I kissed the Boss - Katrin Frank - E-Book
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I kissed the Boss E-Book

Katrin Frank

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Beschreibung

Was würdest du tun, wenn du auf einer Firmenfeier feststellst, dass dein neuer Boss deine Jugendliebe ist? Sina steht genau vor diesem Problem. Noch dazu ist ihr Exfreund Leo ein echter Bad Boy und macht ihr das Leben in der Firma zur Hölle. Trotzdem fühlt sich Sina auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen. Sie ist hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und ihrem Pflichtbewusstsein. Schließlich ist sie schon seit Jahren glücklich vergeben. Soll sie ihren Job kündigen? Oder gibt es vielleicht doch noch einen anderen Ausweg?

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Die AutorinKatrin Frank, geboren 1983, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Klagenfurt am Wörthersee. Sie ist leitende Angestellte in einer Autovermietung und Hobbyautorin. Für ihre Liebes- und Fantasyromane holt sie sich Inspiration bei zahlreichen Reisen ins Ausland sowie bei ihrer Nebentätigkeit als Hochzeitsplanerin. Am liebsten liest sie berührende und spannende Romane, Schreiben bedeutet für sie vom Alltag abzuschalten und eigene Welten zu bauen.

Das Buch

Was würdest du tun, wenn du auf einer Firmenfeier feststellst, dass dein neuer Boss deine Jugendliebe ist? Sina steht genau vor diesem Problem. Noch dazu ist ihr Exfreund Leo ein echter Bad Boy und macht ihr das Leben in der Firma zur Hölle. Trotzdem fühlt sich Sina auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen. Sie ist hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und ihrem Pflichtbewusstsein. Schließlich ist sie schon seit Jahren glücklich vergeben. Soll sie ihren Job kündigen? Oder gibt es vielleicht doch noch einen anderen Ausweg?

Katrin Frank

I kissed the Boss

Verbotene Gefühle

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin August 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-206-6  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Für all diejenigen, die manchmal an ihre Jugendliebe zurückdenken.

Prolog

Jede Einschätzung der Gefühle, die er für mich hegt oder nicht, wäre nur eine vage Vermutung. Obwohl wir uns bereits kennen, bin ich nicht imstande, seinen verschleierten Blick zu deuten.

Es war eine Jugendromanze. Wir standen füreinander ein, so wie es Freunde tun. Zumindest waren wir Freunde, wenn wir nicht gerade ein Paar waren. Es war kompliziert.

Unser erstes Aufeinandertreffen liegt fünf Jahre zurück, wir waren in der Blüte unserer Pubertät, und genauso verhielten wir uns auch. An einem Tag schlugen unsere Herzen schneller, sobald wir uns sahen, am nächsten warfen wir uns die vulgärsten Schimpfworte an den Kopf. Waren wir jemals ein richtiges Paar? Vermutlich nicht.

Und heute? Was ist aus uns geworden? Jeder hechelt seinen Verpflichtungen hinterher, und dann und wann treffen wir uns wieder. Meist zufällig. Und doch bin ich mir sicher, dass er für mich einstehen würde, wenn es darauf ankäme.

Heute war es die Fügung, die uns hierhergeführt hat. Wieder einmal. Doch dieses Mal ist es anders, als die Nächte davor. Er gibt sich angriffslustig und fordernd. Und ich bin nicht in der Stimmung, seine herausfordernden Aussagen auf mich einprasseln zu lassen. Es steht nicht zur Debatte, was zwischen uns läuft, denn es zählt das Hier und Jetzt. Keiner von uns beiden denkt über ein Morgen nach. Sein Gemurmel geht mir auf die Nerven.

»Um was geht es hier eigentlich?« Ich sehe verstohlen zu ihm rüber.

Augenrollend schiebt er die Bettdecke zurück. »Wie oft haben wir dieses Gespräch schon geführt?«, fragt er.

Verblüfft, aber bereit für eine Auseinandersetzung, baue ich mich vor ihm auf. »Was meinst du?«

»Das kann doch nicht dein Ernst sein?« Sein Zorn ist unüberhörbar.

»Wovon zur Hölle sprichst du?« Langsam verliere ich die Geduld.

»Na, dass du mit meinen Freunden in die Kiste springst, und mir gibst du seit Jahren einen Korb!«

Seine Worte treffen mich unerwartet. Ich ringe um Fassung, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Währenddessen wandert er im Zimmer umher, sucht seine Habseligkeiten zusammen und stopft sie allesamt in seine Umhängetasche. Dabei entfährt mir ein ungläubiges Lachen.

»Ich hatte was mit einem deiner Freunde, aber das war’s schon. Habe ich etwa deinen Stolz verletzt?« Ich feixe herausfordernd und ziehe einen Schmollmund.

Seine Augen blicken suchend umher, bis sie ihr Ziel erreichen. Sein Blick trifft mich mit einer sonderbaren Wucht und für einen kurzen Moment spüre ich einen stechenden Schmerz im Brustkorb.

»Bei deinen zahlreichen Frauengeschichten macht es für dich vielleicht keinen Unterschied, ob zwischen uns mehr läuft oder nicht … Für mich jedoch schon!«, schreie ich.

Unbeeindruckt zieht er sich die Jacke über und schlüpft in seine Schuhe. »Darauf habe ich keinen Bock mehr«, höre ich ihn mit gedämpfter Stimme sagen.

Kurz darauf fällt die Tür hinter ihm ins Schloss. Meine Mundwinkel wandern triumphierend nach oben. Er wird sich schon wieder beruhigen.

1

Es ist, als säße ich im Kino, als würde ich einen Hollywoodfilm schauen. So fühlt man sich also als Braut an seinem besonderen Tag.

Alle Geschehnisse ziehen wie im Flug an mir vorüber. Schlag auf Schlag. Friseur, Kosmetik, Standesamt, Kirche, Gratulanten, Essen, Trinksprüche, Ansprachen, Brautstehlen und die Torte. Dafür die monatelangen Vorbereitungen?

Ja, sie haben sich gelohnt. Es ist ein großartiges Fest geworden. Genießen kann ich es jedoch nicht. Wie auch? Immerfort muss ich mich um die Gäste kümmern. Ein Foto hier, ein Foto dort. Wo steckt eigentlich Marcel?

Ich erspähe ihn am Tisch unserer Großeltern und beobachte, wie er sich bemüht höflich mit ihnen unterhält. Und meine Trauzeugin amüsiert sich am Tisch nebenan.

Mist! Wer käme sonst noch infrage, mich auf die Toilette zu begleiten, um mein Kleid hochzuhalten? Noch eine Sache, auf die ich beim Kauf hätte achten sollen. Obwohl sich keine Begleitung auftut, nutze ich die Gelegenheit, gehe nach draußen und schnaufe erstmal durch. Vielleicht findet sich auf dem Weg in den Waschraum jemand, der dieser speziellen Schwierigkeit gewachsen ist.

»Na, hat doch alles geklappt«, flüstert Marie in mein Ohr und wirft ihren Arm über meine Schulter. Die Berührung lässt mich zusammenfahren.

»Meine Güte, hast du mich erschreckt«, entfährt es mir, und ich schlage die Handfläche gegen meine Brust. »Ich muss mal dringend.« Ich gestikuliere in Richtung der Toiletten.

Marie nickt mit einem wissenden Grinsen. Sie nimmt ihre Pflichten als Trauzeugin äußerst ernst. Obwohl sie nichts von der Ehe hält. Sie meint, diese Institution passe nicht zu ihr. Es sieht ulkig aus, wie sie ihr lockiges Haar aus dem Gesicht bläst und peinlichst genau darauf achtet, dass meinem Brautkleid nichts zustößt.

»Dafür liebe ich dich, ehrlich.« Ich strahle sie dankbar an.

Wir verfallen in ein freudiges Kichern. Sie ist ein Sonnenschein und lässt meine Welt erstrahlen. Es ist nicht so, dass ich mit einer Gewitterwolke über meinem Kopf durchs Leben stolziere, allerdings könnte ich an manche Dinge unbeschwerter herantreten.

»Schnell noch etwas Puder.«

Ehe ich irgendwelche Einwände hervorbringen kann, fummelt Marie auch schon mit dem Pinsel in meinem Gesicht herum.

»Es ist nach Mitternacht, ich muss nicht mehr perfekt aussehen.« Ich lache.

Meine Aussage wird mit rollenden Augen quittiert. Endlich lässt sie von mir ab und gewährt mir den Weg in die Freiheit. Ein schmaler, langgezogener Gang führt uns zurück zum Saal. Hektisch hoppelt sie neben mir her.

»Der Tag ist gelaufen. Kein Grund, so eine Unruhe zu versprühen«, tadle ich sie.

»Sina, die Party hat eben erst begonnen.«

Ich muss schmunzeln. Marie feiert für ihr Leben gerne.

Beim Eingang des Saals angekommen, streife ich mein Kleid glatt und schaue prüfend an mir hinab. Alles gut. Dann fällt mir ein Mann ins Auge, der sich lässig gegen den Tresen der Hotelbar lehnt und einen Drink in der Hand hält. Ich erkenne ihn zunächst nicht, doch dann wird mein Blick starr und mir wird bewusst, wer er ist. Die Röte steigt mir ins Gesicht, ein wärmendes Kribbeln zieht sich durch meinen Körper. Auch er lässt seinen Blick auf mir ruhen. Eine gefühlte Ewigkeit sehen wir einander an, bis ich einen Schmerz in meinem Oberarm spüre. Erschrocken fahre ich herum und lächle Marie gezwungen entgegen. Sie hat mich doch tatsächlich in den Arm gekniffen.

»Das eben war Leo, oder?«, flüstert sie, als wir endlich weitergehen.

»Sieht ganz danach aus«, antworte ich wie automatisch und vermeide es, sie dabei anzusehen.

»Du wirst doch nicht wieder schwach werden?«, bemerkt sie entsetzt.

Genervt schaue ich zu ihr auf. »Wir waren damals doch noch Kinder. Ich habe ihn ewig nicht gesehen. Das ist alles.«

Sie nickt zufrieden und mischt sich dann wieder unter die Gäste.

2

»Du hast was?«, kreischt Marie und schlägt sich die Hände vor den Mund.

»Na ja, immerhin waren wir mal befreundet. Da ist doch nichts dabei«, erkläre ich.

Kopfschüttelnd hockt sie vor mir.

»Marie, er hat ohnehin nicht geantwortet, was soll´s. Mach dir keinen Kopf. Ich liebe Marcel.« Beruhigend tätschle ich ihre Hand.

Hätte ich es ihr bloß nicht erzählt. Außerdem habe ich ihm nur eine belanglose Nachricht hinterlassen. Ich wollte doch nur wissen, wie es ihm in den letzten Jahren ergangen ist. Daran ist doch nichts verwerflich. Maries Sorge ist unbegründet. Zumindest aus heutiger Sicht. Damals hatte er mein Leben durcheinandergebracht, aber heute bin ich angekommen, angekommen bei Marcel. Wir sind eine Familie und daran wird Leo nichts ändern.

»Ich wette, du denkst sogar jetzt, in diesem Moment, an ihn«, wirft sie mir vor.

Müde blicke ich sie an. »Kann ich dir nun von unseren Flitterwochen erzählen?«

Sie lächelt. »Deshalb sind wir doch hier!«

Nach dem ausführlichen Bericht über die Flitterwochen komme ich zu spät nach Hause, sodass ich Marcel verpasse. Er befindet sich bereits im Taxi zum Flughafen. Kurz ärgere ich mich darüber.

Gut, in drei Tagen wird er wieder zurück sein, und dann steht ein gemeinsames Wochenende vor der Tür. Alles nicht so schlimm, denke ich mir. Seitdem er die neue Position als Geschäftsführer angenommen hat, häufen sich die Dienstreisen ins Ausland. Jeden Monat verbringt er mehrere Tage in Indien, um einen detaillierten Einblick in die Produktion vor Ort zu erhalten. Da ich als freie Dienstnehmerin tätig bin, arbeite ich hauptsächlich an diesen Tagen. Meine Kreativität tanzt nicht immer nach meiner Pfeife, also kann es auch mal vorkommen, dass ich am Wochenende an einem Projekt festsitze. Doch kommendes Wochenende habe ich mir ein striktes Arbeitsverbot auferlegt.

Vielleicht bezwingen wir am Samstag einen Klettersteig. Als wir uns kennengelernt haben, war das Erklimmen von Bergen nur seine Leidenschaft. Aber er konnte mich schnell dafür begeistern, und so verbringen wir inzwischen zahlreiche Sommertage im steinigen Gebirge. Früher ließ ich mir lieber die Sonne auf den Bauch scheinen, doch dazu kommt es jetzt nur noch äußerst selten. Weder Marie noch Marcel haben sonderlich viel dafür übrig. Was schade ist, denn wir haben wundervolle Seen in der unmittelbaren Umgebung.

Entnervt klappe ich meinen Laptop auf, um meine Mails zu überprüfen. Mein Auftraggeber textet mich mit Nachrichten zu. Wie befürchtet warten erneut Änderungswünsche auf mich. Weil ich mich nicht mit den Grafiken befassen möchte, überfliege ich die anderen eingehenden Mails. Einige Stichworte notiere ich mir in meinen Wochenplaner, so spare ich später Zeit. Zwischen den Mails vom Auftraggeber und den lästigen Newslettern entdecke ich eine ungelesene Nachricht von Leo Winter. Mein Herzschlag setzt für einen Moment aus, um daraufhin rasant wieder loszulegen. Das Hämmern in meiner Brust irritiert mich. Leo kann doch nicht eine solche Wirkung auf mich haben. Immerhin ist die Geschichte schon eine Ewigkeit her, und ich bin glücklich verheiratet. Ich lege meine Handfläche an die Brust und beruhige die Stelle mit kreisenden Wischbewegungen.

Ein winziger Teil in meinem Inneren dürfte sich noch an den damaligen Jugendwahn erinnern. Hierfür gibt es keine andere plausible Erklärung. Dann öffne ich die E-Mail.

Winter,Leo

An: Mouton, Sina

AW: Grüße …

Du hast tatsächlich geheiratet …

Leo

Ziemlich lange starre ich auf die wenigen Buchstaben, bevor ich meinen Blick abwende. Tage später als erwartet, habe ich also eine Antwort erhalten, die eigentlich keine ist. Ich hatte in meiner Nachricht danach gefragt, wie es ihm in den letzten Jahren ergangen ist. Hatte er eine Frau? Ein Kind? Wie sah es beruflich aus? All diese Dinge, die man einander fragt, wenn man sich nach Jahren begegnet. Was merkwürdig ist, denn in einer Kleinstadt läuft man sich eigentlich andauernd über den Weg.

Das sieht ihm ähnlich, er hat sich kaum verändert. Er mochte es damals schon, wenn ihn eine geheimnisvolle Aura umgab. Zu kindisch von ihm.

Kopflos marschiere ich zum Weinregal, öffne eine Flasche Rotwein, die noch von der Hochzeitsfeier übrig ist, und schenke mir ein Glas ein. Dazu bereite ich mir eine kleine Jause vor und setze mich mit diesen Errungenschaften vor den Computer. Hungrig beiße ich vom Brot ab und bin erleichtert, dass Marcel nicht hier ist, um das mitansehen zu müssen.

Mouton, Sina

An: Winter, Leo

AW: Grüße …

Gut kombiniert! Wie es dir so ergangen ist, werde ich mir wohl ausmalen müssen …

Sina

Während der zimmerwarme Rotwein meine Speiseröhre hinabfließt und ein heißes Brennen hinterlässt, versende ich die Message. Nur wenige Minuten darauf hüpft das Briefmarken-Symbol in die Höhe und zeigt damit an, dass sich eine neue Nachricht im Posteingang befindet. Schnell klicke ich auf das Bild.

Winter,Leo

An: Morton, Sina

AW: Grüße …

Firmengeschäfte laufen … nach wie vor überzeugter Single … keine Kinder …

Nun hast du deine Antworten.

Leo

Verärgert klappe ich den Bildschirm nach unten. Er zeigt sich undurchsichtig wie eh und je. Mir ist das alles zu blöd, deshalb lasse ich es gut sein.

3

Abgekämpft vom Weihnachtswahnsinn und mit zwei Kilos mehr am Leib, die ich nun mit mir rumschleppen muss, geht’s auf zum nächsten Fest. Vermutlich wird auch bei diesem Event an jeder Ecke das eine oder andere Häppchen auf mich warten. Marcel hat die Einladung eines Aktionärs und Großgrundbesitzer angenommen. So kommt es, dass wir uns auf der Suche nach einem geeigneten Parkplatz befinden, vor dieser stilvollen Villa am Wörthersee.

Zahlreiche Fahrzeuge parken entlang der Einfahrt und auf der Wiese des Anwesens. Marcel hantiert geschickt am Lenkrad, und mit einem Schwung manövriert er den Wagen in eine Parklücke, die ich für viel zu klein befunden hatte. Stolz blickt er zu mir rüber.

»Ja, ist schon gut.« Ich lächle anerkennend. Natürlich konnte ich meinem Mann die Bitte, ihn heute zu begleiten, nicht abschlagen, obwohl ich mir die Silvesternacht anders vorgestellt habe. Ein gemütliches Abendessen mit einer guten Flasche Wein – das hätte mir gefallen.

»Ich schulde dir was«, flüstert er.

In der nächsten Sekunde öffnet sich die Eingangstür wie von Zauberhand, und ein älterer Mann hält mir seine ausgestreckte Hand entgegen. Wir stellen einander vor. Er ist der Besitzer dieser beeindruckenden Villa, führt uns herum und stellt uns einigen Gästen vor. Schnell muss ich feststellen, dass wir wohl die Jüngsten auf dieser Feier sind.

Eine Dame reicht uns einen Aperitif, der meine Rettung zu sein scheint. Marcel unterhält sich ununterbrochen mit irgendwelchen Leuten. Ich hingegen komme nur schwer ins Gespräch. Vermutlich auch deshalb, weil es sich die Damen in der Bibliothek nebenan gemütlich gemacht haben und die Männer hier draußen beinahe ausschließlich über ihre Geschäfte sprechen.

»Ha, da sind sie, die Häppchen«, denke ich freudig, als ich die langen Tafeln an den Seiten des Raumes erspähe. Entschuldigend blicke ich in die Runde und mache mich los, um mir das Buffet genauer anzusehen. Noch zwei Stunden, die ich damit verbringen werde, mir den Bauch vollzuschlagen. Nach Mitternacht können wir uns dann schnellstens davonstehlen. Marcel sieht das bestimmt genauso.

Als ich zu ihm spähe, werde ich jedoch enttäuscht. Er scheint sich prächtig zu amüsieren. Mit einigen erlesenen Snacks auf meinem Teller wandere ich umher und komme schließlich mit zwei Damen, die um die vierzig Jahre alt sein dürften, ins Gespräch. Meine Laune bessert sich und die Party beginnt, mir zu gefallen. Angeregt unterhalten wir uns miteinander und kommen nicht voneinander los. Die Zeit verrinnt wie im Fluge.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr blicke, ist es bereits kurz vor Mitternacht, und so kommt es, dass wir die Unterhaltung beenden. Wir machen uns auf, um unsere Begleiter zu finden. Ich laufe von einem Raum zum anderen, auf der Suche nach Marcel. Wo steckt er bloß? Langsam schlägt meine Stimmung wieder um. Ärger macht sich breit.

Als die Gäste um mich herum den Countdown der letzten Sekunden bis zum Jahreswechsel lautstark mitzählen, erreicht meine Stimmung einen Tiefpunkt. Mit hängenden Schultern gebe ich mich geschlagen und gönne meinen suchenden Augen eine Pause. Die Schläge der Pummerin, der Kirchenglocke des Stephansdoms in Wien, werden von den freudigen Stimmen der Gäste untermalt. Dong. Dong. Dong. Über eine große Leinwand wird das Spektakel am Dom live übertragen. Wenig später erklingen die Hörner der Wiener Philharmoniker, der Donauwalzer ertönt in seiner hallenden Schönheit. Um mich herum nehmen die Gäste ihre Tanzposition ein. Verloren stehe ich inmitten der provisorischen Tanzfläche. Dann setzen die Streichinstrumente ein, und ich will schon die Flucht ergreifen, als sich ein stattlicher Mann im Smoking vor mir aufbaut, mir seine Hand hinhält und mich zum Tanz auffordert. Zögernd blicke ich auf. Mein Atem setzt für einen Moment aus, bis ich wie mechanisch meine Hand in seine lege. Vor mir steht Leo Winter, den ich am Tag meiner Hochzeit zuletzt gesehen habe und davor einige Jahre nicht.

Behutsam, aber mit festem Griff hält er mich und lässt mich über das Parkett schweben. Ich atme kontrolliert und flach, wage es jedoch nicht aufzusehen, in seine verführerischen, blaugrünen Augen. Und noch viel weniger, wage ich es, auch nur einen Ton von mir zu geben. Ich gebe mich seiner Führung hin, dabei durchzieht mich ein schauderhaftes Kribbeln.

Ich hatte ihn kleiner in Erinnerung. Er muss an die ein Meter neunzig groß sein.

Wie alles im Leben endet auch dieser Tanz. Er löst sich von mir, gibt mich frei, tritt einen Schritt zurück und mustert mich prüfend. Nun riskiere ich den Blick nach oben, in seine lodernden Augen. Woher kommt er bloß? Und was macht er hier? Ich bin doch vorhin durch sämtliche Räumlichkeiten gelaufen, er hätte mir auffallen müssen. Als ich etwas sagen will, kommt mir eine mir allzu bekannte Stimme dazwischen. Marcel hat sich zu uns gesellt und zieht mich an sich heran.

»Es tut mir leid. Ein frohes neues Jahr«, haucht er mir entgegen.

Schnell fasst er sich und begrüßt Leo. Die beiden kennen sich nur flüchtig.

»Wir waren draußen und haben eine Zigarre gepafft«, erklärt er weiter, als ich keine Reaktion zeige.

»Schon gut«, wiegle ich nervös ab und schenke ihm ein strahlendes Lächeln.

Als ich mich Leo zuwenden will, um mich für seine Geste zu bedanken, stelle ich fest, dass er sich aus dem Staub gemacht hat. Wieder ohne ein Wort zu verlieren.

Der duftende Buttergeruch frischer Croissants kitzelt meine Nasenflügel. Gefolgt vom mahlenden Geräusch der Kaffeemaschine. So werde ich sanft aus meinen Träumen geholt.

»Gestern war ich ein Idiot, verzeihst du mir, Süße?«, fragt Marcel und blickt mit dem Tablett in der Hand aus dem Türrahmen auf mich hinunter.

»Schon okay!« Ich grinse bis über beide Ohren. »Gib mir endlich die Tasse Kaffee.«

Seine Mundwinkel wandern nach oben und mit einem Schwung hievt er sich aufs Bett, schlägt die Decke zurück und schmiegt seine kalten Beine an meine. Kurz schrecke ich zurück. An seine kalten Füße werde ich mich wohl nie gewöhnen.

Nachdem ich die Tasse mit nur wenigen Schlucken geleert habe, falle ich Marcel glücklich um den Hals und küsse ihn. Das wird unser Jahr. Wir wollen mehr Zeit miteinander verbringen. Vielleicht entscheiden wir uns auch, ein Kind zu bekommen. Es ist perfekt.

4

»Was hältst du von einem Skiwochenende?«, höre ich ihn aus der Küche rufen.

Keine schlechte Idee. Meine Skier sind zwar nicht mehr die modernsten, aber irgendwie werde ich schon den Berg hinunterkommen. Das wäre doch gelacht.

»Klingt gut.« Freudig marschiere ich in den begehbaren Schrank und krame meinen Ski-Anzug hervor. Okay, in dem Ding werde ich mich nicht mehr sehen lassen. »Ich muss mir einen neuen Ski-Anzug kaufen«, stelle ich fest und schrecke hoch, als Marcel kopfschüttelnd neben mir steht.

»Der sieht doch noch ganz gut aus.«

Augenrollend vermeide ich jeden weiteren Kommentar. Zum Glück verdiene ich mein eigenes Geld. Sonst müsste ich mich auf eine endlos lange Diskussion einlassen.

Das Vibrieren meines Telefons rettet mich aus dieser nervigen Situation. Marcel verschwindet wieder in die Küche, und ich kann in aller Ruhe meine Kleidungsstücke prüfen. Davor werfe ich noch einen Blick auf mein Handy.

Kaffee? Morgen? Leo

Perplex gucke ich auf die drei Worte. Wie kommt er an meine Telefonnummer, und weshalb will er sich mit mir treffen? Nervös sehe ich mich um. Marcel ist nach wie vor in der Küche beschäftigt, deshalb beginne ich aufgeregt, zu tippen.

10 Uhr, Wienerroither, Alter Platz, Sina

Für eine Sekunde halte ich inne. Danach ertappe ich mich dabei, wie ich mir die Kleidungsstücke für das morgige Treffen ausmale. Meine Güte, es ist nur ein Kaffee mit einem alten Freund. Was veranstalte ich hier eigentlich?

Vier Tage ist es her, dass wir gemeinsam zum Donauwalzer getanzt haben. Seither ist keine Nacht vergangen, in der ich nicht von Leo geträumt habe. Ich liebe Marcel, das ist sicher. Aber weshalb träume ich dann von einem anderen Mann?

Unsicher lasse ich die Kleidungsstücke liegen, verdränge meine Gedanken und geselle mich zu Marcel. Erstmal will ich ihm nichts von der Verabredung erzählen. Warum auch. Das würde ihn möglicherweise kränken oder verunsichern. Außerdem steckt nichts Verwerfliches dahinter, immerhin waren wir damals auch befreundet.

Mit dem Kochlöffel bewaffnet lächelt Marcel unschuldig, und schon im nächsten Augenblick schiebt er mir diesen in den Mund.

»Oh wie lecker«, plappere ich mit vollem Mund.

Hektisch hüpfe ich zum Parkautomaten und füttere diesen mit Kleingeld. Blöderweise habe ich nur sechzig Cent in meiner Geldbörse. Ansonsten nur Scheine, die der Automat nicht annimmt. Marie hat mir schon vor einiger Zeit geraten, das Handyparken zu aktivieren. Natürlich habe ich ihren Rat ignoriert. Zu dumm auch. Fünfzig Minuten steht auf der Anzeige. Wird das ausreichen? Ungeduldig krame ich in meiner Tasche, in der Hoffnung, vielleicht noch ein paar Münzen zu finden und so einige Minuten mehr rauszuschlagen.

Noch dazu bin ich spät dran, weil ich viel zu lange vor dem Spiegel rumgestanden habe. Meinen kinnlangen blonden Haaren habe ich mit dem Lockenstab ein wenig mehr Schwung verpasst und meine blauen Augen mit einem dezenten Lidschatten hervorgehoben. Das alles hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als geplant.

Seufzend gebe ich die Suche auf, drehe mich zur Seite und stoße gegen eine hochgewachsene Person. Ein süßer, draufgängerischer Duft steigt in meine Nase. Meine Alarmglocken beginnen zu läuten.

Natürlich, an das Parfüm erinnere ich mich zu gut. Es gehört zu ihm. Nicht zu dem Leo, den ich von früher kenne, sondern zum heutigen Leo. Noch am Tag nach unserem letzten Treffen hatte ich ein seltsames Brennen in der Nase verspürt. Verlegen sehe ich nach oben.

»Nur eine Stunde Ausgang? Oder weshalb überlegst du?« Er lächelt schief, und ein Hauch von Verachtung schwingt in seiner Stimme mit.

»Oh, ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, sage ich gespielt verärgert.

Dann endlich begrüßen wir uns. Das erste Mal nach langer Zeit. Meine Handflächen an seine Oberarme gelegt und mit meinen Füßen auf Zehenspitzen stehend drücke ich ihm links und rechts ein Küsschen auf die Wange. Auf eine minimalistische Weise erwidert er den Gruß.

Dann laufen wir tonlos nebeneinander her, bis ich das unerträgliche Schweigen breche und mit dem Verhör beginne.

Sämtliche Fragen nach Job, Familie und Co werden jedoch von Leo mit einem lässigen Spruch abgetan. Als wir bei der Bäckerei ankommen, bin ich mit der Fragerei durch, und so sehr ich mich auch bemühe, es fällt mir keine halbwegs sinnvolle Frage mehr ein.

Dabei gäbe es doch bestimmt viel zu erzählen. Ich hätte einiges zu berichten. Da er allerdings nicht danach fragt, behalte ich den Monolog für mich.

Wir bestellen jeder einen Cappuccino, und Leo ordert dazu noch ein italienisches Frühstück. Mein Magen knurrt. Doch wenn ich daran denke, etwas zu essen, zieht er sich zusammen. Deshalb muss der Cappuccino vorerst genügen.

»Marcel also …«

Irritiert über seine Aussage blicke ich ihn an. Seine Augen funkeln feurig. Als ich meine Stimme wieder zurückgewonnen habe und nicht weiter dümmlich, mit offenem Mund, vor ihm sitzen will, lege ich meine Stirn in Falten.

»Irritiert dich die Tatsache, dass ich verheiratet bin oder eher, dass es Marcel ist?« Herausfordernd halte ich seiner Frage stand.

Leo quittiert meine Haltung mit einem anerkennenden Lächeln. »Vielmehr, wie schnell die Zeit verrinnt.« Er grinst.

Endlich lockert sich die Stimmung, und ich lasse mich erleichtert in den Sessel fallen.

»Na ja, ist doch eine ganze Weile her. Und … willst du mir noch immer nicht verraten, was du so getrieben hast?«

Ich nippe an der Kaffeetasse, ohne ihn dabei großartig anzusehen. Generell versuche ich, seinen Blicken auszuweichen.

»Weshalb sitzen wir hier, wenn du mir nichts erzählen willst?«

Er lächelt. »Weil ich dich sehen wollte.«

Hab’ ich eben richtig gehört? Natürlich will er mich sehen, aber dazu gehört doch auch, dass man sich auf den neuesten Stand der Dinge bringt.

»Lebst du noch hier?« Sobald die Frage über meine Lippen kommt, ärgere ich mich.

Was für eine alberne Frage? Bestimmt nicht, denn sonst wären wir uns wohl öfter über den Weg gelaufen, in einer Stadt, die keine hunderttausend Einwohner hat. Ich fühle mich um Jahre zurückversetzt, als wäre ich immer noch das neunzehnjährige Mädchen. Dieses Gefühl löst eine derartige Unsicherheit in mir aus, dass ich nervös an meiner Jacke zupfe.

Er hingegen wirkt weltmännisch und erinnert mich keineswegs an den draufgängerischen Jugendlichen von damals. Gut, irgendwie sieht er nach wie vor wie ein verwegener Sonnyboy aus, jedoch mit Stil. Dass er eines Tages im Anzug vor mir sitzen würde, hätte ich mir nicht erträumt. Leo, der früher zerschlissene Jeans trug, in denen er zum Anbeißen aussah.

Ich bin erleichtert, als sein Handy klingelt und er sich für einen Moment entschuldigt und nach draußen geht, um zu telefonieren. Die Zeit nutze ich, um einmal ordentlich durchzuatmen und auf mein Smartphone zu spähen. Schnell überkommt mich ein unangenehmes Gefühl. Ich hätte Marcel doch einfach sagen können, dass ich mich mit Leo treffe. Dann säße ich hier nicht rum wie auf Nadeln. Marcel hätte bestimmt nichts dagegen einzuwenden gehabt.

»Guck nicht so, die bleiben.« Leo schmunzelt und deutet auf meine in Falten gelegte Stirn.

»Hör zu, ich muss los.«

Impulsiv suchen meine überraschten Augen die seinen. Wir sitzen gerade mal zwanzig Minuten in der Bäckerei. Rasch überspiele ich meine Unsicherheit und zeige mich gleichgültig.

»Kein Thema«, gebe ich lässig zurück.

Eilig übernimmt er die Rechnung, und daraufhin verlassen wir gemeinsam die Backstube. Draußen peitscht mir die Kälte ins Gesicht und die Realität holt mich ein. Unter keinen Umständen hätte ich mich auf dieses Treffen einlassen dürfen.

Zum Abschied drückt er mir einen Kuss auf die Wange. Ich erwidere nichts, stattdessen wende ich mich von ihm ab und gehe schnellen Schrittes zurück zum Wagen. Ich fühle, wie sich sein Blick in meinen Rücken bohrt.

Morgen, Längsee, 14 Uhr … denk an deine Schlittschuhe, Leo

Will er mich verarschen? Er kann mich doch nicht ständig irgendwohin kommandieren, um dann innerhalb kürzester Zeit abzuhauen. Sowas tun Freunde nicht. Außerdem habe ich keine Lust, meine alten Eislaufschuhe auszugraben. Und erst recht nicht, bei den Minusgraden auf irgendeinem gefrorenen See herum zu schlittern.

Ich ignoriere seine Mitteilung und krieche zurück ins Bett zu Marcel, der es sich schon mit einem Buch bequem gemacht hat.

»Wie war dein Tag?«, fragt er und sieht zu mir herüber.

»Geht so«, antworte ich, weiche seinem fürsorglichen Blick aus und kuschle mich an seine Brust.

5

Als ich am nächsten Morgen erwache, steht Marcel bereits abfahrbereit neben dem Bett. Erschlagen reibe ich mir den Schlaf aus den Augen.

»Ist es denn schon so spät?«

Augenrollend wirft er sich den Schal um den Hals. »Du solltest konsequenter an deinen Grafiken arbeiten und morgens früher aufstehen.«

Als ich gerade zum Gegenangriff ausholen will, setzt er liebevoll nach. »Ich meine es doch nur gut.«

Ich schlucke meine Worte hinunter und lächle. Während er auf Reisen ist, arbeite ich beinahe ununterbrochen und halte mich an die Abgabetermine. Es ärgert mich, von ihm getadelt und wie ein Kleinkind zurechtgewiesen zu werden. Als er meinen warnenden Blick bemerkt, legt er seine Lippen auf meine und gibt mir einen Abschiedskuss. Zumindest werde ich mir an den nächsten drei Tagen keinen seiner Vorträge anhören müssen.

Die Tür fällt ins Schloss und ich stapfe, noch immer schlaftrunken, ins Badezimmer. Dort angekommen schießt mir mein Traum von letzter Nacht in den Kopf. Leos stechend blaugrüne Augen kommen mir in Erinnerung. Sauer schleudere ich die Zahnbrüste ins Waschbecken. Das darf doch nicht wahr sein. Warum schwirrt er in meinem Hirn herum? Marcel ist ein toller Ehemann, und ich bin verflucht glücklich.

Gestern noch wollte ich mich auf kein weiteres Treffen mit Leo einlassen. Doch heute sieht die Sache ganz anders aus. Meine Handflächen auf das Waschbecken gepresst, sodass meine Arme völlig durchgestreckt sind, starre ich in den Spiegel, der eine Frau zeigt, die mir völlig unbekannt erscheint. Verflucht! Ich stampfe mit dem rechten Fuß auf den Fließboden und greife nach meinem Telefon, um Leo eine Mitteilung zu hinterlassen.

Sollte ich bis dahin meine Eislaufschuhe finden, werde ich kommen … Sina

Mit pochendem Herzen schlendere ich vom Parkplatz zum provisorischen Eingang, neben dem sich bereits einige Leute die Schlittschuhe anziehen. Vehement weigere ich mich, Ausschau nach Leo zu halten.

Entweder er findet mich, was aufgrund meines bescheidenen Talents auf dem Eis kein schweres Unterfangen darstellen sollte, oder ich drehe alleine meine Runden. Ohne Zweifel war es kein geistreicher Einfall, mich hier mit ihm zu verabreden.

Als ich mir die Schlittschuhe endlich übergezogen habe, hieve ich mich seitlich am Geländer hoch und stehe mit zitternden Knien auf dem Eis. Gut, immerhin stehe ich. In der Schulzeit waren wir oft eislaufen, aber besonders geübt war ich darin nie. Das Bremsen bereitete mir enorme Probleme, deshalb glitt ich im Schneckentempo dahin. Meine Klassenkameraden überrundeten mich immer innerhalb kürzester Zeit.

Als ich mich etwas sicherer fühle, lasse ich meine verkrampften Finger vom Geländer los und stelle erleichtert fest, dass ich zumindest beim Stehen keine großen Probleme habe. Selbstsicher schiebe ich den rechten Fuß seitlich nach vorn, gleich darauf folgt der linke, der es dem rechten nachmacht. Plumps. Plötzlich hocke ich mit meinem Po auf dem harten Eis. Verflucht. Schnell fahre ich herum, um sicherzustellen, dass Leo nirgends zu sehen ist und die Komödie nicht hautnah mitbekommt. Umständlich raffe ich mich auf und fühle einen leichten pochenden Schmerz in meinem Hinterteil. Irgendwie muss ich das hinbekommen. Ich versuche es erneut. Zu meiner Erleichterung stelle ich fest, dass es diesmal schon ganz gut klappt. Es sieht bestimmt nicht sehr elegant aus, aber ich komme einige Meter voran. Mit einem überheblichen Grinsen im Gesicht steuere ich auf den Teestand zu. Um ehrlich zu sein ist es mir jetzt schon viel zu kalt hier draußen.

Diesmal trifft es mich härter als zuvor. Wieder falle ich auf den kalten, nassen Boden. Wenig motiviert schaue ich nach vorne, um sicherzugehen, dass die Schenke nicht mehr allzu weit entfernt liegt. Allerdings verwehren mir zwei Beine in Jeans die Sicht. Schon im nächsten Augenblick hält mir jemand seine Hände vor die Nase, um mir aufzuhelfen. Leo natürlich.

Verlegen nehme ich die Geste an. Sein schiefes Grinsen ist nicht zu übersehen.

»Dachte ich mir schon, dass du das Jahre nicht mehr gemacht hast.«

Nachdem ich mich einigermaßen gefasst und seine Hand losgelassen habe, strafe ich ihn mit einem bösen Blick.

»Spar dir deine Bemerkungen«, murmle ich vor mich hin.

»Ach komm schon, lass uns eine kleine Runde drehen.« Er zeigt mit der Hand in Richtung Eislaufbahn, die vom Eingang wegführt.

Standfest tänzelt er auf seinen Schuhen neben mir her. Das war ja klar. Er war damals schon in allen sportlichen Aktivitäten äußerst talentiert. Mit einem Schwung fährt er los. Ich verharre auf meinem Platz. Schließlich folge ich ihm, äußerst unsicher und im Schneckentempo, weil ich meinem Po eine Pause gönnen möchte. Mit einer schnellen Bewegung wendet er sich mir zu und als ich zaghaft hinter ihm laufe, bleibt er stehen und reckt mir seine Hand entgegen. Seine Gefühle erfassen mich und meine Augen fixieren seine Hand, als hielte er eine Vogelspinne darin fest.

»Sina, es ist nur meine Hand …«, höre ich ihn sagen.

Nach einigen weiteren Sekunden nehme ich sie und lege meine Hand in seine. Sanft schließen sich seine Finger um sie. Die Hitze, die von ihm ausgeht, wärmt meinen gesamten Körper. Schon klar, für ihn ist es nichts weiter als eine Geste, doch für mich bedeutet es viel. Das Blatt wendet sich, und mir wird augenblicklich klar, dass er mein Herz höherschlagen lässt. Sei es die Sehnsucht eines lockeren Flirts oder mehr. Eines ist sicher: Das hier ist verdammt mies Marcel gegenüber und ruiniert vielleicht noch meine Ehe.

Leos Anwesenheit lässt mein Unbehagen in den Hintergrund rücken, und so genieße ich es, ohne große Worte neben ihm herzufahren. Eine lange Zeit vergeht, bevor er die Stille unterbricht.

»Es war schön, dich endlich wiederzusehen.«

Ruckartig halte ich an und muss kichern. »Du hast es nicht verlernt«, sage ich.

Auch er fällt in mein Lachen mit ein. »Ich gebe wie immer mein Bestes.«

Drängend versuche ich, ihn in Richtung der Teebar zu navigieren. Das gelingt nur bedingt, weil ich einfach zu unsicher auf dem Eis stehe. Doch bevor er vorschlagen kann, noch eine zusätzliche Runde zu laufen, ziehe ich fester an seinem Arm. Was sich als keine gute Idee herausstellt, denn im nächsten Augenblick verliere ich das Gleichgewicht. Anders als das letzte Mal, lande ich nicht auf dem harten Eis, sondern in seinen starken Armen.

Mit einem verschmitzten Grinsen sieht er auf mich hinunter. Mit strampelnden Beinen versuche ich, mich aus seinem Griff zu befreien. Auch das glückt mir nicht, bis ich mich ergebe und von ihm aufrichten lasse.

Verlegen streife ich meine Jacke glatt.

»Du bekommst deine Tasse Tee. Mir ist nicht entgangen, wie sehr du vor Kälte zitterst.«

Da habe ich noch mal Glück gehabt. Allerdings zittere ich nicht nur, weil es hier so kalt ist.

6

»Guck mich nicht dermaßen anklagend an.« Ich sehe zu Marie auf, die wortlos und kopfschüttelnd vor mir hockt.

»Ehrlich, ich hadere ohnehin mit mir und habe Gewissensbisse.«

Sie fährt sich mit ihren Fingern durchs Haar und befestigt eine lose Haarsträhne hinterm Ohr. »Du musst den Kontakt abbrechen«, rät sie eindringlich, aber keinesfalls herablassend.

Schwer atmend stelle ich den Kaffeebecher auf dem Tisch ab. »Hatte ich sowieso vor. Es waren nur zwei Treffen, und da lief auch nichts«, beteuere ich ihr.

»Gut so.« Sie nickt.

Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Zu Beginn war es wohl die Neugierde und beim letzten Treffen wurde mir dann klar, dass das Ganze in eine komplett falsche Richtung läuft.

»Irgendwie war ich gespannt, was er die Jahre über gemacht hat … wovon er ohnehin nichts preisgab. Ich weiß noch nicht mal, wo er lebt oder welchem Job er nachgeht.« Tatsächlich weiß ich nicht das Geringste über ihn.

»Hast du dich wieder in ihn verknallt?«

Beinahe bekomme ich Atemprobleme. Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, weil es total absurd ist. Ich liebe Marcel. Man kann doch nicht einen Menschen lieben und in einen anderen verliebt sein. Blödsinn. Sowas geht doch gar nicht.

»Schätze nicht«, antworte ich leise.

»Du klangst schon überzeugender.«

Mit durchdringendem Blick, erkläre ich ihr ein weiteres Mal meine Beweggründe. Endlich lässt sie von dem Thema ab, und wir bequatschen die Neuigkeiten, die ausnahmsweise nicht mich betreffen.

Ihr grübelnder Gesichtsausdruck entgeht mir nicht. Auch wenn sie über Leo keinen Ton mehr verliert, die Sache schwirrt noch in ihrem Kopf herum. Ihre Augenbraue wandert aufmerksam nach oben, als sie mitbekommt, dass mein Handy vibriert. Weil ich vor ihr keine Geheimnisse habe, bemühe ich mich gar nicht erst, das Display zu verdecken.

»Er will sich wieder mit mir verabreden«, erkläre ich. Dann schiebe ich das Handy auf dem Tresen zur Seite und höre ihr weiter aufmerksam zu.

»Willst du denn nicht antworten?«

Auf ihre Frage hin, schenke ich ihr ein halbes Lächeln. »Später, wir wollten doch meinen Kleiderschrank aussortieren.«

Seitdem Marcel und ich dieses Reihenhaus bezogen haben und ich über einen begehbaren Schrank verfüge, bin ich zum Messie geworden, zumindest was die Klamotten angeht. Maries Hilfe kommt mir gerade recht. Rigoros übernimmt sie die Entscheidungen, welches Kleidungsstück schlussendlich hängen bleibt und welches auf dem Boden landet. Marie hat einen ausgezeichneten Stil, deshalb wehre ich mich nicht dagegen. Manche Stücke trage ich seit Jahren nicht mehr. So wie diesen engen Jeanshosenanzug, den sie gerade lachend hin und her schwenkt.

»In dem sah ich toll aus«, bemerke ich eingeschnappt.

Meine Freundin kann sich nicht mehr halten vor Lachen und bringt nur stoßweise Silben hervor, die ich, so sehr ich mich auch bemühe, nicht zu einem Wort zusammenfügen kann.

»Das glaub ich dir aufs Wort«, spricht sie dann doch noch mühsam aus.

Als sie den Hosenanzug auf den Boden gleiten lässt, breitet sich eine unheimliche Leere in mir aus. Dieses Teil habe ich getragen, als ich Leo ein allerletztes Mal mit zu mir nahm.

»Gut, das Ding muss weg«, stimme ich überzeugt zu.