I kissed the CEO - Katrin Frank - E-Book
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I kissed the CEO E-Book

Katrin Frank

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Beschreibung

Was tun, wenn sich der heiße Typ, den du auf dem Jungesellinnenabschied deiner Freundin geküsst hast, als dein neuer Boss herausstellt?  Die zwanzigjährige Lia ist heilfroh, den begehrten Praktikumsplatz im New Yorker Verlagshaus Avenue Publisher zu ergattern. Doch an ihrem ersten Arbeitstag muss sie feststellen, dass sie beim Feiern am Vorabend ihren neuen Chef Niklas geküsst hat, der darüber nicht erfreut zu sein scheint. Zum Glück entscheidet er sich, Lia eine Chance zu geben, denn er braucht dringend jemanden, der seine Assistentin ersetzt. Lia würde sich lieber von ihrem attraktiven Boss fernhalten, doch sie hat keine Wahl. Um ihre kranke Großmutter zu versorgen, ist sie auf das Geld angewiesen, das sie im Verlag verdient. Zwischen Lia und Niklas knistert es gewaltig. Aber Lia hat ein Geheimnis, was sie unbedingt vor Niklas verbergen muss. Sonst steht mehr als nur ihr Job auf dem Spiel … 

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I kissed the CEO

Die Autorin

Katrin Frank, geboren 1983, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Klagenfurt am Wörthersee. Sie ist leitende Angestellte in einer Autovermietung und Hobbyautorin. Für ihre Liebes- und Fantasyromane holt sie sich Inspiration bei zahlreichen Reisen ins Ausland sowie bei ihrer Nebentätigkeit als Hochzeitsplanerin. Am liebsten liest sie berührende und spannende Romane, Schreiben bedeutet für sie vom Alltag abzuschalten und eigene Welten zu bauen.

Das Buch

Was tun, wenn sich der heiße Typ, den du auf dem Jungesellinnenabschied deiner Freundin geküsst hast, als dein neuer Boss herausstellt? Die zwanzigjährige Lia ist heilfroh, den begehrten Praktikumsplatz im New Yorker Verlagshaus Avenue Publisher zu ergattern. Doch an ihrem ersten Arbeitstag muss sie feststellen, dass sie beim Feiern am Vorabend ihren neuen Chef Niklas geküsst hat, der darüber nicht erfreut zu sein scheint. Zum Glück entscheidet er sich, Lia eine Chance zu geben, denn er braucht dringend jemanden, der seine Assistentin ersetzt. Lia würde sich lieber von ihrem attraktiven Boss fernhalten, doch sie hat keine Wahl. Um ihre kranke Großmutter zu versorgen, ist sie auf das Geld angewiesen, das sie im Verlag verdient. Zwischen Lia und Niklas knistert es gewaltig. Aber Lia hat ein Geheimnis, was sie unbedingt vor Niklas verbergen muss. Sonst steht mehr als nur ihr Job auf dem Spiel … 

Katrin Frank

I kissed the CEO

Verführerische Liebe

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin April 2022 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-637-8

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapital 11

Kapital 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Broken Strings

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Lia

»Darf es noch eine Runde sein, Ladys?« Der Barkeeper deutete auf die leeren Gläser, die auf dem Tresen einen äußerst traurigen Eindruck hinterließen. Woraufhin ich einen schnellen Blick mit Ivy wechselte, die mir allerdings stumm zu verstehen gab, dass wir uns keinen weiteren Drink leisten konnten. Der Abend war vorbei, noch bevor er richtig begonnen hatte. Vermutlich reichte unser Geld gerade so für die Heimfahrt. Wenn überhaupt.

»Ausnahmsweise nicht«, antwortete ich und rang mir ein Lächeln ab.

Der Blick des Barkeepers lag noch einen Moment auf mir, er musterte mich eindringlich, ehe er auf das Diadem, das in Zuris Haaren steckte, starrte. Verwunderung spiegelte sich in seiner Miene wider, als er eine Augenbraue hob und auf seine Armbanduhr linste. »Ein Junggesellinnenabschied, der vor Mitternacht endet?«, hakte er über die Funk-Beats hinweg nach. Wir starrten dem gut aussehenden Mann hinter dem Tresen entgegen wie ein paar scheue Rehe, die direkt in die Lichter eines näher kommenden Autos glotzen. Zuris Mundwinkel zitterten, sie bemühte sich, Fassung zu wahren, aber wir waren seit Jahren befreundet und wussten es besser. Sie war so kurz davor, heulend aus dieser angesagten Bar zu stürmen.

Meine Freundin hatte sich diesen Abend so sehr gewünscht. Sie wollte gebührend feiern und ausnahmsweise nicht den billigen Fusel aus der heruntergekommenen Town Bar trinken. Sie wollte sich den hämmernden Kopfschmerz, der von günstigen Spirituosen rührte, am Morgen ersparen. Wenn, dann sollte dieser wenigstens von hochwertigem Alkohol stammen. Zuri wollte sich für eine Nacht wie eine Diva fühlen. Allerdings hatten wir einen gravierenden Umstand übersehen: Wir waren keine Diven. Wir waren drei Freundinnen, die jeden Dollar zweimal umdrehen mussten, bevor sie ihn ausgaben. Das war schon so gewesen, als wir noch Kinder gewesen waren, und daran hatte sich bis heute kaum etwas geändert.

Dieser Abend hätte Zuri gehören sollen. Geld sollte keine Rolle spielen, nicht heute Nacht. Doch unsere Partynacht war bereits nach zwei Stunden zu Ende, weil wir einfach nicht hierher gehörten. Bestimmt hatten wir nicht mal mehr zwanzig Dollar in der Tasche, um unserer Braut einen unvergesslichen Abend zu ermöglichen, so wie sie ihn sich immer vorgestellt hatte.

Ivys Brustkorb hob und senkte sich schwer. Nach wie vor huschte der Blick des Barkeepers zwischen uns hin und her, bis sich seine Lippen zu einem neckischen Schmunzeln verzogen. Er stützte sich auf dem Tresen ab, dabei traten feine Adern an seinen Unterarmen hervor. Er trug ein schlichtes T-Shirt und präsentierte seine trainierten Arme – sie waren wahrlich ein Hingucker – sozusagen auf dem Silbertablett.

»Hör auf zu flirten, die Leute warten auf ihre Drinks!«, rief seine Kollegin und verdrehte genervt die Augen. »Der Laden ist voll!«, schob sie hinterher und befüllte gleich zwei Gläser mit Eis. Aber ihre Worte schienen ihn nicht aus der Ruhe zu bringen, sein Lächeln wurde nur noch breiter.

»Du«, sagte er und deutete auf mich. Um ganz sicherzugehen, dass er tatsächlich mich meinte, sah ich mich zu beiden Seiten um. Ringsherum standen Menschen, die sehnlichst auf ihre Getränke warteten. »Ja, du«, bestätigte er, als könnte er Gedanken lesen.

»Ich«, gab ich dümmlich von mir, worüber ich mich prompt ärgerte. War mir denn nichts Besseres eingefallen? Natürlich hatte er mich gemeint, er hatte mir ja auch direkt in die Augen gesehen.

Er nickte in Richtung Tür, durch die wir vor nicht allzu langer Zeit höchst euphorisch getreten waren. Die Brust nach vorn geschoben, das Kinn gereckt, sind wir in diese Bar geschritten, als wären wir über den roten Teppich der Oscar-Verleihung gelaufen. »Der nächste Kerl, der durch diese Tür …« Interessiert hatten wir uns ein ganzes Stück weit zu ihm über den Tresen gebeugt. »… marschiert …«, er wackelte übertrieben mit den Augenbrauen, »… wird von dir geküsst, und euer Abend ist gerettet«, sagte er selbstzufrieden.

»Bist du völlig bescheuert?«, rief Ivy aus und schüttelte vehement den Kopf. Während ich einen langen Augenblick benötigte, um zu begreifen, was er von uns verlangte, schien meine Freundin sofort zu verstehen. »Ein Kuss rettet doch ganz bestimmt nicht unseren Abend.«

»Dann spendiere ich euch eine Flasche Champagner.«

Zuri räusperte sich. »Wir sollen einen Fremden küssen, damit wir bleiben dürfen?« Entsetzen und zugleich eine Prise Hoffnung schwangen in jeder ihrer Silben mit.

Der gut aussehende Kerl sah mich frech grinsend an. »Nicht ihr, sondern sie.« Er musste einen Narren an mir gefressen haben, weshalb beharrte er sonst darauf, dass ich diese nicht gerade würdevolle Aufgabe übernehmen sollte?

»Nein«, sagte ich schnell. »Ich küsse lieber dich, und du spendierst uns eine Flasche Gin«, schlug ich siegessicher vor und näherte mich ihm bemüht lasziv. Zum Glück gab es hier keine Spiegel, ich wollte mich dabei unter keinen Umständen beobachten. Denn sexy ging definitiv anders. Mein Vorschlag war bedauernswert, aber immer noch besser, als irgendwen zu küssen. Immerhin war er hübsch anzusehen und hinterließ einen gepflegten Eindruck. Das war sozusagen die halbe Miete.

Schon fast unanständig ließ ich meine Fingerspitzen über seinen Unterarm tänzeln. Und ich musste mir eingestehen, dass sich seine Haut umwerfend anfühlte. Ich hatte seit einer Ewigkeit keinen Mann berührt, und der letzte Cocktail hatte mich mutiger werden lassen, als ich es normalerweise war.

»Keine Chance.«

Ich blinzelte zweimal, dann zog ich eilig meine Hand zurück. »Wie bitte?«

Er zuckte mit den Schultern und verzog den Mund. »Ich bin sehr schwul.«

»Oh«, stieß ich aus, und mein wild gewordenes Herz beruhigte sich endlich. »Dann tut der Korb nicht ganz so weh.«

»Und genau deshalb sollte sie dich küssen!«, meinte Ivy. »Die Fronten sind geklärt. Somit ist alles paletti.«

»Ich küsse keine Frauen. Habe ich noch nie getan.«

Verträumt murmelte Zuri ein »zu schade« und schlug sich daraufhin sofort die Hand vor den Mund, denn immerhin würde sie in zwei Wochen heiraten und sollte keine Gedanken an heiße Küsse mit einem Barkeeper verschwenden.

»Wenn du nie eine Frau geküsst hast, dann weißt du doch nicht, was dir entgeht«, hielt Ivy dagegen und stemmte die Hände in ihre kurvige Taille. »Du hast es nicht mal probiert.«

»Du musst doch auch kein Alpaka küssen, um zu wissen, dass du nicht darauf stehst, oder?«

Meine Freundin schürzte die Lippen und verengte die Augen. Zuri und ich hielten unsere Bäuche vor Lachen. Auch wenn wir inzwischen auf dem Trockenen saßen, fehlte es uns zumindest nicht an Humor.

»Okay, der Punkt geht an dich«, gab Ivy schweren Herzens zu. »Also, der Deal steht?«, fragte sie an ihn gewandt und streckte ihm die Hand entgegen, als würde sie einen Millionendeal abschließen.

»Warum ich?«, protestierte ich, denn das konnte unmöglich ihr verdammter Ernst sein.

»Weil sie in festen Händen ist.« Er zeigte auf Zuri, die zögernd nickte, ehe er Ivys Hand schüttelte und weitersprach: »Und du hast ein Herpesbläschen.«

Zu meinem Bedauern musste ich ihm zugutehalten, dass seine Argumente durchaus Sinn ergaben, trotz allem gab ich mich skeptisch. »Nimmst du uns auf den Arm?« Ich ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. »Du hast …«

»… irgendwie Mitleid mit euch«, beendete er den Satz.

»Du könntest uns die Flasche ohne jegliche Forderung spendieren.«

»Das ist doch ein Junggesellinnenabschied und keine spießige Familienfeier.« Er zuckte mit den Schultern. »Das war lediglich ein Angebot, um euren Abend zu retten, nichts weiter.«

Zuri rümpfte die Nase und rückte das Diadem zurecht. Sie sah aus wie Schneewittchen, nur eben mit funkelnden Edelsteinen, die zwischen ihren schwarzen Haaren hervorblitzten. Ihre Haut war blass, weil sie sechs Tage die Woche in dieser Fabrik in Brooklyn arbeitete und nur selten das Tageslicht erblickte. Entweder sie schuftete nachts und schlief tagsüber oder umgekehrt. Und an den freien Sonntagen verließ sie ihre vier Wände nur selten, weil sie schlichtweg erschöpft war.

Augenblicklich legte sich eine entsetzliche Schwere in meine Magengrube, Zuri tat mir plötzlich unfassbar leid. Sie war immer diejenige gewesen, die mehr wollte. Sie hatte die Ballkönigin sein wollen. Nur, dass es an unserer Highschool noch nicht mal einen verdammten Abschlussball gegeben hatte, weil irgendwelche Idioten die Turnhalle angezündet hatten und sich die Schule gerade mal so die Gehälter der Lehrkräfte leisten hatte können. Es war nicht schön, wenn Geld ein derartiges Problem darstellte. Zu Hause, in der Schule … immer. Geld allein machte nicht glücklich, aber es sorgte dafür, dass man nicht fror und seiner Freundin einen verfluchten Junggesellinnenabschied spendieren konnte. Wir nicht. Wir konnten ihr das nicht bieten.

»Abgemacht«, schoss es nach langem Überlegen aus mir heraus. Ich musterte den Barkeeper skeptisch und hielt ihm dann wie Ivy zuvor meine Hand hin. Seine Mundwinkel zuckten kurz, ehe er anerkennend nickte und seine Hand in meine legte.

»Deal«, bestätigte er und ließ von mir ab, natürlich nicht ohne mit einem spitzbübischen Lächeln in Richtung Eingangstür zu nicken.

Da schwang die Tür auch schon auf, augenblicklich fühlten sich meine Knie butterweich an, und mein Herz wummerte aufgeregt gegen meinen Brustkorb. Was würde geschehen, wenn ich einen Mann ungefragt küsste? War das nicht … sexuelle Belästigung? Eine Straftat! Verdammt, das war es.

»Ich muss ihn um Erlaubnis bitten …«, überlegte ich laut.

»Das wäre wohl vernünftig«, pflichtete mir Zuri bei und strich sich ihre schwarze Mähne zurecht. »Frag ihn doch einfach.«

Drei Frauen traten in die Bar, und ich atmete erleichtert auf, obwohl ich wusste, dass es sich lediglich um wenige Minuten handeln konnte, bis der nächste Mann folgte. Meine Zeit würde kommen.

Und dann war der Moment auch schon eingetroffen. Ein groß gewachsener Mann mit dunklem Haar und Dreitagebart betrat die Bar. Es war, als stünde die Zeit still, ich hatte das Gefühl, dass sich alle Blicke auf den gut aussehenden Kerl richteten. Und … Himmel! Er sah wirklich umwerfend aus, was mein Vorhaben zwar ansprechender wirken ließ, mir aber nur noch mehr Gänsehaut verursachte. Ich hatte Muffensausen!

Dumpf spürte ich, wie mir eine meiner Freundinnen gegen den Oberarm stieß. Ich konnte und wollte den Blick nicht von dem Fremden abwenden. In seiner Aura lag etwas Magisches, das mich förmlich anzog. Bisher hatte ich so was für völlig absurd gehalten, und doch war ich in diesem Augenblick in einer kitschigen Szene aus einem Bollywoodfilm gefangen. Es fehlten bloß Tänzer in farbenfrohen Roben und die passenden indischen Klänge.

Letztendlich war es Zuris Party, weshalb ich tat, was von mir erwartet wurde. Dabei spielte es für mich keine Rolle, dass ich am ganzen Leib zitterte, mein Brustkorb zu explodieren drohte und sich mein Mund so unfassbar trocken anfühlte, als ich direkt vor dem Fremden stand. Ich musste den Kopf ein ganzes Stück in den Nacken legen, um in seine hellgrauen Augen, die einem Eisberg glichen, zu schauen. Gott! Er war nicht nur attraktiv, er hatte obendrein eine Augenfarbe, die ich nie zuvor gesehen hatte. War er überhaupt von hier? In Anbetracht seines Erscheinungsbildes zog ich es durchaus in Erwägung, dass er von einem anderen Planeten entsandt worden war, um …

Meine Gedanken stoppten augenblicklich, als er sich mit skeptischem Blick ein Stück in meine Richtung beugte und sein herbes Parfum in meine Nase kroch. »Womit kann ich behilflich sein?«, fragte der Unbekannte mit dunkler Stimme und wachen Augen.

»Mit einem Kuss. Ich werde Sie küssen, und … sollten Sie Einwände haben, dann sprechen Sie diese jetzt aus. Dafür gebe ich Ihnen zwei Sekunden, wenn Sie nichts sagen, werte ich Ihr Schweigen als ein deutliches Ja, das ich im Zweifelsfall vor Gericht vorbringen werde«, plapperte ich drauflos und bemerkte sogleich, wie albern die Situation war. Von diesem Moment an hasste ich den Barkeeper, er war der Teufel, weshalb sonst hatte er mich vor eine solch abgründige Aufgabe gestellt?

Die vollen Lippen des Mannes, den ich soeben vorgewarnt hatte, dass ich ihn gleich küssen würde, zuckten verführerisch, während er den Kopf schief legte und mich einen langen Moment betrachtete. »Die zwei Sekunden sind um.«

Sein umwerfendes Lächeln löste ein zartes Kribbeln in mir aus. Es gab keinen Zweifel daran, der Kerl machte sich über mich lustig und sah dabei so verflucht sexy aus, wofür ich ihn genau wie den Barkeeper hasste.

Blicke bohrten sich in meinen Körper. Nicht nur meine Freundinnen starrten erwartungsvoll in unsere Richtung, ich ahnte, dass wir inzwischen die Aufmerksamkeit anderer Gäste auf uns gezogen hatten.

Eine dunkle Augenbraue des Unbekannten wanderte in die Höhe, als er mich mit einem durchdringenden Blick bedachte. »Inzwischen ist eine Minute verstrichen, ich nehme an, Sie haben es sich anders überlegt?«

Stopp! Nein!, schrie ich in Gedanken auf, verringerte den Abstand zwischen uns, stellte mich auf Zehenspitzen und zog ihn an seinem Mantel, dessen Stoff sich unglaublich fein unter meinen Fingern anfühlte, an mich. Ein allerletzter Blick in seine grauen Augen, und einen Wimpernschlag später küsste ich ihn mit wild klopfendem Herzen.

Seine Lippen waren weich und warm. Sie schmeckten ein bisschen nach Scotch. Ich verlor mich an seinem Mund und hatte aufgehört zu atmen. Wir standen still. Lippen an Lippen. Selbst das Wummern aus den Boxen war in die Ferne gerückt und drang nur noch dumpf an meine Ohren.

Bis er sich löste und mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr strich. »Zufrieden?«, fragte er mit einem amüsierten Schmunzeln. Er war süß wie Honig und heiß wie die schärfste Chilischote der Welt.

Ich öffnete den Mund, weil ich etwas erwidern wollte, aber ich brachte keinen Ton über meine Lippen. Der Kuss hatte mich sprachlos gemacht.

»Wie heißt du?«, fragte er mit diesem einnehmenden Funkeln in den Augen.

»Lia«, krächzte ich jetzt und war mir nicht sicher, ob er meinen Namen verstanden hatte.

»Niklas, lass uns dort hinten Platz nehmen«, unterbrach uns eine Frauenstimme. »Die Rushhour war die Hölle.« Eine Frau in einem eleganten Bleistiftrock, die mir eben noch nicht aufgefallen war, verdrehte genervt die Augen. »Der Taxifahrer wollte einfach nicht auf mich hören«, fuhr sie in erbostem Tonfall fort.

Und dann geschah alles furchtbar schnell. Zuri und Ivy waren mit gefüllten Gläsern zur Stelle, drückten mir eines zwischen die Finger, hielten ihre Flöten prostend in die Höhe und feierten unseren Erfolg. Und als ich mich ein letztes Mal zu dem Fremden umdrehen wollte, war er bereits verschwunden.

»Cheers! Auf uns«, trällerten meine Freundinnen unisono. 

Kapitel 2

Lia

»Grandma«, keuchte ich ins Telefon, während ich die Madison Avenue entlangjoggte. Der Zug war mit dreißig Minuten Verspätung im Grand Central Terminal eingefahren, weshalb ich völlig atemlos war, weil ich am ersten Tag meines Praktikums unter keinen Umständen zu spät kommen wollte. »Was ist passiert?«, fragte ich, denn wenn Grandma anrief, verhieß das nichts Gutes. Sie war über achtzig und konnte kaum einen Schritt ohne Rollator tun. Sobald ich unser Apartment verließ, begleitete mich die Sorge, dass ihr etwas zustoßen könnte. Erst vor einem halben Jahr hatte sie einen Schambeinbruch erlitten. Damals hatte ich sie erst Stunden später neben dem Bett vorgefunden. Sie war gestürzt und nicht ans Telefon gelangt, weshalb sie unter Schmerzen hatte warten müssen, bis ich endlich nach Hause gekommen war. »Grandma?«, wiederholte ich, weil sie nicht antwortete. Zeitgleich schoss Adrenalin durch meinen Körper. Während mich meine Füße vorwärtstrugen, klammerte ich meine Finger fest um das Handy, um das Zittern meiner Hand zu bändigen.

»Du hast dein Lunchpaket vergessen«, erklärte sie mit ruhiger Stimme.

Mein Herz setzte für einige Schläge aus, ich sorgte mich ständig um sie, und dieser Anruf stellte mich abermals auf eine harte Probe. Wie lange würden wir so weitermachen können? Sie brauchte dringend Hilfe.

»Du sollst mich doch nur anrufen, wenn es wichtig ist und du auf meine Unterstützung angewiesen bist.« Ich pustete die angestaute Luft aus meinen Lungenflügeln und lief weiter, denn ich durfte keine Zeit verlieren.

Sie schnaubte ins Telefon. »Lia, dein Essen ist wichtig.«

Und ja, das war es, denn … um ehrlich zu sein, knurrte mir bereits der Magen, und das nicht, weil ich nervös war. Heute Morgen hatte ich keinen Bissen essen können, obwohl Grandma einen ihrer wenigen guten Tage hatte und mir ihr berühmtes Oatmeal – auf das ich sonst nie verzichtete – zubereitet hatte. Ich hatte keinen Appetit, doch jetzt rächte sich mein Magen und brummte mit den vorbeifahrenden Fahrzeugen im Chor.

»Alles gut, ich besorg mir nachher ein Sandwich«, sagte ich schnell und fand mich inmitten eines Labyrinthes aus Wolkenkratzern wieder. Ich sah mich um und legte den Kopf in den Nacken, um die mächtigen Bauten für einen Moment zu betrachten. Sie wirkten gewaltig, und doch fühlte ich mich keineswegs klein oder wenig bedeutend, es war, als zeigten sie mir, dass auch ich stark sein und etwas bewegen konnte. Ich nahm einen tiefen Atemzug und sog die New Yorker Frühlingsbrise in mich auf. Es war, als umhüllte mich der Frühling, ich roch Blumen, obwohl hier weit und breit keine wuchsen, und die Sonne, die auf meine Haut traf, wärmte mein Gesicht.

»Hast du denn genügend …«

»Hab ich«, unterbrach ich Grandma, auch wenn das eine glatte Lüge war. Ich hatte zwanzig Dollar in der Tasche, und das reichte eben mal für die Heimfahrt. »Bis später, ich muss jetzt …«

Sie seufzte ins Telefon. »Morgen denkst du an dein Lunch, hörst du?«

Ich lachte auf. »Natürlich«, versprach ich ihr, denn das war die einzige Antwort, die sie zufriedenstellen würde.

Wenig später, nachdem ich die Sicherheitskontrolle hinter mich gebracht und meinen Ausweis abgeholt hatte, fand ich mich in der sechzigsten Etage meines neuen Arbeitgebers ein. Ich konnte es selbst kaum fassen, ich würde bei Avenue Publisher ein zwölfwöchiges Praktikum absolvieren. Ich war gespannt, was ich alles lernen würde. Seit ich denken konnte, war es mein Traum gewesen, für ein Verlagshaus zu arbeiten. An dem Ort mitzuwirken, wo all diese wunderbaren Geschichten ihren Feinschliff bekamen, bevor sie gedruckt wurden. Bücher hatten mich seit meiner frühen Kindheit fasziniert.

»Lia Durand?« Eine freundlich lächelnde Frau trat auf mich zu und streckte mir ihre Hand entgegen. Ich war so aufgeregt, dass ich meine feuchte Handfläche – so unauffällig mir das möglich war – an meinen Jeans abstreifte, bevor ich sie ihr reichte. Ihrer Mimik zufolge war ihr nicht entgangen, wie nervös ich war, sie schenkte dem aber keine weitere Aufmerksamkeit, worüber ich erleichtert war.

»Guten Tag, es freut mich außerordentlich, dass ich …«

Sie legte den Kopf schief, und ihr Blick wanderte über meinen Körper, was mich mitten im Satz verstummen ließ. Jetzt war ich heilfroh, dass sie sich zurückhielt und mein Äußeres nicht bewertete. Zumindest tat sie das nicht in meiner Gegenwart, was sie später bei einem Kaffee ihrer Kollegin erzählen würde, konnte ich ohnehin nicht beeinflussen. Sie trug ein dunkelblaues Etuikleid, das ihrem Körper schmeichelte. Sie wirkte wie eine dieser Businessfrauen, mit denen sich Männer gerne auf einen After-Work-Drink verabredeten. Ihr braunes Haar hatte sie hochgesteckt, und ihre vollen Lippen wirkten mehr als einladend. Sie war attraktiv. Das musste ich neidvoll anerkennen. Ich hingegen war eine flachbrüstige, dünnlippige und mittellose Zweiundzwanzigjährige, die ihre besten Jahre vermutlich hinter sich hatte.

»Komm, ich zeig dir dein Büro. Ich bin Deborah, es freut mich, dich kennenzulernen. Für die nächsten zwölf Wochen wirst du meine Assistentin sein.«

Sie schien mir meine Verwirrung anzusehen und grinste. »Seit die Söhne von Mr. Tent das Unternehmen leiten, sprechen wir uns mit Vornamen an. Mitunter erleichtert das den Alltag, wie du dir aber sicher denken kannst, verkompliziert es ihn manchmal.« Sie zuckte mit den Schultern. »Komm, ich werde in dreißig Minuten in einer Besprechung erwartet, ich zeig dir noch schnell deinen Arbeitsplatz.«

Ich folgte ihrer schlanken Gestalt und versuchte, keine Aufmerksamkeit zu erregen, weshalb ich den Blick auf den Boden gerichtet hielt und mich nicht genauer umsah. Die Bürowände waren zum Großteil aus Glas. Es war, als wäre ich in einer angesagten Netflix-Serie gelandet. Der Plot wäre geradezu passend. Eine junge Frau aus einer schäbigen Wohngegend bekommt die Chance ihres Lebens.

»Hier sind wir schon«, erklärte Deborah, als wir ein Büro betraten.

»Wow«, stieß ich aus und hielt mir sofort die Hand vor den Mund. »Tut mir leid.« Wie von selbst trugen mich meine Beine an die Glasfront, die von der Decke bis zum Boden reichte. Ein Teil Manhattans lag mir zu Füßen. Der Ausblick, der sich mir bot, auf die Dächer der umliegenden Hochhäuser und die befahrenen Straßen, war nicht in Worte zu fassen.

»Eindrucksvoll, nicht wahr?« Deborah war an meine Seite getreten, verschränkte die Arme vor der Brust und nahm sich ebenfalls Zeit, die überwältigende Aussicht zu genießen. »Nichtsdestotrotz muss ich jetzt zum Meeting.« Sie seufzte und drehte sich halb herum, wandte Manhattan ihre Rückansicht zu und umrundete den erhabenen Schreibtisch, bis sie schließlich an einen kleinen Tisch trat, der seitlich platziert war. Zweifellos war auch dieser modern und harmonierte mit der restlichen Einrichtung, dennoch erinnerte er mich an meine Highschool-Zeit. Mit dem Unterschied, dass an meiner Schule sämtliche Tische lädiert gewesen waren. »Hier kannst du deine Wertsachen reingeben.« Sie deutete auf die hüfthohe Kommode, die einem Hotelsafe ähnelte, aber aus edlem Metall war.

»Ist gut«, sagte ich bloß, bevor ich meine Ledertasche auf den Boden stellte. Die Tasche hatte meinem Grandpa gehört, er hatte sie immer getragen, sie aber stets gepflegt, weshalb sie noch ganz gut in Schuss war.

»Es gibt da ein paar Ungereimtheiten in deinem Lebenslauf …«

Sofort polterte es ungehobelt in meiner Brust, und ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Verdammt.

»… lediglich eine Kleinigkeit.« Deborah berührte mich am Oberarm. »Keine Sorge, du verlierst nicht gleich deinen Praktikumsplatz, nur weil die Universität eine falsche Wohnadresse im System gespeichert hat. Alles gut.« Sie lächelte. Aber ihre Worte klangen für mich kein bisschen beruhigend. Obwohl sie das sollten. Sie war nett und gab sich redlich Mühe.

»Okay«, murmelte ich, nahm auf dem Stuhl Platz und bemühte mich, meine nervösen Finger vor Deborah zu verbergen.

»Wirf einen Blick darauf, ob die restlichen Angaben korrekt sind. In diesem Ordner befinden sich die Unternehmensleitsätze und die Antidiskriminierungs-richtlinien, dazu gibt es noch ein kurzes Video auf deinem Computer. Deine Passwörter findest du in diesem Kuvert. Zwei Türen weiter stehen außerdem eine Kaffeemaschine und frisches Obst, du kannst dich jederzeit bedienen«, erklärte sie.

»Wow, vielen Dank.«

Deborah lachte auf. »Es ist nur Kaffee und ein bisschen Obst.« Sie zwinkerte, ehe sie aus dem Büro stolzierte und ich ihr ein bisschen fassungslos mit meinem Blick folgte.

Was auch immer ich erwartet hatte, sie war nett. Obwohl mein Pulsschlag aufgrund der fehlerhaften Bewerbungsunterlagen mit Sicherheit noch immer zu schnell war, keimte so was wie Zuversicht auf. Ich würde das Praktikum überstehen, vielleicht sogar einen guten Eindruck hinterlassen. Ich hatte mit allem gerechnet, sogar einer biestigen Vorgesetzten in biederen Klamotten, aber Deborah war das komplette Gegenteil.

Nachdem ich die Unterlagen kontrolliert und darin tatsächlich den einen Fehler entdeckt hatte, wurde mir erneut mulmig zumute. Warum war mir das passiert? Ich hatte die Dokumente mehrmals geprüft, und doch war mir die falsche Adresse nicht aufgefallen. Ich kritzelte die korrekte Wohnanschrift über das Datenblatt und unterzeichnete das Formular mit meinem Namen. Als ich die Unterlagen zurück in die Folie schob, hoffte ich, dass sich Deborahs Worte bewahrheiteten und es sich lediglich um eine bürokratische Kleinigkeit handelte, die zu keinem Problem führen würde.

Darauf öffnete ich das Kuvert und schaltete den Computer an. Es war … großartig. Hier zu sitzen, auf diesem unglaublich bequemen Stuhl, und, so banal das klang, auf die vier Ziffern zu starren, meinen ganz persönlichen Code bei Avenue Publisher in den Händen zu halten. Zum ersten Mal seit Langem empfand ich Optimismus. Vor mir tat sich die Möglichkeit auf, nicht mein ganzes Leben lang eine Verliererin zu bleiben. Wenn ich nur hart genug an mir arbeitete, konnte ich Grandma und mir ein besseres Zuhause bieten.

Ich grinste, weil immer wieder Leute vor dem Glas vorbeimarschierten. Es war durchaus ein ungewohntes Gefühl, beobachtet zu werden. Aber kaum einer nahm Notiz von mir, manchmal nickte jemand im Vorbeigehen grüßend in meine Richtung oder hob die Hand, weshalb sich diese innere Unruhe schnell legte. Bestimmt würde ich mich daran gewöhnen.

Ich blätterte eine Weile in den Unternehmensrichtlinien und las diese aufmerksam. Gerade als ich nach einem Stift greifen wollte, schaute ich auf und erstarrte. Adrenalin schoss durch meine Venen, ich vergaß zu atmen, und bestimmt setzte mein Herz einige Schläge aus.

Oh Gott! Verdammt. Es gab keinen Zweifel, er war es. Ich würde diesen Mann unter Tausenden sofort wiedererkennen. Das volle dunkle Haar, diese einnehmend geheimnisvolle Aura, sein Gang, seine breiten Schultern …

Augenblicklich war ich unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Fest stand jedoch, dass ich ihm unmöglich über den Weg laufen konnte. Weshalb ich mich bückte, seitlich unter den Tisch rollte, wobei der Stuhl geräuschvoll nach hinten rutschte. Mit viel Fantasie hätte das wohl so ausgesehen wie in einem Hollywoodfilm, aber mein Leben war weder eine Komödie noch eine Romanze. Es zeigte sich einmal mehr, dass sich eine Katastrophe an die nächste reihte.

Bei meiner Aktion hatte ich nicht bedacht, dass mir jeder zusehen konnte. Wirklich jeder, was die Sache in kein besseres Licht rückte.

Es war leichtsinnig gewesen, einen Fremden zu küssen, und das für eine lächerliche Flasche Gin, die wir innerhalb einer Stunde ausgetrunken hatten.

Mein Puls beruhigte sich, als die zwei Männer an mir vorbeigezogen waren und ich auf ihre durchaus verlockende Rückansicht starrte. Ich atmete erleichtert auf, doch dann wandte sich der Mann, den ich nicht geküsst hatte, um und sah mir direkt in die Augen. Weshalb waren diese gottverdammten Wände aus Glas? Warum? Wer kam auf eine derart bescheuerte Idee? Ich hoffte inständig, dass sich sein Kollege nicht zu mir umdrehen würde, und schickte Stoßgebete in den Himmel.

Glücklicherweise nahm der Mann den Blick von mir und klopfte seiner Begleitung auf die Schulter, woraufhin ich die angestaute Luft ausatmete und unter meinem Versteck hervorkroch. Ich richtete mich gerade auf, stopfte den Saum meiner Bluse zurück in die Jeans und streifte meine Ärmel zurecht, als ich ein sehr männliches Räuspern vernahm und mein Herz drohte, aus der Brust zu springen.

»Dein erster Tag?«, fragte der Mann, dem ich wenige Sekunden zuvor noch in die Augen gesehen hatte.

Statt zu antworten, ihm eine schlagfertige Erklärung zu bieten, weshalb ich kauernd unter dem Schreibtisch saß, anstatt zu arbeiten, starrte ich ihn einfach nur an.

»Ich bin Constantin, CMO von Avenue Publisher.«

»Der was?«, platzte es aus mir heraus. Ich musste dringend an meiner Kommunikation arbeiten.

Er schmunzelte. »Chief Marketing Officer.«

Ich überlegte, ob ich den Ausdruck jemals gehört hatte, aber … an unserer Highschool hatte ich gelernt, wie ich von einem zum nächsten Tag überlebte, und nicht, welche Bezeichnungen in der Branche von Bedeutung waren. »Das ergibt Sinn.«

Er lachte auf und rieb sich über das Kinn. An seiner Nase glänzte ein Piercing, und seine rechte Augenbraue wies einen kahlen Streifen auf. Er sah ein bisschen aus wie einer dieser gut aussehenden Kerle, die bei TikTok ihre Videos hochluden.

»Genau, erster Tag, und ich bin Lia«, sagte ich nun, um ihn nicht noch länger schweigend anzustarren.

Er grinste und hob eine Augenbraue. »Also, Lia, wenn du Interesse am Marketing hast, lass es mich wissen, dann kannst du gerne für ein paar Tage in meiner Abteilung arbeiten.«

»Ich … äh, fühl mich bei Deborah sehr wohl.«

»Wenn du es dir anders überlegst, lass es mich wissen.« Er zwinkerte mir zu, aber nicht auf eine anrüchige Art und Weise. »Und …«, er hatte schon auf dem Absatz kehrtgemacht, als er sich noch einmal zu mir drehte, »… mein Bruder ist zwar der Boss und kann manchmal herausfordernd sein«, er schnitt eine Grimasse, »… aber das ist noch lange kein Grund, sich vor ihm zu verstecken. So übel ist er nicht.«

Boss.

Bruder.

Langsam sickerte die Erkenntnis bei mir ein.

Verdammt! ICH HATTE MEINEN BOSS GEKÜSST.

Keine Ahnung, wie lange ich bewegungslos stehen blieb, Constantin nachsah und ins Leere starrte. Meine Karriere bei Avenue Publisher konnte ich wohl vergessen.

Kapitel 3

Niklas

»Gibt es einen Grund, weshalb du dich so kleinkariert verhältst?«, fragte ich, an meinen Bruder gewandt, der mich in letzter Zeit rasend machte.

»Wovon sprichst du?«

Er wusste genau, wovon ich sprach. Er schmetterte grundsätzlich all meine Zukunftspläne ab. Nach Dads Tod hatte ich gedacht, wir würden gemeinsam Schwung in das Unternehmen bringen, doch er hielt weiterhin an den verstaubten Glaubenssätzen unseres Dads fest.

»Us Books.«

Constantin verdrehte die Augen. »Jetzt fängst du schon wieder damit an«, sagte er genervt. »Was willst du damit bezwecken, der Mist kostet nur Geld!«

Meine Kiefer mahlten, aber ich bewahrte Ruhe und legte das Tablet so ruhig, wie es mir in diesem Moment möglich war, zurück auf den Tisch. »Ich spreche hier von einer Investition in die Zukunft. Belletristik, die einen Platz in den Regalen verdient hat.«

»Du nervst«, erwiderte er gelangweilt und blickte auf sein Smartphone, was mich auf die Palme brachte. Er sollte derjenige sein, der mich mit außergewöhnlichen und provokanten Werbemaßnahmen überhäufte. Ich war nicht dafür zuständig. Doch stattdessen verfolgte er das Konzept unseres Dads, was zugegebenermaßen funktionierte, aber mich nicht vollends befriedigte. Ich wollte mehr. Mehr Aufmerksamkeit, mehr unserer Bücher auf den Bestsellerlisten sehen und mehr für Menschen tun, die es im alltäglichen Leben nicht immer leicht hatten. Seit Wochen ließ mich der Gedanke nicht los. Ein Verlag mit dem Fokus auf LGBTQIA+. Und ich hatte ehrlich keine Ahnung, weshalb sich mein Bruder dagegen sträubte.

Er sah mich einen langen Moment an und kniff die Augen zusammen. »Eine Sache aus wirtschaftlicher Sicht zu betrachten, macht mich nicht zu einem homophoben Mann, und das weißt du. Damit erreichen wir niemals die breite Masse, und deshalb lehne ich deine Idee ab.«

Sein Argument war für mich nicht überzeugend. Die Geschichten hatten es verdient, an die Leserschaft zu gelangen, um Vorurteile und Ängste aus dem Weg zu räumen. Ich hatte diese Vision, ich sah all die Bücher inmitten der heteronormativen Welt. Der Inhalt zählte, die Unterhaltung und die Message. »Es ist unfassbar, wie starrsinnig du bist. Du hörst dir meine Vorschläge noch nicht mal an.«

»Gott, Niklas, vergiss es. Das alles führt zu nichts. Unser Fokus liegt auf Belletristik. Krimis, Psychothriller und Liebesromane, das können wir, und das erwarten unsere Leser und Autoren.« Er schnaubte und schüttelte den Kopf. »Lass es doch endlich gut sein.«

Die Tür stand weit offen. Sollte das hier gleich in einen Streit ausarten, wollte ich unter keinen Umständen, dass unsere Mitarbeiter jedes Wort davon hörten. Langsam glaubte ich selbst, dass die Glaswände nicht zu meinen grandiosesten Innovationen gehörten. Deshalb packte ich mein Tablet, steckte es in meine Tasche und erhob mich. »Lass uns ein anderes Mal darüber sprechen, die Zahlen sind gut, selbst wenn es …«

»Nein.« Constantin schnappte sich eine Birne aus der Obstschüssel, die auf dem lang gezogenen Tisch stand, und biss hinein. »Mit dem Thema sind wir durch«, beharrte er mit vollem Mund.

Nachdem ich an ihm vorbeigetreten war, blieb ich stehen und sah in seine Augen, die Dads glichen. »Du weißt, dass ich das über deinen Kopf hinweg entscheiden kann, wenn ich es darauf anlege.«

»Arschloch«, spie er mir entgegen.

»Was ich nicht tun will, aber wenn du dich überhaupt nicht kompromissbereit zeigst, werde ich nicht davor zurückschrecken«, beharrte ich, bevor ich ihn mit wenigen Schritten im Besprechungsraum zurückließ.

Seit Tagen zerbrach ich mir den Kopf über unsere zukünftige Zusammenarbeit. Unsere Vorstellungen drifteten weit auseinander, und auch privat hatten wir seit Monaten nichts zusammen unternommen. Manchmal hatte ich das Gefühl, meinen Bruder nicht richtig zu kennen. Das war einmal anders gewesen. Als wir Kinder waren, hatten wir sogar im selben Zimmer übernachtet. Weil Constantin die Dunkelheit gehasst hatte, hatten unsere Eltern irgendwann sein Bett in mein Zimmer geschoben. Wir waren unzertrennlich gewesen.

Bevor ich in mein Büro zurückkehrte, ging ich in den Aufenthaltsraum, um mir eine Tasse Kaffee zu holen. Wie so oft, wenn ich ihn betrat, wurde es für einen Moment still, weil sich meine Mitarbeitenden offensichtlich immer noch nicht an die Tatsache gewöhnt hatten, dass auch ich mir den Kaffee hier holte. Dads alte Espressomaschine befand sich zwar in meinem Büro, aber ich bevorzugte es, meinen Kaffee in Gesellschaft zu trinken.

Als ich in die Fußstapfen meines Dads getreten war, hatte für mich festgestanden, dass ich nicht der distanzierte Boss sein wollte, den man nur zu Gesicht bekam, wenn die Kacke gehörig am Dampfen war. Der Austausch mit meinen Kollegen lag mir am Herzen. Selbstverständlich zählten die Leistungen, aber es interessierte mich, welches Leben sie abseits ihres Jobs führten. Sie waren für mich keine austauschbaren Nummern.

»Mahlzeit«, sagte ich in die Runde und stellte einen Becher unter die Kaffeemaschine.

»Mahlzeit, Niklas«, erwiderte Lyn, senkte den Blick sogleich und starrte auf ihren Reader. Sie war eine meiner engagiertesten Mitarbeiterinnen, behielt den europäischen Markt im Auge und arbeitete ständig. Ich war mir sicher, sie tat das jetzt auch. Das Buch, das sie las, war bestimmt eines, das sie in der nächsten Besprechung für eine Übersetzung vorschlagen würde.

»Eine Pause würde dir guttun.«

Sie schmunzelte, hielt den Blick aber weiterhin auf den Text gerichtet. »Mach ich doch.«

Ich gab zwei Löffel Zucker in den Kaffee und etwas Milch hinzu. »Eine Pause bedeutet, auch mal nichts zu tun.«

»Mein Nichtstun hat nun ein Ende, ich muss wieder los«, erklärte Finn, der für Constantin arbeitete.

»Sehen wir uns nach der Arbeit auf einen Drink?«, fragte er an Lyn gewandt, doch die schüttelte den Kopf und murmelte ein »keine Zeit«, ohne auch nur eine Sekunde zu Finn aufzusehen.

Finn wirkte für einen kurzen Augenblick enttäuscht, zuckte dann aber mit den Schultern, ehe er sich eine Banane vom Tisch schnappte und verschwand. Genau so verhielt es sich, wenn ich als Boss einen Raum betrat und die Mitarbeiter nicht bleiben mussten. Sie verschwanden nach und nach.

Ich seufzte leise und wollte mich soeben zurückziehen, da bemerkte ich eine Frau, die ich keiner Abteilung zuzuordnen wusste. Sie hatte sich einen Sitzsack geschnappt, saß am Fenster und sah auf die Skyline. Sonnenstrahlen fielen auf ihr rotes Haar, es glänzte und erinnerte an einen warmen Herbsttag, wenn die Blätter von den Bäumen segelten und die schönsten Farbtöne zutage brachten.