis. Auf das grüne stehen irgendwie alle, aber das orange isst man dann nur auf, weil man es doch nicht übers Herz bringt, es zu entsorgen.

»Es wird Zeit für ein Trinkspiel«, schlage ich vor, woraufhin mir Paula begeistert zulächelt.

Ich ziehe sie mit mir ins Wohnzimmer. »Leute, Zeit für Wahrheit oder Lüge«, rufe ich den anderen zu, während Paula neben mir grinst wie ein Honigkuchenpferd.

Simon sieht von seinem Laptop auf. »Klasse Idee, aber …«

»Keine Musik von dir mehr«, sage ich scharf in seine Richtung. Das hat gesessen. Einen weiteren seiner Sad Songs hätte hier nun wirklich niemand mehr vertragen.

Paula und ich rücken den Couchtisch zur Seite, sodass wir alle auf dem Teppich gut Platz finden. Alle bis auf Yasin setzen sich hin und bilden einen Kreis. Ich hole einen Würfel für das Spiel und die Shots, die Paula auf einem Tablett vorbereitet hat, von der Anrichte.

»Na, Angst vor der Wahrheit?«, frage ich Yasin, dabei lasse ich den Würfel in meiner linken Hand umherwandern und grinse ihn provokant an.

Er mustert mich, dabei liegen seine dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen schwer auf mir. Doch nun bin ich gewappnet, bereit ihn anzusehen und dabei nicht die Fassung zu verlieren. So wie bei meinem Einzug, als ich ihm mit offenem Mund nachgestarrt habe. Was ohnehin nicht zu mir passt. Stünde Ryan Gosling vor mir, wäre ich um keinen lässigen Spruch verlegen. Weshalb dann bei Yasin?

»Ich trinke keinen Alkohol.« Seine Miene verzieht sich kein bisschen, und die Zeit scheint stillzustehen, als ich ihn beäuge. Seine perfekten vollen Brauen, seine Augen, die mysteriös strahlen, und seine markante Nase, die etwas breiter ist, aber perfekt in die Mitte seines Gesichtes passt. Und sein Dreitagebart, der ihn verdammt perfekt aussehen lässt. Nein. Elli. Nicht heiß!

Meinem Pokerface sei Dank schaffe ich es, meine Fassung zu wahren. »Musst du doch nicht. Das ist noch lange kein Grund nicht mitzuspielen«, erwidere ich locker, kehre ihm den Rücken zu und geselle mich zu den anderen, die lautstark jubeln, als ich mit den bunten Gläschen Alkohol zurückkehre.

Ich überreiche Paula, die neben mir sitzt, die Würfel. Daraufhin erklärt sie in aller Ruhe die Regeln. Josh kennt das Spiel nicht, was mich wundert, weil es ein typisches Trinkspiel ist und er jedes Wochenende auf einer anderen Party abhängt. Außerdem braucht er einen weiteren Anlauf, um die Regeln zu verstehen, was wiederum auf seinen Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Geduldig wiederholt Paula die Spielanleitung, während Josh an ihren Lippen hängt, und ich ahne, was in seinem Kopf vorgeht. Die Spielregeln sind für ihn definitiv Nebensache.

Die Regeln sind simpel. Der Würfel trägt auf allen bis auf einer Seite die Aufschrift Wahrheit. Wenn der Würfel Wahrheit anzeigt, darf der Spieler einer beliebigen Person eine Frage stellen, und derjenige, der gewürfelt hat, muss dann raten, ob der Auserwählte lügt oder nicht. Auf einer Seite ist ein kleines Gläschen abgebildet. Das bedeutet trinken. Wenn die Seite oben landet, müssen alle einen Shot trinken, bis auf die Person, die den Würfel geworfen hat.

Ich bin überrascht, als sich Yasin dazu entschließt mitzumachen, sich in die Lücke zwischen Simon und Josh setzt und somit genau mir gegenüber Platz findet. Flüchtig treffen sich unsere Blicke, und ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Bedeutet sein Blick, ich stell dir die absurdesten Fragen, und du wirst dich in den Boden genieren? Wenn er denkt, er könne mich mit irgendeiner Frage aus der Fassung bringen, dann täuscht er sich gewaltig. Mich, Elli, wirft nichts aus der Bahn. Schon gar nicht ein Typ, der nicht weiß, dass es einen Knigge gibt. Das ist das perfekte Geschenk für jemanden, der nicht weiß, wie man sich seinen Mitmenschen, insbesondere seiner Mitbewohnerin, gegenüber verhält. Eine Begrüßung wäre ein lobenswerter Anfang und ein Zeichen des guten Willens, aber nicht mal die bekommt er hin.

»Ich beginne«, jubelt Paula und schmeißt den Würfel. 

Ihr Gesicht erstrahlt noch ein bisschen mehr als vorhin, als der Würfel Wahrheit anzeigt. Sie sieht augenblicklich zu Simon, der wiederum verlegen zur Seite guckt und sich sichtlich unwohl fühlt. 

Unterdessen beiße ich mir auf die Lippen, um mein Lächeln zu verbergen. Denn auch ich mag diese Spiele, weil ich grundsätzlich von Neugier erfüllt bin und die absurden Fragen, die bei solchen Trinkspielen gestellt werden, liebe.

»Simon, stehst du zu hundert Prozent hinter deinen Thesen, die du Tag ein Tag aus von dir gibst oder glaubst du, dass manche schlichtweg absurd sind?«, fragt sie treffsicher.

Ich ahne, dass auch aus ihr der Alkohol spricht. Simon zieht seine Augenbrauen zusammen und stiert ihr entrüstet entgegen. Paula dürfte einen wunden Punkt getroffen haben, denn anstatt zu antworten, trinkt er einen Shot und greift nach dem Würfel.

Wahrheit. Sein verbissener Ausdruck lichtet sich allmählich. »Paula, fällt es dir schwer, solche Fragen im nüchternen Zustand zu stellen?«

Ich hatte den Eindruck, die beiden würden großartig miteinander auskommen. Mehr noch, dass es zwischen ihnen knistert. Doch das hier läuft offensichtlich in die falsche Richtung. Wollten wir nicht Spaß haben? Ist es nicht das, was so ein Spiel verspricht?

Paula tut es ihm gleich, schnappt sich den Shot und wirft erneut den Würfel.

Das ist jetzt nicht ihr ernst, oder?

»Simon …«, setzt sie an, wird allerdings von Josh unterbrochen. Zum Glück. Wer weiß, wie lange das so weitergegangen wäre.

»So läuft das nicht. Eure Fragen sind öde. Lasst mich weitermachen.«

Paula, die zwar etwas enttäuscht guckt, widersetzt sich nicht und übergibt an Josh. Er nimmt den Würfel zwischen seine Finger und lässt ihn ohne große Mühe fallen.

Shot. 

»Endlich.« Er lacht auf und klatscht in die Hände.

Wir alle, bis auf Yasin, der das Treiben relativ teilnahmslos beobachtet, setzen zum Trinken an. Ich genieße den Shot, denn die Süße des Likörs fließt meine Kehle hinab und hinterlässt einen köstlichen Kirschgeschmack.

»Du musst einen Spieler auswählen«, erklärt Paula in Joshs Richtung, nachdem auch sie ihr Glas geleert hat.

Seine Mundwinkel ziehen sich nach oben. »Ihr zwei bekommt ihn so schnell nicht wieder.« Er deutet zwischen Simon und Paula hin und her und reicht den Würfel weiter an Yasin. 

»Das ist unfair.«

Während Paula lautstark protestiert, zögert Yasin einen Moment, bevor er würfelt. Der Blick seiner dunklen Augen haftet an mir. Als würde er in meinem Geist lesen, so, als kenne er mich schon seit Jahren. Als würden wir uns aus einem früheren Leben kennen. Dabei zieht sich mein Bauch auf eine unangenehme Weise zusammen. Am liebsten würde ich wegsehen, aufstehen und ihn hier zurücklassen. Alles in mir sträubt sich gegen dieses Ziehen.

»Hattest du jemals Sex mit einer Person, die mehr für dich war als ein Flirt?«

Ich erstarre, denn ich fasse nicht, was er mich eben gefragt hat. Er, der mich kein bisschen kennt.

Die Stille wird von Joshs Gekicher unterbrochen. Was wohl nicht zu meinem Vorteil ist. Nichtsdestotrotz lenkt es mich ab, und ich schnappe nach Luft. »Ja«, antworte ich und funkle die wohl dunkelsten Augen an, die ich jemals gesehen habe.

»Lüge.« Er bedenkt mich mit einem wissenden Lächeln, das seine weißen Zähne zum Vorschein bringt. Dann steht er auf und geht. Lässt uns, vor allem mich, sitzen. Baff bleibe ich im Schneidersitz am Boden zurück, nehme noch das Knarren der Tür wahr, als sie ins Schloss fällt, und bin sprachlos. Was sollte das denn? Irgendwie hasse ich den Typen.

Mal ehrlich. Die Party gestern war ein Desaster. Zuerst Simon, der uns mit den traurigen Liedern runtergezogen hat. Darauf folgte ein Trinkspiel, das eigentlich lustig sein sollte, aber zu keiner Sekunde auch nur annähernd unterhaltsam, sondern vielmehr sonderbar war. Die Stimmung war am Boden. Dennoch wollten wir uns das nicht eingestehen und haben den Abend ins scheinbar Unendliche gezogen. Wir haben weitergespielt. Die Fragen gingen jedoch allesamt ins Leere, bis wir irgendwann betrunken auf der Couch lagen und die Stille genossen.

Josh schlief sogar ein. Simon und ich haben ihn in mein Zimmer geschleppt, nachdem alle unsere Versuche ihn wachzurütteln gescheitert waren. Simons Freunde wollten über Nacht bleiben und auf der Couch schlafen, sonst hätten wir Josh einfach liegengelassen und uns die mühevolle Schlepperei erspart.

»Shit, sag mir, dass wir gestern unfassbar geilen Sex hatten.« Josh dreht sich verschlafen zu mir und grinst hoffnungsvoll.

Kurzerhand schnappe ich mir das Polster und werfe es ihm gegen den Kopf. »Ich wollte unbedingt, aber dein Freund konnte nicht«, behaupte ich, dabei deute ich auf seine Leistengegend. Ich unterstreiche meine Aussage mit einer abfälligen Geste.

»Nicht wahr.« Ruckartig fährt er hoch und starrt mich entsetzt an, bis ich mich vor Lachen kaum halten kann.

»Nein, natürlich nicht. Unsere Abmachung, schon vergessen?«

Die Erleichterung ist ihm anzusehen. Er schnauft gelöst und bindet sich sein Haar, das unordentlicher aussieht als meines, zu einem Dutt zusammen. »Aber du hättest gerne.« Er zwinkert mir lässig zu und hievt sich aus dem Bett hoch. Das ist so bezeichnend. Er glaubt tatsächlich, dass er unwiderstehlich ist. Zugegeben, wären wir nicht befreundet, fände ich ihn scharf. Ziemlich sogar. Doch unsere Freundschaft ändert alles. Wir sind vom gleichen Schlag und würden somit alles aufs Spiel setzen.

»Meinst du, dass sich Paula über ein Frühstück freuen würde?« Er lächelt dümmlich.

Genervt rolle ich mit den Augen. »Herrgott, Paula ist tabu.«

»Ist sie nicht.«

»Und wie.«

»Das macht es nur noch interessanter. Das ist wie bei Adam und Eva. Die verbotene Frucht. Paula ist mein Apfel.« Schlimm genug, dass er ernsthaft beabsichtigt, ihr den Hof zu machen. Aber er meint das ernst, also den Teil mit der Frucht. Warum sind wir noch mal befreundet? 

»Du bist krank«, schimpfe ich, während ich ihn in Richtung Tür boxe und er Schritt für Schritt vor sich hin stolpert.

Als wir in den Flur gelangen und er um einen Kaffee bettelt, steigt mir Yasins Duft in die Nase. Das hat mir gerade noch gefehlt. Nicht er. Nicht jetzt. Nicht schon morgens. 

Für einen kurzen Moment schließe ich meine Lider, um mich zu fassen. Auch wenn ich ihn nicht sehe, bilde ich mir ein, seinen Blick auf mir zu spüren.

»Nach unserer ersten Nacht wirfst du mich einfach so raus«, jammert Josh, während er ungeschickt in seine Converse schlüpft. Ich warte ungeduldig, denn ich will ihn loswerden, bevor Paula auftaucht und das Unheil seinen Lauf nimmt.