Winterwunderträume in Cornwall - Cara Lindon - E-Book

Winterwunderträume in Cornwall E-Book

Cara Lindon

0,0

Beschreibung

Seitdem die Buchhalterin Gemma in Cornwall wohnt, hat sie alles, was man sich wünschen kann: einen liebevollen Freund, eine traumhafte Karriere und die wundervollsten Freundinnen. Doch leider spielt sich das alles nur in ihrer blühenden Fantasie ab. Als sie ihr Leben ändert und sich einen neuen Job sucht, lernt sie Ryan kennen. Bald bringt er ihr Herz zum Fliegen. Allerdings glaubt Gemma weder an die Liebe noch an Weihnachtswunder. Wird es Ryan gelingen, sie vom Gegenteil zu überzeugen?

Der Roman ist vormals unter dem Titel "Weihnachtswunderträume" erschienen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 275

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Seitdem die Buchhalterin Gemma in Cornwall wohnt, hat sie alles, was man sich wünschen kann: einen liebevollen Freund, eine traumhafte Karriere und die wundervollsten Freundinnen. Doch leider spielt sich das alles nur in ihrer blühenden Fantasie ab.

Als sie ihr Leben ändert und sich einen neuen Job sucht, lernt sie Ryan kennen. Bald bringt er ihr Herz zum Fliegen. Allerdings glaubt Gemma weder an die Liebe noch an Weihnachtswunder.

Wird es Ryan gelingen, sie vom Gegenteil zu überzeugen?

Der Titel ist vormals als »Weihnachtswunderträume« erschienen.

Über Cara Lindon

Cara Lindon ist das Pseudonym der Autorin Christiane Lind, die auch mit ihren historischen Romanen im Programm des Aufbau Verlages vertreten ist.

Cornwall ist ihr Sehnsuchtsort, den sie mindestens einmal im Jahr besuchen muss, damit Land und Meer ihre Seele streicheln.

Cara hat ihren Seelenverwandten bereits gefunden und lebt mit ihm und drei Katern in einer kleinen Stadt – leider nicht in Cornwall.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlag.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Cara Lindon

Winterwunderträume in Cornwall

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Anhang

Kornische Weihnachtsplätzchen

Echt kanadischer Maple Pie

Englische Gärten

Danke

Impressum

Kapitel 1

Gemma

Wie jeden Tag brütete Gemma über den Zahlen. Dem Café könnte es besser gehen, aber ihr Liebster war leider mehr daran interessiert, leckeres Essen zu kreieren, als daran, Gewinn zu erwirtschaften. Mit einem Seufzen strich sich Gemma eine hellbraune Strähne aus der Stirn, die sofort wieder zurückfiel. Wie sollten sie Nanni's Cup of Tea am Leben halten, wenn Ben so verschwenderisch mit dem Geld umging?

»Dafür bist du zuständig, mein Herz«, sagte ihr Liebster immer, wenn sie ihn darauf ansprach. »Ich koche, du sicherst unser Überleben.«

Wenn er sie dann mit seinen braunen Augen ansah wie ein kleiner Junge, der Bonbons geklaut hatte, konnte sie nur lachend den Kopf schütteln. Sie liebte ihn einfach zu sehr und wollte ihn glücklich sehen. Was machte es da schon aus, dass sie Beide von der Hand in den Mund lebten? Sie brauchten nicht viel Geld. Durch die harte Arbeit in ihrem kleinen Café hatten sie sowieso keine Zeit, es auszugeben.

Eigentlich lebten sie das perfekte Glück, wenn nicht …

Die Zahlen verschwammen, als ihr Tränen in die Augen schossen. Die Erinnerung an den gestrigen Abend lag ihr schwer im Magen, wie ein misslungener Cornish Pasty.

»Gemma, mein Schatz, ich möchte dir die Sterne vom Himmel holen«, hatte Ben gestern gesagt, nachdem endlich alle Gäste und das Personal gegangen waren und sie ein wenig Zeit zu zweit genossen hatten. »Zur Verlobung will ich dir einen riesigen Diamanten schenken, der mit deinen Augen um die Wette funkelt.«

»Zur Verlobung?« Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Bisher hatten sie niemals über das Heiraten gesprochen. Warum auch? Sie waren glücklich, so, wie sie lebten. »Das … das ist überraschend.«

Bei dem Gedanken an Heirat wurde Gemma das Herz schwer. Wie sollte sie ihrem Liebsten begreiflich machen, dass er für sie die Welt darstellte, sie ihn aber nicht heiraten konnte? Bevor sie Worte fand, kam es noch schlimmer. Von irgendwoher hatte Ben gefüllte Champagnergläser gezaubert und einen Cupcake, auf dem ihr Name, in pinkfarbenen Buchstaben, geschrieben war. Da war sie beinahe in Tränen ausgebrochen, weil sie ihn enttäuschen würde.

»Willst du mich zum glücklichsten Mann Cornwalls machen?« Ben ging vor ihr auf die Knie, als wären sie in einem romantischen Film. »Gemma Gardner, möchtest du …«

»Ben!«, hatte sie ihn unterbrochen, bevor es noch schlimmer kommen konnte.

»Gemma? Du hast nach mir gerufen?« Ben steckt seinen Kopf durch die Tür zu der winzigen fensterlosen Besenkammer, die ich hochtrabend »mein Büro« nenne. »Stimmt irgendetwas mit der Abrechnung nicht?«

Mist! Wenn ich meine Arbeitszeit schon mit Tagträumen verbringe, sollte ich wenigstens aufpassen, nicht erwischt zu werden. Wie viel hat er mitbekommen? Wie viel hat sich in meinem Kopf abgespielt und wie viel davon habe ich laut gesagt? Hoffentlich nicht allzu viel!

»Alles in Ordnung. Du hast dich wohl verhört.«

»Okay. Möchtest du einen Salat oder ein paar Nudeln?«

Nachdem mein Herz nicht mehr so laut pocht, wende ich mich zu ihm. Obwohl ich meine Verliebtheit überwunden habe, jedenfalls bin ich mir da ziemlich sicher, muss ich eingestehen, dass er unglaublich attraktiv ist. Obwohl Schatten unter seinen dunkelbraunen Augen liegen, weil das Café so viel Zeit und Energie frisst, strahlt er jungenhaften Charme aus. Seine hellbraunen Haare trägt er länger als noch vor einem Jahr. Ich weiß nicht, ob es aus Zeitmangel ist oder weil es ihm so besser gefällt.

Seit langem ist er der Held meiner Tagträume und bis vor knapp einem Jahr, war ich davon überzeugt, ihn zu lieben. Das habe ich zum Glück überwunden, aber ich überlasse ihm weiter die Hauptrolle des Love Interest in meinen Träumen, aus Gewohnheit, aber auch mangels Alternativen. Ich kann nur hoffen, dass er das nicht ahnt. Bei Bree bin ich mir da nicht so sicher.

»Wie weit bist du?« Seine geschwungenen Lippen formen ein Lächeln, dass ihn jünger wirken lässt. »Wie schlimm steht es um uns?«

»Besser als im letzten Monat, aber noch sind wir nicht in der Gewinnzone.« Ich reibe mir die müden Augen. »Das Weihnachtsgeschäft muss es rausreißen. Hoffentlich.«

Er kommt nicht dazu, mir zu antworten, weil eine Küchenhilfe nach ihm ruft. Er sieht mich fragend an.

»Ist schon okay. Lass mich die Steuerunterlagen fertigstellen und wir reden danach.«

Er nickt, aber ich kann erkennen, dass er mit seinen Gedanken bereits wieder bei dem Menü für heute Abend ist. Wenn man so lange miteinander arbeitet wie Ben und ich, kennt man sich gut. Okay, ich kenne ihn gut. Wie viel er wirklich von mir weiß, kann ich nicht sagen.

Ich war in London seine Assistentin, allerdings zutiefst unglücklich, weil ein Haifischbecken ein kuscheliger Ort sein muss, verglichen mit Miller International Group.

Nachdem Ben dort gekündigt hatte, schmiss ich auch sofort alles hin. Ohne ihn hätte ich es bei Miller International Group niemals ausgehalten. Weil mir nichts Besseres einfiel, bin ich Ben nach Cornwall nachgereist. In die kleine Stadt St. Bartholomew. Heute ist mir das peinlich, damals fiel mir nichts Klügeres ein.

Glücklicherweise hat Ben meine Arbeit geschätzt und mir einen Job bei Nanni's Cup of Tea gegeben. Für eine Weile gefiel mir das gut, aber je näher der Jahreswechsel kommt, desto stärker wird mein Gefühl, es müsse etwas anderes in meinem Leben geben. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich liebe Nanni's, ich liebe die Menschen, die hier arbeiten, aber ich hasse meine Tätigkeit. Ja, ich kann gut mit Zahlen umgehen, aber ich muss sie deshalb nicht lieben. Je länger ich hier arbeite, mit Bree und Ben, die ihren Traum leben, desto mehr wünsche ich mir etwas, was mein Glück sein kann.

Trotzdem liste ich Einnahmen und Ausgaben auf und bereite sie für die Finanzbehörde auf. Dann rechne ich weiter und überlege, wo sich noch Einsparpotenziale auftun, ob sich Schlupflöcher finden lassen, um unsere Liquidität zu verbessern. Es kommt genau das heraus, was ich erwartet oder befürchtet habe. Ich bin der Kostenfaktor, auf den Nanni's am besten verzichten kann.

Mir wird flau im Magen und ich kämpfe gegen Tränen an. Kann ich mir wirklich vorstellen, hier nicht mehr zu arbeiten? Was soll ich stattdessen tun? Ich ringe nach Luft, mein Herz wünscht sich, dass sich nichts ändert. Mein Kopf weiß, dass ich nicht an mich denken darf.

»Du wirst es sowieso nicht wagen«, murmelt das fiese Stimmchen, dass gut daran ist, mir jeden Spaß zu verderben. »Du wirst es wieder auf die lange Bank schieben.«

»Werde ich nicht«, antworte ich mir selbst. Mit zitternden Fingern nehme ich mein Handy und frage nach einem Termin. Mist! Ich habe gehofft, es bleibt mir etwas mehr Zeit. Schon morgen früh muss ich mich meiner Zukunft stellen.

Aus der Küche dringt Lachen, begleitet vom Duft frischgebackener Scones. Mein Magen knurrt vernehmlich und ich schaue von den Zahlenkolonnen auf, mit denen ich mich seit Stunden beschäftige. Wie schon oft bin ich so tief in meiner Arbeit versunken, dass ich vergessen habe zu essen. Was wirklich ironisch ist, arbeite ich doch in Nanni's Cup of Tea, wo es die besten Torten von ganz Cornwall gibt.

Ich speichere die Daten, rolle meine verspannten Schultern und sauge tief den Duft des frischen Gebäcks ein: Hefe, Zucker und Butter. Erneut gibt mir mein Magen zu verstehen, dass ich nicht nur schnuppern soll.

Also stehe ich auf, gähne und reibe mir die müden Augen. Dann folge ich dem verführerischen Duft bis in die Küche. Als ich den schmalen Flur entlang gehe, kann ich einzelne Worte verstehen und bald ganze Sätze. Obwohl mein Magen protestiert, bleibe ich stehen und lausche, wofür ich mich schäme. Aber die Neugier ist stärker.

»Bree, Darling, es ist viel zu früh für Weihnachtsplanungen.«

»Honey. In Penzance kannst du schon Gingerbread kaufen.« Bree, meine Chefin und Bens Lebensgefährtin, stampft hörbar mit dem Fuß auf. Sie ist ein prima Mensch und eine super Chefin.

»Willst du etwas Christmas Pudding auf die aktuelle Speisekarte setzen?« Wenn Ben in diesem neckenden Tonfall spricht, könnte ich mich glatt wieder in ihn verlieben. Auf gar keinen Fall, dafür mag ich Bree zu sehr. Außerdem sind die Beiden wirklich das ideale Paar, soweit es das überhaupt gibt. Sie ergänzen sich und gleichen ihre Schwächen aus.

»Natürlich nicht!« Ich habe sofort ein Bild der großen, rundlichen Bree vor Augen, wie sie empört die zu Fäusten geballten Hände in die Hüften stemmt und ihre dunkle Mähne zurückwirft. »Aber wir sollten überlegen, ob wir Events zu Weihnachten anbieten oder ein besonderes Menü.«

Gegenüber Bree komme ich mir immer noch winziger und eckiger vor. Sie ist eine Walküre mit perfekten Rundungen, während ich mit zwölf Jahren aufhörte zu wachsen. Allerdings habe ich den meisten Frauen gegenüber einen riesigen Vorteil, um den mich viele beneiden: Ich kann essen, was und wie viel ich will, ohne dass ich zunehme. Mein Körper bleibt der eines mageren Teenagers.

Bree, eigentlich Bryluen, hat früher als Plus-Size-Model gearbeitet. Heute backt sie die leckersten Kuchen und Torten, die man sich vorstellen kann, und für ihre Scones stehen die Leute Schlange. Auch wenn Bree heute meist eine weiße Bäckerin-Uniform trägt, zieht sie immer noch die Blicke vieler Männer auf sich, sobald sie ihre Runde durch das Café dreht. Vor allem, aber an ihrer Art sich zu bewegen. Bree schreitet und strahlt dabei unglaubliches Selbstvertrauen aus. Wenn ich nur über ein Zehntel davon verfügte, wäre ich glücklich.

»Ich hatte gehofft, wir könnten Nanni's über Weihnachten schließen und irgendwohin fahren, nur du und ich.«

Die Sehnsucht in Bens Stimme ist unverkennbar, was bei mir ein schlechtes Gewissen hervorruft. Kann ich die Beiden, die mir einen Job und ihre Freundschaft schenkten, wirklich verlassen? Auch wenn es das einzig Sinnvolle ist.

»An Feiertagen machen wir den besten Umsatz. Du kannst Gemma fragen, wenn du mir nicht glaubst.«

Das ist mein Stichwort.

»Hat jemand meinen Namen ausgesprochen?« Hmm, als ich das im Kopf formuliert habe, klang es irgendwie besser. »Der Duft der Scones hat mich von den Zahlen weggelockt.«

»Von Gebäck wird niemand satt.« Ben dreht sich zu mir um. »Wie wäre es stattdessen mit Spaghetti mit Feigen und Ziegenkäse oder Ravioli, gefüllt mit Kürbis?«

Als er die Speisen ausspricht, beginnt mein Magen zu knurren, wie ein hungriger Wolf.

»Ja«, bringe ich heraus, ohne zu sabbern. »Sehr gern.«

»Gemma, ich weiß, es kommt kurzfristig, aber kannst du uns am Wochenende unterstützen? Stacy hat sich eben krankgemeldet.« Ben schaut mich so flehend an, dass ich ihm seine Bitte eigentlich nicht abschlagen kann. Doch dann fällt es mir wieder ein.

»Samstag will ich nach Trengwainton Garden«, bringe ich schließlich heraus. »Das große Abschiedsfest, bevor sie über den Winter schließen.«

»Tut mir leid, aber ich kann nicht verstehen, was du an den Gärten findest.« In gespieltem Unverständnis hebt Ben die Hände. »Für mich sieht einer aus wie der andere.«

»Überhaupt nicht!«, widerspreche ich im gleichen, scherzhaften Ton. »Jeder von ihnen ist einzigartig.«

»Ach komm, was kann man schon unterschiedlich gestalten? Es sind die immer gleichen Blumen und Bäume.«

»Du hättest mitkommen sollen, damit ich es dir erklären kann.« Wahrscheinlich hätte ich kein Wort herausbekommen, wenn ich mit ihm durch einen Garten geschlendert wäre. »Es gibt Gärten mit italienischem Einfluss, irische Gärten und welche, die den Nutzgarten in den Vordergrund stellen.«

»Schon gut, schon gut, wenn es so viele sind kannst du nicht auf das Abschiedsfest verzichten?«

Bree schüttelt den Kopf und zwinkert mir zu. Ich erwidere die Geste und freue mich über ihr Verständnis.

»Tut mir leid, ich bin verabredet.« Ich bleibe hart. Sie müssen lernen, auch ohne mich zurecht zu kommen. »Aber wir sehen uns morgen.«

Nach meinem Termin – vielleicht weiß ich dann mehr.

»Wir finden eine andere Lösung.« Er zwinkert mir zu. »Manchmal fürchte ich, dass du uns für einen Garten verlässt.«

Kapitel 2

Gemma

Immer wieder blieb Gemma stehen, angezogen von den Wundern, die der Garten von Lamorran House ihr bot. Das sanfte Plätschern eines Wasserfalls, der über Schieferplatten rann, zog sie magisch an. Der kleine Fluss verlief entlang an kräftigen Farnen, deren Wedel bis in den winzigen See reichten, in dem Koi-Karpfen ihre Kreise zogen.

Gemma sah den Fischen zu, bewunderte ihre leuchtenden Schuppen, die glitzerten wie Gold und Edelsteine. Einer von ihnen fiel ihr besonders ins Auge; ein großer Karpfen, dessen Schuppen ein abstraktes Muster aus orange, schwarz und weißbildeten. Erwurde begleitet von einem zweiten Fisch, der goldfarben schimmerte. In einem Märchen hätte Gemma den goldenen Karpfen gefangen und von ihm drei Wünsche gewährt bekommen. Was würde sie sich wünschen?

Da die Frage sie ins Grübeln brachte, achtete sie nicht auf den Weg und stolperte über einen Stein, der über die anderen hinausragte. Verzweifelt ruderte sie mit den Armen, aber konnte das Gleichgewicht nicht gewinnen.

»Vorsicht!« Eine starke Hand griff nach ihrem Ellenbogen und stoppte ihren Fall. »Ich halte Sie.«

»Danke«, konnte sie nur flüstern, gefangen vom Blick tiefblauer Augen. »Ich habe geträumt.«

»Hoffentlich etwas Schönes«, antwortete der Mann, der Ben ähnelte, allerdings mit dunkleren Haaren und Bartstoppeln auf einem energischen Kinn. »Andererseits, kann man hier natürlich nur an Wunderbares denken.«

Sein Blick war so warm, dass ihr Herz wild klopfte. Konnte es wirklich sein, dass sie endlich einen Mann gefunden hatte, der ihre Liebe zu Gärten teilte?

»Ich liebe die Vielfalt von Lamorran.«

»Ich auch, er ist mir der Liebste von allen.«

Wortlos reichte er ihr die Hand, die sie nach kurzem Zögern ergriff. Schmetterlinge flatterten in ihrem Magen auf. Warm schlossen sich seine Finger um ihre und gemeinsam schlenderten sie weiter. Es fühlte sich richtig und selbstverständlich an, mit dem Fremden gemeinsam den wunderschönen Ort zu erkunden.

Überall verteilt, von den gewaltigen Pflanzen nahezu verborgen, entdeckten sie Statuen. Kinder, Frauen, Männer, viele von ihnen kamen Gemma griechisch vor. So gutaussehend die marmornen Männer auch waren, ihr gefiel ihr Begleiter viel besser.

Als sie weitergingen, nahm Gemma aus dem Augenwinkel etwas wahr, beinahe verborgen von einem wuchernden Busch.

»Warte«, bat sie den Mann, der ihr nicht einmal seinen Namen verraten hatte. »Was ist das denn?«

In einer Nische verbarg sich die marmorne Statur eines Paares, eng umschlungen und einander stützend. Gemma konnte aus der Entfernung nicht sagen, ob die beiden gemeinsam trauern oder sich in inniger Liebe zugeneigt waren, da ihre Umarmung die Gesichter verbarg. Also zog sie ihren Begleiter hinter sich her.

»Oh!« Gemma spürte, wie ihre Wangen brennend-heiß wurden, denn nun erst bemerkte sie, dass der marmorne Jüngling nackt war, während seine Geliebte einen langen Rock trug.

An dieser Stelle weiß ich in meinem Tagtraum nicht weiter und konzentriere mich auf meine Blumen. Wenn ich nur endlich Platz für einen wirklichen Garten hätte, geht mir durch den Kopf, als ich mich um die Pflanzen kümmere. Bereits in London wucherte Grünzeug in meiner winzigen Wohnung. Ich liebte jede einzelne Pflanze, sprach mit ihr und kümmerte mich aus vollem Herzen darum, dass es ihnen gutging.

Als verantwortungsvolle Gärtnerin bekämpfte ich das kleinste Anzeichen von Mehltau oder Spinnmilben sofort und brachial. Bisher ist es mir immer gelungen, meine Lieblinge gegen den Angriff von Blattläusen oder anderen Schädlingen zu verteidigen. Selbst den Umzug haben sie gut überstanden und entwickeln sich nun prächtig. Dank des winzigen Rasenstücks, das zu meiner Mietwohnung gehört, dürfen meine Blumen nun endlich ins Grüne. Sicher, es ist nicht ungefährlich, weil ich sie nun dem wechselhaften kornischen Wetter aussetze. Aber es erscheint mir nicht richtig, sie in einer Wohnung eingesperrt zu lassen, wenn sie hier die Freiheit genießen können.

»Benötigst du Dünger, meine Liebe, oder ist es nur eine Phase?«, flüstere ich meinem Orangenbäumchen zu. Seitdem eine Nachbarin mich gefragt hat, wer noch bei mir wohnt, spreche ich nur noch leise zu meinen Pflanzen. Ich will nicht als die einsame Frau gesehen werden, die mit ihren Blumen spricht. Obwohl das mein Leben ziemlich genau beschreibt.

Das schrille Piepen meines Smartphones zieht mich aus meinem Grübeln. Wo ist nur die Zeit geblieben? Ich stehe so hektisch auf, dass ich einen Zweig des Bäumchens abknicke. »Entschuldige«, flüstere ich und versuche verzweifelt, noch etwas zu retten. Doch es ist aussichtslos. Der Tag fängt wirklich mies an, vielleicht soll ich das als Zeichen sehen und den Termin sausen lassen.

So verlockend mir der Gedanke erscheint, ich bin einfach zu diszipliniert, als dass ich eine Verabredung nicht einhalte.

Bereits gestern Abend habe ich mir die Kleidung für heute herausgelegt: schwarze Stoffhose, weiße Bluse, blauer Blazer und bequeme schwarze Schuhe.

Daher kann ich mir in Ruhe die Hände waschen und mich umziehen. Während ich die Erde von den Fingern spüle, schaue ich mich im Spiegel an. »Mousy«, haben sie mich früher genannt und Ben ist einmal »Hunca Munca« herausgerutscht. Für ihn sehe ich also aus wie Beatrix Potters bekannte Maus. Damals habe ich ernsthaft überlegt zu kündigen. Welche Frau mag es schon, wenn der Mann, in den sie heimlich verliebt ist, sie mit einem Nagetier vergleicht? Selbst wenn es eines ist, das den Fußboden fegt. Allerdings muss ich zugeben, dass mein Gesicht schon etwas mausig wirkt, mit seinem schmalen Kinn und der spitzen Nase. Tja, und die braunen Augen tragen ebenfalls dazu bei, dass ich einem niedlichen Nager ähnele.

Ich trage Make-up auf und bürste mir die halblangen mausfarbenen Haare. Nicht, dass meine Bemühungen wirklich etwas verbessern. Noch schnell ein wenig Lippenstift und ich bin bereit für mein Gespräch.

»Bringt mir Glück«, flüstere ich dem Bild der Bluebells zu, dass in meinem schmalen Flur an der Wand hängt. Das Foto habe ich während der Waldhyazinthenblüte in Enys Gardens geschossen. Beinahe hätte ich das Meer blau-lilafarbener Blüten, schöner als die Lavendelblüte in der Provence, verpasst, weil ich so viel gearbeitet habe. Enys Gardens ist nur an zwei Tagen in der Woche für Besucher geöffnet. Dank meiner Gartenfreundin, Sylvia, konnte ich mich schließlich bei Nanni's losreißen. Ich habe bestimmt hundert Fotos an dem Nachmittag geschossen.

Das Schönste von ihnen habe ich vergrößert und in meiner winzigen Wohnung aufgehängt. Es zeigt den Waldboden, der aussieht, als ist er mit einem lilafarbenen Teppich überzogen.

*********

»Sie haben als Assistentin in der Hotelbranche gearbeitet und sind jetzt für die Finanzen eines kleinen Restaurants zuständig.« Gelangweilt blättert die Frau, mir gegenüber, durch die Seiten des Fragebogens, den ich brav im Vorfeld unseres Gesprächs ausgefüllt habe. »Und Sie haben keine Vorstellung davon, was Sie in Zukunft machen wollen?«

»Ja«, flüstere ich und komme mir wieder vor wie Gemma Mousy, wie sie mich in der Schule spöttisch nannten. Die mir allzu gut bekannte verräterische Wärme steigt von meinem Hals zu meinen Wangen. Bestimmt bin ich rot angelaufen wie die Hibiskusblüte, die heute Morgen in meinem Gärtchen erblüht ist. »Ich … ich kann nur sagen, was ich nicht möchte.«

Sie schaut auf. Ihre Augen sind überraschend hübsch, von einem tiefen Braun, umrahmt von dichten und dunklen Wimpern. Allerdings schauen diese schönen Augen eher missbilligend als unterstützend.

»Also, was wollen Sie nicht?«

»Zahlen, eigentlich mag ich Zahlen nicht. Ich quäle mich damit.« Ich senke den Blick auf meine Hände, deren Finger sich ineinander verknotet haben, als führten sie ein Eigenleben. »Ich habe das nur gemacht, um meinen Dad zu beruhigen. Vernünftiger Beruf, Sie verstehen.«

Soll ich ihr erzählen, dass ich hoffte, durch den Job meinem unnahbaren Vater etwas näher zu kommen? Wie naiv war es von mir zu hoffen, dass ein geteilter Beruf das Eis zwischen uns schmelzen könnte? Seit jenem Weihnachten trug Dad die Kälte wie einen Panzer, der ihn vor Schmerz bewahrte, aber auch jede Nähe unmöglich machte.

Als Kind und Teenager versuchte ich unendlich viel, um seine Aufmerksamkeit und Liebe zu gewinnen. Ich brachte die besten Noten mit nach Hause, lernte kochen und hielt die Wohnung sauber. Egal wie sehr ich mich bemühte, es war anscheinend nie gut genug. Alle positiven Gefühle hatte mein Vater für meine Mutter aufgebraucht. Für mich gab es nicht einmal mehr Reste von Liebe.

»Ms Gardner?« Den Tonfall, schwankend zwischen genervt und professionell, kenne ich nur zu gut. Sofort schiebe ich alle Gedanken an Dad zur Seite und konzentriere mich auf das Gespräch. »Was macht Ihnen Spaß? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?«

»Kochsendungen sehen und Backwettbewerbe«, platze ich mit dem heraus, was mir sofort einfällt. »Ich bewundere die Kreativität der Bäckermeister und Köche.«

»Dann sind Sie bei Nanni's Cup of Tea doch richtig?«

»Ich bin ja nicht in der Küche, sondern für die Organisation und Verwaltung zuständig.« Na prima, da habe ich mir wohl gerade selbst ein Bein gestellt. »Bree backt und Ben kocht. Für mich ist da kein Platz.«

»Haben Sie Ihre Arbeitgeber danach gefragt?«

»Sie müssen Geld sparen. Das geht am besten durch Personalreduzierung.« Ich seufze. »Glauben Sie mir, ich würde gern bleiben, aber das kann Nanni's sich nicht leisten.«

»Sie wissen, dass es schwer wird, in Cornwall etwas zu bekommen, was nicht mit Tourismus zu tun hat.«

Ich kann nur nicken. Ich hätte mich besser auf dieses Gespräch vorbereiten sollen, hätte zwei, drei, vier Berufswünsche nennen müssen, damit die Frau mich nicht für Zeitvergeudung hält.

»Ich weiß.« Mit der Zunge fahre ich mir über die trockenen Lippen und versuche, einen Gedanken zu fassen. Irgendetwas muss mir einfallen. Als sie wieder auf den Fragebogen schaut, kommt mir endlich etwas in den Sinn. »Ich arbeite gern im Garten. Da muss doch etwas zu finden sein, mit all den Herrenhäusern hier.«

Erneut blickt sie mich an. Täusche ich mich oder verzieht sie ihre Mundwinkel zu einem winzigen Lächeln? Ob sie mit ihrer Berufswahl glücklich ist, oder träumt sie auch davon, etwas anderes zu machen?

»Eine Ausbildung in dem Bereich haben Sie nicht, oder?«

»Nein, aber viel Erfahrung.« Schlagartig werde ich munter. Ihr Interesse ist geweckt, diese Chance darf ich mir nicht vermasseln. »Und ich lese viel über Pflanzen und die Gärten hier in Cornwall.«

Nun wendet sie sich dem Computer zu, dessen klobiger Bildschirm uralt sein muss. Als sie darauf starrt, verengen sich ihre Augen.

Sie braucht wohl eine Brille und ist zu eitel, eine zu tragen. Vielleicht kann sie sich nicht eingestehen, dass sie älter wird. Wie typisch für mich, so etwas zu denken anstatt, mich zu fragen, was sie in ihrem PC sucht. Ihre Fingernägel klackern auf die Tastatur. Ich halte den Atem an.

»Hier, das habe ich gesucht.« Mit deutlicher Kraftanstrengung wendet sie den Bildschirm zu mir. »Eine Stelle als Hilfsgärtnerin.«

Vor Aufregung, etwas Neues zu beginnen, und vor Angst, dort zu scheitern, wird mir schummerig, und ich kann die Buchstaben nicht erkennen, die schwarz auf weiß stehen.

Konzentrier dich, das ist deine Chance, rede ich mir gut zu und endlich kann ich den Text entziffern.

Hilfsgärtner gesucht. (m/w/d)

Für ein größeres Projekt – Umgestaltung eines Landschaftsgartens – suchen wir Menschen mit Gartenbauerfahrung oder Interesse.

Die Stelle ist befristet auf sechs Monate.

Gehalt entspricht dem branchenüblichen Tarif.

Was immer das auch sein mag. Irgendwie klingt es nicht so, als wäre es viel Geld. Stumm lese ich weiter.

»Sofort?«, quietsche ich. »Was heißt das?«

»Sie können in der nächsten Woche dort anfangen.«

»Das geht nicht, ich muss die Übergabe mit Bree und Ben organisieren.«

»Entscheiden Sie sich, wollen Sie eine neue Stelle oder vergeuden Sie nur meine Zeit?«

Kapitel 3

Ryan

Nur noch zwei Wochen bis Halloween. In zwei Wochen ist es ein Jahr her, dass …

»Verdammt!« Der Gedanke an Halloween hat mich so aufgewühlt, dass ich den Hobel zu fest aufgedrückt habe. Das wunderschöne Stück Holz habe ich durch meine Dummheit verdorben. »Verflucht!«

»Ryan, ist alles in Ordnung?« Ich habe nicht gehört, dass Ainslie in meine Werkstatt gekommen ist, und zucke zusammen. Ich bin so sehr an meine Einsamkeit gewöhnt, dass ich jeden Besuch als Störung begreife. »Hast du dich geschnitten?«

»Nein«, knurre ich meine Schwester an, was mir sofort leidtut. »Ich habe zu viele Späne gehobelt, ein Anfängerfehler. Was willst du?«

»Kann ich nicht einfach meinen großen Bruder besuchen?« Sie lächelt, aber in ihren großen tiefblauen Augen entdecke ich die Sorge, mit der alle meine Familienmitglieder mich anschauen. »Du kommst ja nicht zu uns in die Stadt.«

»Mir gefällt es hier.« Das ist nur halb gelogen. Ich bin wirklich gern in meiner Werkstatt, aber selbst ich muss mir eingestehen, dass diese Hütte im Wald ein Fluchtort ist. Sie ist so abgelegen, dass sich nicht einmal die neugierigsten Touristen hierher verirren. Warum auch? Rund um Halifax gibt es zugänglichere Seen und Wanderwege. Genau deshalb habe ich mir diese Hütte ja ausgesucht. Ich will nur meine Ruhe – etwas, was meine Familie wohl nie akzeptieren wird.

»Du siehst echt scheiße aus.« Deshalb mag ich Ainslie am liebsten von meinen vier jüngeren Schwestern. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Manchmal kann das anstrengend sein, aber es ist mir lieber als die Leidensbittermiene, mit der der Rest meiner Familie mich bedenkt.

»Danke, Sis, mitfühlend wie immer.«

Sie mustert mich von oben bis unten. Der Blick aus ihren warmen tiefblauen Augen trifft mich. Mehr, als ich zugeben will. Also gebe ich vor, mich wieder auf das Holz vor mir zu konzentrieren. Mit den Fingern streiche ich über die Vertiefung, die ich durch zu starken Hobeldruck geschaffen habe. Zum Glück kann ich das reparieren. Es wäre schade um dieses wunderschöne Kirschbaumholz, das in einem intensiven goldbraun schimmert. Durch die Bearbeitung duftet es intensiv nach Kirsche.

»Hallo, Ry, ich bin immer noch hier.« Ainslie steht so nah neben mir, dass ich den würzigen Duft des Musk-Parfüms rieche, das sie schon ewig nutzt. »Ich verschwinde nicht, wenn du mich ignorierst.«

»Das habe ich befürchtet.« Ich stoße einen gespielten Seufzer aus. »Willst du einen Kaffee?«

»Hast du Soja-Milch?«

»Weil ich ahnte, dass du mich besuchst, habe ich dieses fiese Zeug.« Erneut seufze ich. »Mein Kaffee ist dafür viel zu schade.«

Kaffee ist neben Holz meine zweite Leidenschaft. Ich kaufe nur ganze Bohnen, die ich frisch mahle und in einem altmodischen Porzellanfilter aufbrühe. Der würzige Duft durchzieht meine kleine Küche. Ich nehme zwei Becher aus dem Schrank, auf dem einen ist ein regenbogenfarbenes Einhorn – ein Geschenk meiner Schwester.

»Ainslie, willst du ein Stück Maple Pie?«, rufe ich über meine Schulter. »Habe ich gestern gekauft.«

Meine Schwester schaut sich in meiner Werkstatt um und streichelt über das glatte Holz eines Stuhls.

»Nenn mich nicht so«, giftet sie sofort zurück. »Das weißt du.«

»Sorry, Ann.« Ich verkneife mir das Grinsen. Mit ihrem Namen kann ich sie immer aufziehen. Meine arme Schwester ist ein Opfer von Mums Liebe zu ihrer neuen Heimat. Als Kind ist meine Mutter mit ihrer Familie aus England nach Kanada ausgewandert. Mum war damals sechs Jahre alt und hat sich mit der Energie in ihr neues Leben gestürzt, mit der sie alles unternimmt. Ich habe wirklich Glück gehabt, dass Dad dafür gesorgt hat, dass ich einen normalen Namen bekommen habe. Wenigstens etwas Gutes, das ich mit ihm verbinde.

Meine Schwestern hingegen müssen Mums Heimatliebe ausbaden. Ainslie heißt nach einem See auf der Insel Cape Breton. Die Drillinge heißen Margaree, Marion und Mira nach Ortschaften dort. Denn auf der Insel haben sich meine Eltern kennengelernt. Trotzdem entschuldigt das nicht, dass sie den Dreien diese Namen verpasst haben.

Da sie mir nicht antwortet, schneide ich zwei Stückchen von dem leckeren Ahornsirupkuchen ab. Weil ich meine Schwester kenne, suche ich in den Tiefen des Kühlschranks nach etwas Gesundem. Ganz hinten finde ich ein paar Heidelbeeren, die noch essbar aussehen. Ich schüttele sie über Ainslies Kuchenstück. Alles zusammen packe ich auf ein Tablett, das ich in die Werkstatt trage. Meine Schwester sitzt bereits auf meinem Lieblingsstuhl und schaut mir erwartungsvoll entgegen. Ich stelle das Tablett auf einen schmalen Tisch, den ich geschreinert habe. In einvernehmlichem Schweigen genießen wir Kaffee und Kuchen.

»Nun sag schon. Weshalb bist du hier?« Eigentlich muss ich nicht fragen, ahne ich doch den Grund von Ainslies Besuch. »Dad schickt dich, nicht wahr?«

Sie rührt in ihrer Tasse und schaut mich nicht an. Ein sicheres Indiz dafür, dass ich richtig liege. Warum kann mein Vater mich nicht einfach in Ruhe lassen? Er weiß doch, dass ich auf keinen Fall die Firma übernehmen werde, nur weil er es wünscht.

»Was will er?« Unbewusst balle ich die Hände zu Fäusten. Ein Zeichen, wie wütend es mich macht, dass mein Vater meine Schwester vorschickt und nicht den Mut findet, sich mir zu stellen. »Ich will keinen Job in der Firma. Das weiß er.«

Für meinen Vater bin ich eine Enttäuschung. Er hat erwartet, dass ich die Firma übernehme, die er aus dem Nichts aufgebaut hat, aber Management hat mich nie interessiert. Um überhaupt etwas zu machen, habe ich ein Architektur-Studium begonnen, was okay war, aber nicht mehr. Bis zu dem Tag, an dem ich ein Praktikum in einer Tischlerei absolvierte. Als ich den würzigen Geruch des Holzes gerochen, das Gefühl von Brettern unter den Händen gespürt habe, habe ich gewusst, was ich machen wollte.

Seitdem arbeite ich mit Holz und reise immer wieder zu Tischlermeistern, von denen ich lernen kann. Möglicherweise könnte ich damit sogar Geld verdienen, wenn ich nicht so ein Perfektionist wäre. Ich brauche ewig für ein Möbelstück, bis es meinem Anspruch genügt. In der Zeit wächst es mir so sehr ans Herz, dass ich mich nicht von ihm trennen will. Kein Interessent hat es bisher geschafft, mich davon zu überzeugen, dass er meine Werke würdigen kann.

Spleenig, ich weiß, aber ich kann es mir leisten. Noch zahlt mein Vater für meine Wohnung in Halifax und die Hütte hier. Allerdings kann er es sich jederzeit anders überlegen. Das hängt, wie das berühmte Damokles-Schwert, über meinem Kopf.

Damit ich nicht zu abhängig von seinem Geld bin, habe ich mir einen Job gesucht. Ich arbeite in einer Bar, um mir meinen Lebensunterhalt neben der Tischlerei zu verdienen. Noch etwas, was meinen Vater echt sauer macht. Wir werden wohl nie zusammenkommen, egal wie sehr meine Mum und meine Schwestern sich bemühen. Aber solange ich vom Geld meines Vaters lebe, muss ich eben springen, wenn er mich rufen lässt. Aber nicht sofort, die winzige Rebellion leiste ich mir.

»Sag ihm, ich komme morgen.«

»Versuch doch, mit ihm auszukommen. So schlimm ist er nicht.« Ainslie gibt mir einen Kuss auf die Wange. Das schlechte Gewissen steht ihr ins Gesicht geschrieben. »Mum und die 3Ms werden sich freuen, dich zu sehen.«

»Grüß sie von mir. Bis morgen.«

*********

Mum passt mich ab, als ich auf dem Weg zu Dads Arbeitszimmer bin. Normalerweise sieht sie aus wie Ainslies etwas ältere Schwester. Beide haben diese großen, tiefblauen Augen, die silberblonden Haare und sind hochgewachsen und schlank wie Models. Heute allerdings zeichnen sich deutlich Linien um Mums Augen und ihren Mund ab, die sie müde, erschöpft und deutlich älter, als Ainslie, aussehen lassen. Was liegt ihr wohl auf dem Herzen?

»Ryan.« Sie lächelt gequält. »Dein Vater meint es nur gut.«

Es tut mir weh, dass Mum darunter leidet, wie wenig Dad und ich uns verstehen, aber ich kann nicht aus meiner Haut. Zu viel ist zwischen uns schiefgelaufen.

»Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert«, rutscht mir heraus, bevor ich überlege, ihr nicht wehzutun. »Sorry, Mum.«

»Du wirst es nicht glauben.« Sanft legt sie mir ihre kühle Hand an die Wange. Ein Trost, den sie seit meiner Kinderzeit beibehalten hat. »Aber ihr beide seid euch zu ähnlich und versteht euch deshalb nicht.«

»Niemals!«

»Lass ihn nicht warten, William hasst Unpünktlichkeit, wie du weißt.«