Frühlingsleuchten in Cornwall - Cara Lindon - E-Book

Frühlingsleuchten in Cornwall E-Book

Cara Lindon

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Beschreibung

»Du hast so lange an den falschen Mann geglaubt. Lass dir den richtigen nicht entgehen.«

Tierärztin Chesten hat alles, um glücklich zu sein: beste Freundinnen, einen erfüllenden Job und die große Liebe ihres Lebens. Ihr Pech ist, dass er verheiratet ist und sie nur wenige gestohlene Stunden miteinander verbringen. Immer öfter fragt sie sich, ob das alles sein soll, was sie in Zukunft erwartet. Als sie dem geheimnisvollen Biker Darren begegnet, nimmt ihr jedoch Leben eine Wendung, mit der sie niemals gerechnet hätte ... Aber kann sie der Liebe noch vertrauen?

Eine Liebesgeschichte mit hoffnungslos romantischer Heldin, freundlichem Hund, kämpferischem Kater, wunderbaren Freundinnen, treulosem Mann, sowie Herz und Humor.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

»Du hast so lange an den falschen Mann geglaubt. Lass dir den richtigen nicht entgehen.«

Tierärztin Chesten hat alles, um glücklich zu sein: beste Freundinnen, einen erfüllenden Job und die große Liebe ihres Lebens. Ihr Pech ist, dass er verheiratet ist und sie nur wenige gestohlene Stunden miteinander verbringen. Immer öfter fragt sie sich, ob das alles sein soll, was sie in Zukunft erwartet.

Als sie dem geheimnisvollen Biker Darren begegnet, nimmt ihr jedoch Leben eine Wendung, mit der sie niemals gerechnet hätte …

Aber kann sie der Liebe noch vertrauen?

Eine Liebesgeschichte mit hoffnungslos romantischer Heldin, freundlichem Hund, kämpferischem Kater, wunderbaren Freundinnen, treulosem Mann sowie Herz und Humor.

Über Cara Lindon

Cara Lindon ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, die auch mit ihren historischen Romanen im Programm des Aufbau Verlages vertreten ist.

Cornwall ist ihr Sehnsuchtsort, den sie mindestens einmal im Jahr besuchen muss, damit Land und Meer ihre Seele streicheln.

Cara hat ihren Seelenverwandten bereits gefunden und lebt mit ihm und drei Katern in einer kleinen Stadt – leider nicht in Cornwall.

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Cara Lindon

Frühlingsleuchten in Cornwall

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Epilog

Anhang

Porthleven, Land’s End und Erinnerungsbänke

Danksagung

Impressum

Kapitel 1

Vor elf Jahren

Chesten konnte einfach nicht anders. Obwohl sie wusste, dass es schmerzen würde wie ein Huftritt gegen den Oberschenkel, obwohl sie bereits jetzt viel zu spät dran war, musste sie einfach den Umweg fahren. Musste bei Staceys Haus vorbeifahren, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass Yestin, ihr geliebter Yestin, wirklich ihre Konkurrentin zum Abschlussball abholen würde.

Bis zum letzten Moment hatte sie gehofft, dass alles gut ausgehen würde, so wie in einem Märchen, so wie in ihren heiß geliebten Liebesromanen. Chesten war sicher gewesen, dass Yestin in letzter Minute sich doch noch zur einzig richtigen Entscheidung durchringen würde, dass er Stacey versetzen würde und stattdessen zu Chesten auf den Hof gefahren käme. In einer weißen Limousine, so wie Richard Gere in »Pretty Woman«. Also saß sie am Fenster und schaute hinaus, blinzelte kaum, aus Sorge, den Augenblick zu verpassen, in dem Yestin endlich ankäme. Doch die Zeit verging, ohne dass jemand auf den Hof fuhr.

»Warten deine Freundinnen nicht auf dich?« Die Frage ihrer Mum war es schließlich, die Chesten aus ihrer Erstarrung riss. »Soll Dad euch nicht doch fahren?«

»Nein, ich trinke sowieso nichts.« Chesten sprang auf, griff sich irgendeine Jacke und lief zum Auto. Ihre Eltern standen in der Tür des Farmhauses und winkten ihr zu. Chesten erwiderte den Abschiedsgruß, so als wäre alles in Ordnung, als würde ihr Mund sich nicht verzerren und ihre Blicke vor Tränen verschwimmen.

Wenn ich heule, weiß Bree sofort Bescheid. Und dann hält sie mir wieder eine Predigt, dass Yestin der Falsche ist. Das kann ich heute nicht ertragen.

Daher hatte sie die Schultern gestrafft und geschluckt, bis die Tränen endlich versiegten. Sie war vom Hof gefahren, aber nicht zum Bed and Breakfast von Brees Familie, sondern in die andere Richtung, zu Staceys Haus.

Hier stand sie nun, wartete darauf, dass Yestins grüner Ford Focus auftauchte. Doch sie war wohl – wieder einmal – zu spät gekommen. Vor dem großen viktorianischen Haus tat sich nichts. Stacey und Yestin waren bestimmt bereits unterwegs zum Abschlussball. Einen Moment lang überlegte Chesten, ihnen dorthin zu folgen, doch sie hatte ihren Freundinnen versprochen, mit ihnen zu feiern.

Sie startete den Range Rover und versuchte, sich auf den kommenden Abend zu freuen. Schließlich würde sie ihn mit Alys und Bree verbringen, den besten Freundinnen, die man sich nur wünschen konnte. Es fühlte sich verräterisch an, weiterhin traurig zu sein, nur weil Yestin sie versetzt hatte. Er hatte ihr nie versprochen, mit ihr gemeinsam zum Abschlussball zu gehen. Es gab nur einen Menschen, dem Chesten einen Vorwurf machen konnte: sich selbst, weil sie ihn immer noch liebte, obwohl er sich für Stacey entschieden hatte.

»Yestin Hannaford, du wirst mir nicht das Herz brechen. Ich werde Spaß haben, heute Abend. Ohne dich«, sagte sie laut, als könnte sie ihr Versprechen an sich selbst so Wahrheit werden lassen. Ein schneller Blick auf die Uhr: Bree und Alys würden sicher schon warten. Noch ein Grund mehr, sich als die mieseste Freundin der Welt zu fühlen.

Chesten drückte das Gaspedal durch. Vor dem grauen Bed and Breakfast, das aussah wie ein Miniatur-Herrenhaus, drückte sie lang anhaltend auf die Hupe, als könnte sie ihre Trödelei so wettmachen. Bree stürmte aus dem Haus, als könnte sie es nicht erwarten, wegzukommen.

Mist, was erzähle ich ihr nur?

»Tut mir leid.« Chesten musste sich strecken, um die hochgewachsene Bree zu umarmen, die ein Duft nach karamellisiertem Zucker und gebratenen Äpfeln umwehte. »Eines der Ponys war ausgebrochen und ich musste es noch einfangen.«

»Lass uns losfahren. Alys wartet bestimmt.« Irgendwie kam ihre Freundin Chesten unkonzentriert vor, aber sie schob das auf ihr schlechtes Gewissen.

Wie immer, wenn sie sich schuldig fühlte, musste sie plappern und erfand eine dramatische Geschichte, wie sie das flüchtige Pony gejagt hatte. Vergebene Liebesmüh, denn Bree schien kein Wort davon zu hören, sondern starrte aus dem Fenster.

Ahnt sie, dass ich sie belüge? Hat Bree mich durchschaut? Gleich sind wir bei Alys, das wird Bree hoffentlich von mir ablenken.

»Ups, Alys wartet schon.« Chesten hupte und fuhr an den Straßenrand. Dort stand ihre Freundin, die sich mit den Händen die Oberarme rieb. Überrascht hob Bree den Kopf.

»Hallo Love!« Sie ließ das Fenster herab, um Alys einen Kuss zu geben.

»Da seid ihr ja endlich.« Alys legte ihren Rucksack auf den Rücksitz und stieg ein. Nacheinander umarmte sie Bree und Chesten.

»Sorry.« Bree stieß einen Seufzer aus. »Meine Mutter musste mir eine Predigt halten. Du weißt schon: ›Trink nicht so viel.‹«

»Sei um Mitternacht wieder zu Hause«, warf Chesten ein, froh, ein unverfängliches Thema zu haben, in dem sie mit ihren Freundinnen übereinstimmte.

»Stell nichts an, was wir nicht auch tun würden«, sagte Bree.

»Grandma hat wie immer gesagt: ›Ich vertraue darauf, dass du vernünftig bist.‹«, antwortete Alys.

Bree seufzte erneut. »Kann sie mich nicht adoptieren?«

»Ach, so toll ist das auch nicht.« Alys zog eine Grimasse. »Deine Mutter hat dich bestimmt darauf hingewiesen, dass Turnschuhe die klügere Wahl sind. Ich friere jetzt schon. Wie wird das erst, wenn die Sonne untergegangen ist?«

»Ich hab Champagner dabei.« Bree hob ihren Rucksack hoch. »Du musst nur genug trinken, dann wird dir schon warm.«

»Meine Mutter hat uns Sandwiches gemacht und Scones eingepackt.« Chesten bog in eine schmale Straße ein, die von einer hohen Hecke umsäumt war. Sie konzentrierte sich aufs Fahren, um nicht an Yestin denken zu müssen, der bestimmt gerade mit Stacey tanzte.

Bree antwortete irgendetwas, doch Chestens Gedanken waren bereits wieder zu Yestin gewandert. Wie hatte er ihr nur sagen können, dass sie seine große Liebe war, um sich dann für Stacey zu entscheiden?

»Ich würde jedes Mal in Panik geraten«, sprach Bree sie an, sodass Chesten sich auf ihre Freundin konzentrierte. »Diese engen Wege – und dann die Hecken an der Seite … Das ist nichts für mich.«

Chesten fand nichts Besonderes daran, als sie den Range Rover geschickt zurücksetzte, um einen Volkswagen vorbeizulassen. Wenn alles nur so einfach wäre!

»Wenn du wie ich mit acht Jahren Treckerfahren gelernt hast, fällt dir Autofahren leicht. Alles nur Übung.«

Endlich hatte sie die von hohen Bäumen überdachte Straße erreicht, die zu ihrem Strand führte. Bree, wie immer ungeduldig, sprang heraus, noch bevor Chesten den Zündschlüssel umgedreht hatte, und ging zum Kofferraum. Nachdem ihre Freundinnen die Picknicksachen gegriffen hatten, blieb Chesten die Tüte mit dem Feuerholz. Nun, wo sie sich ihrem Strand näherte, begann Vorfreude auf ihre Feier in Chesten die Traurigkeit zu vertreiben.

»Friends are forever«, stimmte Bree laut und falsch den Song an, den sie zu ihrer Hymne erklärt hatten. »Lovers may leave but friends are forever … foooooorever«, fielen Chesten und Alys ein.

Es fühlte sich falsch an, dieses Lied zu singen, wo sie doch beinahe den Abend mit ihren Freundinnen für Yestin aufgegeben hätte. Aber das wäre ein Fehler gewesen, denn es stimmte: Freundinnen blieben, während man Männern nicht trauen konnte. Fast hätte sie den Gedanken laut ausgesprochen und hob erschrocken die Hand vor den Mund.

Bree legte ihren rechten Arm um Alys, um Chesten den linken. Gemeinsam gingen sie zum Meer. Die Ebbe hatte einen breiten Streifen hellen Sands freigelegt, der dazu einlud, die Schuhe auszuziehen, um die Zehen darin zu vergraben.

Obwohl sie verspätet waren, meinte der Himmel es gut mit ihnen. Sein helles Blau war klar, die leuchtend rote Sonne war deutlich zu sehen.

»Seht nur«, sagte Chesten, als der Himmel sich orange und rot färbte. Das weiche Licht tauchte die schroffen grauen Klippen in ein geheimnisvolles Licht, beinahe mystisch. Schaumkronen tanzten auf dem Wasser und rollten langsam in ihre Richtung. Sturmtaucher und Seeschwalben segelten nahezu schwerelos im Wind. Frei zu fliegen, das wünschte sie sich auch. Wie schön es hier war, so schön, dass ihr Herz zu zerspringen drohte.

»Das wollt ihr wirklich verlassen?«, fragte sie ihre Freundinnen bestimmt das hundertste Mal. »So etwas Wundervolles haben weder London noch New York zu bieten.«

»Kommt, lasst uns feiern«, lautete Brees Antwort. »Ich habe Durst, ihr nicht?«

Gemeinsam suchten sie sich einen windgeschützten Platz und hoben eine Grube für das Lagerfeuer aus. Chestens Aufgabe war es – so wie immer –, sich um das Feuer zu kümmern, während Bree die Decke ausbreitete und das mitgebrachte Essen auf den Picknicktellern verteilte. Für kurze Zeit war nur das Pfeifen des auffrischenden Windes und das leise Rauschen der Brandung zu hören.

»Nur nicht sentimental werden, Mädels«, unterbrach Bree die Stille. »Egal, was unser Leben bringt, wir werden immer Freundinnen sein. Mach mir einen Royal Pimm’s, Barfrau.«

»Sehr gerne! Öffne den Champagner, Darling.«

Chesten beobachtete, wie Alys Gurke, Zitrone und Erdbeeren in Stücke schnitt und in zwei hohe Gläser füllte. Großzügig schüttete sie den Pimm’s Likör darüber, dessen Geruch Chestens Nase traf. Sie mochte dessen Bitterkeit nicht. Bisher hatte sie noch keinen Alkohol gefunden, dessen Geschmack ihr zusagte. Also goss sie sich Ginger Ale ein und erhob ihr Glas. »Auf uns. Auf die besten Freundinnen, die man sich wünschen kann.«

»Bye, bye, Comprehensive School. Jetzt kommt das Leben.« Auf Bree wartet das Abenteuer, dachte Chesten mit einer Spur von Neid. »Morgen bin ich weg. Ich werde euch vermissen.«

»Wir wollten doch nicht sentimental werden«, sagte Alys, deren Stimme belegt klang. »Lasst uns essen. Ich verhungere gleich.«

»Na endlich, ich dachte, du fragst nie. Ihr wisst doch, dass ich auf meine Figur achten muss als zukünftiges Plus-Size-Model.« Bree verteilte die randvollen Teller. So lecker das Essen auch roch, so appetitlich Bree es auch angerichtet hatte, Chesten hatte einfach keinen Hunger.

»Vielleicht hätten wir doch zur Feier gehen sollen …«, sprach sie ihren Gedanken aus, was sie gleich bedauerte. Ihre Freundinnen würden sie sicher nicht verstehen. »Schließlich macht man den Schulabschluss nur einmal im Leben.«

Wie sie es erwartet hatte, wechselten Bree und Alys den Blick, den Chesten viel zu oft von ihnen zu sehen bekam.

»Die ganze Schulzeit über sind die anderen uns auf die Nerven gegangen, haben uns doof behandelt und jetzt soll ich so tun, als wäre alles gut?« Wie immer fand Bree sehr deutliche Worte. »Weil es so ein besonderer Moment ist, will ich ihn mit euch verbringen. Nicht mit arroganten Tussis und dämlichen Jungs.«

»Ich hatte gehofft, dass Yestin …« Chesten schaute zu Boden. Warum hatte sie nur davon angefangen? Sie würde ihnen noch den letzten gemeinsamen Abend verderben – und das alles wegen eines Jungen, der bestimmt nicht einen Gedanken an sie verschwendete.

Alys nahm sie in die Arme. »Ach, Darling. Yestin hat nur Augen für Stacey. Und du bist viel zu gut für ihn.«

Chesten wünschte sich, sie hätte den Mund gehalten. Ihre unglückliche Liebe zu Yestin war etwas, mit dem sie allein klarkommen musste. Wie sollten Bree, die Herzen brach, oder Alys, die sich von ihrem Freund getrennt hatte, weil es vernünftig war, sie verstehen können? Chesten selbst konnte nicht einmal begreifen, warum sie ihn so sehr liebte, trotz all der Enttäuschungen. Wie oft hatte er sie verraten, wie oft hatte sie ihm verziehen. Aber heute war es genug. Wenn er mich nicht zum Abschlussball einlädt, werde ich ihn aus meinem Leben streichen – das war ihr Vorsatz.

»Haltet ihr an euren Plänen fest?«, fragte Alys. »Warum bleiben wir nicht hier? Hier ist es schön. Millionen Touristen können sich nicht irren.«

»Sofort nach dem Uni-Abschluss kehre ich zurück.« Chesten konnte nicht verstehen, dass ihre Freundinnen unbedingt wegwollten. »Mum braucht mich auf dem Hof. St. Bartholomew ist eine schöne Stadt. Mir fehlt hier nichts.«

Bis vor Kurzem hatten ihre Eltern den Hof gemeinsam geführt, aber er warf immer weniger Gewinn ab. So hatte ihr Vater eine Stelle beim Gartenbauamt in Penzance angenommen. Der Gedanke, dass sie den Hof vielleicht ganz aufgeben mussten, weil Mum es irgendwann nicht mehr schaffen würde, drehte Chesten den Magen um. Nein, bevor es so weit kam, würde sie zurück sein.

»Bäh. Viel zu klein. Das einzig Interessante ist Branok Manor.« Warum nur war Bree so bitter? »Ich will so weit wie möglich weg. Nur raus aus der Enge. Etwas erleben. Die Welt sehen. Erst New York, dann Mailand, Paris …«

»Und du, Alys?« Chesten streckte die Hand aus und strich Alys über den Arm. »Willst du wirklich Betriebswirtschaft studieren? Du hast so ein großes Talent …«

»Das stimmt«, mischte sich Bree ein. »Wenn ich malen könnte wie du, würde ich Kunst studieren oder Design.«

Alys’ Antwort nahm Chesten nur mit halbem Ohr wahr, weil ihre Gedanken wieder wanderten, weil sie erneut Vorsätze fasste.

Wenn ich erst an der Uni bin, werde ich Yestin vergessen. Selbst, wenn ich nach St. Bart zurückkehre, werde ich ihn keines Blickes würdigen.

Es ist vorbei. Für immer.

Kapitel 2

Heute, im Januar

Heute Abend würde sie ihn endlich wiedersehen. Chesten schaute zum zehnten Mal auf ihre Armbanduhr, ein altmodisches Modell, das einmal ihrem geliebten Vater gehört hatte. Deren Zeiger wollten sich einfach nicht bewegen.

»Haben Sie noch’n Termin?« Mr. Angove rückte näher heran, um ihre Arbeit zu überprüfen. Sein Pfeifenrauchduft mischte sich mit dem scharfen Geruch der Kühe. »Seien Sie gründlich.«

»Sie müssten die Ställe häufiger ausmisten.« Chesten klopfte der Kuh auf die warme Flanke. Vorsichtig stellte sie deren Huf ab, nachdem sie ihn gesäubert und desinfiziert hatte. »Dann haben die Kühe weniger Probleme.«

»Die sind meist auf der Weide.« Mr. Angove kratzte sich am Mundwinkel. Der Landwirt beobachtete Chesten misstrauisch. Das kannte sie nur zu gut. Viele der älteren Bauern sprachen einer Tierärztin weniger Kompetenz zu als einem Mann. Daher predigte sie auch viel zu oft tauben Ohren, was ihr für die armen Tiere entsetzlich leidtat.

»Aber wenn sie reinkommen, müssen sie sauberes Stroh haben.« Sie suchte nach einem überzeugenden Argument. »Bessere Streu bedeutet weniger Tierarztkosten.«

»Ihr seid eh zu teuer.«

Diese Diskussion führte sie jetzt nicht, weil sie sowieso nicht zu gewinnen war. Innerlich seufzte sie tief auf, aber nach außen blieb sie gelassen und kompetent.

»Schauen Sie.« Chesten hob den anderen Hinterhuf der Kuh, die sich schwer auf sie lehnte. »Feuchtes Stroh führt zu Zehenhautentzündung. Ich muss ihr Antibiotika geben.«

»Wie soll ich das schaffen?« Die Falten um seine Augen vertieften sich, als Mr. Angove aufseufzte. »Ich bin allein und nicht mehr der Jüngste.«

»Können Sie niemanden einstellen?«

»Von den Jungen will doch keiner arbeiten. Die leben alle lieber von der Wohlfahrt.«

Noch eine Diskussion, die sich nicht lohnte.

»So, das war’s.« Nachdem sie ihr die Spritze gegeben hatte, klopfte Chesten die Kuh erneut, die sichtlich erleichtert war, ihr entkommen zu können. »Waren das alle?«

»Ja.«

»Was ist mit der humpelnden Katze?«

»Für die gebe ich kein Geld aus.«

Es schien ihr, als ob er sie lauernd ansah. Obwohl sie nicht groß war, musste er zu ihr aufschauen. Das Alter und die harte Arbeit eines Landwirts hatten ihn schrumpfen lassen. Einen Moment rang sie mit sich, aber wie immer setzte sich ihre Tierliebe durch. Auch wenn sie es nicht beweisen konnte, ahnte sie, dass die Bauern über sie sprachen. Über die Tierärztin, die das Kleinvieh umsonst behandelte. Dabei brauchten die Landwirte die Katzen als Mäusefänger und die Hunde als Wachhunde. Aber sobald die armen Tiere krank wurden, wurden sie unnütze Fresser. Und Kosten durften sie sowieso nicht verursachen. Also mussten sie von allein gesund werden oder elend zugrunde gehen. Aber nicht solange Chesten die Bauernhöfe betreute.

»Lasst euch nicht vom Mitgefühl leiten«, hörte sie die Stimme von Dr. Ellery, ihrem Chef, in ihrem Kopf. »Entweder sie zahlen oder ihr behandelt ihre Tiere nicht.«

Chesten und ihre Kolleginnen nickten brav, wenn er wieder einmal diese Rede hielt, aber die meisten von ihnen hielten sich nicht an die Vorgabe. Schließlich waren sie Tierärztinnen geworden, um Tieren zu helfen, und nicht, um für jede Behandlung Geld zu nehmen.

Allerdings stimmte Chesten ihrem Chef zu, dass sie aufpassen mussten, sich nicht ausnutzen zu lassen. Wenn die Landwirte sie für sentimentale Frauen mit weichen Herzen hielten, dann würden sie sich nie ausreichend um ihre Nutztiere kümmern.

»Was ist mit der Katze passiert?«

»Ist zu nahe an den Hund gekommen.«

»Lässt sie sich einfangen?«

»Ja, ist ’ne freundliche. Wollen Sie einen Tee?«

»Nein, danke.«

Einmal war Chesten auf dieses Angebot hereingefallen und hatte mit Todesverachtung den bitteren, lauwarmen Tee getrunken, weil sie höflich sein wollte.

Sie wartete, bis der Landwirt in das kleine windschiefe Haus gegangen war, dem ein Anstrich gutgetan hätte. Auch die Zäune brauchten dringend jemanden, der sie gerade richtete und die Lücken füllte. Gab es Organisationen, die Bauern unterstützten, wenn sie ihren Hof nicht mehr allein bewirtschaften konnten? Sollte sie sich darum kümmern oder war Mr. Angove zu stolz, um Almosen anzunehmen?

Diese Frage konnte sie später noch klären, jetzt galt es, der Katze zu helfen, die ihr vorhin aufgefallen war. Chesten meinte sie zu kennen, von einer Kastrationsaktion, die sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Hannah im letzten Jahr durchgeführt hatte. Es war nicht einfach gewesen, die Landwirte davon zu überzeugen, aber letztlich hatte sich Hannahs Charme durchgesetzt.

»Komm her, Miez«, lockte sie den Grautiger an und ging in die Knie, um weniger bedrohlich zu wirken. Doch das war gar nicht nötig. Mit hochgerecktem Schwanz und freundlichem Gurren humpelte die Katze auf sie zu. Sie schmiegte ihren Kopf in Chestens Hand und schien die Streicheleinheiten sichtlich zu genießen.

»Wie kommt es nur, dass du so zugewandt bist?«, sprach sie mit sanfter Stimme auf die Katze ein, während ihre Finger vorsichtig nach Verletzungen oder Schmerzstellen tasteten. »Keine Sorge, das kriegen wir wieder hin.«

Chesten angelte in ihrer Jackentasche nach einem Katzenleckerli, wie sie immer eins dabeihatte. Man wusste ja nie, wann man einer hungrigen Katze begegnete.

»Es tut mir leid, das wird jetzt ein wenig piksen.« Während die Katze sich an den Leckerlis gütlich tat, zog sie eine Spritze auf. Sanft nahm sie die Katze und hielt sie am Nackenfell fest. Es wäre leichter gewesen, wenn Mr. Angove ihr geholfen hätte, aber darauf wollte Chesten nicht setzen.

»Was hat sie? Ist es schlimm?«

Unverhofft war der Landwirt aufgetaucht. Zu Chestens Verwunderung beugte er sich zu der Katze herab und kraulte ihr den Kopf. So glücklich, wie der Grautiger die Augen schloss, schien sie die Liebkosung zu kennen.

Wahrscheinlich ist er ein einsamer Mann, der sich ebenso wie die Katze darüber freut, wenn jemand nett zu ihm ist.

»Sie hat Glück gehabt. Nichts gebrochen. Ich habe ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben.«

»Wenn’s hilft.«

»Nächste Woche schaue ich nach den Kühen.« Chesten kämpfte mit sich. Er war ein alter Mann, aber trotzdem … solange er Tiere hielt, musste er für sie sorgen. »Kümmern Sie sich um den Stall.«

Nach einer kurzen Pause ergänzte sie »Bitte«, denn Höflichkeit macht bittere Worte leichter, wie ihre Mutter ihr beigebracht hatte.

Er nickte.

»Ich seh dann auch nach der Katze.«

Ein weiteres Nicken.

Als sie zu ihrem Auto ging, fiel Chesten auf, dass sie gar nicht mehr an ihre Verabredung gedacht hatte. Wie so oft war es ihrer Arbeit gelungen, sie von allen Gedanken an ihre unglückliche Liebe abzulenken. Doch nun, sobald sie etwas Zeit für sich hatte, stürmten die Fragen wieder auf sie ein: Würde er wirklich kommen oder würde er erneut kurzfristig absagen?

Sie blieb stehen, um an das Holz eines windschiefen Baums zu klopfen. Toi, toi, toi. Wenn es um ihre Liebe ging, war sie abergläubisch. Nur nichts beschwören und ein Unglück herbeireden.

Wie so oft überlegte sie, einmal die zu sein, die einen gemeinsamen Abend unerwartet absagte, aber wie jedes Mal, wenn sie diesen Gedanken gefasst hatte, brachte sie es nicht über sich. Sie sah ihren Geliebten ohnehin viel zu selten. Mit einer Racheaktion würde sie sich mehr treffen als ihn. Es gibt immer einen, der mehr liebt – das hatte sie irgendwo gelesen und mit Schrecken erkannt, dass sie wohl diejenige war, für die das galt. Obwohl er ihr immer das Gegenteil beteuerte, wenn sie zusammen waren.

Als ihr Smartphone klingelte, das natürlich im Handschuhfach lag, sprintete sie so schnell zurück zum Auto, wie es ihr in Gummistiefeln möglich war. Für Tage auf den Bauernhöfen waren ihre lilafarbenen Hunter-Gummistiefel Gold wert, aber schnell laufen konnte man in den Dingern wirklich nur schlecht.

Natürlich lag das Handy weit unten. Mit hektischen Fingern schob sie Spritzen, verpackt in Plastik, Medikamente und Handschuhe zur Seite, immer in Sorge, dass das schrille Klingeln plötzlich abbrechen würde. Aber sie hatte Glück.

»Chesten Gwynn«, sagte sie atemlos.

»Hi, Love.« Es war Hannah, ihre Kollegin. »Kannst du noch auf dem Hof der Burrows vorbeischauen? Zwei Schafe haben wohl etwas Falsches gefressen.«

Mist! Ausgerechnet heute.

»Ich habe eigentlich Feierabend und heute Abend ausnahmsweise etwas vor.«

»Es dauert bestimmt nicht lange. Sorry, aber alle anderen sind nicht erreichbar.«

Ja, weil sie klug genug waren, ihr Telefon auszuschalten. Ich muss das endlich auch lernen.

»Okay, ich mach’s. Dafür schuldest du mir einen Gefallen.«

»Ja?«

»Hast du eine Idee, wie wir Mr. Angove helfen können? Die Arbeit wächst ihm über den Kopf.«

Kurzes Schweigen.

»Das FCN.«

»Klar, da hätte ich selbst draufkommen können. Danke.«

Das Farming Community Network unterstützte Landwirte in England und hoffentlich fände sich hier ein Freiwilliger, der Mr. Angove zur Seite stand. Das würde sie heute Nacht irgendwann erledigen, aber erst einmal …

Chesten schaute auf ihre Uhr. Wenn sie sich beeilte und die Schafe nicht ernsthaft krank waren, würde sie es noch rechtzeitig nach Penzance schaffen. Allerdings musste sie dann hoffen, dass ihr Geliebter sich verspätete, damit sie noch duschen und sich umziehen konnte. Der Geruch nach Kuh- und Schafsdung war wahrlich kein Aphrodisiakum.

Vielleicht kann ich so seine angeblich unsterbliche Liebe zu mir testen. Wenn er mich wirklich begehrt, dann sollte ihn so ein bisschen Schafscheiße nicht stören.

Kapitel 3

Obwohl sie viel schneller gefahren war als erlaubt, kam sie eine Viertelstunde zu spät zu ihrer Verabredung. Chesten parkte schief ein, sprang aus dem Auto und rannte zur Rezeption. Beide Schlüssel hingen noch am Board.

Puh. Glück gehabt. Er ist auch zu spät. Dann kann ich noch duschen.

Doch sofort folgte die Angst, die Furcht, die jedes Treffen begleitete. Die Sorge, dass er nicht käme, dass er wieder einmal kurzfristig absagte, sodass alles Sehnen und Hoffen vergeblich gewesen war. Manchmal wagte sie es gar nicht mehr, sich auf ihn zu freuen, damit die Enttäuschung nicht zu groß wäre.

Das war es eben – das Schicksal der anderen Frau, der Geliebten, der Nebenfrau, der zweiten Frau. Wie immer sie es auch nannte, es blieb der unangenehme Beigeschmack, dass sie ein Störfaktor war, dass sie die Böse in einem ihrer Liebesromane wäre. Die Frau, die ein Glück zerstörte, das sich ein Paar für immer und ewig versprochen hatte.

In ihren geliebten Romanen erhielt so eine Frau nie ein Happy-End, sondern eine gerechte Strafe dafür, dass sie beinahe den Helden und die Heldin auseinandergebracht hätte. Auch ohne diese Drohung fühlte sich Chesten elend genug, weil sie es einfach nicht schaffte, sich von ihm zu lösen.

Die Liebe ist wirklich eine verdammte Himmelsmacht.

Eilig wickelte sie sich in ein abgewetztes weißes Handtuch und legte sich aufs Bett. Ihr Smartphone zeigte keine Nachricht. Also würde er sich nur verspäten. Sie seufzte. Besser spät als nie. Solche Sprüche fand sie doof, aber leider auch zutreffend. Sie hasste es, auf ihn warten zu müssen, weil ihr dann immer dieselben Gedanken, dieselben Zweifel durch den Kopf gingen.

Yestin! Es war immer Yestin gewesen, von der Comprehensive School an bis heute. Nur, als sie zum Studium nach Bristol gegangen war, hatte sie die Hoffnung gehegt, eine andere Liebe zu finden. Aber kein Mann hatte in ihr so tiefe Gefühle wecken können wie er.

Als sie nach St. Bart zurückgekehrt war, war das geschehen, was geschehen musste. Sie war Yestin begegnet und sofort dem alten Zauber erlegen. Obwohl er Stacey geheiratet hatte, weil ihm das einen sicheren Posten als Architekt in der Baufirma ihres Vaters einbrachte.

Immer hatte Stacey zwischen ihnen gestanden.

Manchmal, wenn sie Stacey in der Stadt begegnete – was sich in einer kleinen Stadt wie St. Bart nicht vermeiden ließ –, war Chesten sich sicher, dass die andere Frau Bescheid wusste, dass sie über Chesten triumphierte, weil Yestin ihr gehörte und immer gehören würde.

Unglaublich, dass sie niemals erwischt worden waren. Sicher, sie trafen sich nie in St. Bart, sondern suchten sich Hotels in St. Just oder Penzance oder St. Ives, aber Cornwall war klein. Schließlich war Yestin durch seine Bautätigkeit eine lokale Berühmtheit – und auch Chesten kannte viele Menschen aus St. Bart, obwohl sie deren Namen nur selten im Kopf behielt. An die der Tiere jedoch erinnerte sie sich immer.

Sie fühlte sich billig, in einem Hotelzimmer auf ihn zu warten. Fast so, als ob er für sie und ihre Zeit zahlte und nicht nur für dieses anonyme Zimmer in einem schlichten Hotel in Penzance. Weit genug weg von St. Bart, damit niemand sie finden könnte. Immerhin bin ich ihm das wert, dachte sie und erschrak über die Bitterkeit ihrer Gedanken. Gestern im Spiegel hatte sie entdecken müssen, dass die scharfen Linien an ihren Mundwinkeln sich weiter vertieft hatten. Wenn ich nicht aufpasse, ende ich als traurige und bittere Frau.

Nun, wo Alys und Bree ihr Glück gefunden hatten, fühlte sie sich noch einsamer und verzweifelter und trauriger. Im März würde sie 31 Jahre alt und wäre als Einzige allein.

Um sich abzulenken, holte sie ihre Kamera hervor und sah sich die Bilder der Bänke an, die sie heute fotografiert hatte. Vor fünf Jahren, als Yestin sie versetzt hatte, war sie enttäuscht durch Penzance gegangen und hatte sich am Hafen auf eine Bank gesetzt. In ihrer Traurigkeit nahm sie die kleinen Messingschilder das erste Mal bewusst wahr.

Worte, die Familien zur Erinnerung an geliebte Menschen hier verewigt hatten. Chesten sprang auf, lief von Bank zu Bank, um die Inschriften zu lesen, um sich zu überlegen, was für Geschichten sich hier verbargen. Am nächsten Tag war sie mit ihrer Kamera zurückgekehrt, um die Bänke zu fotografieren. Und seit dem Tag sammelte sie Namen fremder Menschen in einem Album.

Die Versprechen auf ewige Liebe und Erinnerung rührten ihr Herz, so wie die Bank in St. Ives mit der Inschrift für ein Paar.

Loves last gift – rememberance

Treasured memories of our parents

Joseph & Minnie (Tracey) Willis

Reunited for eternity

Wie immer begleiteten sie ambivalente Gefühle: Wärme und Freude über die schönen Worte und die tiefe Liebe, die aus ihnen sprach, mischte sich mit Trauer, weil bestimmt nie jemand so etwas über sie schreiben würde.

Während sie noch überlegte, welche der Fotos sie löschen oder behalten wollte, klingelte ihr Smartphone. Sofort schlug ihr Herz einen Salto.

Tired of being alone – diesen Klassiker von Al Green hatte sie Yestin zugewiesen. Die Ironie war an ihm leider vollkommen vorbeigegangen.

»Ich freue mich auf dich.« Hoffentlich hörte er die Anspannung in ihrer Stimme nicht.

»Chessie.« Das dunkle Timbre ließ alles Düstere schmelzen, bis nur noch ihre Liebe zu ihm blieb. »Es tut mir so leid.«

Da erst fiel ihr auf, dass er flüsterte. Wahrscheinlich versteckte er sich wieder in irgendeiner Ecke, um seiner Geliebten abzusagen, weil ihm Wichtigeres dazwischengekommen war.

Bitterkeit stieg in ihr auf, so tief, dass sie sie beinahe schmecken konnte. Warum ließ sie sich das gefallen? Warum stellte sie ihm kein Ultimatum?

»Aber …«, begann sie in der verzweifelten Hoffnung, wenigstens eine halbe Stunde mit ihm gewinnen zu können. »Kannst du nicht …«

»Sorry, Love«, unterbrach er sie. Sein Flüstern wurde leiser und drängender. »Ich muss auflegen. Ich liebe dich.«

Bevor sie antworten konnte, ertönte das charakteristische Knacken und sie war allein.

»Ich hasse dich für das, was du mir antust!«, schrie sie das Telefon an. Langsam und vorsichtig, wie eine alte Frau, rollte sie sich vom Bett und zog sich an, dabei gegen Tränen aus Trauer und Wut ankämpfend. Wieder ein einsamer Abend, ein weiteres gesprochenes Versprechen. Ich sollte Buch führen, damit ich weiß, wie viel Schmerz er mir bringt.

Oft hatte sie sich an Tagen wie diesen Verzweiflungstaten überlegt. Stacey wollte sie besuchen und mit ihr über alles reden. Sich von ihr ertappen lassen, damit Yestin sich entscheiden musste.

Sich von ihm trennen – das hatte sie dreimal versucht und war dreimal gescheitert. Je mehr Jahre verstrichen, desto mehr wünschte sie sich, aus diesem Teufelskreis ausbrechen zu können, aber ihr Herz, ihr verdammtes, verräterisches Herz zog sie immer wieder zu ihm. Trotz der einsamen Feiertage, trotz der vielen Stunden vergeblichen Wartens wollte ihr Herz seine Liebe nicht aufgeben. Sobald sie zusammen waren, vergaß sie das alles, vergaß die Traurigkeit, die leeren Stunden. Sie gehörten einfach zusammen. Nicht nur, dass ihre Körper sich zueinander hingezogen fühlten, nein, Yestin und sie waren Seelenverwandte.

Ihr Zorn auf ihn hielt selten lange an, wusste sie doch nur zu gut, dass auch er unter der Situation litt, unter seiner Unfähigkeit, sich von Stacey zu trennen, seinem fehlenden Mut, zu Chesten und seiner Liebe zu stehen.

Chesten griff nach ihrem Telefon.

»Mum, ich bin heute früher zu Hause. Hast du gekocht oder soll ich etwas vom China-Imbiss mitbringen?«

»Geht es dir gut, Liebes? Du klingst traurig.« Noch immer schwang ein leichter Klang des deutschen Akzents im Englisch ihrer Mutter mit. Chesten hatte den Eindruck, er wäre stärker geworden, seitdem Mum nach Dads Tod in ihre Heimat zurückgekehrt war.

»Ein armer alter Bauer, kranke Kühe … das Übliche. Also, soll ich nun etwas mitbringen?«

»Ich koche uns schnell ein paar Nudeln.«

Auch ihre Mutter legte auf, bevor Chesten antworten konnte.

Seit Weihnachten war sie nun schon zu Besuch und machte keinerlei Anstalten, in nächster Zeit wieder nach Deutschland zurückzufahren. Chesten liebte ihre Mum, aber das Zusammenleben mit ihr erwies sich als nicht einfach. Um ehrlich zu sein, wurde es von Woche zu Woche schwieriger. Sie beide waren starke Frauen mit eigenem Kopf.

Außerdem machte Mums Anwesenheit es nicht leichter, sich für heimliche Stunden mit Yestin davonzustehlen. Manchmal fühlte Chesten sich wieder als 15-Jährige, die heimlich aus dem Fenster kletterte, um sich mit ihrem Liebsten – natürlich Yestin – zu treffen.

Früher hatte es sie in eine dunkle Leere gestürzt, wenn Yestin kurzfristig absagte; inzwischen hatte sie gelernt, damit zu leben. Sie gab den Schlüssel an der Rezeption ab – Yestin zahlte immer – und machte sich auf den Heimweg.

Dreimal hielt sie an und stieg aus, um Fotos zu schießen. Sie benötigte die Zeit, um die letzte Traurigkeit abzuschütteln, sonst würde Mum sofort erkennen, wie unglücklich sie war.

Hugh und Grant, ihre Kater, die auf der blauen Bank unter dem Küchenfenster gelegen hatten, begrüßten sie.

»Ja, ich habe euch eine Leckerei mitgebracht. Wo ist Orlando?«

Als hätte er nur auf ihre Worte gewartet, schoss der winzige schwarze Kater hinter der Regentonne hervor und stürzte sich auf das Trockenfutter, als hätte er tagelang nichts zu fressen bekommen.

Chesten öffnete die Haustür und trat ein, gefolgt von den Katern.

»Warst du wieder Bänke fotografieren?« Ihre Mum deutete auf die Kamera. »Das ist ein wenig morbide, das weißt du.«

»Wollen wir nicht eine Bank für Dad errichten?«

»Ich brauche keinen Ort, um mich an Tomas zu erinnern.«

»Aber ich vielleicht.«

»Wenn du ihn nicht in deinem Herzen trägst, nützen dir weder ein Friedhof noch eine Bank.«

»Ich weiß. Es ist nur …«

Chesten kratzte sich an der Augenbraue. Ja, sie war mit der anonymen Beerdigung ihres Dads einverstanden gewesen, weil er das so gewollt hatte. Aber es fehlte ihr nun ein Ort, an dem sie ihn finden konnte. So wie Alys mit ihrer Grandma auf dem Friedhof sprechen konnte, so wünschte sie sich etwas, das sie mit ihrem Vater verband. Eine Erinnerungsbank wäre perfekt – aber sie ahnte, dass es schwer würde, ihre Mum davon zu überzeugen.

»Du bist viel zu jung, um so fasziniert vom Tod zu sein.«

»Mich interessiert nicht der Tod, mich interessiert das Leben.«

Ihre Mutter sah nur das Offensichtliche: dass Menschen gestorben waren. Für Chesten jedoch bedeuteten die Inschriften mehr: jemand war so sehr geliebt worden, dass man die Erinnerung an einen öffentlichen Ort tragen wollte.

»Dann lebe, trenn dich von deiner Affäre und finde dein Glück.«

»Das steht hinter den Gedenktafeln. Sie erzählen Geschichten. Von Liebe und Glück und Familie und …« Chesten seufzte. »Du begreifst es einfach nicht.«

»Vielleicht verstehe ich es besser, als du denkst.«

»Das glaube ich nicht.«

»Du suchst das Leben anderer, weil deines nicht glücklich ist.«

»Das stimmt nicht!« Wie konnte Mum so etwas Gemeines nur behaupten? »Ich liebe meinen Job, meine Freundinnen, das Haus, meine Tiere.«

»Und den falschen Mann.«

»Man braucht keinen Mann, um glücklich zu sein.«

»In deinen Romanen steht etwas anderes, nicht wahr?«

»Mum!«

»Ich bin deine Mutter. Wenn ich dir nicht die Wahrheit sage, wer dann?«

»Für mich ist es gut, wie es ist.«

Ihre Mutter seufzte.

»Dann zeig mir die Bänke, die du gefunden hast.«

»Hier, schau, die habe ich in St. Ives entdeckt. Diesen Mann hätte ich gern kennengelernt.«

In loving memory

Brian Leigh 1931-2009

A loving husband, dad and grandad

A true gentleman and friend

Made a difference to everyone he met

Kapitel 4

Was war das nur für eine Welt? Vorsichtig bremste Darren auf der regennassen Straße ab und fuhr an den Straßenrand. Erst beim dritten Versuch fand er im Matsch einen Standplatz, an dem das Motorrad nicht einsackte. Nachdem er seine Maschine sicher abgestellt hatte, ging er zu dem hellen Bündel, das er eben aus dem Augenwinkel gesehen hatte.

Ja, leider hatte er sich nicht geirrt. Hier lag ein angefahrener Hund, der leise wimmerte. Immer wieder versuchte das Tier, sich aufzurichten, aber dafür fehlte ihm entweder die Kraft oder seine Verletzung war schlimmer, als sie auf den ersten Blick aussah. Auch wenn er kaum etwas von Hunden verstand, erkannte er diese Rasse sofort, da ein Onkel so einen besessen hatte. Der gedrungene, muskulöse Körper und die kantige Schnauze wiesen ihn als Bullterrier aus. Wäre er nicht so verdreckt und blutig, hätte Darren sicher über den Anblick des Hundes lächeln müssen. Die Färbung sah einfach zu urig aus. Der Hund war weiß bis auf die dunkle Nase und einen dunklen Fleck über dem rechten Auge, der an die Augenklappe eines Piratenkapitäns erinnerte.

»Alles wird gut. Ich helfe dir.« Beim Klang seiner dunklen Stimme hob der Hund den ovalen Kopf. Gefährlich sah er aus, selbst jetzt, wo er sich nur zitternd und zaghaft bewegte. Vorsichtig ging Darren neben ihm in die Knie und murmelte dabei weiter beruhigend auf den Bullterrier ein.

Fuck! Es sieht übel aus. So viel Blut. Und ich habe gehofft, im idyllischen Cornwall kann ich dem entkommen. Kann ich mich näher an ihn heranwagen oder wird er mich beißen, weil er Schmerzen hat?

Darren zog das Smartphone aus der Jackentasche. Am besten war es wohl, nach einer Tierarztpraxis zu googlen. Kein Empfang.

Verdammt, wie wollte er das arme Viech mit seinem Motorrad zum Tierarzt fahren? Mal ganz abgesehen davon, dass er nicht wusste, ob der Hund überhaupt transportfähig war.

Sanft strich er dem Bullterrier über den Kopf, wobei er sprungbereit blieb, sollten die kräftigen Kiefer zuschnappen. Stattdessen kam eine gewaltige rosafarbene Zunge aus dem Maul und leckte Darren die Hand.

»Was ist dir nur passiert, Junge?« Darren schaute nach Verletzungen. Blut sickerte aus einer für ihn nicht sichtbaren Wunde auf der anderen Seite ins schmutzige Gras. »Hattest du einen Autounfall?«

Obwohl der Hund sicher furchtbare Schmerzen litt, schien er zu merken, dass Darren es gut mit ihm meinte. Er wimmerte nicht mehr und richtete seine Ohren auf, als wollte er kein Wort verpassen.

»Wir schaffen das, mein Großer«, murmelte Darren und strich vorsichtig über die Flanke des Bullterriers. Der Hund atmete schwer, als bereitete ihm jeder Atemzug Schmerzen. »Irgendetwas fällt mir ein. Auf jeden Fall werde ich dich hier nicht so liegen lassen.«

Mit großen Schritten ging er zu seiner Maschine, nahm die Regenkombi und eine Decke heraus. Gut, dass er große Packtaschen hatte und für vieles gerüstet war. Wenn seine Maschine einen Beiwagen hätte, könnte er den Hund transportieren.

»Ist es gefährlicher, dich dort im Kalten liegen zu lassen oder dich hochzuheben? Nicht, dass ich dir das Rückgrat breche.« Auch wenn er keine Antwort von dem Hund erwarten konnte, half es beim Nachdenken, die Worte auszusprechen. »Ich muss es riskieren. Vorsicht, das kann wehtun.«

Als Darren den Bullterrier hochhob und auf die Regenkombi legte, hob der Hund den Kopf, um ihm erneut die Hand zu lecken. Nachdem er noch eine Decke über den Bullterrier gelegt hatte – Menschen sollte man nach Unfällen warmhalten, Hunde hoffentlich auch –, ging Darren ein paar Schritte die Straße herunter und blickte auf sein Smartphone. Hinter ihm ertönte wieder das leise Wimmern.

Verflucht! Auch hier hatte er keinen Empfang. Also kein Taxi. Kurz überlegte er, den Notruf zu wählen, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass die Polizei sich für einen angefahrenen Hund interessierte. Und Ärger wollte er sich mit ihnen nicht einhandeln.

Da blieb ihm nur eins: trampen.

Leicht würde das nicht werden, erkannte Darren, als er an sich herunterschaute. Die schwarze Lederkleidung, die Harley Fat Boy hinter ihm und der ominöse Haufen unter der dunklen Regenkombi am Straßenrand wirkten keinesfalls vertrauenerweckend. Doch bis St. Bart waren es noch mindestens drei Meilen und er war sich nicht sicher, ob der Hund einen Fußweg überstehen würde, selbst wenn er ihn vorsichtig auf den Armen trüge.

Ich könnte schnell nach St. Bart fahren und dort Hilfe suchen. Nein, ich kann den Hund nicht allein lassen. Er jammert ja schon, wenn ich mich nur ein bisschen von ihm entferne. Außerdem soll er nicht allein sein, wenn er stirbt. Niemand sollte das.

Darren seufzte.

»Ich geh nicht weit weg.« Er beugte sich über den Bullterrier. War dessen Atem etwa noch flacher geworden? »Aber ich muss Hilfe für dich finden.«

Der Hund schloss die Augen, als hätte er Darrens Worte verstanden und würde sein Schicksal in dessen Hände legen. So viel Vertrauen konnte Darren einfach nicht enttäuschen.

Obwohl er nicht viel Hoffnung hatte, stellte er sich mit hochgerecktem Daumen neben sein Motorrad. Weit und breit war kein Auto zu sehen. Was für ein verdammtes Pech! Musste der arme Hund ausgerechnet auf einer der am wenigsten befahrenen Straßen einen Unfall haben? Es war doch ein Unfall gewesen, oder? Über die Alternativen wollte Darren nicht nachdenken. Das hätte ihm den Glauben an die Menschheit endgültig genommen. Nicht, dass der noch besonders groß gewesen wäre.

Der Wind lebte auf und wehte ihm die dunklen Haare ins Gesicht. Ja, er musste dringend einmal wieder zum Frisör, aber weshalb, niemanden interessierte es, wie er aussah. Hoffentlich begann es nicht auch noch zu regnen. Nein, ausnahmsweise war das Schicksal auf seiner Seite, die Wolkendecke riss auf und die Sonne blendete ihn, sodass er die Hand vor die Augen zog.

Im Gegenlicht hätte er den dunklen Wagen beinahe übersehen, der auf der anderen Seite fuhr. Ob es ihm gelänge, jemanden zu überreden, die Richtung zu wechseln für einen Hund, der garantiert den Kofferraum vollbluten würde? Egal, er musste es versuchen.