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Seit ihr Mann gestorben ist, verkriecht Carolin sich in ihrer Trauer und meidet alle Menschen. Überraschend erhält sie eines Tages ein Geschenk, das Phillip noch vor seinem Tod für sie ausgesucht hat: ein Katzenbaby. Auf Samtpfoten schleicht es sich in ihr Leben und in ihr Herz, obwohl sein Freiheitsdrang sie gehörig auf Trab hält. Durch die Eskapaden des Kätzchens lernt Carolin ihre Nachbarn besser kennen und gewinnt langsam neuen Lebensmut. Bis zu dem Tag, an dem der Stubentiger verschwindet, und das, obwohl der Winter vor der Tür steht ...
Ein berührender Roman über Trauer, Liebe und die Kraft der Freundschaft.
Der Roman ist vormals unter dem Titel "Phillips letztes Geschenk" von Christiane Lind erschienen.
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Seitenzahl: 222
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Seit ihr Mann gestorben ist, verkriecht Carolin sich in ihrer Trauer und meidet alle Menschen. Überraschend erhält sie eines Tages ein Geschenk, das Phillip noch vor seinem Tod für sie ausgesucht hat: ein Katzenjunges. Auf Samtpfoten schleicht es sich in ihr Leben und in ihr Herz, obwohl sein Freiheitsdrang sie gehörig auf Trab hält.
Durch die Eskapaden des Kätzchens lernt Carolin ihre Nachbarn besser kennen und gewinnt langsam neuen Lebensmut. Bis zu dem Tag, an dem der Stubentiger verschwindet, und das, wo der Winter vor der Tür steht!
Ein berührender Roman über Trauer, Liebe und die Kraft der Freundschaft.
Der Titel ist vormals als »Phillips letztes Geschenk« von Christiane Lind erschienen.
Über Cara Lindon
Cara Lindon ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, die auch mit ihren historischen Romanen im Programm des Aufbau Verlages vertreten ist.
Cornwall ist ihr Sehnsuchtsort, den sie mindestens einmal im Jahr besuchen muss, damit Land und Meer ihre Seele streicheln.
Cara hat ihren Seelenverwandten bereits gefunden und lebt mit ihm und drei Katern in einer kleinen Stadt – leider nicht in Cornwall.
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Cara Lindon
Ein Geschenk auf vier Pfoten
Für Matthias und die Musekater und für meine Mutter und meine Oma, die mir die Liebe zu Büchern schenkten
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Kapitel 1
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Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
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Kapitel 15
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Kapitel 17
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Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Danksagung
Impressum
Im Mai
»Bist du sicher, dass es richtig ist?« Anka wandte den Blick von der Straße und schaute Phillip fragend an. Sie wunderte sich, wo ihr Freund die Kraft hernahm, gemeinsam mit ihr diese Fahrt zu unternehmen. Zusammengesunken kauerte er auf dem Beifahrersitz. Phillip erweckte den Eindruck, als sollte er in einem Krankenhausbett liegen, angeschlossen an Geräte, die sein Leben überwachten. »Meinst du nicht, dass Carolin …«
Ihr fehlten die Worte. Ihr, die sonst niemals um eine Antwort verlegen war, fiel nichts ein, was die Härte dessen abmildern konnte, was sie zu sagen hatte. Wie sollte sie ihrem besten Freund nur beibringen, dass sie seine Ehefrau nicht für eine Tierfreundin hielt?
»Anka«, flüsterte Phillip sanft, als wäre er der Stärkere und nicht sie. »Alles, was du sagen willst, ist sicher richtig, aber …«
Anka nahm eine Hand vom Lenkrad und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Stirn, wie immer, wenn sie Zeit zum Nachdenken benötigte. Sie fühlte sich hin und hergerissen. Einerseits fand sie Phillips Idee, Carolin mit einem Kätzchen zu überraschen, romantisch und liebevoll. Andererseits hielt sie seine Idee für unverantwortlich und dem Tier gegenüber unfair. Anka konnte sich nicht vorstellen, dass Carolin sich wirklich über ein Kätzchen freuen würde. Nicht bei dem, was sie erwartete. Ganz zu schweigen davon, dass Anka sich nicht erinnern konnte, dass Phillips Frau jemals über Tiere geredet hätte oder begeistert auf einen Hund oder eine Katze zugegangen wäre.
»Anka«, wiederholte Phillip mit dieser sanften, leisen Stimme, die so gar nicht zu dem kräftigen, sportlichen Mann passte, den Anka ihr Leben lang gekannt hatte. »Anka, ich will nicht, dass Carolin Weihnachten allein feiern muss.«
»Sie kann mit uns feiern, das weißt du «, widersprach Anka automatisch, ohne weiter nachzudenken. »Ihr seid Weihnachten oft bei uns gewesen.«
»Du kennst Carolin doch«, widersprach Phillip leise. »Sie ist eher eine Einzelgängerin.«
Das war Anka nur zu bewusst und sie fragte sich, wie Carolin die kommende Zeit überstehen sollte, wenn sie niemanden hatte, auf den sie sich stützen konnte. Anka war es gewesen, die Carolin und Phillip zusammengebracht hatte und fühlte sich daher immer ein wenig für die beiden und deren Glück verantwortlich. Carolins Eltern waren früh verstorben, so wie Phillips Mutter. Und zu seinem Vater hatte er seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt. Kein Wunder also, dass die beiden sich eng aneinander festgehalten hatten. Carolin und Phillip, Phillip und Carolin – schon kurz nachdem Ankas bester Freund und ihre Arbeitskollegin ein Paar geworden waren, hatte man sie nur noch zu zweit denken können.
Phillip – das rechnete Anka ihm hoch an – hatte trotz der Enge seiner Beziehung zu Carolin weiterhin Kontakt zu seinen Freunden gehalten, während Carolin … Sie schien keine eigenen Freunde zu haben, sondern hatte sich an Phillips Clique angeschlossen. Stets war sie dabei, ohne jedoch einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Freundlich war sie zu ihnen allen, aber auf eine oberflächliche, desinteressierte Art. Anka und auch Jana und Yvonne hatten versucht, sich mit Carolin allein zu verabreden, was zäh endete. Man saß sich gegenüber, versuchte ein gemeinsames Gesprächsthema zu finden, aber die Schweigepausen wurden länger und länger. Anka und Carolin hatte immerhin die Arbeit verbunden, sodass sie etwas mehr miteinander zu reden fanden. Aber nahe waren sie sich nie gekommen. Trotzdem kannte Anka Phillips Frau gut genug, um Phillips Idee zu hinterfragen.
»Meinst du wirklich, ein Kätzchen wäre ein guter Weihnachtsbegleiter?« Sosehr sie sich auch bemühte, neutral zu sprechen, klangen doch die Zweifel in Ankas Stimme mit. »Mag Carolin überhaupt Tiere?«
Seltsam, wie wenig sie über Carolin wusste, obwohl diese und Phillip bereits fünf Jahre verheiratet waren. Selbst in ihren gemeinsamen Urlauben – sie hatten ein Ferienhaus in Dänemark gemietet – war Carolin eher am Rand geblieben. Stets eng an Phillip gekuschelt, hatte sie sich an den gemeinsamen Spielen beteiligt, allerdings ohne großes Engagement. Carolin war es egal, ob sie gewann oder verlor, während Phillip beim Monopoly immer auf die Parkstraße aus war. Wenn jemand sie nach ihrem Leben oder ihrer Familie fragte, schrak Carolin immer ein wenig zusammen, als wäre sie Teil eines Zeugenschutzprogramms und dürfte nicht darüber reden. Es gab noch eine Schwester, Maike, die ständig auf Reisen war. Ob beruflich oder privat – das hatte Carolin das nicht verraten.
»Ich weiß, du willst Carolin überraschen …« Anka konnte es nicht auf sich beruhen lassen. Sie fühlte sich einem Tier verantwortlich, dem sie noch nicht einmal begegnet war. Obwohl Anka Hundemensch durch und durch war, verspürte sie Mitgefühl mit der Katze, die ein ungewolltes Geschenk sein würde. »Wie wäre es mit einer Wellness-Reise oder so etwas?«
Phillip lachte lauthals. So wie früher. Ein ansteckendes Lachen, mit dem er sofort alle Herzen gewann. Nur dass es heute in einem Hustenanfall endete, was Anka daran erinnerte, warum Phillip unbedingt eine Katze für seine Ehefrau haben wollte.
Nachdem er den Husten überwunden hatte, murmelte Phillip mit schwacher Stimme: »Ach, Ankita, das kannst du nicht ernst meinen. Kannst du dir meine Carolin in einem Wellness-Hotel vorstellen?«
Anka schüttelte den Kopf. Selbst unter Einsatz ihrer gesamten Fantasie konnte sie sich Phillips Ehefrau nicht in einem schicken Hotel im weißen Bademantel vorstellen, wie sie sich die Fingernägel lackieren ließ oder eine Massage genoss.
Carolin war ein burschikoser Typ, mit praktischem Kurzhaarschnitt, kurz geschnittenen Fingernägeln und stets ungeschminkt. So ganz anders, als man sich eine Grafikerin vorstellte. Neben den anderen Frauen im Büro, hatte Carolin stets unglamourös und brav ausgesehen. Ihre Entwürfe jedoch waren mutiger und wilder als die der anderen Beschäftigten. Selbst Dennis, ihr Chef, war von Carolin beeindruckt gewesen, obwohl sie so gar nicht dem Frauentyp entsprach, mit dem Dennis sich umgab.
»Wenn sie ein bisschen mehr aus sich machen würde, wäre sie eine klassisch schöne Frau«, hatte Dennis einmal voller Bedauern zu Anka gesagt, nachdem Carolin ihre Ideen präsentiert hatte. »So feenhaft wie die Hepburn. Kannst du ihr nicht einmal zureden? Damit würden wir Kunden gewinnen.«
Obwohl sie es besser wusste, hatte Anka Dennis’ Wunsch erfüllt und Carolin daraufhin angesprochen.
»Ich verkaufe mein Design, nicht mich«, hatte diese kühl geantwortet. »Das war Dennis’ Idee, nicht wahr?«
Nachdem Anka dies eingestanden hatte, war Carolin zu ihrem Chef gegangen und hatte ihm die Pistole auf die Brust gesetzt. Entweder ließ er sie sein, wie sie war, oder sie würde gehen. Dennis hatte nachgegeben und das Thema nie wieder angesprochen.
Anka verspürte einen Stich des Bedauerns, als sie an ihren Job dachte, den sie vor zwei Jahren aufgegeben hatte, als sie die Zwillinge bekommen hatte. Kinder – und dann noch in anstrengendem Doppelpack – und kreative Arbeit, oft bis spät in den Abend hinein, ließen sich nur schwer miteinander vereinbaren. Sie hatte gehofft, durch Carolin dem Büro verbunden zu bleiben, aber schon bald hatte sich gezeigt, dass ihnen eine gemeinsame Basis fehlte.
»Ankita?« Phillips Stimme holte Anka aus ihren Gedanken und brachte sie zurück zu der Frage, ob sie weiter versuchen sollte, ihm die Katze auszureden, oder nicht.
»Du hast ja recht, aber …« Warum kann ich nicht den Mund halten?, Warum muss ich mit ihm diskutieren? Ich sollte ihm seinen Willen lassen. Doch sie konnte nicht aus ihrer Haut. Selbst für ihn nicht. Für Phillip, für ihren besten Freund, den sie vermissen würde. »Phil, ein Tier ist kein Spielzeug und auch kein Geschenk. Jedenfalls keins, mit dem man jemanden überraschen sollte.«
Er schwieg. So lange, dass Anka sich wünschte, sie hätte nichts gesagt. Schließlich blieb ihr immer noch die Möglichkeit, die Katze nicht abzuholen oder sie nicht bei Carolin abzuliefern, so wie Phillip sich das vorstellte. Nein, das brächte sie nicht übers Herz. Auch wenn sie sich der Samtpfote gegenüber verantwortlich fühlte, würde sie Phillips Wunsch auf jeden Fall erfüllen. Dafür waren Freunde schließlich da. Manchmal musste man eben über seinen Schatten springen, um den besten Freund glücklich zu machen.
»Hast du dir überlegt, ob es eine Katze oder ein Kater sein soll?«, fragte sie daher, nachdem Phillip weiterhin schwieg. Früher hatte sie besser mit ihm schweigen können. Da war einfach die Gewissheit gewesen, dass sie immer füreinander da sein würden, dass auch ein Streit sie nur kurze Zeit entzweien könnte. Jetzt jedoch bewegte Anka sich wie auf dünnem Eis, tastete sich vorsichtig vorwärts, horchte auf jedes Knacken, das die Gefahr des Eisbruchs anzeigen konnte. Heute wünschte sie sich die frühere Unbeschwertheit wieder zurück, obwohl sie wusste, dass es nie wieder so werden konnte. Niemals, seit …
»Ankita. Vertrau mir.« Phillips Stimme war so leise, dass sie sich anstrengen musste, ihn zu verstehen. Auch früher hatte er ruhig und sanft gesprochen. Ein Mann seiner Größe musste so gut wie nie laut werden, um sich durchzusetzen. Aber jetzt, jetzt klang er schwach und matt, was Anka das Herz brach. »Ich hoffe, dass die Katze Carolin die Einsamkeit nimmt. Tiere sind gute Vermittler zwischen Menschen.«
Nun biss Anka sich auf die Lippe, um nicht mit den Worten herauszuplatzen, die sich ihr aufdrängten. Ja, Tiere können Menschen verbinden, drängte es sie zu sagen, aber nur, wenn die das wollen. Und Carolin will niemanden an sich heranlassen, niemanden außer dir. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie ihrer Schwester vertraut. Es gibt bestimmt einen Grund dafür, dass diese ständig auf Reisen ist. Aber all das konnte sie ihrem Freund nicht sagen. Nicht jetzt, nicht heute.
Außerdem war sie sich sicher, dass Phillip Carolin gut genug kannte und sich kaum Illusionen über sie hingab. Wahrscheinlich musste er hoffen, dass seine Frau bereit war, sich zu ändern. Sonst könnte er die Zeit nicht ertragen, die vor ihm lag. Anka konzentrierte sich auf die Straße, damit sie den Tränen nicht freien Lauf ließ, die ihr in die Augen stiegen. Vor Phillip wollte sie nicht weinen; für ihn wollte sie stark sein. So wie er sich bemühte, Stärke zu zeigen. Für sie.
»Wir sind gleich da«, sagte sie, selbst erschrocken über ihre Stimme, die rau und belegt klang von den Tränen, die sie nicht weinte. Anka holte tief Luft und bemühte sich, leichthin zu klingen. »Letzte Gelegenheit, es sich noch anders zu überlegen.«
»Eine von vielen letzten Gelegenheiten«, antwortete Phillip, beinahe so wie in den alten Zeiten. Selbst im Schlimmsten konnte er etwas Gutes entdecken oder etwas Witziges. Das hatte Anka sehr an ihm gemocht, aber heute brachte sein Humor sie nur zum Weinen.
Ob ich wohl jemanden für dich finden werde? Tanja betrachtete das vier Wochen alte schwarze Kätzchen, das zielstrebig davonwackelte, obwohl sie es angesprochen hatte. Ungelenk tapste es über die Holzdielen ihrer Küche, weit entfernt von jeglicher kätzischer Eleganz. Vor drei Tagen hatte ein Junge es ihr gebracht. Am Straßenrand hatte er das kleine Tier gefunden. Allein. Mutterlos. Zum Glück lebte bei Tanja eine Ammenkatze, die den Kleinen angenommen hatte.
Niedlich war das Katerchen ja, mit puscheligem Fell und zartem Gesichtchen. Nur leider war es schwarz, was viele Menschen abschreckte. Außerdem war es ängstlich und – das musste Tanja eingestehen, auch wenn es ihr schwerfiel – weder besonders klug noch interessiert an Menschen. Nur sehr geduldige Leute würden so ein Tier aufnehmen.
Ob die beiden, die sie erwartete, die Richtigen waren? Tanja hatte ein seltsames Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte. Hoffentlich waren das nicht wieder ahnungslose Menschen, die einem Kätzchen etwas Gutes tun wollten, ohne sich wirklich mit den Bedürfnissen eines Tieres beschäftigt zu haben. In den vielen Jahren, die sie nun schon im Tierschutz arbeitete, hatte sie mehr als genug von diesen Wohlmeinenden gesehen, die begeistert von der tapsigen Niedlichkeit der Kätzchen waren. Etliche von ihnen waren später zurückgekommen, weil aus ihren süßen Katzenbabys ausgewachsene Stubentiger geworden waren, die kostbare Vasen umwarfen oder teure Vorhänge hochkletterten. Für das arme Tier bedeutete das, ein Zuhause zu verlieren, ohne dass es begreifen konnte, womit es das verdient hatte.
Tanja versuchte dieser beiderseitigen Enttäuschung stets vorzubeugen, indem sie jedem Interessenten und jeder Interessentin haarklein erzählte, was es bedeutete, mit Katzen zusammenzuleben. Von den Haaren, die immer und überall zu finden waren. Von den Geräuschen und Gerüchen morgendlichen Erbrechens, weil die Katze eine Blume gefressen hatte, die ihr nicht bekam. Von Sesseln und Wänden, die als Kratzbäume missbraucht wurden.
Aber nichts half. Sobald die Menschen die knuddeligen, pelzigen Niedlichkeiten auf vier Pfoten sahen, hörten sie Tanja nicht mehr zu, sondern verfielen dem Charme der Kätzchen.
Daher hatte Tanja ihre Strategie verfeinert. Inzwischen hatte sie einen ausgefeilten Fragenkatalog entwickelt, mit dem sie abprüfen wollte, ob die Interessierten auch wirklich die richtigen für eines ihrer Pflegekätzchen waren. Manchmal kam sich Tanja etwas albern vor, wenn sie das Paar oder die Familie vor sich mit dieser Batterie von Fragen beschoss, aber – so lautete ihre Devise – lieber einen Zweifler abgeschreckt als ein Kätzchen schlecht vermittelt.
Sie schaute auf die Uhr: noch eine halbe Stunde, dann kamen die nächsten Besucher. Die Familie heute Morgen hatte sich so lange für zwei Kätzchen begeistert, bis eines davon auf das Katzenklo gegangen war. Danach hatte sich ein intensiver Geruch im Katzenzimmer verbreitet, der ihnen allen Tränen in die Augen getrieben hatte. Unglaublich schnell war die Familie aufgesprungen und gegangen, von Tanja mit gemischten Gefühlen beobachtet. Gut, diese Menschen waren eindeutig die Falschen; andererseits quoll ihre Pflegestelle über von ungewollten Katzen und deren Babys.
Immerhin hatte sie bei den zweiten Interessenten mehr Glück gehabt. Ein Frauenpaar, deren Katze vor einem halben Jahr gestorben war. Tanja schätzte es sehr, dass die beiden erst einmal um ihr Haustier getrauert und nicht sofort Ersatz geholt hatten. Die beiden Frauen hatten lange mit den Kitten gespielt, geseufzt und gegurrt vor Begeisterung, um sich dann für eine der Mutterkatzen zu entscheiden, die kaum Vermittlungschancen hatte. Bisher ist es ein guter Tag, dachte Tanja. Mal sehen, was er noch bringt.
Pünktlich um 14 Uhr klingelte es. Sanft schob Tanja ein grau getigertes Kätzchen von ihrem Schoß und ging zur Tür. Ein kurzer Blick an sich herunter: Ja, man konnte nicht übersehen, dass sie mit Katzen zusammenlebte. Schwarze Haare bedeckten ihr helles T-Shirt, weißes und graues Fell klebte an ihrer dunklen Jeans. Warum nur legten sich die Kätzchen mit dunklem Fell immer auf helle Kleidung und die weißen Samtpfoten auf dunkle?
Tanja lächelte. Nicht zu freundlich, damit sich die beiden vor ihr bewusst wurden, dass sie einer intensiven Prüfung unterzogen würden. Ein seltsames Paar. Er war beinahe zwei Meter groß und stand leicht gebeugt, wie es lange Menschen oft taten. Sie hingegen war höchstens ein Meter sechzig, kleiner noch als Tanja. Allerdings wirkte sie größer, weil ihre dunkle Lockenmähne in alle Richtungen abstand, als wäre sie gerade erst aus dem Bett gefallen.
»Hallo, ich bin Anka Hoffeld.« Die Frau streckte Tanja ihre Hand entgegen. Ihr Lächeln war so fröhlich und offen, dass man es einfach erwidern musste. »Wir haben telefoniert.«
»Hallo. Ich bin Tanja Rotenbacher.« Sie schüttelte Anka Hoffeld die Hand, bevor sie sich dem Mann zuwandte.
Er sah nicht so aus, als könnte er sich wirklich gut um ein Tier kümmern. Schlank war er, nein hager, und auffallend blass. Dunkle Schatten lagen unter den tiefblauen Augen. Augen wie die einer Siamkatze, dachte Tanja.
»Hallo. Ich bin Phillip. Phillip Landhof.« Er lächelte, was ihn sofort attraktiver wirken ließ. Mit zehn Kilo mehr auf den Rippen wäre er ein Mann, nach dem sich jede Frau umdrehen würde. »Ich bin derjenige, der ein Kätzchen möchte. Für meine Frau. Als Überraschung. Anka ist eine Freundin.«
Tanja biss sich auf die Zunge, um nicht mit den Worten herauszuplatzen, die ihr sofort in den Sinn kamen. Tiere sind keine Geschenke. Das ging Tanja als Erstes durch den Kopf, aber etwas im Blick der tiefblauen Augen ließ sie abwarten, was noch käme.
»Im Moment habe ich mehr Kitten, als wir befürchtet hatten.« Sie seufzte. »Ich zeige Ihnen das Kätzchenzimmer und Sie schauen, ob Ihnen eines der Kleinen gefällt.«
»Bist du wirklich sicher?«, hörte Tanja die Frau flüstern, während sie vor den beiden herging. In den Jahren ihrer Tierschutzarbeit hatte Tanja sich angewöhnt, genau zuzuhören, wenn Interessenten sich unterhielten. »Ich kann mir Carolin wirklich nicht als Katzenfreundin vorstellen.«
»Anka, bitte«, antwortete er mit leisem Seufzen. Seine Stimme klang dunkel, angenehm, aber auch erschöpft und müde. Was es wohl mit ihm auf sich hatte?
»Wollen Sie das Kätzchen in den nächsten Tagen holen?« Tanja stellte die Frage bestimmt zum hundertsten Mal in ihrem Leben. »Oder hat es Zeit?«
»Also.« Der Mann bemühte sich um ein Lächeln, während sein Körper sich krümmte, als hätte er Schmerzen. »Es mag ungewöhnlich klingen, aber ich möchte die Katze erst in acht Wochen …«
»Wir sind hier keine Kätzchenlieferung auf Bestellung«, unterbrach Tanja ihn rüde. Was fiel dem Typen nur ein? Bestimmt hatte er auch genaue Vorstellungen davon, wie sein Haustier aussehen sollte. »Vielleicht sollten Sie Ihrer Frau besser Schmuck schenken.«
Er erwiderte nichts auf ihren Angriff, sondern schaute sie nur an. Aus diesen dunkelblauen Augen, die aussahen, als hätte er Schlimmes hinter sich.
»Phillip, schau dir mal die Kätzchen an.« Die braunen Augen seiner Begleiterin blitzten vor Zorn. »Frau Rotenbacher, kann ich einen Moment allein mit Ihnen reden?«
So ungern Tanja einen Fremden mit ihren Schützlingen allein ließ, etwas in Anka Hoffelds Tonfall ließ sie nicken.
»Mögen Sie auch einen Kaffee?«, fragte Tanja den Mann, der sich im Kätzchenzimmer auf den Boden gesetzt hatte und nun gelassen abwartete, wie die Kleinen auf ihn reagierten. Die ersten kamen bereits auf ihren wackeligen Beinchen herangetapst.
»Nein, danke. Ich bin glücklich und zufrieden.«
Tanja ging in ihre Küche, wo die Futternäpfe noch darauf warteten, gespült zu werden. Während sie Kaffeepulver in den Filter füllte, wappnete sie sich für den Angriff, der bestimmt kommen würde.
»Sie werden sich wundern, aber ich bin Ihrer Meinung«, sagte Anka Hoffeld zu Tanjas Erstaunen. »Ich halte auch nichts davon, dass Phillip seiner Frau überraschend ein Kätzchen schenken will, aber …«
Ihre Stimme brach. Als Tanja sich umdrehte, sah sie zu ihrer Überraschung, dass Anka Hoffelds Unterlippe zitterte, während Tränen über ihre Wangen liefen. Tanja, die noch nie gut mit Menschen und deren Gefühlen umgehen konnte, stand wie erstarrt. Mit vielem hatte sie für heute Nachmittag gerechnet: mit Zorn, Streit, langwierigen Diskussionen, aber niemals mit diesem stillen Weinen.
»Tut mir leid.« Anka Hoffeld schniefte, während sie in ihrer Handtasche wühlte. Endlich schaute sie auf. »Haben Sie vielleicht ein Taschentuch für mich?«
*********
»Waren sie nicht alle niedlich? Die Entscheidung ist mir furchtbar schwergefallen.« Phillip lächelte. Der Nachmittag mit den Kätzchen hatte ihm zu Ankas Verwunderung gutgetan. »Vielleicht hätte ich doch den schwarz-weißen Kater mit dem Pinselstrich über der Nase wählen sollen?«
»Vielleicht solltest du lieber ein älteres Tier aussuchen.« Anka hatte lange überlegt, ob sie ihm das sagen durfte. »Eines, das etwas ruhiger ist und weniger Aufmerksamkeit braucht.«
Sie musterte ihn, unsicher, wie er reagieren würde. Das war ihr heute bitter aufgefallen. Wie vieles hatte sich in den letzten Wochen verändert. Früher hätte sie ihrem besten Freund den Kopf gewaschen, wenn er so eine dumme Idee gehabt hätte. Heute tänzelte Anka um jedes Wort herum, prüfte es dreimal, bevor sie es aussprach.
»Das habe ich auch überlegt.« Phillip schaute Anka so liebevoll an, dass es ihr das Herz zu brechen drohte. Wie sollte sie nur ohne ihn leben? »Die Älteren haben weniger Chancen, aber …«
Ein Schatten zog über sein Gesicht. Dann verzog sich sein Mund, als litte er Schmerzen.
»Aber?«, fragte Anka, wobei sie versuchte, unbeschwert zu klingen, als hätte sie sein Zusammenzucken nicht bemerkt. »Eine ältere Katze ist vernünftiger. Sie braucht weniger Aufmerksamkeit, kann sich um sich kümmern …«
»Wie so oft, meine Liebe, hast du vollkommen recht.« Phillip grinste. Nur ein Schatten seines alten Grinsens, aber besser als nichts. »Doch der kleine Schwarze interessierte sich als Einziger nicht für mich. Er wird sich Carolin weder anbiedern noch aufdrängen.«
»Aber er ist auf sie angewiesen.« Anka versuchte ein letztes Mal, ihren Freund zur Vernunft zu bringen. »Eine der älteren Katzen wäre wirklich …«
»Ich weiß, was du sagen willst«, unterbrach Phillip sie. Er lächelte sein typisches Phillip-Lächeln. »Vernünftig wäre es, aber du liebst mich nicht, weil ich vernünftig bin.«
»Manchmal frage ich mich, warum ich dich dummen Kerl überhaupt liebe.« Spielerisch knuffte Anka ihn auf den Oberarm, wobei sie darauf achtete, die Kraft ihres Schlags zu bremsen. »Mit dir leben könnte ich nie. Ich weiß ganz genau, warum ich nicht dich, sondern Tom geheiratet habe.«
»Was ein Fehler war, wie ich dir immer sagte.« Phillip erwiderte den Knuff, so schwach, dass Anka ihn kaum spürte. Dennoch verzog sie das Gesicht, als schmerzte es. »Aber du wolltest nie auf mich hören.«
Sie hätte weinen mögen. Vor Glück, weil es sich anfühlte wie früher. Diese Momente ungezwungener Scherze hatten sie beinahe vergessen lassen, warum sie heute gemeinsam unterwegs waren. Die Realität schlug ihr ins Gesicht, als Phillip sich hustend krümmte. Hilflos konnte Anka nur zuschauen und hoffen, dass der Anfall bald endete.
»Komm, ich bring dich nach Hause«, sagte sie mit flacher Stimme. Ihre Kraft brauchte sie, um die Tränen zurückzudrängen. »Und wenn du es wirklich willst, kümmere ich mich um Carolins Katze.«
Acht Wochen später, im Juli
Zu Carolins Befriedigung regnete es. Der Himmel war von einem tiefen Grau, als würde er niemals wieder hellblau und freundlich werden, was ihr nur recht war. Den Sonnenschein im Mai, das Blühen im Juni und die strahlend schönen Tage im Juli hatte sie nur ertragen können, indem sie alles aussperrte. Sie hatte die Vorhänge zugezogen und war in ihr Bett geflüchtet.
Warum hat man überhaupt so große Wohnungen? Mir würde ein Schlafzimmer reichen. Und ein Bad natürlich. Obwohl sie nicht sagen konnte, wann sie das letzte Mal geduscht hatte. Mit der Zunge fuhr sie sich über die Zähne, die sich leicht pelzig anfühlten. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass ihre dunklen Haare fettig glänzten. Also war dringend ein Bad fällig.
Carolin steckte den Stöpsel in die Wanne und öffnete den Wasserhahn. Dann schloss sie ihn wieder, als ihr Blick auf die zehn Flaschen mit Schaumbad fiel. Früher hatte sie es geliebt, unter den unterschiedlichen Düften zu wählen, hatte immer neue Sorten gekauft, deren Namen ihr gefielen. Cashmere Bubble zum Beispiel. Aber heute – heute empfand sie den Gedanken, sich eine Duftnote auszuwählen, die ihrer Stimmung entsprach, als bitteren Witz.
So ein Schaumbad gab es nicht. Dark Days müsste es heißen oder Never Sunshine. Aber außer ihr würde das wohl niemand kaufen wollen. Vielleicht sollte sie sich einen Kaffee kochen und dann das Projekt »Baden« in Angriff nehmen. Oder sie konnte das Bad auf morgen verschieben oder auf übermorgen. Es war vollkommen gleich, wie sie aussah und wie sie roch. Schließlich lebte niemand außer ihr hier – und ihr war es vollkommen egal. Mehr noch als egal, wenn es soetwas gab. Nichts interessierte sie mehr. Nichts, was ihr früher Freude bereitet hatte, bedeutete ihr heute noch etwas.
Anfang Juni war Phillip verstorben. Sosehr ihr Ehemann auch gekämpft hatte, die Krankheit hatte ihn schließlich bezwungen. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Im Januar erkannt; zu spät, um noch eine Chance auf Heilung zu haben. Carolins Herz krampfte sich zusammen, wenn sie an den Tag dachte, als Phillip die verhängnisvolle Diagnose erhalten hatte. Natürlich hatte er nicht aufgeben wollen. Sie hatte ihm zur Seite gestanden, hatte ihn zur Chemotherapie begleitet, alles versucht … ohne Erfolg. Bis zum letzten Moment war Carolin bei Phillip geblieben. All ihre Stärke hatte sie aufbringen müssen, um ihn nicht allein zu lassen.
Die Beerdigungsvorbereitungen hatte sie in die Hände ihrer Schwester Maike und von Anka gegeben. Di Beisetzung selbst, die an einem wunderbar sonnigen Junitag stattgefunden hatte, hatte Carolin nur mit Beruhigungsmitteln durchgestanden. Sie hatte nicht glauben wollen, dass in dem Sarg ihr geliebter Phillip lag.
Seitdem fühlte auch sie sich wie tot. Die Tage krochen dahin, einer wie der andere. Aufwachen, Kaffee trinken, irgendetwas essen, was gerade da war. Wieder ins Bett, die Decke anstarren und ihr Leben verfluchen. Erneut aufstehen, wenn sie zur Toilette musste oder ihr Magen knurrte. Danach setzte sie sich im Wohnzimmer aufs Sofa und schaltete den Fernseher an. An manchen Tagen schaute sie stundenlang den Sender, der gerade eingeschaltet war, egal, was lief. Gerichtssendungen, Kochshows, Tierdokumentationen, Nachrichten – all das ließ sie über sich rieseln, ohne es wirklich wahrzunehmen.