Cornwall-Liebe in der kleinen Buchhandlung - Cara Lindon - E-Book
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Cornwall-Liebe in der kleinen Buchhandlung E-Book

Cara Lindon

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Beschreibung

»Du musst deinem Herzen folgen, um das Glück zu finden.« Hannah, eine bücherliebende Verlagsmitarbeiterin, spürt eine Sehnsucht nach Veränderung und Erfüllung in ihrem Leben. Als sie den Auftrag erhält, in der Vorweihnachtszeit undercover als Buchhändlerin in Porthlynn zu arbeiten, ergreift sie die Chance. In der charmanten Kleinstadt begegnet sie Ethan, dessen kleine Buchhandlung mit der drohenden Schließung kämpft. Während Hannah zwischen ihrer Karriere und den wachsenden Gefühlen für Ethan jongliert, nähert sich das Weihnachtsfest. Wird die Magie der Bücher Hannah helfen, ihr Glück zu finden und den Buchladen zu retten - und vielleicht auch die Liebe ihres Lebens zu gewinnen? Eine zauberhafte Wintergeschichte, die das Herz berührt und die Seele wärmt. Tauche ein in die malerische Kulisse von Cornwall und erlebe mit Hannah eine Reise voller Emotionen. Werde Teil einer Geschichte über den Mut, dem eigenen Herzen zu folgen und das Leben zu ändern. Das Buch ist Teil der "Sehnsucht nach Cornwall"-Reihe, kann jedoch alleinstehend gelesen werden.

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Cara Lindon

 

Cornwall-Liebe in der kleinen Buchhandlung

 

Roman

 

 

Das Buch

»Du musst deinem Herzen folgen, um das Glück zu finden.«

Hannah, eine bücherliebende Verlagsangestellte, verspürt den Wunsch nach Veränderung und Erfüllung in ihrem Leben. Als sie das Angebot erhält, in der Vorweihnachtszeit undercover als Buchhändlerin in Porthlynn zu arbeiten, ergreift sie die Chance.

In der charmanten Kleinstadt lernt sie Ethan kennen, dessen kleiner Buchladen kurz vor der Schließung steht. Während Hannah zwischen ihrer Karriere und ihren wachsenden Gefühlen für Ethan jongliert, steht Weihnachten vor der Tür. Wird die Magie der Literatur Hannah helfen, die Buchhandlung zu retten - und vielleicht sogar die Liebe ihres Lebens zu finden?

Eine zauberhafte Wintergeschichte, die das Herz berührt und die Seele wärmt.

Tauche ein in die malerische Kulisse Cornwalls und erlebe mit Hannah eine Geschichte über den Mut, das eigene Leben zu verändern.

 

 

Die Autorin

Cara Lindon ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, die bei den Verlagen Knaur, Rowohlt und Aufbau sowie im Selbstverlag veröffentlicht hat.

In Cornwall verliebte sie sich Hals über Kopf, als sie für die Recherche zu einem Roman an einem verregneten Tag im Mai dort ankam. Seitdem ist der Landstrich ihr Sehnsuchtsort, den sie mindestens einmal im Jahr besuchen muss, damit Land und Meer ihre Seele streicheln.

Cara hat ihren Seelenverwandten bereits gefunden und lebt mit ihm, einer schüchternen Katze und einem etwas mutigeren Kater in einer kleinen Stadt, leider nicht in Cornwall.

www.cara-lindon.de

www.facebook.com/CaraLindonAutorin

https://www.instagram.com/cara.lindon/

 

 

Cara Lindon

 

Cornwall-Liebe in der kleinen Buchhandlung

 

Roman

 

 

Impressum

 

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023

AIKA Consulting GmbH, Berliner Straße 52, 34292 Ahnatal

All rights reserved

 

 

Covergestaltung: www.BookCoverStore.com

Lektorat: Julia K. Rodeit

Korrektorat: Regina Merkel

 

 

Kapitel 1

 

Ist das wirklich das, was ich will? Hannah starrte auf den Stapel Papier, der sich in den letzten Tagen auf ihrem Schreibtisch aufgebaut hatte. Von wegen papierloses Büro. Es kam ihr vor, als würde sie mit Ausdrucken überschwemmt, ohne dass es ihr je gelingen würde, diese Flut einzudämmen. Als ihr Telefon klingelte, war sie beinahe froh, abgelenkt zu werden.

»Hannah Swift, Palmer's Page Turners.” Obwohl sie schon drei Jahre bei der Buchhandelskette arbeitete, brachte sie den furchtbaren Namen nur schwer über die Lippen. Den hatte sich bestimmt so ein Marketingmensch ausgedacht, der nie in seinem Leben Zeit mit Büchern verbracht hatte und sie garantiert nicht so liebte wie Hannah.

»Alistair hier. Komm bitte in mein Büro.«

»Gleich?«

»Sofort.«

»Okay, bin gleich da.«

Aber ihr Chef hatte bereits aufgelegt. So war Alistair Palmer, kein Wort zu viel, immer kurzangebunden, immer bedeutsam.

Einen Moment lang überlegte Hannah, ob sie nicht erst einen der vielen Briefe bearbeiten sollte, nur um Alistair zu zeigen, dass sie nicht sofort sprang, wenn er rief. Aber nein, so weit waren sie nicht. Ihr Verhältnis war immer noch etwas angespannt und Hannah wollte ihrem Chef keinen Grund geben, sich über ihre Arbeit zu beschweren .

Also stand sie auf und öffnete die Tür zu dem langen Flur, der zu Alistairs protzigem Büro führte. An den taubenblauen Wänden hingen gerahmte Fotos der Bücher, die in dem letzten Jahr den meisten Umsatz gebracht hatten. Palmer’s Page Turners war so groß, dass sie eine eigene Bestsellerliste führten – und die meisten Verlage rissen sich darum, hier einen Platz zu erhalten.

Langsam schlenderte Hannah an den Covers vorbei, die entweder blutige Thriller oder rosarote Liebesromane zeigten. Beides waren nicht ihre liebsten Genres, aber darum ging es bei ihrem Job auch nicht.

Als Hannah sich bei Palmer’s Page Turners beworben hatte, hatte sie gedacht, sie könnte ihre Liebe zu Büchern leben. Stattdessen beschäftigte sie sich überwiegend mit Zahlen und Strategien. Palmer’s ging es nicht darum, Bücher zu veröffentlichen oder zu rezensieren, hier ging es nur ums Verkaufen.

Hannah arbeitete in der Abteilung, die dafür sorgen sollte, dass Palmer’s weiterwuchs. Meist darüber, dass sie kleine Buchhandlungen aufkauften oder sie aus dem Geschäft drängten, indem sie in der gleichen Straße einen Buchladen eröffneten. Eine Geschäftspraktik, über die Hannah lieber nicht allzu gründlich nachdenken wollte. Sie redete sich ein, dass es ohne Palmer’s noch weniger Menschen gäbe, die lasen. Und sie hoffte, irgendwann in eine Abteilung versetzt zu werden, in der sie Autoren und Büchern näher war.

Hannah seufzte, als sie Alistairs Büro erreichte. Seine Tür war geschlossen, obwohl Palmer’s sich rühmte, eine Büropolitik der offenen Türen zu fahren. Aber das galt nur für die Ebenen unter dem Big Boss.

»Geh nur rein«, sagte Vicky, Alistairs Assistentin, und verdrehte die Augen. »Aber sei gewarnt, seine Hoheit hat mal wieder üble Laune.«

»Danke.« Hannah mochte die schlanke Vierzigjährige, die die Einzige war, die sich von Alistair nicht einschüchtern ließ. Das mochte daran liegen, dass Vicky einen Meter neunzig groß war und daher auf beinahe jeden herabschaute.

Da sie ihren Chef kannte, ersparte Hannah sich das Klopfen und öffnete ohne Umschweife die Tür.

»Hallo, Alistair.«

»Hannah.« Er drehte nicht einmal den Kopf weg von seinem Computerbildschirm, um sie zu begrüßen. »Setz dich.«

Nachdem sie Platz genommen hatte, sah Hannah sich um, obwohl sich in dem Büro nichts verändert hatte. Aber so konnte sie die Zeit verbringen, bis Alistair sich endlich dazu herabließ, mit ihr zu sprechen. Sie hätte doch noch ihre Post bearbeiten sollen!

Ihr Blick glitt über die Sitzecke, in der sich drei schwere Ledersessel um einen Glastisch gruppierten, hin zu den Regalen aus Stahl, in denen die Geschäftsberichte neben den Bestsellern des vergangenen Jahres standen. Im nächsten Jahr würden sie den aktuellen Topbüchern Platz machen und in irgendeinem Schrank verstaut werden.

Oh, es gab doch etwas Neues: das Gemälde über der Sitzgruppe war ausgetauscht worden. Im letzten Monat hatte dort noch eines der farbenprächtigen Blumenbilder eines japanischen Künstlers gehangen. Es war durch ein beige-braunes Gemälde ersetzt worden, in dem Hannah erst auf den zweiten Blick mehrere nackte Frauen erkannte. Schnell wandte sie sich ab und Alistair zu, der sie angrinste. Sie zog es vor, so zu tun, als hätte sie es nicht bemerkt.

»Ich habe ein interessantes Angebot für dich«, sagte ihr Chef. «Es geht um eine Buchhandlung in Cornwall. Ich möchte, dass du dort undercover recherchierst, ob es sich lohnt, sie zu übernehmen.«

Hannah war überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Chef sie für einen solchen Auftrag auswählen würde. »Warum ich? Das ist doch eher für Nachwuchskräfte.«

In ihrem ersten Jahr bei Palmer’s hatte sie diese Jobs übernehmen müssen – und es nie gemocht. Sie war zu gradlinig, um anderen Menschen etwas vorzuspielen. Vor allem dann, wenn es um deren Existenz ging.

»Ich weiß, dass du die Richtige dafür bist«, erklärte ihr Alistair und verzog das Gesicht, als wäre es unter seiner Würde, seine Entscheidungen zu begründen. »Außerdem gibt es in unserer Firma niemanden, der sich besser mit Buchhandlungen auskennt als du.«

»Wie lange soll ich dort bleiben?«, erkundigte sich Hannah, da sie wusste, wie chancenlos sie gegen Alistair war. »Was bekomme ich dafür, wenn ich dorthin gehe? Wer wird meine Aufgaben übernehmen?«

Eigentlich war es eine verführerische Vorstellung, die Zahlen und Papiere gegen echtes Buchhandlungsleben einzutauschen, aber das durfte sie ihren Chef nicht merken lassen. Bei Alistair musste man hart verhandeln, um etwas durchzusetzen.

»Naomi kann deine Aufgaben übernehmen.« Alistair hatte anscheinend bereits alles durchgeplant. »Bis Weihnachten solltest du dir ein Bild gemacht haben.«

»Dann verpasse ich London im Weihnachtsschmuck«, sprach Hannah das Erste aus, was ihr in den Sinn kam. Sie liebte es, die Großstadt voller Lichter, Engel und Christbäume zu sehen. »Ist es nicht ein bisschen viel Aufwand für eine Buchhandlung?«

»Du kennst mich zu gut.« Alistair nickte ihr anerkennend zu. »Wenn du schon vor Ort bist, kannst du dir noch ein paar andere Buchhandlungen an der Küste ansehen.«

»Wo ist vor Ort?«

»Porthlynn.«

»Das liegt ganz im Süden, nicht wahr?« Hannah dachte nach. Warum eigentlich nicht? In London gab es nichts mehr, was sie hielt. Aber so schnell würde sie nicht nachgeben, sonst hätte Alistair gewonnen. »Wann soll es losgehen?«

»So bald wie möglich. Die Stelle bei Coastal Reads steht seit gestern im Internet.«

»So schnell kann ich nicht aufbrechen. Außerdem muss ich erst einmal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten.« Sie schüttelte vehement den Kopf. »Ich muss Naomi einweisen, muss meine Wohnung untervermieten und alles organisieren.«

»Das bekommst du schon hin«, sagte Alistair und zuckte mit den Schultern. »Überleg mal, was das für deine Karriere bedeuten könnte. Wenn dir das gelingt, stehen dir alle Türen offen.«

Meinte er wirklich, sie fiele auf so ein abstraktes Versprechen herein? Er sollte sie besser kennen.

»Was bekomme ich konkret dafür?«

Als ihr Chef erneut grinste, wusste Hannah, dass er genau das von ihr erwartet hatte. Sie war zäh und gab in Verhandlungen nicht so schnell klein bei. Das mochte er an ihr. Normalerweise hätte sie den Job übernommen, zwar mit Bauchschmerzen, aber ohne allzu großes Zögern. Heute allerdings konnte sie den Verdacht nicht abschütteln, dass Alistair sie loswerden wollte.

Ob Justin dahintersteckte? Nein, an ihn wollte Hannah auf keinen Fall denken. Doch wie von selbst wanderte ihr Blick zu dem Foto, das Justin, Alistair und sie zeigte. Vor drei Monaten hatte das Buchhandelsmagazin eine Fotostrecke für eine Story über Palmer’s geschossen, aber noch nicht gebracht.

»Also, Alistair, was bietest du mir an?«

»Den Job, den du schon so lange haben willst.« Alistair verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. »Unter der Bedingung, dass du nicht darüber sprichst.«

Meinte er das ernst? Nur mit Mühe gelang es Hannah, ihr Pokerface beizubehalten. So lange hatte sie sich schon gewünscht, in der Abteilung zu arbeiten, die Veranstaltungen organisierte. Hier kam man mit Autoren in Kontakt, durfte beruflich Bücher lesen und in Buchhandlungen reisen.

»Okay, dann haben wir einen Deal.« Hannah erhob sich und nickte ihrem Chef zu. »Ich bitte Chloe, alles zu organisieren.«

»Ich zähle auf dich.« Alistair wandte sich bereits wieder den Zahlenkolonnen zu, die über seinen Bildschirm wanderten.

Porthlynn. Cornwall. Vor zwanzig Jahren hatte Hannah dort mit ihren Eltern einen Urlaub verbracht. Sie erinnerte sich dunkel an viel Regen, das Meer und Scones mit Clotted Cream und Marmelade. Und an viele Touristen. Im Winter würden es sicher weniger sein. Mist! London in Weihnachtsstimmung würde ihr fehlen. Egal wie schlecht es Hannah ging, die Londoner Weihnachtslichter und die ausgefallenen Dekorationen der Geschäfte schafften es immer, sie in bessere Stimmung zu versetzen.

Ob es so etwas auch in Cornwall gab? Ob es dort Schnee gab? Das waren Fragen, die ihre Assistentin Chloe für sie klären konnte. Im Kopf machte Hannah sich eine Notiz, dass Chloe auch über die Buchhandlung namens Coastal Reads recherchieren sollte. Hoffentlich waren die Buchhändler dort nicht wunderbare Menschen, denen Hannah ihr Geschäft nehmen sollte.

Was nutzte das? Wenn sie den Job nicht übernahm, wäre es jemand anderes. Aber sie könnte dafür garantieren, dass die Inhaber von Coastal Reads einen fairen Preis erhielten. Das würde Alistair zwar nicht gefallen, aber er würde es akzeptieren, da war Hannah sich sicher. Sie eilte den Flur entlang, winkte ab und zu einer Kollegin zu, hatte aber keine Zeit für etwas Bürotratsch.

»Chloe«, sagte sie zu ihrer Assistentin, einer hübschen Blondine mit stets guter Laune. »Der große Meister schickt mich nach Cornwall, in einen Ort namens Porthlynn. Suchst du mir bitte Zugverbindungen heraus, ein paar Informationen über die Stadt und andere in der Region?«

»Und über die Buchläden dort?« Chloe dachte mit.

»Ja, danke.« Hannah lächelte ihr zu. »Ich muss kurz mit Naomi reden. Sie wird meine Aufgaben übernehmen. Ihr kommt miteinander aus, nicht wahr?«

Für einen winzigen Augenblick runzelte Chloe die Stirn, aber dann nickte sie. »Das wird schon klappen.«

Hatte Hannah etwas verpasst? Sie versuchte, sich, soweit es möglich war, aus den Bürointrigen herauszuhalten und war oft erstaunt, was bei Palmer’s alles geschah, ohne dass sie es bemerkte. Ohne Naomi oder Chloe hätte Hannah wohl einiges nicht erfahren.

»Nae, hast du Zeit für mich?« Im Büro ihrer Freundin sah es ähnlich aus wie in Hannahs. Auf dem Schreibtisch, auf dem kleinen Tisch, den beiden Besucherstühlen und in den Regalen stapelten sich Papiere, Zeitschriften und Bücher.

»Für dich immer, Darling.« Naomi stand auf und umarmte Hannah. »Was wollte der große Zampano von dir?«

»Ich frage mich, wieso du immer so schnell alles erfährst.« Hannah lachte.

»Gute Kontakte.« Naomi wackelte mit den Augenbrauen. »Mehr darf ich dir nicht verraten.«

Wie so oft war Hannah froh, dass die Londonerin im gleichen Jahr wie sie bei Palmer’s angefangen hatte. Ohne Naomi hätte sie das erste Jahr wohl nicht durchgehalten. Ihre Freundin hatte ihr gegen Intrigen beigestanden, ihr gut zugeredet, wenn Hannah wieder einmal alles hinwerfen wollte, weil sie die Undercover-Arbeit nicht mochte, und gemeinsam mit Hannah gefeiert, nachdem sie beide in die Strategieabteilung versetzt worden waren.

»Dann verrate ich dir nicht, weshalb Alistair mich zu sich beordert hat.« Neugier war Naomis einzige Schwäche, wie Hannah zu gut wusste. »Dann sage ich dir nur, dass du für mich einspringen musst.«

Naomi nahm eine Strähne ihres langen hellbraunen Haars und wickelte sie um den Zeigefinger, wie immer, wenn sie nachdachte.

»Also kann ich mir schon einmal denken, dass du weggehst.« Sie verengte die dunkelbraunen Augen. »Du wirst nicht befördert, das wüsste ich. Sag schon, was ist es?«

»Du wirst dich bis heute Abend gedulden müssen. Komm bei mir vorbei. Ich koche uns etwas und erzähle dir dann alles.«

»Willst du mich wirklich sooo lange im Dunkeln lassen?«

»Tut mir leid, ich muss noch alles vorbereiten.« Hannah warf ihr eine Kusshand zu und verließ das Büro.

 

Kapitel 2

 

Zwei Wochen später suchte Hannah zusammen, was sie mit nach Porthlynn nehmen wollte. Dank der tüchtigen Chloe kannte sie die beste Zugverbindung, hatte ein Zimmer für fünf Tage in einem kleinen Hotel und wusste, dass Coastal Reads einem Mann namens Ethan Beswetherick – ein typisch kornischer Name, wie Chloe meinte – gehörte, der auch noch als Anwalt arbeitete. Das machte die ganze Sache spannend.

Schnee erwartete sie wohl nicht, eher Regen und Nebel. Hannah hielt ihren geliebten Wollpullover vor sich. Sollte sie ihn mitnehmen oder wäre das übertrieben? Ihr Koffer war ohnehin schon voll und sie hatte noch nicht einmal Lesestoff eingepackt. Vielleicht sollte sie sich ein Auto mieten, aber Hannah hasste es, Auto zu fahren und die Straßen in Cornwall waren wirklich eng.

»Ach was«, sagte sie halblaut. »Bücher sollte ich bei Coastal Reads bekommen, Regenkleidung und alles andere gibt es vor Ort.«

Außerdem war London nur fünf Stunden per Zug von Penzance. Wenn ihr alles zu viel würde, könnte sie am Wochenende nach Hause fahren. Denn Alistair war ungewöhnlich großzügig gewesen und hatte sich bereit erklärt, die Hälfte von Hannahs Miete zu übernehmen. Auch wenn sie das freute, machte sie dieses Angebot auch misstrauisch, denn Großzügigkeit gehörte normalerweise nicht zu den Charakterzügen ihres Chefs. Bevor sich Hannah weiter mit der Frage beschäftigen konnte, erklang ihre Türklingel.

Justin? Ihr verräterisches Herz machte einen Sprung, während ihr Kopf ihr sagte, dass sie sich keine Hoffnung machen sollte. Trotzdem ließ Hannah alles liegen und lief zur Tür, die sie aufriss.

»Hallo Nae.« Obwohl sie ihre Freundin mochte, spürte Hannah einen Stich der Enttäuschung. »Mit dir habe ich nicht gerechnet.«

Schließlich hatte sie mit ihrer Freundin gestern Abend Abschied gefeiert und mit ihr heute im Büro die Übergabe gemacht.

»Ich konnte dich nicht ohne Abschiedsfeier gehen lassen.« Naomi schwenkte eine Flasche Sekt und eine Flasche Pimms. »Ich hoffe, du hast Gurke und Obst da.«

»Der Kühlschrank ist leer.« Hannah zuckte mit den Schultern. »Aber im Eisfach ist Eis und irgendwo eine Flasche Aperol. Ich muss packen.«

»Besser als nichts.« Naomi ging in die Küche und Hannah hörte ihre Freundin dort rumoren.

Hannah warf den dicken Lieblingspullover in den Koffer und versuchte, ihn zu schließen.

»Soll ich mich draufsetzen?« Naomi kam ins Zimmer und ließ sich mit einem Cocktail in der Hand aufs Bett fallen. »Dein Glas steht in der Küche. Ich wollte dich nicht vom Packen ablenken.«

»Ja, versuch dein Glück.« Nachdem Naomi das Glas abgestellt hatte, setzte sie sich auf den Koffer und es gelang Hannah, ihn zu schließen. Während sie die Kleidung, die nicht mehr hineingepasst hatte, in den Schränken verstaute, musterte Naomi sie fragend.

»Kannst du mir bitte erklären, warum du London verlassen willst? Ich meine, du liebst doch diese Stadt!«, sagte Naomi und nippte an ihrem Cocktail. »Was hat der alte Griesgram dir angeboten, dass du nach Cornwall gehst?«

»Ich brauche mal Abwechslung. Sicher, ich liebe die Stadt, aber ich habe es satt, immer die gleichen Leute zu treffen«, sagte Hannah und stopfte ein paar T-Shirts in den Rucksack, den sie noch mitnehmen wollte.

»Meinst du einen bestimmten?«, fragte Naomi und sah sie prüfend an. »Ich könnte verstehen, wenn du …«

»Nein!« Hannah blickte auf und schüttelte den Kopf. »Nein, den meine ich nicht. Ich meine die Stadt im Allgemeinen.«

»Ach, komm schon, Hannah. Ich weiß, dass du noch an Justin hängst«, sagte Naomi und legte ihre Hand auf Hannahs Schulter.

»Ich weiß nicht, ob ich ihn wirklich wiederhaben möchte. Aber noch gehe ich ihm lieber aus dem Weg.« Hannah seufzte. »Aber es ist nicht der einzige Grund.«

Naomi zog die Augenbrauen hoch und lächelte. »Und was ist der andere Grund?«

»Es ist eine Chance «, sagte Hannah und schloss den Koffer. »Alistair hat mir versprochen, dass ich endlich in die Event-Abteilung wechseln darf.«

»Wow. Das erzählst du mir erst jetzt!« Naomi starrte sie aus großen Augen an.

»Alistair hat verlangt, dass ich niemandem davon erzähle.« Hannah zuckte mit den Schultern. »Ich vertraue auf deine Verschwiegenheit.«

»Ich beneide dich.« Naomi trank einen großen Schluck. »Versprich mir, dass du mich so schnell wie möglich in die Abteilung nachholst.«

»Großes Ehrenwort.« Hannah zwinkerte ihr zu. »Lass uns in die Küche gehen. Ich brauch was zu trinken.«

Gemeinsam gingen sie in die Küche und setzten sich auf die Barhocker an den Tresen. Naomi reichte Hannah ein Glas und schenkte sich selbst noch einmal nach.

»Ich kann verstehen, dass du die Chance nutzen willst. Aber glaubst du wirklich, dass es sich lohnt, alles hier zurückzulassen?«

Hannah zuckte die Schultern. »Ich denke schon. Außerdem sehe ich das als bezahlten Urlaub an. Ich werde in Cornwall sein und kann am Meer spazieren gehen. Das ist besser, als hier in der Stadt zu sitzen und zu grübeln.«

Naomi lächelte. »Okay, ich gebe zu, das klingt verlockend. Aber meinst du nicht, dass er derjenige ist, der die Stadt verlassen sollte? Schließlich hat er dich übel abserviert.«

Hannah zögerte einen Moment, dann seufzte sie. »Ja, er war nicht nett zu mir. Aber das ist Vergangenheit. Ich will das hinter mir lassen und mich auf die Zukunft konzentrieren.«

Naomi nickte und stand auf. »Okay, ich werde dich nicht aufhalten. Aber ruf mich an, wenn du dort bist, und lass mich wissen, wie es dir geht.«

Hannah lächelte und umarmte ihre Freundin. »Natürlich werde ich das. Danke für deine Unterstützung, Naomi.«

Als Naomi gegangen war, setzte sich Hannah auf das Bett und sah sich im Zimmer um. Sie würde eine Weile weg sein, aber sie wusste, dass es das Richtige war. Sie hatte das Gefühl, dass London ihr im Moment nicht guttat.

 

***

 

Die Reise nach Porthlynn in Cornwall begann für Hannah an einem trüben Herbsttag. Die Stadt lag in dichtem Nebel, als sie sich auf den Weg zum Bahnhof Paddington machte. Obwohl es noch früh am Tag war, waren die Straßen bereits voller Autos, die Fußwege voller Menschen, die alle Regenschirme trugen und geschäftig zur U-Bahn-Station eilten. Hannah zog ihren viel zu schweren Koffer hinter sich her auf dem Weg zur Underground. Sie konnte es kaum erwarten, die Hektik der Stadt hinter sich zu lassen und ihre Reise anzutreten.

In London Paddington war wie immer viel los. Hannah suchte sich einen Weg durch die Menschenmenge zu dem Gleis, von dem ihr Zug abfahren sollte. Zum Glück stand er schon da und sie stieg ein. Als sie den Koffer die paar Stufen hochhievte, fluchte sie, weil sie viel zu viel eingepackt hatte. Sollte der Buchhändler sich gegen sie entscheiden, sähe sie ganz schön dumm aus.

Sie nahm einen der hinteren Wagen in der Hoffnung, dass er nicht voll wäre. Richtig getippt. Es saßen nur wenige Reisende auf den knallroten Sitzen. Glücklicherweise fuhren wohl nicht so viele Touristen an einem Dienstag von London nach Penzance und Hannah konnte sich einen Platz an einem grauen Plastiktisch sichern, auf dem sie ihre Unterlagen ausbreitete. Den Koffer schob sie unter den Sitz, ihren Rucksack stellte sie auf dem Platz neben sich aus. Ihr stand der Sinn heute nicht nach Smalltalk.

Noch bevor der Zug abfuhr, hatte Hannah das Dossier über Coastal Reads herausgesucht, das ihre Assistentin Chloe für sie zusammengestellt hatte. Sie warf einen Blick in die Papiere, legte sie dann aber zur Seite. Sie wollte sich richtig von London verabschieden und sah aus dem Fenster, bis sie den Rand der Stadt erreichten und Landschaft die Häuser ablöste.Die herbstlichen Farben der Bäume und Sträucher in allen Schattierungen von Gelb, Rot und Braun vermischten sich mit dem leisen Rauschen des Windes und dem Regen, der auf das Dach des Zuges prasselte.

Nach zwanzig Minuten Fahrt erreichten sie den ersten Halt: Reading, einen modern aussehenden Bahnhof. Nieselregen setzte ein, für Hannah das Signal, sich endlich mit ihrem Auftrag zu beschäftigen. Nach kurzer Zeit sah sie von den Zahlen auf und stieß die Luft laut aus. Coastal Reads war nicht gerade ein Erfolg. Der jetzige Inhaber hatte die Buchhandlung vor einem Jahr gekauft und schrieb mit Mühe und Not schwarze Zahlen. Hannah blätterte durch die Seiten und suchte nach einer Erklärung. Gab es noch andere Buchläden im Ort? Nein, Chloe hatte nichts dazu geschrieben.

Hmm, Hannah überlegte. Ja, der stationäre Buchhandel hatte es schwer, weil die Online-Händler ihm das Wasser abgruben, aber in kleinen Städten wie Porthlynn hielten sich Buchhandlungen, weil sie mehr waren als Geschäfte, in denen Bücher verkauft wurden. Hier trafen sich Menschen, hier konnte man Kunden Buchtipps geben und sich das Programm selbst zusammenstellen. Man bekam nicht alles vorgegeben wie in Palmer’s-Buchhandlungen.

Hannah vertiefte sich wieder in die Unterlagen, um sich auf ihr Vorstellungsgespräch vorzubereiten. Als sie Exeter erreichten, legte sie die Papiere zur Seite, weil Chloe ihr zugeredet hatte, sich den folgenden Streckenabschnitt nicht entgehen zu lassen, denn die Route der Bahn führte direkt am Meer entlang.

Regenschlieren zogen über das Zugfenster und sorgten dafür, dass Hannah das graue Meer unter dem hellgrauen Himmel nur verschwommen sah. Im Wasser dümpelten kleine weiße Segelboote, die sich in Gruppen zusammenfanden, als würden auch sie Schutz vor dem unfreundlichen Herbstwetter suchen.

Sie entdeckte eine kleine Stadt auf der von Bäumen umstandenen Halbinsel. Es kam ihr vor, als duckten sich die Häuser zusammen, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Hoffentlich war das triste Wetter kein Omen für ihren Aufenthalt in Porthlynn.

Während sie aus dem Fenster starrte, überkam sie eine Welle von Erinnerungen an Justin. Sie dachte an all die schönen Momente, die sie miteinander verbracht hatten. Ihre gemeinsamen Träume, das romantische Wochenende in Paris und die Pläne, die sie geschmiedet hatten. Während sie diese Erinnerungen Revue passieren ließ, bemerkte sie auch die kleinen Risse, die sich eingeschlichen hatten.

Es waren die Momente der Leere und Sprachlosigkeit, in denen sich zeigte, wie wenig Justin und sie miteinander gemein gehabt hatten. Obwohl er Alistairs Sohn war, interessierte Justin sich nicht für Literatur, während Hannah wenig mit seiner Vorliebe für Actionfilme anfangen konnte.

Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust, als Hannah ihre Gedanken kreisen ließ. Sie wusste, dass sie ehrlich zu sich selbst sein musste. War es die große Liebe gewesen oder hatte sie sich von ihrem Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit leiten lassen? Und war geschmeichelt davon gewesen, dass Justin aus all den Frauen, die bei Palmer’s arbeiteten, ausgerechnet sie ausgewählt hatte.

Falls es die Angst vor dem Alleinsein gewesen war, warum vermisste sie ihn noch? Vermisste sie wirklich ihn oder die Vorstellung, die sie sich von Justin und ihrer Liebe gemacht hatte?

Genug von dem endlosen Grübeln. Sie hatte Besseres zu tun. Nachdem der Zug wieder ins Landesinnere abgebogen war, nahm auch Hannah ihre Arbeit wieder auf und überlegte, wie sie im Vorstellungsgespräch auftreten wollte. Sie hatte ihren Lebenslauf etwas umgebogen, die Anstellung bei Palmer’s weggelassen und stattdessen behauptet, dass sie sich nach Ende des Studiums mit Aushilfstätigkeiten durchgeschlagen hatte, einigen davon in Buchhandlungen. Hierfür hatte ihr ihre Firma ein paar Referenzen zur Verfügung gestellt.

Obwohl es ihrer Grundehrlichkeit widersprach, war Hannah doch beeindruckt davon, wie gut organisiert ihr Arbeitgeber war. Sie fühlte sich fast wie eine Spionin, für die eine Legende, so nannte man doch die falschen Lebensläufe, erfunden worden war. 007 Hannah Swift, das klang gut. Ob James Bond auch so ein schlechtes Gewissen gehabt hatte, wenn er Menschen anlog?

Genug! Hannah schob die Unterlagen in ihren Rucksack und suchte dort nach Tee und Sandwiches, denn inzwischen hatte der Zug den Bahnhof von Par erreicht, die dritte Stadt in Cornwall auf ihrer Reise. Chloe hatte vorgeschlagen, dass Hannah hier ihre Mittagspause einlegte und sich erneut die Landschaft ansah. Denn auch die Strecke von Par nach St. Austell führte am Meer entlang.

Ich muss Chloe einen Dank schreiben, machte sich Hannah eine Notiz im Kopf und zog ihr Smartphone heraus, um das Meer zu fotografieren. Der Zug fuhr auf der Klippe entlang, so nah am Wasser, dass Hannah dessen unterschiedliche Schattierungen wahrnahm. In der Nähe der Klippen war das Meer von einem stumpfen Braungrau, je weiter es zum Horizont ging, desto strahlender wurde seine Farbe. Das Wasser war eher smaragdgrün als blau, so wie sie es erwartet hatte. Höchstwahrscheinlich würde es im Sonnenschein ganz anders aussehen und glitzern. Obwohl es windig war, zeigten sich nur niedrige Wellen, als bereitete sich das Meer auf eine Winterpause vor.

Unterhalb der Zugstrecke sah sie einen kleinen Hafen, wo Fischerboote während der herrschenden Ebbe auf Sand saßen. Vor den Booten erstreckten sich ein Parkplatz und Lagerhallen. Auf einer davon leuchtete ein riesiger Union Jack, die Flagge Großbritanniens, in Rot, Blau und Weiß. Hannah hätte erwartet, die schwarz-weiße Flagge Cornwalls zu sehen, aber vielleicht gehörte das Lagerhaus einem britischen Unternehmen.

Der nächste Halt Truro, die Hauptstadt Cornwalls, stand auf der Liste der Orte, die Hannah sich ansehen und wo sie die Buchläden erkunden wollte. Nun dauerte es nur noch etwas mehr als eine halbe Stunde, bis sie in Penzance ankäme. Von dort aus musste sie einen Bus nehmen, der sie in die kleine Stadt Porthlynn brachte. Hoffentlich war Coastal Reads den ganzen Aufwand wert. Wenn man rein nach den Zahlen ging, sollte Ethan Beswetherick froh sein, wenn er das verlustbringende Geschäft verkaufen konnte. Inzwischen hatte Hannah eine Vorstellung von ihm entwickelt: ein netter älterer Herr, der Bücher liebte und nicht am Geschäft interessiert war.

Glücklicherweise klarte der Himmel auf, sein Grau erschien ihr freundlicher. Der Zug fuhr durch saftig grüne Wiesen, die durch dunkelgrüne Hecken voneinander abgetrennt waren. Nur ab und zu versperrten kleinere Bäume oder Sträucher die Sicht, sonst konnte man weit über das Grün schauen. Hannah fühlte, wie die Anspannung von ihr abfiel. Es hieß, dass Cornwall die Seele streichelte. Da schien etwas dran zu sein.

Als sie in den Bahnhof von Penzance einfuhren, erhaschte Hannah einen Blick auf die Stadt. Es waren hübsche Häuser in dem typischen Graubraun der kornischen Steine. Chloe hatte es sich nicht nehmen lassen, ihr ein paar touristische Informationen in das Dossier einzuschmuggeln. Hannah musste ihr auf jeden Fall zum Dank etwas aus Porthlynn mitbringen. Was war typisch kornisch, überlegte sie. Ach, Quatsch, das hatte Zeit und außerdem würde sie vor Ort sicher fündig werden. Langsam stieg ihre Vorfreude auf Porthlynn und sie konnte nur hoffen, dass es nicht allzu viele Bewerber gab.

 

Kapitel 3

 

Ethan schloss die Tür zu Coastal Reads auf und sah sich um. Obwohl er die Buchhandlung vor einem Jahr gekauft hatte, konnte er es immer noch nicht glauben, dass das Geschäft wirklich ihm gehörte. Ethan hatte seine halbe Kindheit in der Buchhandlung verbracht. Er war ein schüchterner Junge gewesen, der sich in der Welt der Bücher wohler fühlte als mit anderen Kindern. Daher war er Mr Kellow, dem Eigentümer, unglaublich dankbar gewesen, dass er Ethan dort Stunden verbringen ließ, ohne dass er ein Buch kaufte. Ethans Mum hatte kaum Zeit gehabt, weil sie zwei Jobs übernommen hatte, nachdem sein Vater sie verlassen hatte und nur sporadisch Unterhalt zahlte.

Die Buchhandlung war für Ethan ein zweites Zuhause geworden und Mr Kellow ein Ersatzvater, dem er seine Sorgen anvertrauen konnte. Außerdem lernte er von dem Buchhändler, die Literatur zu lieben. Mr Kellow verkaufte nur Geschichten, die er persönlich für gut befunden hatte.

»Lebenszeit ist zu kostbar, um sie mit langweiligen Büchern zu verschwenden.« Immer wieder hatte der Buchhändler das gesagt, während der kleine Ethan mit großen Ohren gelauscht hatte.

Auch nachdem Ethan erwachsen geworden war, war er Coastal Reads treu geblieben und hatte seine Bücher dort gekauft. Eigentlich hatte er Buchhändler werden wollen, sich dann aber doch für Jura entschieden. Obwohl er seinen Beruf als Anwalt mochte, hatte er den Traum einer eigenen Buchhandlung nie ganz aufgeben wollen. Vor allem nicht, nachdem Kayleigh ihn trotzdem verlassen hatte.

Daher hatte Ethan spontan zugegriffen, als Mr Kellow ihm vor einem Jahr gesagt hatte, dass er mit seiner Frau an die Algarve ziehen wollte, um die Rente in der Sonne zu genießen. Ethan hatte nicht lange nachgedacht und war davon ausgegangen, dass er schon Erfolg haben würde. Doch leider lief der Buchladen nicht und er musste weiter als Anwalt arbeiten. Den Verkauf hatte er Jessica überlassen, einer Aushilfe, die allerdings keine Ausbildung zur Buchhändlerin hatte.

»Guten Morgen, Ethan.« Troy, der Postbote, öffnete die Tür. »Du hast ganz schön was bestellt. Machst dich wohl schon fürs Weihnachtsgeschäft bereit?«

»Ich bin schon mittendrin.« Ethan stand auf. »Warte, ich helfe dir.«

Er hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn Troy, der die sechzig schon lange überschritten hatte, sich mit den schweren Buchpaketen abschleppen musste.

»Sieht aber noch gar nicht nach Weihnachten aus.« Troy drehte den Kopf von rechts nach links, bevor er sich mit der Hand über die grauen Haare fuhr. »Willst du nicht wenigstens einen Baum aufstellen?«

»Das mache ich vielleicht noch.« Ethan war kein besonderer Weihnachtsfan und Dekoration fand er eigentlich unnötig. Eine Buchhandlung brauchte Regale und Bücher, keinen Weihnachtsbaum, keine Lichterketten oder Weihnachtsmänner. In Ethans Vorstellungswelt kamen Menschen in Buchhandlungen, um Bücher zu kaufen, vielleicht noch Lesezeichen oder Stofftüten, in denen man Bücher transportierte. Bei Coastal Reads würde er niemals Deko-Artikel, Seife oder Kerzen verkaufen, das hatte Ethan sich geschworen.

»Lass mich die Kisten reintragen«, bot er Troy an. »Du hast bestimmt mehr als genug zu tun mit dem Weihnachtsgeschäft.«

»Wohl wahr.« Troy seufzte. »Dieser verdammte Online-Handel führt dazu, dass ich kaum noch pünktlich Feierabend machen kann. Warum wollen die Leute nicht mehr in Geschäfte gehen, so wie früher?«

»Das wüsste ich auch gern. Danke und mach’s gut, Troy.« Ethan seufzte und zog die Pakete mit seinen Buchbestellungen in den Laden. Während er die Verpackungen öffnete, genoss er die Atmosphäre von Coastal Reads. Er liebte das morgendliche Ritual, allein in seiner Buchhandlung zu sein und sich den Bestellungen zu widmen. Aus nostalgischen Gründen hatte Ethan kaum etwas im Inneren verändert, nur einen Computer hatte er für das Büro angeschafft. Die kleine Buchhandlung hatte einladende Regale, die vom Boden bis zur Decke reichten und mit der Auswahl von Ethans Lieblingslektüre gefüllt waren. Zwei von ihnen waren ausschließlich Klassikern vorbehalten. Die Beleuchtung war warm und freundlich, was dem Raum eine gemütliche Atmosphäre verlieh.

Als Kasse diente ein alter, aber solider Holzschreibtisch mit einer modernen Registrierkasse. Hinter dem Schreibtisch befand sich ein kleines Regal mit Büchern, die Kunden bestellt hatten. Drei bequeme Sessel und ein kleiner Tisch luden zum Verweilen und Lesen ein.

In einem kleinen Nebenraum befand sich der Bereich für Kinderbücher, der mit bunten Regalen und Spielzeug zur Unterhaltung der Kleinen ausgestattet war. Hier war besonders nachmittags viel Trubel. Morgens kamen nur wenige Kunden, meist Stammkunden, die mit Jessica oder Ethan plauderten und genau wussten, welches Buch sie lesen wollten.

An den Wänden hingen Plakate mit Buchzitaten und Portraits berühmter Autoren. Einige von ihnen waren signiert und schon etwas vergilbt, aber er konnte sich nicht von ihnen trennen. Sie gehörten hierher wie die Sessel, die es seit seiner Kindheit gab.

Ethan war sich bewusst, dass Coastal Reads eine charmante, aber auch leicht verstaubte Atmosphäre ausstrahlte. Ihm und den Stammkunden gefiel es, aber anscheinend reichte das nicht, um das Überleben seiner Buchhandlung zu sichern. Die verfluchten Online-Händler und großen Ketten machten es kleinen Geschäften wie seinem schwer zu überleben.

»Hallo, Ethan, wie kommt es, dass der Chef heute persönlich hinter der Kasse steht?« Eleanor Rosevear lächelte ihn an. »Jessica hat doch freitags ihren freien Tag.«

Ethan mochte die alte Dame, die mit einem Haufen Tiere auf ihrem Hof lebte und Eseln, Ponys, Gänsen, Hühnern, Katzen und einem bissigen Schaf ein Zuhause bot.

»Hallo, Eleanor. Jess hat gekündigt.« Ethan verdrehte die Augen. »Sie hat sich im Urlaub in Barcelona verliebt. Nicht nur in das Land, sondern auch in einen Katalanen.«

Ethan wusste nicht, ob er Jessica für ihren Mut bewundern sollte, Hals über Kopf zu einem Mann zu ziehen, den sie erst seit Kurzem kannte, oder ob er ihr raten sollte, alles langsamer angehen zu lassen. Als ob Jessica etwas auf seine Ratschläge gab. Gestern hatte sie ihren letzten Tag gehabt, nun musste er schauen, wie er über die Runden kam.

»Wie romantisch.« Eleanor lächelte. »Man muss wohl jung sein, um sich so in die Liebe zu stürzen.«

Nun fühlte Ethan sich alt, weil er niemals so mutig wäre wie Jessica. Beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, Porthlynn zu verlassen.

---ENDE DER LESEPROBE---