Cornwall-Küsse im kleinen Cottage - Cara Lindon - E-Book
SONDERANGEBOT

Cornwall-Küsse im kleinen Cottage E-Book

Cara Lindon

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Manchmal muss man alles hinter sich lassen, um das zu finden, was wirklich zählt.« Die Londonerin Melissa hat genug von ihrem stressigen Leben in der Werbeagentur und ihrem unzufriedenen Freund. Als ihre Patentante Eleanor sie auf ihren Tierschutzhof in Cornwall einlädt, zögert sie nicht lange und packt ihre Koffer. In dem idyllischen Cottage findet Melissa endlich die Ruhe, die sie so dringend braucht. Je länger Melissa mit dem wortkargen Jake auf dem Hof zusammenarbeitet, desto besser gefällt ihr Cornwall. Aber auch zwischen dem Journalisten Brandon und ihr sprühen Funken, wenn sie sich begegnen. Doch als Tiere ausbrechen, steht nicht nur der Hof, sondern auch Melissas Zukunft auf dem Spiel. Wird sie es schaffen, das Unglück abzuwenden und ihr Glück zu finden? Ein Cornwall-Wohlfühlroman fürs Herz - zum Wegträumen, Verlieben und Lachen. Tauche ein in Melissas Abenteuer und begleite sie auf eine Reise voller Emotionen. Cornwall-Küsse im kleinen Cottage ist der zweite Band der Cornwall-Sehnsucht-Reihe. Jeder Band ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig voneinander gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cara Lindon

 

Cornwall-Küsse im kleinen Cottage

 

 

Roman

 

Das Buch

Die Autorin

Kapitel 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

Herzlich willkommen in Porthlynn!

Reisetipp für Cornwall:

Plastikfreies Penzance

Danksagung

Cornwall-Träume im kleinen Katzencafé

Cornwall-Glück in der kleinen Reitschule

Das Buch

Die Londonerin Melissa hat genug! Ihr Chef in der Werbeagentur nutzt sie aus, ihr Freund meckert nur rum und ihre Freundinnen denken nur an die Karriere. Als ihre Patentante Eleanor Hilfe auf dem Tierschutzhof in Cornwall braucht, sieht Melissa das als Chance für einen Neuanfang.

In dem kleinen Cottage kommt sie zur Ruhe und überdenkt ihr Leben. Porthlynn gefällt ihr, aber würde sie London für eine Kleinstadt aufgeben?

Je länger Melissa mit dem wortkargen Jake auf dem Hof zusammenarbeitet, desto besser gefällt ihr Cornwall. Aber auch zwischen dem Journalisten Brandon und ihr sprühen Funken, wenn sie sich begegnen.

Dann brechen Tiere aus und der Hof und Melissas Zukunft sind in Gefahr. Wird es ihr gelingen, das Unglück abzuwenden?

 

 

 

 

Die Autorin

Cara Lindon ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, die bei den Verlagen Knaur, Rowohlt und Aufbau sowie im Selbstverlag veröffentlicht hat.

Cornwall ist ihr Sehnsuchtsort, den sie mindestens einmal im Jahr besuchen muss, damit Land und Meer ihre Seele streicheln.

Cara hat ihren Seelenverwandten bereits gefunden und lebt mit ihm als Katzenpersonal in einer kleinen Stadt, leider nicht in Cornwall.

www.cara-lindon.de

www.facebook.com/CaraLindonAutorin

https://www.instagram.com/cara.lindon/

 

Cornwall-Küsse im kleinen Cottage

 

Sehnsucht nach Cornwall 2

 

Cara Lindon

Impressum

 

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe September 2022

AIKA Consulting GmbH, Berliner Straße 52, 34292 Ahnatal

All rights reserved

 

 

Covergestaltung: www.BookCoverStore.com

Lektorat: Julia K. Rodeit

Korrektorat: Regina Merkel

 

 

 

 

Kapitel 1

 

Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief, klebte ihre Bluse an Melissas Rücken. Sie wischte sich die Hände an dem dunkelblauen Rock ab, aber die Handflächen wurden sofort wieder feucht. Ich bin gut in meinem Job, versuchte sie, sich Mut zu machen, aber es war nun einmal so: sie hasste die Telefonakquise. Sie hasste es, unbekannte Menschen mit allen Mitteln zu becircen, um bis zu den Entscheidern vorzudringen. Am schlimmsten war es, wenn sie, so wie heute, den fünften Versuch wagte. Möglicherweise lag es daran, dass sie selbst nicht mehr an den Erfolg glaubte.

»Du hast das falsche Mindset«, pflegte Kenneth, Melissas Chef, ihr zu sagen, falls sie ihre Zweifel äußerte. »Erfolgreiche Menschen denken positiv und kommen so ans Ziel.«

Kenneth hatte leicht reden, da er die anstrengenden Telefonate Melissa oder ihrer gemeinsamen Sekretärin Allison überließ und selbst erst mit den Kunden sprach, wenn Melissa oder Allison sie bereits gewonnen hatten. Was beiden Frauen oft gelang, nur dieses Mal hatte Melissa einfach kein Glück. Mr Millers Sekretärin hatte sie viermal abgewimmelt und dabei jedes Mal genervter geklungen. Diesen einen Versuch wollte Melissa noch unternehmen, dann würde sie aufgeben.

»Miller International Group, Kimberly Watkins am Apparat.« Obwohl Melissa die Sekretärin noch nie gesehen hatte, hatte sie eine klare Vorstellung von ihr: maximal fünfundzwanzig Jahre alt, mindestens ein Meter achtzig groß und schlank, langes blondes Haar und manikürte Fingernägel, deren roter Lack perfekt aufgetragen war.

»Melissa Saunders, Hunter Superior Marketing. Ich rufe im Auftrag von Mr Hunter an.« Himmel, wie sie den hochtrabenden Namen hasste: »Mr Hunter und Mr Miller haben sich …«

»Ich weiß Bescheid, Sie haben schon mehrfach angerufen.« Und mir meine Zeit gestohlen – das sagte Kimberly Watkins zwar nicht, aber man konnte es aus ihrem Tonfall deutlich hören. »Wie ich bereits mehrfach sagte, wir haben kein Interesse.«

»Könnte ich bitte mit Mister Miller persönlich sprechen?« Melissa holte tief Luft, um nicht laut zu werden. Bisher war sie bei jedem Versuch, zu diesem Kunden durchzudringen, an dessen Vorzimmer gescheitert.

»Mr Miller ist beschäftigt.«

Selbst jemand, der grundsätzlich menschenfreundlich war wie Melissa, konnte auf so einen unverschämten Tonfall nur böse reagieren. Im Kopf zählte sie bis zehn und wartete ab, ob die Sekretärin noch etwas sagte.

»Ich habe mit ihm gesprochen und Sie haben kein für uns interessantes Angebot.«

»Warum sagt er mir das nicht selbst?« Beharrlichkeit gehörte zu ihren Stärken und war etwas, das Melissa unbedingt brauchte, wenn sie Erfolg haben wollte. »Bitte stellen Sie mich zu ihm durch.«

»Muss ich es wirklich sagen?« Nun seufzte die Sekretärin. »Selbst wenn wir an einer neuen Imagekampagne interessiert wären, was wir nicht sind, würden wir die nicht mit einer kleinen Klitsche wie Ihrer starten. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«

Bevor Melissa reagieren konnte, hatte Kimberly Watkins aufgelegt.

»Mist!« Melissa zog das Headset ab und legte es auf ihren Schreibtisch. Kenneth würde nicht besonders begeistert sein. Aber sie hatte alles versucht, um die Miller International Group als Kunden zu gewinnen. Wenn sie ehrlich war, hatte sie es von Anfang an für eine verrückte Idee gehalten, dass sie mit einer drei Personen-Agentur versuchen wollten, eines der größten Hotelunternehmen der Welt zu gewinnen. Aber Kenneth hatte Mr Miller auf einer Party getroffen und war felsenfest davon überzeugt, dass sein Charme reichte, den Hotelmagnaten für sich zu gewinnen. Die unerfreuliche Akquisearbeit überließ ihr Chef selbstverständlich Melissa. So wie immer. Kenneth strich die Erfolge ein und sie arbeitete ihm zu – und das seit vier Jahren. Bisher hatte sie noch kein eigenes Projekt vorzuweisen, jedenfalls nicht offiziell. Inoffiziell hatte sie einige große Sachen gestemmt, aber Kenneth stellte sich zwischen sie und die Kunden, nachdem Melissa es geschafft hatte, die Aufträge zu gewinnen.

»Noch steht mein Name auf der Webseite von Hunter Superior Marketing«, lautete sein Argument, wenn Melissa ihn darauf ansprach.

»Dann mach mich zur Partnerin«, hatte sie letztes Jahr gefordert und war von ihm vertröstet worden, unter Hinweis auf die schlechte Wirtschaftslage und den Brexit, der alles erschwerte. Also arbeitete sie weiter als Assistentin und versuchte, woanders etwas zu bekommen. Aber bisher scheiterte jede Bewerbung daran, dass sie kein eigenes Projekt vorweisen konnte. Nachdem sie immerhin ein Vorstellungsgespräch erhalten hatte, hatte ihr der zukünftige Chef auf den Kopf zugesagt: »Junge Frau, vier Jahre Berufserfahrung, keine Kundenkontakte, kein großes Projekt, keinen Namen in der Branche – mit Ihnen kann etwas nicht stimmen.«

Ja, mit ihr stimmte etwas nicht, sie war einfach zu gutmütig oder zu feige, um sich gegenüber Kenneth durchzusetzen.

Als hätte Melissa ihn mit den Gedanken herbeigerufen, rief Allison sie an und sagte: »Seine Hoheit will mit dir sprechen.«

Allison war auch kein besonderer Fan von Kenneth, aber sie mochte ihren Job und hatte es irgendwie geschafft, dass Kenneth sie weitgehend in Ruhe ließ. Vielleicht lag es daran, dass Allison groß und kräftig wirkte, eine Frau, mit der man sich ungern anlegte, während Melissa winzig war. Obwohl sie fast dreißig war, kam es immer noch vor, dass jemand ihren Ausweis verlangte, wenn sie Wein kaufte. Etwas, das Melissa schon lange nicht mehr lustig fand. Frauen hatten es ohnehin schwer in der Geschäftswelt, aber kleine Frauen noch viel schwerer. Hatte sie früher gehofft, den Beschützerinstinkt von Männern zu wecken, musste sie einsehen, dass sie eher zur Seite geschoben wurde, dass ihre berechtigten Ansprüche behandelt wurden wie die eines trotzigen Kindes.

Sie atmete tief ein und aus, um sich auf das Gespräch mit Kenneth vorzubereiten. Es würde nicht angenehm werden, dessen war sich Melissa sicher. Trotzdem setzte sie ein Lächeln auf, als sie die Tür zu seinem Büro öffnete. Es war dreimal so groß wie ihres und viel protziger eingerichtet. Schwarze Ledermöbel und ein Couchtisch aus Glas standen direkt vor dem Fenster, sodass Besucher – und Angestellte – einen wunderbaren Blick auf die Silhouette von London am anderen Ufer der Themse hatten. Melissa liebte die Kuppel von St. Paul neben den modernen Wolkenkratzern. Das machte London für sie aus: die wunderbare Mischung aus Tradition und Moderne.

»Setz dich.« Er wedelte mit der Hand, um auf den unbequemen Designerstuhl zu deuten, der Besuchern vorbehalten war. »Hast du es endlich geschafft, mit Mr Miller zu sprechen?«

Kenneth, zehn Jahre älter als sie, Solarium gebräunt, mit blonden Strähnen in den hellbraunen Haaren, sah aus wie der Inbegriff eines Marketingmanagers. Sein Anzug war maßgeschneidert und von unauffälliger Eleganz, die deutlich machte, wie teuer er gewesen war. »Melissa, ich habe nicht ewig Zeit. Also, was ist mit Miller?«

»Ich kam nicht an seiner Sekretärin vorbei.« Einen Moment überlegte Melissa, ihm vor den Latz zu knallen, was Kimberly Watkins ihr zum Abschied gesagt hatte, aber es nutzte ja nichts.

»Melissa, du bist seit vier Jahren hier, ich erwarte, dass du an jeder Sekretärin vorbeikommst und zum Chef gelangst.«

Melissa presste die Lippen zusammen, um nichts zu sagen, was sie später bereuen würde, aber es gelang ihr nicht.

»Warum rufst du nicht dort an? Du hast Mr Miller persönlich getroffen und so einen tollen Draht zu ihm gehabt.«

»Was glaubst du, was er denkt, wenn der Chef persönlich Klinken putzt? Das sieht aus, als ob wir es nötig hätten.«

»Haben wir das nicht? Du sagst doch immer, die Wirtschaftslage sei schwierig und so.«

»Selbst wenn wir es nötig haben«, Kenneth lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und musterte sie von oben bis unten, »das würden wir Kunden niemals sagen, nicht wahr, Melissa?«

»Selbstverständlich.« Sie hatte diese Gespräche so satt. Gespräche, aus denen sie herausging und sich schlecht und nutzlos fühlte. Dabei war sie sicher, gut in ihrem Job zu sein, aber irgendwie gelang es Kenneth immer wieder, dass sie sich klein wie eine Anfängerin vorkam.

»Der Mann ist toxisch, so wie du ihn beschreibst«, hatte ihre Mutter einmal gesagt, als Melissa sich über ihren Chef beschwert hatte. »Kolibri, du solltest dringend dort aufhören und etwas Besseres finden.« Wie oft hatten sie diese Diskussion schon geführt. Melissas Eltern arbeiteten für Oxfam und hatten gehofft, dass Melissa in ihre Fußstapfen trat. Stattdessen hatte sie Marketing studiert, was ihr auf Familienfeiern immer wieder kritische Blicke und Kopfschütteln einbrachte.

»Erde an Melissa. Hallo.« Kenneths dunkle Stimme zog sie aus ihren Gedanken. Demonstrativ tippte er auf seine protzige Armbanduhr. »Du weißt, was du zu tun hast. Ich erwarte morgen früh Resultate.«

Melissa stand auf und ging ohne ein Wort des Abschieds. Er würde es ohnehin nicht bemerken, denn schon längst starrte Kenneth wieder auf den Computerbildschirm mit dieser Miene, die besagte: wichtig, wichtig.

Ich sollte meinen Jahresurlaub nehmen, dachte sich Melissa, nachdem sie die Bürotür hinter sich geschlossen hatte. Irgendwohin fahren, wo es schön ist, und ihn Mr Miller selbst anrufen lassen. Soll er doch sehen, ob er an Kimberly Watkins vorbeikommt.

Leider war sie dafür viel zu diszipliniert. Oder zu ängstlich. Sie verschob ihren Jahresurlaub von Jahr zu Jahr, weil es immer neue Projekte gab, für die Kenneth sie einspannte, während er selbst jeden Sommer für mindestens drei Wochen in die Karibik flog.

Ich muss aufhören, mich darüber zu ärgern, sonst werde ich meines Lebens nicht froh. Um sich abzulenken, ging Melissa auf einen Schwatz zu Allison.

»Hier, das brauchst du sicher nach einer Audienz beim Ekel.« Die Sekretärin schob Melissa eine Tasse Tee zu, stark und pur, wie Melissa ihn mochte. Ohne Allison hätte Melissa längst gekündigt. Die Sekretärin war eine Seele von einem Menschen und hatte stets ein offenes Ohr für Melissas Nöte und Sorgen, aber auch für ihre Erfolge.

»Er hat ja recht«, sagte Melissa mit leiser Stimme. »Ich hab’s nicht geschafft, zu Mr Miller durchzudringen.«

»Kindchen«, sagte Allison. Obwohl sie höchstens drei Jahre älter war als Melissa, nutzte sie immer diesen Kosenamen. »Kindchen, seine Lordschaft glaubt selbst nicht, dass er so einen dicken Fisch an Land ziehen kann. Das Größte, was er je gestemmt hat, war die Kampagne für den Thriller-Bestseller. Kenneth ist viel zu geizig, um zu wachsen. Wir brauchen mehr Leute.«

»Danke, ich wünschte, du hättest recht.«

»Ich habe recht, aber du bist einfach zu gutmütig und lässt dich von ihm ausnutzen.«

»Ich hab’s woanders versucht.« Melissa presste die Lippen zusammen. »Kenneth hat alles getan, damit ich keine Chancen habe.«

»Vielleicht musst du es in einer anderen Stadt probieren.«

»Ich? Niemals! Ich bin Londonerin mit Leib und Seele.« Die Vorstellung, irgendwo in der Provinz zu landen, erschütterte Melissa. Da hielt sie es lieber mit Kenneth und seinen Mindset-Sprüchen aus.

»Manchmal überrascht einen das Leben.«

Bevor Melissa antworten konnte, klingelte Allisons Telefon und sie ging an den Apparat: »Hunter Superior Marketing, Allison in der Leitung. Was kann ich für Sie tun?«

Melissa nahm das als Signal, endlich in ihr Büro zu gehen und zu überlegen, wie sie die Sekretärin von Mr Miller austricksen könnte. Eine Möglichkeit hatte sie noch, aber bisher weigerte sie sich standhaft, Tyler anzusprechen. Ihr Freund war in der EDV-Abteilung bei Miller International Group beschäftigt. Es war schlimm genug, dass sie so viel arbeitete. Wenn sie ihren Freund nun auch noch für sich einspannte, hätte Hunter Superior Marketing es geschafft und Melissas gesamtes Leben vereinnahmt.

 

»Kindchen, ich gehe jetzt. Seine Lordschaft ist schon lange weg und du solltest auch langsam Feierabend machen.«

»Schönen Feierabend.« Melissa schreckte hoch. Sie war so sehr in ihrer Internetrecherche über Robert Miller vertieft, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie die Zeit verging. Oh nein, ihr blieb nur noch eine Stunde, um zu Renaissance Chocolates in Notting Hill zu kommen. Eilig fuhr sie ihr Notebook herunter, das natürlich nichts Besseres zu tun hatte, als sich ein Upgrade zu ziehen, das ewig brauchte, bis es endlich fertig war.

Die Zeit nutzte Melissa, um ihre Handtasche zu suchen, die sie heute morgen auf den Schreibtisch gelegt und unter Papieren begraben hatte. Wo war nur der verdammte Schirm? Obwohl draußen die Sonne schien, traute Melissa dem Londoner Sommer nicht. Ein Tag ohne Regenschauer war kein wirklicher Tag in London.

Erneut sah sie auf die Armbanduhr. Entweder suchte sie weiter nach dem Schirm oder forderte ihr Glück heraus. Wenn sie sich nicht sputete, würde sie die Tube nicht erreichen, die sie rechtzeitig nach Notting Hill brachte. Unschlüssig blieb sie stehen. Bereits zweimal war sie zu spät gekommen, was zu einem kritischen Blick von Natalie und einem demonstrativen Augenrollen von Tyler geführt hatte.

Beides wollte Melissa sich ersparen und hoffte darauf, dass der Regen beginnen würde, wenn sie bei Renaissance Chocolates angekommen wäre.

Heute war wirklich nicht ihr Glückstag. Nachdem sie die Schlüssel fallengelassen hatte, als sie das Büro abschließen wollte, hörte sie das Ping, mit dem die Fahrstuhltüren sich schlossen. Sie spurtete zum Lift, aber zu spät, er fuhr bereits nach unten. Wieder einmal ärgerte sie sich, dass ein Gebäude mit so vielen Büros nur einen Fahrstuhl hatte. Mit dem Zeigefinger drückte sie die Ruftaste und konnte an den beleuchteten Ziffern ablesen, dass der Lift in jedem Stockwerk hielt, bis er bei ihr ankam. Sie sprang hinein, ihre Finger trommelten auf ihren Oberschenkeln, ihre Muskeln spannten sich an. Endlich öffneten sich die Fahrstuhltüren und Melissa sprang heraus, trippelte durch die Lobby, auf die Straße in Richtung der Underground. Sie musste unbedingt daran denken, sich ein Paar Turnschuhe ins Büro zu stellen, damit sie nicht auf ihren High Heels rennen musste. Da Melissa seit fünfzehn Jahren hockhackige Schuhe trug, war es ihr ein Leichtes, damit einen Sprint bis zur Station London Bridge einzulegen.

»Entschuldigung, Entschuldigung!«, drängelte sie sich auf der Treppe an den Menschen vorbei, die anscheinend unglaublich viel Zeit hatten. Nachdem sie sich um einen stämmigen Mann herumgeschlängelt hatte, sprang sie die beiden letzten Stufen hinab und hüpfte dann in die Northern Line.

Geschafft! Sie rang nach Luft. Sie musste dringend mehr Sport machen, damit diese U-Bahn-Sprints sie nicht so außer Puste kommen ließen. Hoffentlich wäre ihr Anschluss in King's Cross St. Pancras pünktlich, dann würde es noch klappen. Melissa postierte sich strategisch günstig am Ausgang und setzte ihren Ellenbogen ein, als eine hochgewachsene Frau sich an ihr vorbeischieben wollte. Nur weil sie klein war, hieß das nicht, dass sie sich nicht wehren konnte.

Ihr Schicksal schien sich zu wenden, denn sie erreichte die Circle Line pünktlich und bekam sogar einen Sitzplatz. Sollte sie Tyler eine Nachricht schreiben, dass sie in einer Viertelstunde ankäme? Nein, das erschien ihr zu übertrieben. Außerdem fürchtete sie, dass er das falsch verstehen könnte und das Gefühl bekäme, sie würde ihn an den Termin erinnern, nur weil er es einmal vergessen hatte. Wenn sie ehrlich war, wollte sie ihm exakt aus diesem Grund eine Nachricht schreiben, denn ein zweites Mal wollte sie nicht allein dastehen.

Statt Tyler an ihr Treffen zu erinnern, sah Melissa sich in dem Wagen um. Die übliche Londoner Abendmischung aus Angestellten, die müde aussahen und sich über ihren Feierabend freuten, Jugendlichen, die voller Leben und Erwartung wirkten, und Touristen, die hundertprozentig die berühmte blaue Tür in Notting Hill fotografieren wollten. Neben ihr saß eine junge Frau, die eine Tüte auf dem Schoss trug, aus der es verführerisch nach Curry und Masala duftete. Melissas Magen knurrte vernehmlich und die Frau lächelte ihr zu.

Sollte sie sich an Ladbroke Grove Station noch schnell etwas zu essen kaufen? Melissa blickte auf die Uhr. Zehn Minuten blieben ihr noch, das reichte für den Weg zum Portobello Market und ein Käse-Sandwich. Sie drängte sich durch die sich öffnenden Türen, erstand ein Sandwich und aß es im Gehen.

Eilig schlang sie das leicht pappig schmeckende Weißbrot in sich hinein und ärgerte sich, weil sie nichts zu trinken gekauft hatte. Im Kopf machte sie sich eine Notiz: Für die Chocolates-Tage immer Turnschuhe, Sandwiches und Wasser einpacken.

Immerhin hielt sich das Wetter, ein milder Abendwind kühlte ihr das erhitzte Gesicht. Außer Atem, aber trocken kam Melissa vor Renaissance Chocolates an. Ihr Blick suchte nach Tyler, aber sie entdeckte nur Chelsea und Rhys, die Händchen haltend und sich verliebte Blicke zuwerfend auf sie zukamen.

»Hallo, Melissa«, sagten beide gleichzeitig, als ob sie es eingeübt hätten. »Kommt Tyler auch?«

»Hi, auf jeden Fall.« Melissa bemühte sich um ein Lächeln, denn eines konnte man ihrem Freund nicht vorwerfern: Tyler war niemals unpünktlich. Meistens wartete er bereits, wenn Melissa mit ihm verabredet war – falls er sie nicht vergessen hatte.

»Wir gehen schon mal rein. Bis gleich.« Dieses Mal sprach nur Rhys, während Chelsea lächelnd nickte. Wahrscheinlich fand Melissa die beiden nur deshalb etwas unheimlich, weil Tyler und sie niemals so ein Paar gewesen waren und wohl auch nie sein würden.

Tyler, wo bleibst du?, tippte Melissa in ihr Smartphone. Hat die Tube Verspätung?

Sie verengte die Augen und starrte in Richtung der U-Bahn-Station, aus der Tyler kommen musste, suchte nach seiner vertrauten schlaksigen Gestalt.

Nichts!

Endlich vibrierte ihr Smartphone.

Ups. Habe ich vergessen, wir haben heute ein Zusatztraining beim Wasserball. Sorry, Darling, melde mich später.

 

KAPITEL 2

 

So ein Mist! Wie konnte Tyler ihr das nur antun? Es gab nur diesen einen Termin in der Woche, an dem sie etwas gemeinsam unternehmen wollten. Etwas, auf das sie sich gemeinsam verständigt hatten, weil es ihnen beiden Spaß machte und weil es ihnen beiden wichtig war. Jedenfalls hatte Melissa das angenommen.

Heute war bereits der zweite Termin, den Tyler wegen seines blöden Wasserballs vergessen hatte. Melissa hätte sich treten können, weil sie ihn dazu überredet hatte, mit dieser Sportart zu beginnen. Wie hätte sie auch ahnen können, dass ihr Freund so fanatisch sein würde und fünf Tage die Woche trainierte, als wollte er an den nächsten Olypmpischen Spielen teilnehmen?

»Melissa, kommst du?« Natalie hielt die Tür zu Renaissance Chocolates auf, in dessen Küche der Schokoladenkurs stattfand. »Oder wartest du noch auf Tyler?«

Täuschte Melissa sich oder sah die Lehrerin sie wirklich prüfend an? Da Tyler schon einmal gefehlt hatte, wusste Melissa, was sie gleich erwartete. Noch konnte sie einen Rückzug machen und sich mit einer Ausrede verabschieden. Und was dann? Dann säße sie allein zuhause, würde eine Serie gucken, auf die sie sich nicht konzentrieren könnte, weil sie sich so darüber ärgern würde, dass Tyler sie erneut versetzt hatte. Dann doch lieber die andere Alternative.

Melissa folgte Natalie ins Innere des Schokoladengeschäfts. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie die Trüffel, handgeschöpften Schokoladentafeln, Pralinen und die Trinkschokoladen sah, die appetitlich in den Regalen angerichtet waren. Möglicherweise bildete sie es sich nur ein, aber sie konnte die Schokolade in der Luft schmecken: süß und kräftig.

»Tyler kommt heute nicht.« Sie zögerte einen Moment. »Ein kurzfristig anberaumter Termin. Im Job.«

Warum log sie für ihn? Das hatte er wirklich nicht verdient. Andererseits war es Natalie wahrscheinlich vollkommen gleichgültig, warum Tyler nicht dabei war. Für die Lehrerin war sein Wegbleiben nur ein Problem, weil Melissa nun allein war.

»Ist es in Ordnung, wenn ich dich mit Chelsea und Rhys in eine Gruppe stecke?« Natalie blieb stehen und sah Melissa fragend an. »Oder möchtest du lieber ins Team von jemand anderem?«

»Auf jeden Fall«, platzte Melissa heraus und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen.

Zum Glück lachte Natalie nur und sagte: »Es ist nicht einfach, diese Frischverliebten turteln zu sehen.«

»Danke.« Melissa zwinkerte ihr zu. »Wie wäre es mit Bradley und Dominic?«

»Bist du dir sicher?« Die Lehrerin zuckte mit den Schultern, bevor sie weiterging. »Bradley ist ein wenig überehrgeizig, was seine Schokolade angeht.«

»Das passt schon.« Auch wenn Melissa es ungern zugab, sie hatte sich bisher nur wegen Tyler zurückgehalten. Eigentlich war sie Feuer und Flamme dafür, ungewöhnliche Geschmacksrichtungen zu kreieren. »Im Notfall verbünde ich mich mit Dominic.«

»Da drücke ich dir die Daumen.« Natalie schloss die Ladentür zu und ging gemeinsam mit Melissa in die hinteren Räume, wo die Küche und die Kühlkammern waren.

Obwohl sie sich immer noch über Tyler ärgerte, spürte Melissa auch Freude bei der Vorstellung, was sie heute Abend kreieren würde. Natalie war eine wunderbare Lehrerin, die ihnen nicht nur Rezepte nahebrachte, sondern auch viel über die Geschichte der Schokolade erzählte und ihre Schüler darin bestärkte, mutige Geschmackskombinationen auszuprobieren.

»Bradley, Dominic, ist es okay, wenn Melissa heute bei euch mitmacht?«

»Von mir aus gern.« Bradley, ein schlanker Mann Ende vierzig, nickte Melissa zu. »Bist du auch einverstanden?«

Er wandte sich seinem Partner zu, einem rundlichen Mann im gleichen Alter, dessen blonde Haare aussahen, als wäre er eben erst aus dem Bett gefallen.

»Je mehr, desto besser.« Dominic öffnete die Arme. »Sei unser Gast. Hoffentlich kannst du Bradley überreden, mal ein Risiko einzugehen und abseits ausgetretener Pfade zu wandeln.«

»Nur weil etwas traditionell ist, muss es nicht schlecht sein.«

»Wie willst du wissen, ob etwas Neues nicht besser ist, wenn du es nicht ausprobierst?«

Melissa seufzte gespielt laut auf, denn die Diskussion führten die beiden jedes Mal und sie endete immer damit, dass sie individuelle Tafeln erstellten.

»Melissa, was meinst du? Altbewährt oder gezwungen-modern?« Bradley sah sie auffordernd an.

»Sorry, aber ich bin leider auf Dominics Seite. Ich mag ungewöhnliche Mischungen.«

»Dann panscht ihr beide euer Zeug und ich halte mich an die Tradition.«

»Aber versprich mir, dass du unsere Schokoladen wenigstens probierst.« Dominic strich einen Fussel von Bradleys Pullover. »Und unvoreingenommen bist.«

»Solange ihr keine Blutwurst hineinmischt«, antwortete Bradley und verdrehte die Augen.

Während sie diskutierten, hatte Natalie bereits alles bereitgestellt, was sie zur Schokoladeherstellung benötigten. Das Grundrezept variierte nur wenig, das Besondere waren die Geschmackszutaten, die jeder individuell zusammenstellen konnte. Eigentlich, wenn Tyler da gewesen wäre, waren es fünf Teams à zwei Personen und jedes Team sollte mindestens zwei Schokoladensorten erstellen. In die Gussformen passten zehn Täfelchen, sodass alle die einzelnen Sorten probieren konnten, was Melissa beinahe mehr Spaß machte als die Schokoladenherstellung selbst.

Während Bradley begann, die Kakaobutter im Wasserbad zu schmelzen, spazierten Melissa und Dominic zu dem Tisch, auf dem Natalie die Auswahl an Zutaten präsentierte. Neben Klassikern wie Nüssen und getrockneten Himbeeren fanden sich hier auch grüner Pfeffer, Chili und kandierte Rosenblüten.

»Ich nehme Ingwer, Mango und das orientalische Kaffeegewürz.« Dominic deutete auf die Zutaten, die Natalie in weiße Porzellanschälchen füllte.

Melissa hatte ebenfalls überlegt, etwas mit dem Kaffeegewürz, das aus Kardamom, Zimt, Nelken, Muskatnuss und Vanille bestand, zu kreieren. Allerdings fragte sie sich, ob der Ingwer nicht alles übertönte.

»Lass die Mango weg«, rief Bradley, während er in der Schüssel rührte. »Das wird zu viel.«

»Such du dir deins aus, ich mach meins.« Dominic nahm seine Zutaten und tauschte den Platz mit seinem Freund.

Während Melissa immer noch überlegte, wählte Bradley Mandeln, Karamel und Meersalz.

»Und du?« Auffordernd sah Natalie Melissa an.

»Ich kann mich bei der Auswahl so schwer entscheiden.« Sie rieb sich mit dem Zeigefinger das Kinn. »Alles wirkt so verführerisch.«

»Wie war dein Tag? Versuch eine Schokolade zu erfinden, die den heutigen Tag widerspiegelt.«

»Die möchtest du nicht essen, da wären bestimmt saure Gurken drin.«

»Leider habe ich die nicht dabei.« Natalie deutete auf eine Schale. »Wie wäre es mit kandierten Zitronen?«

»Ich bin mir nicht sicher.« Melissa wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Ich probiere Erdbeeren, Pfeffer und Kokosblütenzucker.«

 

»Bitte kommt zum Ende.« Melissa hatte Natalie nicht kommen hören, dermaßen vertieft war sie in die letzten Handgriffe an ihrer Schokolade. »Tauscht eure Kreationen aus und packt alles zusammen.«

Um Melissa herum begannen hektische Aktivitäten. Auch sie drückte ihre Schokoladentäfelchen vorsichtig aus der Form und packte sie in die bereitgestellten Papiertüten, auf die sie bereits MelissasErdbeerpfeffer geschrieben hatte.

Alle Kursteilnehmer stellten die Utensilien in die große Spülmaschine, bevor sie sich an Natalies Tisch trafen und ihre Schokoladen tauschten.

»Ich hoffe, euch schmecken eure Eigenmarken.« Natalie klatschte zum Abschied in die Hände. »Nächste Woche probieren wir etwas Neues aus. Ihr seid inzwischen so weit, dass wir uns an der Canache versuchen werden.«

»Oh, da habe ich großartige Ideen.« Dominics Augen leuchteten. »Ich denke an eine Gin-Tonic-Schokolade mit einem Hauch von Erdbeer.«

»Wie wäre es mit Vollmilch und Zartbitter zum Anfang?« Bradley schüttelte den Kopf.

»Das diskutiert ihr auf dem Heimweg.« Natalie führte sie durch das Geschäft, schloss die Tür auf und verabschiedete sich von allen.

»Vielen Dank, dass ich bei euch mitmachen durfte. Ich bin sehr gespannt.« Melissa hielt die Tüte, in der sie die gemeinsam erstellten Schokoladen verstaut hatte, in die Höhe. »Bitte, sagt mir beim nächsten Mal ganz ehrlich, wie euch die Kombination geschmeckt hat.«

»Wir sind dir dankbar.« Dominic zwinkerte ihr zu. »Ohne deine Hilfe hätte ich Bradley nie dazu bekommen, etwas mutigere Mischungen auszuprobieren.«

Er lächelte seinem Partner liebevoll zu, der den Kopf schüttelte und sagte: »Nurweil man auf etwas Bewährtes setzt, heißt das nicht, dass man feige ist.«

»Bitte nicht wieder die Diskussion.« Melissa verdrehte gespielt gequält die Augen. »Gut, dass Natalie genug Tafeln für jeden von uns hatte.«

»Bis zum nächsten Mal.« Galant hielt Bradley ihr die Tür auf und verbeugte sich. »Bitte sehr, die Dame.«

»Danke, der Herr.« Melissa nickte ihm hoheitsvoll, jedenfalls meinte sie es so, zu. »Ich freue mich.«

Nachdem sie sich auf den Weg zur U-Bahn gemacht hatte, fiel ihr auf, dass sie sich wirklich auf das nächste Mal freute und dass sie Tyler nicht einmal vermisst hatte. Eher das Gegenteil war der Fall. Sie hatte mit Bradley und Dominic viel mehr Spaß gehabt als bei den beiden Terminen, die sie mit Tyler zusammen verbracht hatte. Das sollte ihr zu denken geben.

Ihre Stimmung erfuhr einen deutlichen Dämpfer, als ein plötzlicher Nieselregen einsetzte.

Obwohl es nur wenige Meter bis zur Station waren, zog Melissa sich die Jacke über den Kopf. Sie eilte an den Schaufenstern vorbei, ohne den liebevoll präsentierten Waren mehr als einen flüchtigen Blick zu schenken. Wenn sie sich beeilte, würde sie vielleicht die U-Bahn erreichen, bevor der Regen durch ihre dünne Sommerjacke durchgedrungen war.

Aber heute war nicht ihr Tag. Aus dem Nieselregen wurde ein Platzregen, der sie innerhalb kürzester Zeit durchnässte. Melissa schob ihre Handtasche, in der sie die Schokolade verstaut hatte, unter die Jacke, um sie vor dem Regen zu schützen, und beugte den Oberkörper nach vorn. Schließlich flüchtete sie in einen Hauseingang und hoffte, dass das Wetter sich bald änderte. Warum nur hatte sie vorhin nicht intensiver nach dem Schirm gesucht?

Sie trippelte von einem Fuß auf den anderen, unschlüssig, ob sie es wagen sollte, im strömenden Regen zur U-Bahn zu laufen, oder ob es klüger wäre, abzuwarten. Bei ihrem heutigen Glück würde der Regen exakt in dem Moment enden, in dem sie den Eingang zur U-Bahn erreicht hatte. Nachdem sie sich geschüttelt hatte, verengte sie die Augen, um den Himmel prüfend zu mustern. Fünf Minuten würde sie noch warten, auch wenn sie sich nichts mehr wünschte als einen heißen Tee und die Schokoladen.

 

Zuhause angekommen setzte Melissa Wasser für den Tee auf und packte vorsichtig die selbstgemachten Schokoladen aus. Wie jedes Mal waren es interessante Mischungen und sie freute sich darauf, sie einzeln zu verkosten. Vorsichtig drapierte sie ein paar Täfelchen auf einem Teller und überlegte einen Moment lang, eine von ihnen für Tyler aufzuheben, aber nein, das hatte er nicht verdient. Nicht, nachdem er sie wieder wegen seines blöden Wasserballteams hatte sitzen lassen.

Melissa stellte den Teller auf den Couchtisch, warf sich in ihren Lieblingssessel und ließ die Beine über die Lehne baumeln. Genüsslich probierte sie die erste Schokolade, ihre eigene, und fand, sie war ihr wirklich gut gelungen. Wenn sie weniger arbeiten würde, würde sie sicher Zeit damit verbringen, sich tiefer ins Schokoladenherstellen einzuarbeiten.

Es war faszinierend, wie sich die unterschiedlichen Komponenten zusammenfügten und einen völlig neuen Geschmack ergaben. Melissa schloss die Augen und ließ die Schokolade in ihrem Mund zergehen. Sie schmeckte die Süße des Kakaos, verstärkt durch die getrockneten Erdbeeren und die leichte Schärfe des grünen Pfeffers.

Bevor sie sich den anderen Schokoladen widmen konnte, erklang das Pfeifen des Wasserkessels. Sie stand auf, ging in ihre winzige Küche und suchte die Teebeutel von PG Tips. Ihre Eltern wären entsetzt, dass Melissa Teebeutel und keine losen Blätter verwendete, aber sie fand das praktischer. Mit Teebeuteln ging es schneller und ehrlich gesagt fand sie, schmeckte es fast identisch.

Sie ließ den Tee etwas länger ziehen, damit er sie nicht munter, sondern müde machte, und setzte sich wieder in den Sessel. Während sie die zweite Schokolade genoss, die nach Ingwer und Kaffeegewürz schmeckte – Bradley hatte recht gehabt, die Mango schmeckte man kaum –, kam sie ins Grübeln.

So konnte ihr Leben nicht weitergehen. Tyler entpuppte sich nicht als der Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Zu Beginn hatte sie ihn ermutigt, Wasserball zu spielen, damit er mal weg vom Computer und Fernseher kam. Bewegung täte ihm gut. Damals hatte sie nicht ahnen können, wie sehr er sich in dieses Hobby stürzen und darüber hinaus alles andere vergessen würde.

Allerdings war Tyler, das musste sie zugeben, ihr kleineres Problem. Heute Morgen die Diskussion mit Kenneth war extrem unerfreulich gewesen. Wenn Melissa nicht so feige wäre, müsste sie mit der Hand auf den Tisch hauen und ihrem Chef ihre Meinung sagen. Sie arbeitete jetzt seit vier Jahren als seine Assistentin, lieferte die Ideen und gestaltete die Kampagnen, die er den Kunden präsentierte. Nur zu gut erinnerte sich Melissa daran, was Kenneth ihr alles im Vorstellungsgespräch versprochen hatte.

»Als meine Assistentin werde ich Sie mit allen wichtigen Menschen der Branche bekannt machen. Und je länger Sie bleiben, desto mehr Verantwortung werde ich Ihnen übergeben, bis Sie eigene Kampagnen bekommen.«

Das war nicht gelogen gewesen. Melissa hatte deutlich mehr Verantwortung und Kampagnen bekommen, nur die Lorbeeren strich immer noch Kenneth ein. Jede Forderung nach einer Beförderung – zu was eigentlich, fragte sie sich, zur Oberassistentin? – oder nach einer Gehaltserhöhung lehnte Kenneth mit dem Verweis auf die schlechte Wirtschaftslage ab.

Aber dass er ihr heute den Vorwurf gemacht hatte, sie wäre nicht engagiert genug, weil es ihr nicht gelungen war, Mr Miller als Kunden zu gewinnen, war genug. In ihrem Hinterkopf meldete sich eine kleine Stimme, die ihr zuflüsterte: »Warum nimmst du nicht endlich deinen Urlaub und lässt Kenneth selbst sehen, wie er mit allem klarkommt?«

Wohin sollte ich fahren, fragte sie sich. Und mit wem? Tyler hat sowieso keine Zeit, weil sein Team für ein Turnier trainierte. Wieder einmal. Wenn Melissa auch nur ansatzweise geahnt hätte, wie viele Turniere im Wasserball gespielt wurden, hätte sie Tyler zu einer anderen Sportart überredet. Reiten vielleicht. Sie musste lachen, denn sie war sich sicher, einen Stadtmenschen wie ihn würde sie nie in die Nähe eines Pferdes bekommen. Sie hatte immerhin als Kind Erfahrungen auf dem Ponyrücken gesammelt. In Porthlynn, bei ihrer Patentante.

Warum hatte sie das Reiten eigentlich aufgegeben? Weil es in London viel zu teuer war und weil sie viel zu viel arbeitete. Und, das musste sie zugeben, weil es ihr nicht wichtig genug gewesen war.

Obwohl Bradleys Schokolade mit der klassischen Komposition aus Mandeln, Karamell und Meersalz lecker war, verspürte sie plötzlich keinen Appetit mehr. Selbst die Süße der Schokoladen kam nicht gegen die Bitterkeit an, mit der sie an ihr Leben dachte.

Also stand sie auf, verstaute die Schokolade in ihrem Süßigkeitenschrank und ging ins Badezimmer.

Auf dem Weg in ihr ebenfalls winziges Schlafzimmer entdeckte Melissa, dass der Anrufbeantworter blinkte. Es konnten nur ihre Eltern sein. Alle anderen riefen sie auf dem Smartphone an. Nur ihre Eltern hielten eisern daran fest, einen Festnetzanschluss zu benutzen. Melissa blieb stehen und hörte die Nachricht ab: »Lissa, Darling, bitte ruf mal zurück. Dein Dad und ich wollen übermorgen nach Äthiopien aufbrechen und eben hat Eleanor angerufen, sie ist gestürzt. Sie braucht unsere Hilfe.«

Oh nein, nicht das auch noch! Denn wenn Melissa den Anruf ihrer Mutter richtig interpretierte, dann bedeutete »Sie braucht unsere Hilfe« im Klartext: »Melissa, pack deine Koffer und fahre sofort nach Cornwall.«

 

 

3KAPITEL 3

 

Verflixt! Warum musste die alte Dame nur so stur sein? Jake und sie standen sich in Eleanors gemütlicher Küche gegenüber wie der Hofkater und der Hahn. Keiner von ihnen wollte nachgeben.

»Eleanor, ich biete es dir noch einmal an«, betonte Jake. »Wir kennen uns inzwischen so gut, ich kann dir gerne beim Anziehen helfen.«

Er musterte sie aus verengten Augen. Irgendetwas stimmt nicht, da war Jake sich ganz sicher. Eleanor gehörte nicht zu den Frauen, die hilflos waren und wegen eines gebrochenen Handgelenks sofort jemanden um Unterstützung baten. Sicher, es fiel ihr schwer, sich anzukleiden, aber dabei konnte er ihr garantiert helfen. Es gab nur eine Erklärung, warum sie seine Unterstützung so vehement ablehnte.

»Nein, nein, Jake«, wiederholte sie und schüttelte zur Bestätigung den Kopf. »Ich kann dir nicht zumuten, ein altes Weib wie mich zu betreuen.«

Wenn man Eleanor Rosevear so hörte, klang es, als wäre sie eine zerbrechliche Dame, die auf Unterstützung in allen Dingen angewiesen war. Dabei entsprach nichts weniger der Wahrheit. Eleanor hatte das Leben mit ihren Schützlingen aus dem Tierschutz perfekt organisiert, leitete eine Gruppe von Katzenschützerinnen und arbeitete ehrenamtlich im Katzencafé Cleocatra, das auf ihre Initiative hin entstanden war.

Jake gehörte zu den Freiwilligen, die ihr die körperlich schwere Arbeit auf dem Hof abnahmen. Als er nach Porthlynn zurückgekehrt war, hatte er eine Aufgabe gebraucht, die ihn von seiner Traurigkeit ablenkte. Eleanor hatte ihm diese Arbeit gegeben und ihn mit robuster Freundlichkeit behandelt. Dafür fühlte er sich ihr immer noch zu Dank verpflichtet. Trotzdem brachte sie ihn mit ihrer Sturheit manchmal zur Weißglut. Die alte Dame hatte sehr klare Vorstellungen davon, wie alles zu organisieren war – und war nicht bereit, davon abzuweichen.

»Eleanor, wir leben nicht mehr im viktorianischen Zeitalter. Ich werde es schon hinbekommen, dir beim Anziehen oder auch beim Waschen zu helfen. Wenn du darauf bestehst, schließe ich die Augen.«

»Ein verlockendes Angebot.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Aber es ist bereits alles in die Wege geleitet.«

Einen Moment lang überlegte er, seine Frage nicht auszusprechen und vorzugeben, er ahnte nicht, was sie vorhatte, aber dafür kannten sie sich zu lange und zu gut.

»Du möchtest deine Patentochter hierher holen, warum auch immer, nicht wahr?« Jake zwinkerte ihr zu. »Ich wittere eine Verschwörung zwischen dir und ihren Eltern. Allerdings weiß ich nicht, warum?«

»Wenn du das Melissa je sagst.« Eleanor wurde blass, um dann zu erröten. »Bitte, Jake, versprich mir, dass du ihr gegenüber schweigst.«

Jake überlegte nur kurz. Schließlich kannte er Melissa so gut wie gar nicht, während er ihre Patentante zu seinen besten Freunden zählte.

---ENDE DER LESEPROBE---