Charlotte Kerners Jugendromane in der Sekundarstufe I und II - Günter Lange - E-Book

Charlotte Kerners Jugendromane in der Sekundarstufe I und II E-Book

Günter Lange

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Beschreibung

Die beiden Jugendromane Geboren 1999 und Blueprint Blaupause gehören zu dem Besten, was Charlotte Kerner geschrieben hat. Sie stehen im Mittelpunkt dieses Buches, weil sie einen interessanten, abwechslungsreichen und ungewöhnlichen Literaturunterricht garantieren. Beide Romane beschäftigen sich mit den Fragen der Fortpflanzungsmedizin und der Gentechnik und spielen am literarischen Modell durch, welche Auswirkungen Genmanipulationen auf das Individuum haben können. Texte dieser Art rechnet die Literaturwissenschaft zur Sciencefiction-Literatur. Bei beiden Romanen handelt es sich um jugendliterarische Adoleszenzromane. Das macht sie für den Literaturunterricht in den Klassen9-12 besonders interessant, denn es geht in ihnen um die Probleme des Erwachsenwerdens, in denen die Schülerinnen und Schüler selbst noch befangen sind. Hier stehen folglich ihre ureigensten Probleme zur Debatte. Außerdem handelt es sich um Texte, in denen die Autorin die modernen Formendes Erzählens, wie sie für die herausgehobene Erwachsenenliteratur der Gegenwartcharakteristisch sind, anwendet. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen hier also anhand von Jugendliteratur Einblicke in die modernen Erzählformen. Ein Glücksfall ist es, dass beide Jugendromane in jüngster Zeit verfilmt worden sind, so dass neben den Romantexten auch die filmischen Adaptionen in den Unterrichteinbezogen werden können. Dadurch können an diesen beiden Beispielen exemplarisch die Grundfragen der Literaturverfilmung behandelt werden. Der Jugendroman Blueprint erlebte im Sommer 2005 als Theaterstück mit dem Untertitel Duett für einen Zwilling am Theater Krefeld /Mönchengladbach seine Uraufführung. Diese Tatsache ermöglicht den ungewöhnlichen Vergleich: Roman - Verfilmung - Bühnenstück. Dieses Buch liefert differenzierte Analysen beider Romane, entwickelt praxisbezogene didaktisch-methodische Vorschläge, gibt Anregungen zu einem abwechslungsreichen Unterricht mit vielfältigen handlungs- und produktionsorientierten Aufgaben. Für den Lehrenden enthält es zudem grundlegende Einführungen in den jugendliterarischen Adoleszenzroman, die Sciencefiction-Literatur und in die Literaturverfilmung.

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Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht

Hrsg. von Günter Lange

Band 2

Charlotte Kerners

Jugendromane in der

Sekundarstufe I und II

Von

Günter Lange

Umschlagfoto: Autorenporträt Charlotte Kerner© Beltz Verlaggruppe

Gedruckt auf umweltfreundlichem Papier (chlor- und säurefrei hergestellt).

Leider ist es uns nicht gelungen, die Rechteinhaber aller Texte und Abbildungen zu ermitteln bzw. mit ihnen in Kontakt zu kommen.Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ›http://dnb.ddb.de› abrufbar.

ISBN 3-8340-0037-X

ISBN E-Book 978-3-8340-3012-2 (2012)

Schneider Verlag Hohengehren, Wilhelmstr. 13, D-73666 BaltmannsweilerHomepage: www.paedagogik.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Unterrichtszwecke!

© Schneider Verlag Hohengehren, 73666 Baltmannsweiler 2006 Printed in Germany – Druck: Hofmann, Schorndorf

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1

Charlotte Kerner und ihr jugendliterarisches Werk

1.1

Biographie

1.2

Jugendliterarische Werke

1.2.1

Die Biographien von Frauen

1.2.2

Die fiktionalen Jugendbücher

1.2.3

Die Jugendbücher von Charlotte Kerner in der Kritik

2

Literaturwissenschaftliche Grundlagen für die Analyse der beiden Jugendromane von Charlotte Kerner

2.1

Der jugendliterarische Adoleszenzroman

2.2

Sciencefiction (Sf) als literarische Gattung

2.3

Literatur und ihre Verfilmungen

3

Das Jugendbuch Geboren 1999 (9.–11. Schuljahr)

3.1

Sachanalyse

3.2

Didaktisch-methodischer Kommentar zum Umgang mit Geboren 1999 im Unterricht

3.3

Lernziele

3.4

Zur Verfilmung des Jugendbuchs

3.4.1

Probleme der Verfilmbarkeit

3.4.2

Analyse der Verfilmung

3.4.3

Die Literaturverfilmung im Unterricht: didaktisch-methodische Überlegungen

3.5

Materialien

4

Das Jugendbuch Blueprint Blaupause (10.–12. Schuljahr)

4.1

Sachanalyse

4.2

Didaktisch-methodischer Kommentar zum Umgang mit Blueprint im Unterricht

4.3

Lernziele

4.4

Zur Literaturverfilmung

4.4.1

Probleme der Verfilmbarkeit

4.4.2

Analyse der Verfilmung und didaktisch-methodische Überlegungen

4.5

Blueprint als Theaterstück: Duett für einen Zwilling

4.6

Materialien

Literaturverzeichnis

Vorwort

Charlotte Kerners Jugendromane in die Reihe Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht aufzunehmen, versteht sich bei der B edeutung dieser Autorin nahezu von selbst. Ihr Werk gliedert sich bei einem genaueren Überblick in zwei Teile:

Auf der einen Seite stehen die zahlreichen biographischen Jugendbücher, die sich mit bedeutenden Frauengestalten der Geschichte beschäftigen und die den Leistungen dieser Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft die ihnen gebührende Anerkennung widerfahren lassen wollen. Diese Texte machen deutlich, welchen Schwierigkeiten und Vorurteilen diese Frauen ausgesetzt waren und z. T. auch heute noch sind und wie schwer es ihnen gefallen ist, für ihre bedeutenden wissenschaftlichen Leistungen die nötige Anerkennung zu finden. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit soll das belegen: Die Atomphysikerin Lise Meitner, eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen von Otto Hahn, fand in seiner Nobelpreisrede und in seiner Autobiographie kaum eine Erwähnung, obwohl sie es war, die für die Hahn’sche Kernspaltung die nötigen mathematischen Begründungen lieferte (Kerner 1986, S. 121-122 und 131-132).

Auf der anderen Seite stehen die beiden jugendliterarischen Adoleszenzromane von Charlotte Kerner, die in diesem Buch im Mittelpunkt stehen, da sie einen interessanten und abwechslungsreichen Unterricht garantieren, der die Schülerinnen und Schüler unmittelbar ansprechen wird:

Beide Romane beschäftigen sich mit Fragen der Fortpflanzungsmedizin und Gentechnik und spielen am literarischen Modell durch, welche Auswirkungen Genmanipulationen auf das Individuum haben können. Das Ziel von Charlotte Kerners Romanen ist es, die Leserinnen und Leser auf die Konsequenzen wissenschaftlichen Forschens ohne ethische Grenzen aufmerksam zu machen, sie wach zu rütteln und zur Diskussion herauszufordern. Texte dieser Art gehören gattungstheoretisch zur „Sciencefiction“-Literatur.

Dass es sich bei diesen beiden Jugendromanen zudem um Adoleszenzromane handelt, macht sie für den Deutschunterricht in den Klassen 9-12 besonders interessant, denn es geht in ihnen um die Probleme des Erwachsenwerdens, in denen die Schülerinnen und Schüler dieses Alters selbst noch befangen sind. Hier stehen folglich ihre ureigensten Fragen zur Debatte; ihre persönliche Betroffenheit könnte daher nicht größer sein.

Außerdem handelt es sich bei beiden Jugendromanen um Texte, in denen die Autorin die modernen Formen literarischen Erzählens, wie sie für die Gegenwartsliteratur allgemein charakteristisch sind, anwendet. Die Jugendromane von Charlotte Kerner gehören insofern zu der Literatur, die die Grenzen zur Erwachsenenliteratur überschreiten; in der Forschung spricht man daher von „All-Age-“ oder „Cross-Over-Literatur“. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen hier also anhand von Jugendliteratur Einblicke in die modernen Formen des Erzählens, die nach Meinung vieler Deutschlehrer nur in der schulischen Kanonliteratur möglich sind.

Was diese beiden Texte weiterhin für den Literaturunterricht so interessant macht, ist die Tatsache, dass beide Romane in jüngster Zeit verfilmt worden sind, so dass neben den Romantexten auch die filmischen Adaptionen in den Unterricht einbezogen werden können. Dadurch können an diesen beiden Beispielen Grundfragen der Literaturverfilmung behandelt werden, die im normalen Literaturunterricht und in der Lehrerausbildung – wenn sie überhaupt angesprochen werden – höchstens Randphänomene bleiben. Hier dagegen werden sie in den Vordergrund gerückt.

Ein weiterer besonderer Aspekt ist schließlich darin zu sehen, dass im Sommer 2005 die Uraufführung des Theaterstücks Blueprint stattgefunden hat, so dass in den Unterrichtsmaterialien mehrere Szenen des Duetts für einen Zwilling abgedruckt werden konnten. Diese Tatsache ermöglicht den ungewöhnlichen Vergleich: Roman – Verfilmung – Bühnenstück.

Diese kurzen Ausführungen machen deutlich, warum die beiden jugendliterarischen Romane von Charlotte Kerner als Unterrichtsgegenstand ausgewählt worden sind. Ihre Themen und Inhalte sowie ihre literarischen und medialen Aspekte: Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin, Fragen und Probleme des Erwachsenwerdens, moderne Formen des literarischen Erzählens, das Verhältnis von literarischen Texten zu ihren Verfilmungen sowie die Umgestaltung eines Jugendromans in ein Theaterstück bieten die Chance für einen ungewöhnlichen Literaturunterricht.

1 Charlotte Kerner und ihr jugendliterarisches Werk

1.1 Biographie

Charlotte Kerner wurde am 12.11.1950 in Speyer geboren; dort verlebte sie auch ihre Kindheit und Jugend. Während der Schulzeit schrieb sie zwar kleinere Beiträge für eine Schülerzeitung, aber ihr Berufswunsch ging nie dahin, Schriftstellerin zu werden, vielmehr studierte sie nach dem Abitur Soziologie und Volkswirtschaft in Mannheim. Die Arbeit in einem stadtsoziologischen Forschungsprojekt befriedigte sie nicht, deswegen entschloss sie sich 1976 zu einem Studienaufenthalt in Kanada und 1978 in China. Diese Auslandsaufenthalte brachten hinsichtlich der beruflichen Perspektive eine Wende: Charlotte Kerner schrieb ihr erstes Buch über ihre Erfahrungen in China und die gesellschaftliche Stellung der chinesischen Mädchen und Frauen. 1979 errang sie den ersten Preis im Wettbewerb „Reporter der Wissenschaft“ mit einer Reportage über eine Selbsthilfegruppe krebskranker Frauen. Durch diese Reportage ergaben sich Verbindungen zur Stiftung „Jugend forscht“, für die sie von 1980-1983 als Pressereferentin tätig war. 1984 hospitierte sie als Stipendiatin der Robert-Bosch-Stiftung bei der Deutschen Presseagentur (dpa) und im Wissenschaftsressort der Wochenzeitung DIE ZEIT. In dieser Zeit entstand ihr Buch Kinderkriegen. Ein Nachdenkbuch, für das sie zahlreiche Mädchen und Frauen zwischen 15 und 45 nach ihrer Einstellung zu diesem Thema befragte und in dem sie auch selbst Stellung bezog. Das Buch erschien 1984 in Verlag Beltz & Gelberg, der seitdem Charlotte Kerners „Hausverlag“ ist.

Seit 1984 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und schreibt Artikel für die Zeitschriften Geo-Wissen und Natur sowie die Wochenzeitungen DIE ZEIT, Die Woche und Emma. Zeitschrift von Frauen für Frauen. Ihr Interesse für naturwissenschaftliche und medizinische Themen spiegelt sich in ihren Artikeln, aber auch in ihren Jugendbüchern wider.

Charlotte Kerner lebt heute mit ihrer Familie in Lübeck. Als sich herausstellte, dass sie und ihr Mann keine Kinder bekommen konnten, entschlossen sie sich 1989, ein Kind aus Sri Lanka zu adoptieren. Die Hintergründe dieser Adoption schildert die Autorin in der Taschenbuchausgabe von Kinderkriegen. Ein Nachdenkbuch (1995, S. 145–149).

1.2 Jugendliterarische Werke

1.2.1 Die Biographien von Frauen

Als Charlotte Kerner von ihrem Verleger Hans-Joachim Gelberg gefragt wurde, ob sie nicht auch ein Jugendbuch für die neue Reihe jugendliterarischer Biographien bei Beltz & Gelberg schreiben wolle, fiel ihre Wahl spontan auf die Atomphysikerin Lise Meitner, die Kollegin von Otto Hahn und Mitentdeckerin der Kernspaltung. Zwei bis drei Jahre arbeitet Charlotte Kerner – nach eigenen Aussagen – an einer derartigen Biographie, da ihr gründliche Recherchen vorausgehen müssen. 1986 erschien Lise, Atompysikerin. Die Lebensgeschichte der Lise Meitner; 1987 wurde sie für diese Biographie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Buch und Preis bildeten für Charlotte Kerner den Anstoß, sich auch weiterhin mit der Lebensgeschichte bedeutender Frauen zu beschäftigen. So entstand die Biographie Seidenraupe. Dschungelblüte (1988) über Maria Sibylla Merian, die Tochter des berühmten Kartographen Matthäus Merian, die von 1647–1717 lebte und die bekannt wurde durch ihre naturwissenschaftlichen Beobachtungen von Pflanzen und Schmetterlingen und deren Kupferstich-Darstellungen. In ihrer dritten Biographie widmete sich Charlotte Kerner der Äbtissin, Heilkundigen, Komponistin und Dichterin Hildegard von Bingen (1098–1179). Charlotte Kerner gab dieser Biographie den Titel Alle Schönheit des Himmels. Die Lebensgeschichte der Hildegard von Bingen (1993).

Die drei genannten Biographien werden ergänzt durch die beiden Sammelbände mit biographischen Porträts von den 27 Frauen, die im Verlaufe von ca. 100 Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden: Nicht nur Madame Curie … (1990) und Madame Curie und ihre Schwestern (1997). Verfasst wurden die Porträts fast ausschließlich von Frauen, von Wissenschaftlerinnen und Publizistinnen.

2002 erschien die umfangreiche Biographie Die Nonkonformistin. Die Lebensgeschichte der Architektin und Designerin Eileen Gray. Die 1878 in Irland geborene Tochter aus der gehobenen Bürgerschicht ist eine von den wenigen Frauen, die sich in der von Männern beherrschten Domäne der modernen Architektur und des Möbeldesigns durchsetzen konnte und eine eigenständige und allgemein anerkannte Position erwarb. Nach einem Kunststudium in London eröffnete sie eine Galerie in Paris, wo sie als Innenarchitektin ihre ersten Erfolge feierte. Sie entwickelte und erbaute das berühmte Haus „E. 1027“, das als Inbegriff der Moderne allenthalben Anerkennung fand, und entwickelte in den 1920er Jahren ihre berühmten Stahlrohrmöbel. Eileen Gray starb 1976 in Paris. Charlotte Kerner urteilt, dass Eileen Gray als Künstlerin und als Frau stets eine Nonkonformistin blieb: „Um Neues zu schaffen, muss man alles in Frage stellen“ (Kerner 2002, S. 242).

Im Jahre 2004 folgte der Band Sternenflug und Sonnenfeuer. Drei Astronominnen und ihre Lebensgeschichten. Dieser Band steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2005. Herausgegeben wurde er von Charlotte Kerner, die in Zusammenarbeit mit Claudia Eberhard-Metzger und Renate Ries drei berühmte Astronominnen porträtiert: Maria Cunitz (1604–1664), Caroline Herschel (1750–1848) und Maria Mitchell (1818–1889). Charlotte Kerner knüpft mit diesem Buch an ihre bisherigen Biographien berühmter Frauen an, deren Ziel es ist, die Forschungsleistungen von Frauen in der von Männern dominierten Welt der Wissenschaften herauszustellen.

1.2.2 Die fiktionalen Jugendbücher

Einen besonderen, wenn nicht gar den bedeutendsten Teil von Charlotte Kerners Jugendliteratur bilden ihre fiktionalen Jugendbücher, die beide Zukunftsgeschichten sind und in denen sich die Verfasserin mit Problemen der Fortpflanzungsmedizin auseinander setzt. 1989 publizierte sie Geboren 1999 – einen Jugendroman, in dem es um das IVF-Verfahren und das Austragen eines Embryos in einem künstlichen Uterus geht, 1999 erschien Blueprint Blaupause – ein Jugendroman, in dem das Klonen von Menschen thematisiert wird. In ihrem „Nachwort der Autorin“ zu diesem Buch schreibt Charlotte Kerner:

Blueprint spielt, wie schon mein erster Roman Geboren 1999, in der „schönen neuen Welt“ der Fortpflanzungsmedizin. Beide Bücher erzählen, was die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse für einen einzelnen Menschen bedeuten kann, was dieser „Fortschritt“ mit und in jemandem anrichtet. (Kerner 1999, S. 179)

Beide Jugendromane sind nicht nur wegen ihrer Thematik ungewöhnlich, sondern sie ragen vor allem auch wegen ihrer Literarizität aus der Jugendliteratur der Gegenwart heraus. Charlotte Kerner benutzt in ihnen verschiedene moderne Erzählverfahren, die selbst in der gegenwärtigen Erwachsenenliteratur nur in wenigen Werken Anwendung finden und die daher diese Texte zur anspruchsvollen Jugendliteratur machen. Eine Bestätigung findet diese Feststellung darin, dass Geboren 1999 im Jahr 1990 auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis stand und Blueprint. Blaupause im Jahr 2000 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt.

Auf diese beiden Jugendromane wird im Rahmen der Unterrichtsmodelle dezidiert eingegangen.

1.2.3 Die Jugendbücher von Charlotte Kerner in der Kritik

Charlotte Kerner ist für ihre Jugendbücher vielfach geehrt worden. Gleich für ihr erstes Buch Kinderkriegen. Ein Nachdenkbuch erhielt sie 1985 „Die silberne Feder“, einen Literaturpreis des Deutschen Ärztinnenbundes. Mehrere ihrer Jugendbücher standen auf der Auswahlliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis: Seidenraupe, Dschungelblüte. Die Lebensgeschichte der Maria Sibylla Merian 1989, Geboren 1999. Eine Zukunfsgeschichte 1990, Nicht nur Madame Curie … Frauen, die den Nobelpreis bekamen 1991, Madame Curie und ihre Schwestern. Frauen, die den Nobelpreis bekamen 1998 und Sternenflug und Sonnenfeuer 2005. Zweimal bekam Charlotte Kerner bisher den Deutschen Jugendliteraturpreis verliehen, und zwar für Lise, Atomphysikerin. Die Lebensgeschichte der Lise Meitner 1987 und im Jahr 2000 für Blueprint Blaupause.

1997 wurde sie für ihre engagierten Frauenbiographien mit dem „GEDOK-Literaturpreis“ ausgezeichnet. GEDOK ist der Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfreunde, der sich die Förderung der literarischen Leistungen von Frauen zum Ziel gesetzt hat.

Zum jugendliterarischen Werk Charlotte Kerners gibt es bisher erst wenige Untersuchungen. In der Hauptsache liegen Zeitungsrezensionen vor, die durchweg die thematische wie literarische Qualität ihrer Bücher loben. Die Laudatio von Therese Chromik zur Verleihung des GEDOK-Preises setzt sich vor allem mit den Biographien Charlotte Kerners auseinander, untersucht ihre Bedeutung und hebt ihre literarische Qualität hervor. Das Fazit der Laudatorin: „Jedes ihrer Bücher ist eine Lesereise in eine neue Welt.“ (Chromik 1997, S. 16)

Die umfangreichsten Untersuchungen zu den beiden fiktionalen Jugendbüchern Charlotte Kerners liegen von mir selbst vor (Lange 1999, 2000, 2001); sie bilden die Grundlage für diese Publikation.

Klaus Maiwald entwickelt in seiner Dissertation Literarisierung als Aneignung von Alterität: Theorie und Praxis einer literaturdidaktischen Konzeption zur Leseföderderung im Sekundarbereich (1999) einen Unterrichtsvorschlag zu Geboren 1999, und zwar im Sinne seines Alteritätskonzepts als Vergleich von Charlotte Kerners Jugendbuch mit Aldous Huxleys Roman Schöne neue Welt.

Beide Texte sind Zukunftsvisionen, in denen die gentechnische Manipulierbarkeit menschlicher Fortpflanzung von zentraler Bedeutung ist.

Beide Hauptfiguren sind Außenseiter auf der Suche nach Selbsterkenntnis und Selbstgestaltung in einer Welt, in der Identität kein unveräußerliches Recht mehr ist. In beiden Romanen gibt es eine antithetische Raumstruktur, in der archaische Natur in einen Gegensatz zur zivilisierten Welt tritt. (Maiwald 1999, S. 193)

Maiwald hebt hervor, dass das Jugendbuch auch für den erwachsenen Leser „spannend zu lesen, erzähltechnisch interessant, thematisch aufschlußreich“ sei (Maiwald 1999, S. 194), allerdings setze die Lektüre eine gewisse literarische Kompetenz voraus.

Die beiden fiktionalen Jugendbücher Charlotte Kerners können für den Literaturunterricht in der Sekundarstufe I (Klasse 9–12) unbedingt empfohlen werden, da sie auf Grund ihrer Thematik und ihrer literarischen Qualität einen aktuellen, interessanten und anspruchsvollen Literaturunterricht garantieren.

2 Literaturwissenschaftliche Grundlagen für die Analyse der beiden Jugendromane von Charlotte Kerner

Für eine genaue Analyse der beiden Jugendromane von Charlotte Kerner müssen zuerst die Gattungsfragen geklärt werden: Es handelt sich bei beiden um Adoleszenzromane, denn in ihnen sind die Protagonisten zwei junge Menschen, die auf der Suche nach der eigenen Identität sind. Beide Romane spielen aber in der Zukunft, sie sind also auch Sciencefiction-Romane. Außerdem sind beide Romane inzwischen verfilmt worden, so dass bei den unterrichtlichen Überlegungen auch der Aspekt der Literaturverfilmung eine wichtige Rolle spielen wird. Blueprint erlebte am 17. Juni 2005 im Theater Krefeld seine Premiere als Theaterstück. Tatjana Rese, Autorin und Regisseurin, hat den Jugendroman von Charlotte Kerner unter dem Titel Blueprint. Duett für einen Zwilling als ein Monologstück für die Bühne eingerichtet. Auch diese Theaterfassung wird in das entsprechende Unterrichtsmodell einbezogen.

Um die literaturwissenschaftlichen Grundlagen für die Behandlung der beiden Jugendromane im Unterricht zu legen, werden im Folgenden der Adoleszenzroman und die Sciencefiction-Literatur als Gattungen kurz vorgestellt. Da der sachgerechte Umgang mit Literaturverfilmungen im Unterricht kaum praktiziert wird, erfolgt danach eine kurze Einführung über den Umgang mit Literaturverfilmungen im Unterricht.

2.1 Der jugendliterarische Adoleszenzroman

„Adoleszenzroman“ ist ein relativ neuer Gattungsbegriff, der erst seit Ende der 1980er Jahre in den Forschungen zur Kinder- und Jugendliteratur Verwendung findet und der sich erst Anfang der 1990er Jahre durchgesetzt hat. Deswegen ist dieser Begriff weder in den jüngsten Auflagen des „Wilpert“ noch des Metzler Literaturlexikons (Schweikle / Schweikle 1990) zu finden. Auch in den 1996 erschienenen Grundzügen der Literaturwissenschaft von Arnold / Detering oder dem im selben Jahr von Ulfert Ricklefs herausgegebenen dreibändigen Fischer Lexikon Literatur sucht man diesen Gattungsbegriff vergeblich. Der Begriff „Adoleszenzroman“ ist in Anlehnung an die angloamerikanische „adolescent novel“ gebildet worden und findet gegenwärtig hauptsächlich Anwendung auf Romane des 20. Jahrhunderts, die sich mit dem Thema des Erwachsenwerdens beschäftigen (Ewers 1989, 1991). Allerdings gibt es das Phänomen des Adoleszenzromans literaturhistorisch gesehen schon früher; in der fachwissenschaftlichen Diskussion wird diesbezüglich meist auf Die Leiden des jungen Werthers von Johann Wolfgang von Goethe (1774) und den Anton Reiser von Karl Philipp Moritz (1785–1790) als seine frühesten und zugleich klassischen Ausprägungen verwiesen (Ewers 1991/1992). Die Forschungen zum Adoleszenzroman sind Anfang der 1990er Jahre vor allem vom Frankfurter Institut für Jugendbuchforschung unter Hans-Heino Ewers angeregt worden.

Eine Auseinandersetzung mit dem Adoleszenzroman macht es erforderlich, eine Abgrenzung gegenüber benachbarten Gattungen vorzunehmen, um ihm so einen adäquaten Platz im Gefüge der literarischen Gattungen zuzuweisen.

Als unmittelbare „Nachbarn“ können der Bildungsroman, der Erziehungsroman, der Entwicklungsroman sowie die jugendliterarischen Gattungen der problemorientierten Jugendliteratur, der Jeansliteratur und der emanzipatorischen Mädchenliteratur gelten.

Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsroman zum Adoleszenzroman könnte auf den ersten Blick im erwachsenen bzw. jugendlichen Adressaten zu suchen sein, aber die genannten klassischen Beispiele von Goethe und Moritz lassen dieses Argument nicht generell zu. Zweifellos müssen aber die Adoleszenzromane, die seit Ende der 1980er Jahre erschienen sind, als intentionale Jugendliteratur bezeichnet werden. Hier hat sich also ein eindeutiger Zuordnungsprozess vollzogen. Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsroman werden in der Gattungsdiskussion und in den einschlägigen Sachwörterbüchern zwar voneinander abgegrenzt, aber alle wesentlichen Definitionsversuche kommen letztlich zu dem Ergebnis, dass die Grenzen zwischen ihnen nicht scharf zu ziehen, sondern fließend sind. Prämisse des Bildungsromans (ein Begriff Diltheys) ist nach Gerhart Mayer die Idee von der Bildsamkeit des Individuums, sich im Verlaufe seines Lebens in „Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Umwelt zur personalen Identität, zum Bewusstsein der Konsistenz und Kontinuität des Ichs zu entwickeln“ (Mayer 1992, S. 19). Unverwechselbare Identität des Protagonisten, didaktische Intention des Erzählers und ein humanes Menschenbild nennt er als weitere Merkmale. Die Entwicklung des Protagonisten stellt sich im Bildungsroman als ein gesetzmäßiger Prozess dar. Geht man davon aus, dass der Bildungsroman die gesellschaftliche, religiöse und kosmische Übereinstimmung von Ich-Welt-Gott zum Ziel hat, also von einem „klassischen“ Bildungsbegriff bestimmt ist, wird der Bildungsroman zu einem historischen Epochenphänomen, dem nur wenige Beispiele vor allem der deutschen Klassik zuzurechnen sind. Rolf Selbmann versucht daher, diese historische Einengung durch epochenübergreifende Aspekte aufzuheben und alle die Texte dieser Gattung zuzurechnen, in denen „Bildung“ als zentraler Diskurs thematisiert wird.“ Seiner Ansicht nach muss der Bildungsprozess auch nicht bruchlos verlaufen, ja, er kann sogar misslingen (Selbmann 1994, S. 32f.). Damit weitet sich das Spektrum des Bildungsromans, und es können auch moderne Beispiele wie Die Blechtrommel von Günter Grass dieser Gattung zugerechnet werden.

Der Entwicklungsroman (dieser Begriff stammt von Melitta Gerhard, 1926) stellt im Gegensatz zum Bildungsroman kein historisch festgelegtes Genre dar; er ist vielmehr ein übernational verwendeter, „quasi-überhistorischer Aufbautypus“ (Mayer 1992, S. 411); Ziel und Weg der Entwicklung des Protagonisten sind epochen- und kulturunabhängig, aber jeweils zeittypisch. Er ist nicht wie der Bildungsroman auf einen bestimmten Lebensabschnitt festgelegt, sondern kann die gesamte Lebensgeschichte einer Person umfassen, während der Bildungsroman spätestens im 4. Jahrzehnt des Protagonisten endet. Die didaktische Dimension ist im Entwicklungsroman im Vergleich zu den beiden anderen Romanformen am wenigsten ausgeprägt. Sie steht dagegen im Zentrum des Erziehungsromans. Er hat seinen Ursprung in dem aufklärerischen Glauben an die Erziehbarkeit des Menschen mit Hilfe rationaler Belehrung.

Daraus ergibt sich auch sein stets optimistischer Schluss (vgl. Mayer 1992, S. 412). Der Erziehungsroman gestaltet einen durch einen Mentor geleiteten Erziehungsprozess und beschreibt dabei die Wirkung pädagogischer Maßnahmen und Grundsätze am exemplarischen Beispiel. Damit unterscheidet sich dieser Typus auch strukturell deutlich von den beiden anderen, denn es gibt in ihm keinen im Zentrum der Handlung stehenden Protagonisten, sondern hier sind Zögling und Erzieherfigur(en) als gleichgewichtige Personen bipolar angeordnet. Während Goethes Wilhelm Meister unbestreitbar den Typus des Bildungsromans verkörpert, gilt Rousseaus Émile als klassischer Erziehungsroman und der Simplizissimus von Grimmelshausen als Beispiel für den Entwicklungsroman.

Die beiden oben genannten jugendliterarischen Gattungen der problemorientierten Jugendliteratur und der emanzipatorischen Mädchenliteratur haben mit dem Adoleszenzroman und der Jeansliteratur gemeinsam, dass sie sich auf die Entwicklungsphase der Adoleszenz beschränken. Das unterscheidet sie vom Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsroman sehr deutlich. Sie haben zudem Jugendliche als Adressaten, während – wie oben angemerkt – der Adoleszenzroman, aber auch die Jeansliteratur bis in die 1970er Jahre als intentionale Erwachsenenliteratur galten und erst in der Gegenwart ihren Adressatenbezug geändert haben. Alle vier Gattungsbegriffe und die durch sie bezeichneten Jugendromane sind aber letztlich nur im Zusammenhang des kinder- und jugendliterarischen Paradigmenwechsels um 1970 zu verstehen.

Der Gattungsbegriff „Jeansliteratur“ fand vornehmlich in den 1970er Jahren Verwendung, und zwar bezogen auf lyrische, dramatische und epische Texte. Geprägt wurde der Begriff für Literatur, die in der Nachfolge von Salingers Der Fänger im Roggen (1951, dt. 1954, neu übers. 2004) und von Plenzdorfs Die neuen Leiden des jungen W (1973) stand. Der Jeansroman war ursprünglich Erwachsenenliteratur, wurde aber sehr schnell von den Jugendlichen als Identifikationsliteratur adaptiert. Sein zentrales Thema ist der Ausstieg der Jugendlichen aus der Erwachsenenwelt, d. h. ihr Protest gegen deren Normen und Zwänge, gegen das Leistungsdenken und die Fremdbestimmtheit (vgl. Doderer 1982, S. 320). Sein Weltbild ist dichotomisch: einer festgefügten Welt der Erwachsenen steht die zwanglose, spontane, kreative Welt der Jugendlichen gegenüber, die sich aber letztlich nicht durchsetzen lässt. Das Scheitern des Protagonisten wird darum geradezu zum Gattungsmerkmal. Neu an dieser Literatur ist vor allem ihre Sprache, die vom Jargon der jugendlichen Alltagssprache geprägt ist. Ewers betrachtet in seinen Publikationen die Jeansliteratur nicht als eigenständige Gattung, sondern eher als eine „Stiltendenz“, die von Salinger ihren Ausgang nahm, die aber in den 1980er Jahren im Schematismus erstarrt sei, so dass sie von „besseren Autoren“ gemieden werde (Ewers 1989, S. 12). Hier scheint Widerspruch angebracht, denn eine genaue Analyse lässt eine Unterscheidung von Jeans- und Adoleszenzliteratur nicht zu, weder im thematischen, strukturellen noch im sprachlichen Bereich. Es handelt sich hier vielmehr um ein historisch begründetes Begriffsproblem, zumal auch die Texte, die als Jeansromane bezeichnet werden, zugleich als Musterbeispiele des Adoleszenzromans gelten.

Etwas anders gelagert stellt sich die Abgrenzung gegenüber der problemorientierten Jugendliteratur dar. Dieser Begriff fand nach 1970 Verwendung für die neue Jugendliteratur, die versuchte, die aktuellen gesellschaftlichen Probleme zum Gegenstand von Jugendliteratur zu machen. Es handelt sich um „realistische Jugendliteratur“, die keine globale Wirklichkeits- und Gesellschaftsanalyse zum Ziel hat, sondern sich begrenzt mit ganz konkreten sozialen Problemen auseinander setzt. Scheiner formuliert, diese Literatur habe den „Trend zur Segmentierung der Realität in einzelne Problemfelder“ (Scheiner 1984, S. 55). Die Protagonisten besitzen weniger Individualität, sie sind geradezu austauschbar. Die problemorientierte Jugendliteratur ist eine engagierte Literatur, die gesellschaftlich etwas bewegen und die über einzelne Probleme gezielt aufklären will. Gegen Ende der 1970er Jahre ist bei verschiedenen Autoren dieser Literatur der Trend festzustellen, sich dem Adoleszenzroman als Gattung anzunähern. Insofern werden auch hier die Grenzen fließend.

Für die emanzipatorische Mädchenliteratur lässt sich eine ähnliche Entwicklung konstatieren. Ewers führt in seinen Thesen zum Adoleszenzroman (1991/1992) aus, dass sich die emanzipatorische Frauenliteratur der 1970er Jahre nicht vorrangig auf dem Gebiet des Adoleszenzromans vollzogen habe, sondern dass sich ihr Autonomieanspruch eher auf Ehe, Mutterschaft und Beruf richte und damit auf ältere Leserinnen als Adressatinnen ziele. Der Vorbehalt aber, dass der Adoleszenzroman auf Grund der historischen Entwicklung in erster Linie als typisch männliche Gattung zu bezeichnen sei, lässt sich heute nicht mehr aufrecht erhalten, denn anhand jüngerer jugendliterarischer Textbeispiele kann Ewers nachweisen, dass diese Literatur eine „emanzipatorische Wendung“ genommen habe, dass aus dem Liebes- ein „Entwicklungs- bzw. Adoleszenzroman mit weiblichen Protagonisten geworden“ sei (Ewers 1991, S. 11).

Die bisherigen Ausführungen und Abgrenzungsversuche lassen nun eine zusammenfassende Definition des Adoleszenzromans zu:

Der Adoleszenzroman ist eine Gattung, die erst in den letzten beiden Jahrzehnten zum Gegenstand jugendliterarischer Forschung geworden ist. Eine Abgrenzung gegenüber Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsroman lässt sich eindeutig vollziehen; hingegen sind die Übergänge zum problemorientierten Jugendbuch fließend. Die emanzipatorische Mädchenliteratur wie auch der Jeansroman können heute als integrative Bestandteile des Adoleszenzromans gelten.

Thematisch handelt der Adoleszenzroman von den Problemen des Erwachsenwerdens; dabei ist er aber nicht auf einige wenige Aspekte wie die problemorientierte Jugendliteratur begrenzt, sondern er hat den Anspruch, die Zeit der Adoleszenz möglichst umfassend darzustellen. Seine Protagonisten befinden sich im Alter zwischen Vorpubertät und Postadoleszenz; sie erscheinen in den Romanen als unverwechselbare Individuen, äußerst differenziert und nuanciert dargestellt. Beschrieben wird die existentielle Erschütterung, die tiefgreifende Identitätskrise des Jugendlichen, der auf der Suche nach einem eigenen Weg in der Gesellschaft und zu sich selbst ist. Der Adoleszenzroman ist problemorientiert und problemoffen, insofern wird auch gerade das Scheitern des Jugendlichen in seinem Entwicklungsprozess thematisiert.