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Wer hätte gedacht, dass es Dämonen wirklich gibt? Und nicht nur sie – auch Dämonenjäger? Daniel begegnet gleich dreien von ihnen, als er sich auf der Suche nach seinem Bruder mit einem Dämon einlässt. Mit den Jägern, so hofft er, hat er eine größere Chance, Zach aufzuspüren. Aber diese Entscheidung zieht ihn zunehmend tiefer in einen alten Konflikt zwischen den verfeindeten Spezies. Was ist geschehen, dass die Dämonen ihre jahrtausendalte Deckung überhaupt aufgaben? Welche Rolle hat dabei die Jägerin Miriam gespielt, die von ihren Mitstreitern mit extremer Verachtung behandelt wird – und welche Rolle hatte ihr einstiger Partner Flo? Die Suche nach Zach führt Daniel und die Jäger nicht nur in die Vergangenheit, sondern quer über zwei Kontinente – und an ihrem Ende steht etwas ganz anderes, als sie alle erwartet hatten … Dämonenritt ist der erste Teil der abgeschlossenen Fantasy-Trilogy Die Kinder der Engel.
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Seitenzahl: 544
Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhalt
Warnung
Prolog
Kapitel 1: Miriam – Cognitio
Kapitel 2: Daniel – Wunschtraum
Kapitel 3: Miriam – Erinnerung
Kapitel 4: Daniel – George
Kapitel 5: Florian – Compassio
Kapitel 6: Daniel – Aufruhr
Kapitel 7: Florian – Der Versuch, ein Held zu sein
Kapitel 8: Miriam – Wiedersehen
Kapitel 9: Daniel – Bittere Erkenntnis
Kapitel 10: Florian – Perspektiven
Kapitel 11: Miriam – Flucht
Kapitel 12: Florian – Jerusalemer Nächte
Kapitel 13: Daniel – Saga
Kapitel 14: Miriam – Was im Sinai geschah
Kapitel 15: Florian – Spuren folgend
Kapitel 16: Daniel – Esoterik einmal anders
Kapitel 17: Miriam – Fahrt über den See
Kapitel 18: Daniel – Überfall
Kapitel 19: Florian – Flucht nach Süden
Kapitel 20: Miriam – Legenden
Kapitel 21: Daniel – Das Herz in der Wüste
Anhang
Diese Geschichte beinhaltet Dämonen und Götter der verschiedensten Ursprünge, völlig unabhängig davon, zu welcher Religion sie gerechnet werden. Wenn jemand einen Kurs in Dämonologie oder Theologie absolvieren möchte, soll er sich bitte eine andere Lektüre suchen ;-)
Und noch eine...
Ja, dieses Buch (oder besser: diese Bücher) ist/sind aus verschiedenen Perspektiven geschrieben. Ja, am Anfang sind es zwei, und dann kommen noch zwei dazu. Aber dabei bleibt es auch – versprochen!
Das gleißende Licht, das die Welt verändern sollte, hatte in seinem geheimsten Innersten einen Jungen, blond, blass, so hell wie das Licht selbst. Je strahlender es wurde, je staunender die Menschen auf der ganzen Welt hineinstarrten, umso mehr Substanz verlor der Junge, umso durchscheinender wurde er, bis er ganz und gar in dem gleißenden Licht unterzugehen schien.
Dann ertönte plötzlich ein Schrei, und aus dem Nichts warf sich ein dunkelhaariges Mädchen ins Licht, warf sich auf den Jungen, bedeckte ihn mit seinem Körper und unterbrach die Verbindung.
Das gleißende Licht erlosch.
Und die Hölle brach los.
Der Dämon schoss aus der Hüfte.
Isa schoss wie immer, mit ausgestreckten Armen, weit geöffneten Händen, Blitze zuckend. Jacob schoss gar nicht, er warf Feuerbälle, genau in die von seiner Schwester geschlagenen Schneisen. Ein Knall, Rauch und Gestank – und fort war der Dämon.
Beide verharrten in ihrer Kampfposition, zu ihren Füßen der fassungslose, gerettete junge Mann. Dann rief Isa ungeduldig: „Miriam?“
Miriam, in ihrer Deckung, schloss die Augen. Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus, ignorierte die ärgerlichen Blicke der Geschwister, ignorierte den Gestank und die Trümmer um sie herum. Erst, als sie sich sicher war, öffnete sie die Augen und sagte: „Ja.“
Isa und Jacob entspannten sich. Isa begann, ihre Sachen aufzusammeln, während Jacob sich zu dem jungen Mann herunterbeugte, um ihm auf die Beine zu helfen. Sein fassungsloses Gestammel konnte Miriam schon auf ihrem Weg zu den Dreien hinüber hören.
„Was war das?“, rief er mit schriller Stimme, „um Himmels willen, was war das?“
Sie fand seine Reaktion ein wenig albern.
„Ein Dämon, natürlich“, antwortete Jacob spöttisch, „Himmel, ihr Menschen! Ein Jahr ist vergangen!“
„Es ist also wahr?“, stammelte der junge Mann, „es ist wirklich wahr? All dies mit den Dämonen? Und ... und ihr seid Jäger, nicht wahr? Es ist wahr, was sie in den Medien sagen!“
„Ja“, erwiderte Isa, die den jungen Mann neugierig betrachtete. Er war attraktiv, mit seinen wuscheligen Haaren und den kräftigen Muskeln unter einem engen T-Shirt. Aber sein Blick galt nicht Isa, die ihn gerade gerettet hatte, sondern ihr, Miriam.
Sie seufzte innerlich.
„Ihr seid Jäger, und das war ein Dämon“, stotterte der junge Mann, „oh Himmel! Ich habe für einen Dämon gearbeitet! Was wollte er nur von mir?“
„Deine Energie“, sagte sie, weil er eine Antwort von ihr zu erwarten schien, „wir sollten hier verschwinden.“
Der junge Mann starrte sie noch immer an. Isa tat dasselbe, mit finsterem Gesicht.
„Man sollte wirklich meinen, inzwischen hätte die Menschheit es kapiert“, spottete Jacob, „ihr seid nicht allein auf der Welt, ihr wart es nie. Ja, es gibt Dämonen, und ja, es gibt Jäger. Das ist doch jetzt ständig in eurem Fernsehen und eurem Internet!“
„Ja“, sagte der junge Mann ungläubig, „aber es ist ... es ist etwas ganz anderes, wenn es einem selber passiert. Himmel. Ihr habt mich gerettet. Ihr habt mich gerettet und ich habe mich noch nicht einmal bedankt! Danke! Ich meine, danke!“
„Gern geschehen“, sagte Isa.
Jacob hob die Augenbrauen.
„Ehrlich gesagt“, meinte er, „wirkte es gar nicht so auf mich, als ob du in unmittelbarer Gefahr warst. Das sah ganz aus wie ein nettes Kaffeetrinken.“
Als der junge Mann ihn daraufhin fassungslos anstarrte, schob er mit einem Achselzucken nach: „Aber wenn Miriam sagt, es ist notwendig, dann ist es notwendig. Und dann retten wir dich halt.“
„Wer ist Miriam?“, flüsterte der junge Mann.
„Ich“, sagte sie, „wir sollten wirklich hier verschwinden. Oder wollt ihr vor die Kameras?“
Sie sah sich um. Der Kampf hatte ein ziemliches Chaos hinterlassen – Trümmer, geschmolzener Teer, Schneisen in der Erde. Sie seufzte erneut innerlich. Von weitem hörte sie schon die Sirenen.
„Wollt ihr nicht?“, fragte der junge Mann verwirrt.
„Nein“, sagte Jacob knapp, „und deshalb auch du nicht. Isa!“
„Gehen wir“, kommandierte Isa, fasste den jungen Mann sicherheitshalber am Ellenbogen und dirigierte ihn vom Schlachtfeld weg. Er war noch etwas unsicher auf den Beinen. Miriam überholte die beiden, erreichte den Transporter vor ihnen und zog die Türen auf.
„Rein“, sagte sie nur, „Daniel, du auch.“
„Woher kennst du meinen Namen?“, wisperte der junge Mann.
„Sie ist unsere weise Frau“, spottete Jacob und schubste ihn in den Wagen, „auf, hopp. Ich will weg sein, bevor die Paparazzi auftauchen.“
„Aber wollt ihr nicht den Ruhm ...?“, begann der junge Mann.
Bevor Miriam die Tür schloss, hörte sie noch Isa sagen: „Nein. Es ist besser, sie wissen nicht, wie wir aussehen.“
Nun, dachte Miriam bei sich, die Dämonen wussten ganz sicher, wie sie, Miriam, aussah.
Aber dann, setzte sie im Stillen hinzu, während sie zur Fahrerseite lief und einstieg, war dies leider auch ganz und gar unerheblich.
Sie fuhr rasch und umsichtig vom Kampf fort und hörte nur mit einem halben Ohr auf das, was hinter ihr im Transporter gesprochen wurde. Daniel bedankte sich erneut, wurde von Isa angelächelt, von Jacob verspottet, und mehr als einmal sah sie im Rückspiegel, wie er versuchte, ihren Blick einzufangen. Sie ignorierte es.
„Wo sollen wir dich rauslassen?“, fragte sie schroff.
„Mich ... rauslassen?“, wiederholte Daniel. Er wollte den Kopf zwischen den Lehnen hervorschieben, aber Jacob zog ihn zurück.
„Nicht Miriam beim Fahren ablenken“, sagte er, „nicht hier und jetzt. Ich weiß, sie ist was fürs Auge, aber du kannst sie nicht anstarren.“
„Was fürs Auge ist nicht der richtige Ausdruck ...“, begann der junge Mann.
„Wo?“, unterbrach ihn Miriam knapp, „wir sind gleich ...“
Und dann unterbrach sie sich selbst und trat mit voller Kraft auf die Bremse.
„Aua!“, schrie Isa empört auf, „verdammt, Miriam!“
„Ich hab doch gesagt, du sollst dich anschnallen“, erwiderte Jacob barsch, „Miriam? Was ist es?“
Sie sagte zunächst nichts, lauschte. Dann: „Wie viel Energie habt ihr noch?“
Sie konnte im Rückspiegel sehen, wie Isa und Jacob einen Blick tauschten.
„Für einen weiteren Dämon reicht’s“, sagte Isa.
„Nicht genug“, murmelte Miriam, legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas. Sie ignorierte die empörten Rufe, setzte zurück bis zur letzten Abzweigung und bog ein. Raus aus der Stadt, schneller als geplant, und Richtung Quartier, zumindest zuerst.
„Miriam?“, fragte Jacob. Er schaffte es, sowohl herablassend als auch professionell zu klingen.
„Gleich, zur Linken“, sagte sie, „ich glaube, es ist Asmodeus.“
„Was?“, fauchte Isa.
Jacob schob Daniel beiseite und drängte den Kopf nach vorne.
„Das schaffen wir nicht“, sagte er hart, „nicht jetzt, nicht danach ...“
Und wenn überhaupt, vervollständigte sie im Stillen für sich.
„Ich weiß“, sagte sie nur, „ich versuche, ihn abzuhängen.“ Sie wendete den Wagen erneut auf der Straße und gab Gas.
„Was ist los?“, stammelte Daniel, „was um alles in der Welt ist los?“
Und dann sagte er gar nichts mehr, denn über den Hügeln zu ihrer Linken war Asmodeus aufgetaucht.
Der Anblick eines Dämonenfürsten war nie ein erfreulicher, und schon gar nicht dieser. In seltenen Fällen der Ruhe fragte sich Miriam manchmal, ob Dämonen sich mit Absicht hässliche Fratzen und riesenhafte Gestalten zulegten, wenn sie kämpfen wollten. Sie wusste aus eigener schmerzhafter Erfahrung, dass ein Dämon wie ein ganz normaler Mensch aussehen konnte. Auch Daniels Chef hatte wie ein ganz normaler Anwalt gewirkt – bis Isa und Jacob ihn angegriffen hatten.
Dann jedoch hätte ihn kein Mensch auf der Welt mehr als seinesgleichen bezeichnet.
„Wo zum Henker fährst du denn lang?“, kreischte Isa.
„Sei still, das hilft jetzt nicht“, schnauzte Jacob seine Schwester an.
Miriam konzentrierte sich ganz auf das Fahren, hielt sich eng an die Bäume und Böschungen, nahm halsbrecherische Kurven in Kauf, in der Hoffnung, dass Asmodeus sie nicht gesehen hatte. Wenn er sie nicht gesehen hatte, hatten sie vielleicht eine Chance. Und sie waren nicht mehr weit von ihrem Quartier entfernt ...
Isa keuchte auf, Daniel schnappte nach Luft, als sie erneut viel zu schnell um eine Kurve jagte. Ein kleiner Tunnel, dann nicht mehr weit – und plötzlich, ihrem Inneren vertrauend, trat Miriam mit voller Kraft auf die Bremse, so dass sie schlingernd und mit kreischenden Reifen gerade noch im Tunnel stehenblieben – in Sichtweite ihres Quartiers.
„Was machst du denn?“, fauchte Isa.
Miriam sagte nichts, sie lauschte. Einen Moment lang war nichts zu hören außer ihrem angestrengten Atem. Dann gab es einen heftigen Aufprall, ein Dämonenhuf schlug direkt vor dem Tunnel und ein donnernder Knall ertönte, so heftig, dass der Transporter schwankte.
Asmodeus verschwand.
„Was zum Henker ...“, flüsterte Daniel.
Isa und Jacob hingegen sagten nichts. Sie sagten gar nichts, während sie wie Miriam stumm und fassungslos auf den rauchenden Krater starrten, der ihr sicheres Quartier gewesen war.
Sie sagten auch immer noch nichts, als Miriam den Wagen wendete und ein ganzes Stück in die entgegengesetzte Richtung fuhr, bevor sie auf einem verlassenen Parkplatz Halt machte. Sie spürte, wie ihre Arme zitterten.
„Sind wir hier sicher?“, keuchte Daniel, „folgt er uns nicht?“
„Er hat uns nicht gesehen“, sagte Jacob, „und nein, er folgt uns nicht.“
„Auch nicht mir?“
„Ich glaube nicht, dass er besonderes Interesse an dir hat“, gab Jacob bitter zurück, „du bist nur ein Mensch, ganz egal, was dein Boss mit dir vorhatte.“
Miriam holte ein paar Mal tief Luft, wie sie es gelernt hatte.
„Was haben wir noch?“, fragte sie.
Zum Glück schien Isa für diesen Moment ihren ständigen Groll vergessen zu haben.
„Die Notausrüstung“, sagte sie, „das Handy ... verdammt. Miriam. Hast du das Handy?“
Miriam wusste genau, wo besagtes, wichtiges Handy lag, beziehungsweise gelegen hatte: Auf dem Tischchen neben der Eingangstür. Sie hatte es aufladen wollen, und den Auftrag nicht für wichtig genug erachtet, um es mitzunehmen.
„Das Handy ist weg“, stellte sie fest.
„Na danke“, sagte Jacob hart, „das heißt, wir können den Rat nicht kontaktieren?“
„Moment“, unterbrach Daniel, „was ist da in die Luft gegangen? Was war das?“
„Unser Heim“, sagte Isa und verbesserte sich sofort: „Unser aktuelles Quartier.“
„Mit all unserer aktuellen Zusatzausrüstung“, setzte Jacob grimmig hinzu.
Daniel wandte den Kopf von einem zum anderen.
„An mir hatte dieses Ding kein Interesse, sagst du“, begriff er, „aber an euch, nicht wahr? Das galt euch.“
Niemand antwortete ihm, die Antwort war offensichtlich.
„Ich denke, man nennt euch Jäger“, setzte Daniel hinzu, „Dämonenjäger. Dämonen, das sind diese Dinger aus Feuer und Gestank, die Menschen ihre Kraft rauben. Und ihr seid ihre Jäger. Warum also habt ihr diesen ... diesen ...“
„Dämonenfürsten“, sagte Jacob.
„Diesen Dämonenfürsten nicht einfach so angegriffen? Wie Melchom? Wenn ihr doch die Jäger seid, die all diese plötzlich aufgetauchten Dämonen zur Strecke bringen?“, fragte Daniel, immer lauter werdend.
Miriam zuckte zusammen.
Jacob fuhr herum.
„Erstens“, schnauzte er, „sind die Dämonen nicht plötzlich aufgetaucht – sie waren die ganze Zeit da! Ihr Menschen habt es bloß nicht mitbekommen, weil es den Pakt gab! Sie waren die ganze Zeit unter euch, wie dein ...“ Er stockte.
„Melchom“, wiederholte Miriam, „du hast ihn Melchom genannt.“
Sie drehte sich herum. Wäre sie nicht so zornig gewesen, hätte sie sich darüber gefreut, dass er unter ihrem Blick erstarrte.
„Du wusstest es“, sagte sie gefährlich leise, „du wusstest, dass er ein Dämon war. Du bist überhaupt kein ahnungsloser, unschuldiger Mensch.“
Stille folgte auf ihre Aussage. Dann sagte Isa, gar nicht mehr zuvorkommend klingend: „Hast du ihn auf unsere Spur gelockt? Warst du der Köder?“
„Es war doch sein Name ...“, begann Daniel vorsichtig.
„Nein“, zischte Jacob dazwischen, „er nannte sich Martin Schulze und nicht Melchom! Niemand kannte seinen Namen – und schon gar nicht jemand, der vorgibt, nichts von seiner wahren Natur gewusst zu haben! Du lügst uns an!“
„Du hast uns in die Falle gelockt?“, fauchte Isa, „ist es so? Hast du uns in die Falle gelockt, damit Asmodeus uns finden kann? Direkt nach einem Kampf mit Melchom?“
„Antworte!“, schnauzte Jacob.
Daniel hob abwehrend die Hände.
„Nein, bitte!“, sagte er, „in Ordnung. Ich wusste es! Ich wusste, dass er nicht der war, der vorgab zu sein. Aber ich hatte einen Grund! Und sonst weiß ich auch nur das, was alle wissen!“
„Was ist denn das, was alle wissen?“, zischte Jacob.
„Fang vorne an, bitte“, setzte Isa kalt hinzu.
„Und lass nichts aus“, warnte Jacob.
Miriam sagte gar nichts, sie starrte ihn nur an. Daniel errötete heftig.
„Alles war in Ordnung“, verteidigte er sich, „bis vor einem Jahr! Bis diese ... Erscheinung da war, dieser Lichtstrahl, oder was auch immer. Es war überall! Und plötzlich tauchten auf einmal diese Wesen auf, von denen es heißt, sie seien Dämonen – und dass die alten Religionen gar nicht so Unrecht gehabt hätten, sie wären schon immer unter uns gewesen. Dass all dieser paranormale Quatsch plötzlich wahr zu sein scheint! Und ihr taucht auf, das heißt, Leute wie ihr – Jäger. Ihr jagt Dämonen seit Jahrtausenden, sagt ihr, und habt euch genauso vor uns im Verborgenen gehalten wie sie. Es habe diesen albernen Pakt gegeben – was für ein Pakt überhaupt? Mit wem? Und es ist von Hexen die Rede, und Vampiren, und Werwölfen, und was weiß ich nicht allem! Ich hätte den ganzen Kram nicht eine Sekunde geglaubt, wenn nicht ständig so etwas passieren würde wie mir gerade – wenn nicht ständig ein Dämon auftauchen würde, und ihr Jäger! Das ist doch alles so absurd! Vampire sieht man nie vor der Kamera, und Werwölfe auch nicht!“
„Weil es sie gar nicht gibt“, sagte Miriam, immer noch gefährlich leise, „das ist alles das, was jeder weiß. Aber nichts davon erklärt, warum du freiwillig für Melchom gearbeitet hast.“
„Und warum uns plötzlich Asmodeus gefunden hat!“, schnauzte Jacob.
„Ich habe keine Ahnung, wer Asmodeus ist!“, beteuerte Daniel, „und ganz bestimmt bin ich nicht seinetwegen zu Melchom gegangen!“
„Natürlich bist du nicht seinetwegen zu Melchom gegangen“, sagte Jacob kalt, „aber hat er dich dazu gebracht, uns anzulocken? Was hat er von dir gewollt?“
„Er hat gar nichts von mir gewollt!“, sagte Daniel heftig, „außer vielleicht dieser Energiesache, die ich immer noch nicht verstanden habe!“
„Das ist nicht schwer“, sagte Isa zornig, „Dämonen rauben Menschen ihre Energie. Wir hindern sie dran. Inzwischen wissen wirklich alle das!“
„Was haben wir Menschen denn, was Dämonen nicht haben?“, fauchte Daniel wütend.
„Die Kraft, in dieser Sphäre zu leben!“, sagte Isa heftig.
Miriam hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und zu ihrem Erstaunen verstummte Isa tatsächlich.
„Du bist der Frage ausgewichen“, sagte sie, „warum warst du bei Melchom? Wenn du wusstest, was er war?“
„Alle normalen Menschen gehen Dämonen aus dem Weg – es sei denn, sie versprechen sich etwas davon!“, setzte Jacob hart hinzu.
„Die meisten Menschen würden sich wünschen, es würde Dämonen gar nicht geben“, wütete Daniel.
„Antworte!“, zischte Miriam ihn an, die Fäuste geballt.
Er schluckte, sichtbar. Dann hob er erneut die Hände, diesmal ergeben.
„Vor einem Jahr“, sagte er schwer, „verschwand er. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen. Zur selben Zeit, wie auch diese Sache mit dem Licht geschah.“
Isa, Jacob und Miriam wechselten einen Blick.
„Wer?“, fragte Isa verständnislos.
Daniel seufzte.
„Zacharias“, sagte er, „mein Bruder. Ich wusste ja, dass er mit seltsamen Leuten zu tun hatte, aber er ... er ist mein Bruder. Ein Mensch wie ich. Und wenn er zur selben Zeit verschwand, wie die Dämonen auftauchten, dann dachte ich ... ich meine, jeder würde doch denken, dass sie etwas damit zu tun haben!“
Erneut sahen die Drei sich an. Jacob zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen.
„Menschen verschwinden andauernd“, meinte er, „vor allem, wenn sie merkwürdigen Umgang haben. Nicht immer muss ... schon gut. Ja, vielleicht hat ein Dämon damit zu tun.“
„Ich will ihn doch nur finden!“, verteidigte Daniel sich, „versteht ihr das nicht? Und wir haben alles versucht – Vermisstenanzeigen, Polizei, Privatdetektive, nichts! Zach ist wie vom Erdboden verschluckt! Und das am selben Tag, an dem wir von den Dämonen erfuhren! Das kann doch kein Zufall sein.“
Erneut Stille. Miriam biss sich auf die Lippen. Isa räusperte sich.
„Es ist zumindest nicht besonders wahrscheinlich, dass es Zufall war“, gab sie zu, „das heißt also, du bist zu Melchom ... weil du ihn ausfragen wolltest?“
Sie wirkte fassungslos diesmal, aber das konnte Miriam verstehen. Daniel errötete noch tiefer.
„Wir haben alles versucht!“, wiederholte er, „alles! Ich musste doch irgendwo anfangen! Und als ich den Tipp bekam ... ich meine, ehrlich. Im Fernsehen sieht das immer ganz anders aus. Ich wollte keine zuckenden Blitze. Ich will einfach nur meinen Bruder finden!“
„Wie können wir herausfinden, ob er lügt?“, fragte Jacob Miriam, ohne den Blick von Daniel zu lassen.
Daniel warf die Hände hoch.
„Ihr habt mich doch nicht grundlos gerettet, oder?“, fauchte er, „wir waren wirklich nur einen Kaffee trinken – mir ist nichts weiter aufgefallen! Ich dachte, es ist eine gute Chance, ihn etwas auszufragen, und ich hatte bestimmt nicht vor, einen Pakt mit der Hölle einzugehen. Ich glaube auch nicht, dass er mich gleich aussaugen wollte – aber ihr seid trotzdem gekommen. Warum? Warum wart ihr plötzlich da? Er hat nie zuvor so ausgesehen. Warum habt ihr ihn angegriffen?“
Stille, erneut. Diesmal sahen Isa und Jacob erst Daniel, dann Miriam an. Sie seufzte und warf sich auf dem Fahrersitz herum, aus dem Fenster starrend. Nein, was er sagte, stimmte. Anders als bei den meisten ihrer anderen Einsätze hatte keine akute Gefahr für Daniel bestanden. Und dennoch hatte sie es gewusst.
„Miriam?“, forderte Jacob.
Sie seufzte.
„Ich weiß nicht, ob er lügt“, gab sie zu, „aber ich weiß, dass wir ihn holen mussten. Und bevor du anfängst, Isa – ja, ich kann mich irren. Also. Daniel könnte lügen. Asmodeus hat unser Quartier zerstört. Asmodeus könnte wissen, wo wir sind.“
„Und wir sind vom Rat abgeschnitten“, setzte Isa bitter hinzu.
„Wir sind nur so lange vom Rat abgeschnitten, bis wir ein neues Quartier gefunden haben“, sagte Miriam.
„Und du weißt, wo das nächste ist?“, fragte Jacob.
„Wir brauchen eine Verbindung zum Rat“, sagte sie, „morgen können wir sie haben.“
„Natürlich weiß sie es“, murrte Isa, „es ist ihr Job. Sie weiß, wo alle Quartiere sind.“
„Gut“, meinte Jacob grimmig, „dann bleibt nur noch die Frage – was machen wir mit ihm?“
Stille. Miriam blickte zurück.
„Ich sage, wir nehmen ihn mit“, erwiderte Isa schnell, „immerhin sollten wir ihn retten. Und er hat Recht – er war überhaupt nicht in unmittelbarer Gefahr. Wenn Miriam etwas gesehen hat, dann kann das nur bedeuten, dass wir ihn mitnehmen müssen!“
„Miriam hat sich auch vorher schon geirrt“, entgegnete Jacob zweifelnd, „und vielleicht sollte das gar nicht ihn retten, sondern uns. Vielleicht wusste Asmodeus längst, wo wir waren, und hätte das Quartier angegriffen mit uns da drin.“
„Aber dann hätte sie es gespürt, nicht wahr?“, sagte Isa, „und mit voller Energie hätten wir es mit Asmodeus aufnehmen können. Nein, das ergibt keinen Sinn.“
„Vielleicht hat er uns aber auch nur Märchen erzählt und ist doch dafür verantwortlich, dass Asmodeus uns gefunden hat!“, sagte Jacob barsch.
Miriam sah, wie Daniel, dessen Kopf zwischen den Geschwistern hin- und herging, den Mund aufmachen wollte, es sich aber anders überlegte.
„Er hat nicht wissen können, dass wir kommen“, sagte Isa hitzig, „er war ja nicht einmal in Gefahr!“
„Wenn man einen Job bei einem Dämon annimmt, dann gerät man automatisch irgendwann in Gefahr!“, hielt Jacob dagegen.
„Das weißt du! Aber er hat nicht dein Wissen!“
„Keiner von uns weiß, was er weiß!“
„Doch, ich“, sagte Daniel rasch, „und ich habe die Wahrheit gesagt. Gut, vielleicht bin ich ein bisschen blauäugig, was Dämonen anbetrifft – aber ehrlich, ich habe bei weitem nicht so viel Erfahrung damit wir ihr. Ich will meinen Bruder finden. Und ich will mit. Mit euch habe ich vielleicht eine Chance!“
Erneute Stille. Isa und Jacob sahen sich an.
„Vielleicht“, meinte Jacob langsam, „ging es nie um Daniel. Vielleicht ging es immer um seinen Bruder.“
Beide drehten misstrauisch den Kopf zu Miriam. Sie biss sich auf die Lippen. Drei Augenpaare starrten sie an, zweifelnd, hoffend, bittend.
„Miriam?“, fragte Isa.
„Das ist möglich“, meinte sie langsam, „aber Jacob hat Recht. Ich habe mich auch zuvor schon geirrt. Und Asmodeus hat uns gefunden.“
„Damit habe ich nichts zu tun!“, rief Daniel schnell.
Jacob fixierte ihn.
„Bist du sicher, dass du wirklich überhaupt mit willst?“, fragte er, „ich meine, wir können deinen Bruder auch ohne dich suchen. Es ist gefährlich, wo wir sind. Das ist es immer – du hast es gesehen.“
Daniel zuckte mit den Schultern.
„Ihr seid Jäger“, stellte er fest, „ihr rettet Menschen vor Dämonen. Ich glaube, die Dämonen haben etwas damit zu tun, dass mein Bruder verschwunden ist. Ja, natürlich will ich eure Hilfe. Aber ich glaube, um Zach zu finden, braucht ihr auch meine.“
„Also nehmen wir ihn mit“, sagte Isa hoffnungsvoll.
Jacob warf ihr einen ironischen Blick zu.
„Du weißt schon, dass du dich an die Regeln zu halten hast, oder?“, sagte er spöttisch.
Isa errötete.
„Natürlich“, erwiderte sie empört, „schließlich bin ich ja nicht dumm! Schließlich bin ich nicht ...“
Sie brach ab, zum Glück, ganz von selbst. Miriam ballte die Hände zu Fäusten. Jacob starrte seine Schwester immer noch an, aber nicht vorwurfsvoll, sondern eher spottend, wie ein älterer Bruder das eben zu tun schien. Isa starrte entrüstet zurück, nicht verlegen. Und sie, Miriam, hatte plötzlich genug von dieser Diskussion.
„Fahren wir“, sagte sie brüsk.
*
Miriam träumt...
„Ich mache es alleine“, sagt er, noch einmal, mit Nachdruck.
„Aber das ist Wahnsinn!“, schnauzt die Frau, „na los, ihr anderen! Sagt auch etwas!“
Stille. Sie beißt sich auf die Lippen, so heftig, dass sie bluten. Die Frau ist verstummt, so wie die anderen. Peinlich, schmerzhaft verstummt sind sie.
Er lacht auf, bitter.
„Sie werden nichts sagen“, erklärt er mit einer Abgeklärtheit, die weit über seine Jahre hinausgeht.
Siebzehn, denkt sie, Himmel, er ist siebzehn. So alt wie ich.
Sie muss die Augen gegen die drohenden Tränen schließen.
„Sie werden nichts sagen“, wiederholt er, „weil sie genauso gut wissen wie ich, dass dies unsere einzige Chance ist.“
Sie kann nichts mehr gegen die Tränen tun.
Mit einem Keuchen fuhr Miriam hoch, einen Moment lang völlig desorientiert.
Ein abgelegener Parkplatz, der Wagen von Büschen und Schatten versteckt, so dass keine Polizei auf den dummen Gedanken kam, sie zu inspizieren. Die Menschheit hatte sich bei weitem noch nicht mit ihren Beschützern arrangiert, zumindest nicht genug nach Miriams Geschmack.
Sie war gefahren, bis sie nicht mehr konnte. Da Daniel inzwischen auf dem Rücksitz eingeschlafen war, und keiner der Geschwister einen Führerschein besaß – und zudem auch keiner der Drei ihr Wissen – hatte sie diesen Platz aufgesucht, den Wagen abgestellt, sich in ihre Lederjacke gewickelt und die Augen geschlossen. Sie war sofort und unverzüglich in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung gefallen – bis jetzt.
Verfluchte Alpträume.
Verfluchte Vergangenheit.
Verfluchtes Schicksal.
Sie würde nicht mehr einschlafen, das wusste sie. Sie würde aber auch so nicht fahren können. Mit einem Seufzen griff Miriam nach einer Flasche Wasser, öffnete leise die Autotür und rutschte hinaus, ohne die anderen zu wecken. Sie brauchten ihren Schlaf.
Und sie, Miriam, brauchte Ruhe. Himmel, sie brauchte so dringend Ruhe.
In Nächten wie diesen wünschte sie sich, sie würde rauchen. Dann würde es irgendwie Sinn machen, hier draußen unter den Sternen zu stehen und den Geräuschen der Nacht zu lauschen. So nippte sie an ihrem Wasser und fühlte sich ein wenig lächerlich. Es war eine erbärmliche Ausrede, während sie darauf wartete, dass sich ihr Puls beruhigte.
„Alles in Ordnung?“, fragte Daniel hinter ihr.
Miriam fuhr herum. Der Traum musste sie wirklich noch fest im Griff haben, dass er sich so an sie heranschleichen konnte. Sie runzelte die Stirn. Daniel wirkte verlegen.
„Ich meine nur“, murmelte er, „es sah aus, als würdest du schlecht träumen. Und dann bist du gegangen.“
„Hast du mir beim Schlafen zugesehen?“, fragte sie ungläubig.
Blut schoss ihm in die Wangen.
„Ich bin auch nur ein Mann!“, verteidigte er sich, „und du ...“
Er sprach nicht weiter, als sie ihn nur anstarrte. Sie wartete einen Moment, damit sie nicht die Dinge sagte, die sie am liebsten gesagt hätte.
„Du bist ein Mensch“, stellte sie schließlich fest, „wir sind Jäger. Komm darüber hinweg.“
Jetzt wirkte er zornig.
„Soll das heißen, ich bin nicht gut genug für dich?“, fragte er empört.
Sie stieß ein halbes Lachen aus und wandte sich ab, wieder dem dunklen Parkplatz zu.
„Das soll nur heißen, dass Welten zwischen uns liegen“, sagte sie, „es ist mir egal, wie du das verstehst. Komm darüber hinweg.“
Sie nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche.
Stille. Dann, seine Stimme, ganz nah und vorsichtig.
„Miriam? Weinst du?“
Sie leerte die Flasche mit einem Ruck.
„Falls ich jemals weinen sollte“, sagte sie brüsk, „ginge es dich nichts an. Na los. Ich bin fit genug zum Fahren, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Es sollte auch in deinem Interesse sein, rasch Kontakt zum Rat aufzunehmen. Du willst deinen Bruder finden, nicht wahr?“
„Ja“, sagte er. Aber er starrte sie noch immer an, und sie hätte ihn am liebsten geschlagen.
Stattdessen drehte sie sich auf dem Absatz herum und ging zum Auto zurück.
*
„Sag, dass das ein Scherz ist“, meinte Isa ungläubig, „na los! Sag es! Das ist ja wohl nicht dein verdammter Ernst!“
Miriam sagte nichts. Sie starrte einfach nur auf die ausgebrannte Ruine, die vor ihnen lag.
„Bist du sicher, dass du dich nicht geirrt hast?“, verlangte Jacob hart zu wissen.
Sie schüttelte den Kopf.
„Moment“, ließ sich Daniel vernehmen, „ist das noch so ein sicheres Quartier von euch? Ein ausgebranntes Haus? Ich muss Isa zustimmen – ist das ein Witz?“
„Es sollte nicht ausgebrannt sein“, erwiderte Miriam bissig. Sie seufzte und suchte nach einer Wasserflasche. Vielleicht sollte sie wirklich anfangen zu rauchen.
Beim Morgengrauen war Isa aufgewacht, was wirklich ein Jammer gewesen war. Bis dahin waren Miriam und Daniel schon einige Stunden in angenehmem Schweigen gefahren. Das hieß, für Miriam war es angenehm gewesen zu schweigen. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Daniel sehr gerne ein Gespräch angefangen hätte. Die Art und Weise, wie er immer wieder zu ihr herüber sah, und dass er sich auf den Beifahrersitz anstelle nach hinten gesetzt hatte, waren ziemlich klare Indikatoren dafür.
Sie hatte es ignoriert. Sie war gut im Ignorieren.
Mit Isas Aufwachen war es vorbei mit dem angenehmen Schweigen. Ganz nach ihrer eigenen Isa-Manier hatte sie herumgemeckert, bis sich sogar der zerzauste Jacob gerührt und so lange genervt hatte, bis Miriam für Kaffee und Frühstück angehalten hatte. Im Nachhinein war sie aber sogar ganz froh über den Zwischenstopp. Wenn Isa diesen Anblick mit leeren Magen gesehen hätte, wäre es nicht nur bei ein bisschen Gemecker geblieben.
Das sichere Quartier, das nächste auf ihrer inneren Karte, war ausgebrannt. Es existierte nicht mehr, und dies anscheinend schon seit ein paar Tagen. Sie hätte sich wirklich früher mit dem Rat in Verbindung setzen sollen. Es war zu weit, heute noch die nächste Alternative zu erreichen, und so nahm sie einen Schluck aus der Flasche, löste ihren Gurt und sagte: „Sehen wir nach, ob etwas zu retten ist.“
Jedem musste klar sein, dass es verträumtes Wunschdenken war, in dieser Ruine würde noch irgendetwas von Wert zu finden sein – geschweige denn von Wert für drei Jäger. Aber sie war Miriam. Und sie stieg aus und ging auf das ausgebrannte Haus zu.
„Ist das normal?“, hörte sie Daniel hinter sich, „oder war das etwa auch Asmodeus?“
Zum Glück antwortete Jacob, so dass sie sich nicht einmal umdrehen musste, sondern sich unter dem Absperrband langzwängen konnte.
„Nein“, sagte er, „dies war kein Dämonenangriff. Asmodeus hätte es einfach pulverisiert. Hier hat es gebrannt. Das kann alles gewesen sein. Ein Kurzschluss ...“
„Ein paar falsch gelagerte Materialien“, ließ sich Isa giftig vernehmen.
Ja, dachte Miriam, es konnte wirklich alles gewesen sein. Aber etwas in ihr rebellierte, dass es nicht normal sein konnte, wenn das nächste sichere Quartier in Flammen aufging, und dies so zeitnah zu Asmodeus‘ Angriff auf ihres.
Sie sah sich in der Ruine um. Nach einem Handy zu suchen war der reine Irrsinn; alles Plastik wäre längst geschmolzen. Behutsam griff sie in sich, langsam, suchend, tastend, an dem Chaos vorbei. Sie ging weiter. Vom Flur aus ragte eine verkohlte Treppe nach oben, sinnlos, denn die oberen Stockwerke waren bis auf das Mauerwerk ausgebrannt. Sie hätte ihr Gewicht sowieso nicht dem wackeligen Gerüst anvertraut.
Auf dem Boden lag etwas, unter dem Schutt. Sie zog es vorsichtig hervor.
„Eine Brechstange?“, hörte sie Daniel, „was um alles in der Welt willst du mit einer Brechstange?“
Sie ignorierte ihn, warf einen Blick in das nächste Zimmer, dann das zweite, stoppte, und ging hinein. Vor dem zerfallenden Kamin blieb sie stehen. Trümmer und Asche lagen überall. Es knackte, und sie hoffte, dass das Haus nicht über ihr zusammenfallen würde. Vorsichtig ging sie in die Knie und wischte über den Boden. Ihre Finger blieben hängen.
„Lass“, sagte Jacob und nahm ihr die Brechstange aus der Hand, kaum, dass sie sie angesetzt hatte, „ich mach das.“
„Was ist das?“, fragte Daniel.
„Ein Versteck“, erklärte Isa, „jedes Haus hat eines. Aber wir heben meistens nichts darin auf, außer ... Miriam? Was hast du vor?“
Miriam sagte nichts. Sie sah zu, wie Jacob die Steinplatte hochstemmte, fasste mit an, sie beiseitezuschieben, und wurde dann selber von Daniel beiseitegeschoben, als es darum ging, die darunter liegende Metallkiste herauszuheben. Männer. Sie mochte vielleicht keine kraftstrotzende Amazone sein, aber das hätte sie noch geschafft.
„Verschlossen“, sagte Daniel.
Jacob sah sie einfach nur an.
Miriam streckte die Hand aus, dann die andere, berührte die Kiste an einer Stelle, an einer zweiten, an einer dritten. Sie drückte einmal kräftig zu, und mit leiser Befriedigung hörte sie das leise Knacken. Als sie die Kiste öffnete, seufzte sie innerlich. Der sechste Sinn in ihr schrie so laut, dass sie sich mit Absicht hätte taub stellen müssen, um ihn zu überhören.
„Das ist Geld“, sagte Daniel verwirrt, „richtig viel Geld. Aber ... das verstehe ich nicht. Ihr habt doch vorhin mit Kreditkarten bezahlt. Wofür braucht ihr jetzt Geld? Macht es nicht viel mehr Sinn, etwas anderes hier zu verstecken? Einen Talisman vielleicht? Oder einen Dämonentöter?“
„So was gibt es nicht“, meinte Jacob spöttisch.
„Dann zumindest ein neues Handy!“, rief Daniel, „was bitte hilft uns Geld?“
Miriam nahm Isa ihre Tasche ab und begann, die Scheine hineinzupacken.
„Es hilft zu verschwinden“, sagte sie.
Daniel war nicht der Einzige, der sie verständnislos angestarrt hatte, während sie das Geld einpackte. Isa und Jacob reagierten mehr als skeptisch. Besser ausgedrückt, sie reagierten mit unverhohlenem Spott.
„Denkt einfach mal nach“, meinte Miriam schließlich, „Dämonen sind überall. Sie haben auch überall Spione. Es ist sehr leicht, jemanden anhand seiner Kreditkarte zu verfolgen. Bargeld kann man nicht folgen – oder zumindest nur dann, wenn es nummeriert ist. Dies ist nicht nummeriert. Ich will einfach kein Risiko eingehen.“
„Du denkst, man folgt euch“, sagte Daniel.
Die Geschwister rollten mit den Augen, und Miriam biss sich auf die Lippen.
„Glaubt mir einfach“, sagte sie knapp, „hier stimmt etwas nicht. Ich weiß es.“
„Sollte es nicht andersherum sein?“, hakte Daniel nach, „seid ihr nicht die Jäger?“
„Genau“, murrte Isa, und Jacob kniff sie in die Seite, so dass sie verstummte.
„Normalerweise sollte es so sein“, sagte Miriam, „aber dies ist nicht normal.“
„Dennoch …“, begann er.
„Akzeptiere es oder geh, Daniel“, schnitt sie ihm das Wort ab, „deine Entscheidung. Isa, Jacob? Fahren wir.“
Daniel folgte ihr ohne weitere Proteste.
Diese Nacht verbrachten sie in einem Motel. Zum einen war es ihnen allen nur zuträglich, wieder richtig zu schlafen, zum anderen brauchten sie auch alle dringend eine Dusche. Miriam war gefahren, bis sie nicht mehr konnte. Dann hatte sie zu ihrem eigenen Erstaunen Daniel das Steuer überlassen, der sie bis zum nächsten Motel gebracht hatte. Sie waren alle mehr oder minder halbschlafend auf ihre Zimmer gestolpert. Isa, mit der sich Miriam das Zimmer teilte, stürzte so wie sie war aufs Bett. Miriam entledigte sich zumindest noch ihrer Jacke und ihrer Stiefel, bevor sie es ihr gleichtat.
Sie hoffte inständig, in dieser Nacht nicht zu träumen.
Aber natürlich lag sie falsch.
Miriam träumt...
Sie sitzt in ihrem Zimmer, das seit Jahren schon spartanisch eingerichtet ist, nicht das Zimmer einer normalen Siebzehnjährigen. Aber sie ist keine normale Siebzehnjährige, nicht einmal nach den Standards, die in ihrer Welt herrschen, nicht einmal nach den Standards, die für sie herrschen sollten. Sie sitzt auf ihrem Bett, mit angezogenen Knien. Sie hat keine Tränen mehr, und sie weiß auch nicht, was sie tun soll.
Es klopft.
Erst will sie nicht öffnen. Aber dann fällt ihr ein, dass sie nicht abgeschlossen hat, und ehe sie sich versieht, geht die Tür schon auf. Sie holt scharf Luft.
Er steht da drin, und er sieht kein bisschen mehr so aus wie vorhin, kein bisschen mehr diese Entschlossenheit, diese Tapferkeit, die sie alle sprachlos gemacht hat. Er sieht aus wie ein verängstigter, verzweifelter Junge, wie das, was er eigentlich sein sollte, was er sein muss.
„Ich kann nicht ...“, fängt er an.
Sie ist immer noch sprachlos. Sie weiß, dass die verschiedensten Leute versucht haben, mit ihm zu reden, dass er sich eingeschlossen hat, um ihnen zu entgehen, dass er von seinem Entschluss nicht abweicht.
Sie kennt ihn noch keine vierundzwanzig Stunden.
Sie kennt ihn schon ihr Leben lang.
„Kann ich bei dir bleiben?“, flüstert er.
Sie kennt ihn besser als sich selbst.
Sie rutscht zur Seite, als er die Tür hinter sich schließt. Er legt sich auf das Bett, neben sie, und ohne zu überlegen, nimmt sie ihn in ihre Arme. Es fühlt sich richtig an, wie zwei Hälften eines Ganzen, die endlich zusammengefügt werden. Es fühlt sich an, als sei es das einzig Richtige in dieser Welt.
Sie hält ihn in dieser Nacht. Sie hält ihn einfach, während er weint, um sein Leben weint, um all die Angst und all die Pflicht.
Sie hält ihn, und daran hält sie sich fest.
Mit ihrer obligatorischen Flasche Wasser in der Hand saß Miriam auf den Stufen, die zu ihren Zimmern führten, und sah sich den Sonnenaufgang an. Sie hatte nur ihre Stiefel mitgenommen, um Isa nicht zu stören, die noch immer wie ein Stein schlief.
Ein Schatten tauchte neben ihr auf. Sie seufzte innerlich und nahm noch einen Schluck Wasser, als Daniel sich auf die Stufen neben ihr setzte.
„Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte er.
Sie schwieg. Offensichtliche Dinge lohnte es nicht zu kommentieren.
Er seufzte.
„Ich stalke dich nicht, falls du das denkst“, sagte er, „ehrlich nicht. Ich meine, gut, du bist wirklich schön ... wie eine Katze, mit diesen grünen Augen ... doch das ist es nicht. Ich verstehe, wenn du mit mir nichts zu tun haben willst. Aber es sind so viele Dinge in meinem Leben passiert, in den letzten achtundvierzig Stunden – ich kann wirklich nicht schlafen.“
Sie drehte den Deckel der Flasche zwischen ihren Fingern.
„Wie hattest du dir das eigentlich vorgestellt?“, fragte sie schließlich, „ich meine, du hast offensichtlich herausgefunden, dass Melchom ein Dämon ist. Nicht so sehr schwer, er war nicht besonders klug in seiner Tarnung. Aber dann? Wie wolltest du von ihm etwas über deinen Bruder erfahren?“
Daniel lachte kurz.
„Ich hatte keine Ahnung“, gab er zu, „ich hatte einfach nur keine andere Idee mehr.“
Sie lauschte schweigend, wie er ihr vom plötzlichen Verschwinden seines großen Bruders erzählte, von einem Tag auf den anderen, wie Unglauben und Zorn ihrer Eltern allmählich in Angst und Verzweiflung umschlugen.
„Er kam einfach nicht mehr heim“, sagte er.
Alles, so sagte er, alles hatten sie versucht. Polizei, Privatdetektive, alles andere. Ein paar unschöne Dinge waren da ans Tageslicht gekommen, zwielichtige Gestalten, mit denen Zach sich getroffen hatte.
„Aber von uns hat er das immer ferngehalten“, erklärte Daniel, „ich war sein kleiner Bruder. Er hat mich beschützt, und er hat nie irgendetwas mit Drogen zu tun gehabt, oder etwas anderes. Es war ein Schock für uns alle.“
Die zwielichtigen Gestalten waren es am Ende gewesen, die Daniel auf die Idee gebracht hatten, es könne mit den Dämonen zu tun haben. Da war schon über ein halbes Jahr vergangen, und Dämonen tauchten immer häufiger in den Medien auf.
„Das klingt tatsächlich nach Dämonen, was du so beschreibst“, sagte Jacob, der sich über das Geländer lehnte, „was ist? Ihr redet so laut, ich wundere mich, dass Isa noch nicht wach ist.“
„Ich bin wach“, murrte Isa, „und es stimmt. Klingt wirklich nach Dämonen.“
Miriam sagte nichts, sie sah Daniel einfach nur an. Er starrte auf seine Finger.
„Meine Eltern vertrauen immer noch auf die Polizei, und auf die Suchaufrufe im Internet“, meinte er, „aber ich glaube nicht, dass Zach einfach abgehauen ist. Und ich will auch nicht glauben ... ich kann einfach nicht glauben ... erst, wenn ich seine Leiche sehe, glaube ich, dass er tot ist. Er ist der beste große Bruder, den man sich vorstellen kann.“
Jetzt sah er auf, sah Miriam an.
„Ich will ihn wiederhaben“, meinte er schlicht.
Miriam nickte langsam. Ja, jemanden zu verlieren, den man liebte, das kannte sie.
Sie wusste erst, was sie sagte, als die Worte schon ihre Lippen verließen.
„Wir helfen dir“, antwortete sie.
„Wir brauchen Kontakt zum Rat“, sagte Jacob, „der Rat kann vielleicht auch etwas über Zacharias herausfinden. Und was es mit Melchom auf sich hatte.“
„Wo ist das nächste Quartier?“, fragte Isa.
Sie hatten sich in eines der Motelzimmer zurückgezogen, damit nicht noch mehr ihr Gespräch mitbekamen. Isa hatte sich auf dem Bett niedergelassen, Jacob daneben, zu ihrem Missfallen. Daniel saß auf dem anderen Bett, und Miriam hatte sich der Einfachheit halber im Schneidersitz auf den Boden gesetzt. So ganz war sie sich immer noch nicht sicher, warum die Suche nach Zacharias plötzlich zu ihrer Mission geworden war. Aber in dem Moment, in dem sie die Worte gesagt hatte – wie von selbst, als ob ein anderer sie spräche – hatten Isa und Jacob es akzeptiert.
Diese Dinge akzeptierten sie immer.
Es waren die einzigen Dinge, die sie kommentarlos von Miriam akzeptierten.
Sie hätte widersprechen können, aber sie tat es nicht. Und so hatten sie plötzlich zwei Ziele, die sich – laut Jacob – zumindest in einem Teil deckten: wieder Kontakt zum Rat der Jäger herzustellen, diesen von den Ereignissen in Kenntnis zu setzen und sich Rat und Wissen abzuholen, sowie Zach zu finden, von dem es anscheinend überhaupt keine Spur gab.
„Das nächste Quartier, Miriam?“, beharrte Isa.
Sie seufzte.
„Ich wollte nicht zum nächsten“, gab sie zu, „mein Plan war, mithilfe des Geldes etwas weiterzufahren. Falls es wirklich einen Zusammenhang zwischen unserem Quartier und diesem hier gab, würde ich mich gerne ... unberechenbar verhalten.“
„Du meinst also wirklich, es könnte uns jemand folgen?“, hakte Isa verwirrt nach.
Miriam zuckte mit den Schultern.
„Ihr seid das beste derzeit agierende Jägerpaar“, sagte sie, „ja, es ist eine Möglichkeit. Sie könnten uns suchen, um uns außer Gefecht zu setzen, oder vielleicht auch aus anderen Gründen. Ich fände es besser, wenn sie uns nicht finden."
„Sie könnten versuchen, uns zu benutzen, um an den Rat der Jäger heranzukommen“, schlussfolgerte Jacob.
„Es ist nicht auszuschließen“, meinte sie, „ich schlage vor, wir fahren woanders hin. Es wird zwar ein paar Tage länger dauern, aber was macht das schon? Zach ist seit über einem Jahr verschwunden, und der Rat der Jäger kann sich auch ein paar Tage gedulden.“
„Ob sie das genauso sehen ...“, erwiderte Isa etwas gehässig.
Miriam hob ihr Kinn.
„Schlimmer, als es ist, kann es wohl kaum werden, oder?“, gab sie zurück, „also. Irgendwelche Einwände? Nein? Dann sage ich, wir treffen uns in einer halben Stunde am Auto. Wird Zeit, dass wir wieder verschwinden.“
Daniel, der ihrem Austausch mit gerunzelter Stirn gefolgt war, öffnete den Mund. Aber bevor er ausholen konnte, erhob sie sich einfach und verließ das Zimmer, auch wenn Isa meckern würde, wenn sie als Erste die Dusche benutzen würde.
Eine halbe Stunde später lud Miriam ihre Tasche mit den wenigen persönlichen Habseligkeiten, die sie besaß, in den Transporter. Ihre nassen Haare hatte sie einfach am Hinterkopf zusammengedreht, die Lederjacke verdeckte das staubige Shirt, und den schwarzen Jeans sah man ohnehin nur wenig Schmutz an.
Ihre Sonnenbrille verdeckte ihre Augen, was gut war.
Alle waren pünktlich, was auch gut war. Sie startete den Wagen und steuerte als Erstes einen großen Supermarkt an.
„Du weißt schon, dass ich nichts tragen werde, was die da drinnen verkaufen“, zischte Isa sie an.
Miriam schaute nicht einmal zu ihr herüber.
„Das Geld muss ein paar Tage reichen“, sagte sie, „also such es dir aus. Kleidung von hier, waschen oder schmutzige Kleidung.“
Sie wusste, dass Isa sie hassen würde, auch wenn sie nett zu ihr war. Sie wusste dies aus Erfahrung, und deshalb hatte sie aufgegeben. Hier fanden sich Toilettenartikel, haltbare Nahrung, Wäsche und weitere notwendige Dinge. Und sie hatte nicht einmal gelogen – das Bargeld war limitiert. Wer wusste schon, wie lange sie es brauchen würden?
Sie hielten sich nicht einmal eine Stunde in dem Laden auf. Als sie herauskamen, hatte jeder seine Vorräte aufgestockt, obwohl Isa aussah, als würde sie jeden Moment vor Wut explodieren.
„Die beiden sind nicht gerade beste Freundinnen, was?“, hörte sie Daniel zu Jacob flüstern, als man die Einkäufe in den Wagen lud.
„Die Untertreibung des Jahres“, gab Jacob trocken zurück.
Miriam störte sich nicht an dem, was gesprochen wurde. Es störte sie, dass die beiden miteinander sprachen. Aber sie wusste auch, sie würde dies nicht unterbinden können. Also tat sie, was sie am besten konnte – sie ignorierte sie.
„Danke“, sagte Daniel an diesem Abend zu ihr.
Sie sah ihn verwirrt an. Sie war noch einmal aus dem neuen Motelzimmer zum Auto gekommen, um ein paar Utensilien zu holen, und da stand er, als ob er auf sie warten würde. Sie war sich nicht sicher, wofür er ihr dankte – für die neuen Kleider, wie schäbig sie auch sein mochten, oder für das Handy, was sie erstanden hatte – ein Simples für alle, so dass sie zumindest untereinander in Kontakt bleiben konnten, wenn auch schon nicht mit dem Rat.
„Wofür?“, fragte sie schließlich.
Er grinste verlegen und steckte die Hände in die Taschen.
„Dafür, dass ihr mich mitnehmt“, sagte er, „ich bin ja nicht blöd. Das liegt an dir. Was sie machen ... ich meine, Isa und du, ihr hasst euch vielleicht, und Jacob liebt dich nicht gerade, aber sie machen, was du ihnen sagst.“
Miriam starrte ihn einen Moment einfach nur an. Sie wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte.
„Ich hasse Isa nicht“, sagte sie schließlich neutral, „sie geht mir einfach auf den Geist. Und es bringt nichts, wenn ich freundlich zu ihr bin. Sie mögen mich beide nicht. Aber das hast du ja schon erkannt.“
„Und dennoch tun sie, was du sagst“, erwiderte Daniel, „du bist die Chefin.“
Miriam verschluckte sich fast.
„Lass keinen von beiden jemals so etwas hören“, warnte sie, halb-amüsiert, „nein. Ich sage ihnen nicht, was sie tun müssen. Ich sage ihnen nur, was der beste Weg ist. Was gemacht werden muss. Und da beide, auch Isa, klug genug sind, tun sie es. Nicht, weil sie mich respektieren, falls du das glaubst. Sie tun es ... weil ich ... weil es zu mir gehört.“
„Du bist ihre weise Frau?“
„Etwas in der Art.“
„Aber sie mögen dich nicht.“
„Nein. Sie mögen mich nicht.“
„Wäre es nicht besser, du würdest mit jemandem zusammenarbeiten, der dich auch mag? Oder zumindest respektiert?“
Miriam wusste nicht, was sie sagen sollte. Er war so unfassbar ahnungslos, wie ihr noch nie jemand begegnet war. Er wusste einfach gar nichts. Für einen Moment fragte sie sich, wie es wäre, irgendwo zu leben, wo niemand wusste, was geschehen war. Aber dann schüttelte sie den Kopf.
„Unsinn“, sagte sie, „zum einen sind sie die Besten, und meine Hilfe ist hier am besten genutzt. Und zum anderen ist es ein netter Gedanke, den du da hast, nur leider völlig realitätsfremd.“
„Wieso?“, fragte er. Er wirkte verletzt.
Sie wartete einen Moment, bis sie sicher war, dass sie ihr Gesicht im Griff hatte. Dann packte sie ihre Tasche und stieß sich vom Auto ab.
„Weil es kein einziges Paar unter den Jägern gibt, dass mich mag oder respektiert“, erklärte sie brüsk, „nicht eines.“
„Aber ...“
Sie ging, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was er ihr noch sagen wollte.
Den größten Teil seines Lebens hatte Daniel immer gewusst, wer er war, wo er stand und auf was er sich verlassen konnte. Es war ihm klar, dass dies eine luxuriöse Situation war. Er verdankte sie vor allem einem stabilen Elternhaus – einem integren und offenen Vater, einer pragmatischen und liebevollen Mutter, sowie einem ihn liebenden älteren Bruder. Auf diesen Dreien basierten sein Wissen, seine Prinzipien und sein Vertrauen in die Welt.
Keiner von ihnen hatte ihn darauf vorbereitet, was das Licht bringen würde.
Bis dahin war alles so unglaublich normal verlaufen, dass man sich hätte langweilen können. Daniel war ausreichend gut in der Schule, beliebt und sportlich. Es gab immer ein Mädchen, das mit ihm ausging, immer einen Freund, der ihm den Rücken freihielt. Er war in jeder Sportart, die er ausübte, einer der Besten, aber am liebsten spielte er Basketball. Als er seine Schule zur regionalen Meisterschaft führte, saß seine Familie auf den Rängen und jubelte. Als er die Schule abschloss, schien ihm die Welt offen zu stehen. Die Welt war golden, und er ein Golden Boy.
Und dann kam dieses Licht, das ihn vermutlich ziemlich kalt gelassen hätte, wäre nicht in derselben Nacht Zach verschwunden – Zach, sein großer Bruder, sein Idol; Zach, der alles hätte haben können und daran aber nie so interessiert schien wie Daniel selbst.
Zach, der trotz aller Liebe immer etwas distanziert schien, in dessen Augen immer etwas gestanden hatte, was Daniel nicht verstand.
Er wollte ihn wiederhaben. Wenn er sich dafür bei einem Dämon verdingen musste, bitte. Wenn er sich einem Jägertrio anschließen musste, deren Aussagen er größtenteils nicht nachvollziehen konnte, und die ihn eher wie etwas Lästiges als wie den Golden Boy behandelten – auch fein, er würde es tun. Er würde noch viel mehr Zach tun. Natürlich, so musste er sich eingestehen, half es ungemein, dass die Anführerin des Jägertrios eine dunkelhaarige Schönheit mit smaragdgrünen Augen war.
Und nun behauptete sie, sie sei nicht ihre Anführerin. Nun hatte sie ihn für einen Moment hinter diese spröde, distanzierte Maske schauen lassen – die ihn manchmal, aber nur manchmal, so an Zach erinnerte – und was er gesehen hatte, hatte ihn erschreckt und zugleich fasziniert.
Miriam war voller Geheimnisse, und er wollte sie alle herausfinden.
Er hatte sich den Platz neben ihr auf dem Beifahrersitz erobert. Im Stillen ahnte er, dass weder Isa noch Jacob jemals hier vorne bei ihr saßen, und dass es ihr gar nicht recht war, wenn er diese Regel jetzt brach. Es war ihm egal. Aus den Augenwinkeln beobachtete er sie, ihre ruhigen Hände am Lenkrad, ihre Augen, die rasch und präzise zwischen Straße und Rückspiegel hin- und herglitten.
Miriam war eine ausgezeichnete Autofahrerin.
Er verstand nicht, warum diese Spannung zwischen den Dreien herrschte, warum sie gesagt hatte, dass kein Jägerpaar sie respektieren würde. Sie war ihre weise Frau. Sie wusste Dinge. Selbst wenn sie keine Kämpferin war wie Isa, sollte man sie doch zumindest für ihre Talente schätzen. Es ergab einfach keinen Sinn.
Aber vieles andere ergab für ihn ebenfalls keinen Sinn. Er hatte Blitze gesehen, die aus Isas Händen geschossen waren, Feuerbälle, die Jacob warf, die Reaktionen des Dämons. Er hatte solche Dinge zwar auch zuvor schon gesehen – aber dies war immer im Fernsehen geschehen, und ehrlicherweise dann meistens in irgendwelchen Science-Fiction oder Fantasy-Filmen.
Dass Dämonen die Erde bevölkerten ... nun gut. Er konnte es noch immer nicht so richtig glauben, selbst ein Jahr nach dem Lichtstrahl. Himmel, er hatte damit Schwierigkeiten, sogar nachdem er zwei leibhaftigen Dämonen begegnet war – worauf er im Übrigen, ehrlich gesagt, durchaus hätte verzichten können. Im Fernsehen sah das immer so anders aus. Und im Fernsehen hätte er sich nie mit der Person identifiziert, die auf dem Boden kauerte und beschützt wurde.
Er wollte diese Person nicht sein. Er wollte mehr, viel mehr.
Zach zurück ...
Miriam beeindrucken ...
Jacobs Spott zum Verstummen bringen ...
Sich wieder sicher auf der Erde fühlen ...
Daniel biss die Zähne zusammen. Wünsche allein führten zu nichts, er musste handeln. Und deshalb war es das Beste, die Angst herunterzuschlucken, den Stier bei den Hörnern zu packen und dem Teufel ins Gesicht zu schauen.
Im wahrsten Sinne des Wortes!
Miriam trat heftig auf die Bremse, der Wagen schleuderte. Direkt vor ihnen, auf der bis dahin menschenleeren Straße, war plötzlich dieses Ding aufgetaucht, schlagartig, aus dem Nichts heraus.
„Verdammt!“, fauchte sie und riss den Schalthebel in den Rückwärtsgang.
„Wo kommt der her? Wieso wusstest du das nicht?“, brüllte Jacob.
„Wer ist es? Wer ist es?“, rief Isa schrill.
Miriam antwortete nicht, sie fuhr in rasendem Tempo rückwärts, die Augen nach hinten gerichtet.
„Sag mir, was er tut, Daniel!“, herrschte sie ihn an.
„Er ... er spuckt Feuer ...?“, keuchte Daniel.
„Ukopach“, murmelte sie, „das müsste zu schaffen sein. Dumm und langsam.“
„Halt an, Miriam!“, befahl Jacob, „Ukopach ist kein Dämonenfürst. Den besiegen wir!“
„Er ist ein feuerspuckender Dämon“, gab Miriam zurück, „und wenn er einen von euch trifft, ist es aus. Das passiert nicht unter meiner Verantwortung!“
„Du hast nicht die Verantwortung für uns!“, protestierte Isa empört.
„Sag das dem Rat, wenn er mich vor sich zitiert!“, erwiderte Miriam bissig, bremste mit einem Ruck, der Wagen schleuderte erneut, und als er in die entgegengesetzte Richtung zeigte, legte sie den Vorwärtsgang ein und trat das Gaspedal voll durch.
An der Stelle, an der sie eben noch gestanden hatten, explodierte ein Feuerball. Daniel zuckte unwillkürlich zurück, Jacob fluchte und Isa schrie – ob vor Angst oder vor Zorn, wusste er nicht.
Miriam sagte gar nichts, sie gab einfach nur Gas und jagte weiter.
„Nach hinten schauen, Daniel!“, forderte sie, „was macht er?“
Daniel drehte sich gehorsam um und schaute an Jacobs wütendem Gesicht vorbei aus dem Heckfenster.
„Er versucht, uns zu folgen“, berichtete er, „er ... oh ... oh, er ist wirklich nicht schnell, was?“
„Oder clever“, meinte Miriam, deren Augen zum Rückspiegel huschten. Ukopach, der Feuerdämon, schien über seine eigenen Beine gestolpert zu sein und landete gerade mit einem Donnern auf dem Boden. Miriam wechselte einmal quer über die Fahrbahn und bog haarscharf in eine neue Straße ein. Zwischen Kurven und Hügeln rasten sie davon, bis nicht einmal mehr eine Rauchwolke am Himmel zu sehen war.
Auf einem Parkplatz hielt sie abrupt an, stellte den Wagen aus, schnallte sich los und sprang hinaus.
Für einen Moment war Daniel versucht, ihr hinterherzurennen. Aber sie bewegte sich gar nicht weit vom Auto fort, nur ein paar Schritte, den Rücken ihnen abgewandt, die Schultern eine harte Linie. Jacobs Stimme erklang, grimmig, spöttisch, und ein wenig boshaft.
„Bist du dir sicher, dass du immer noch mit uns kommen willst?“
Er antwortete nicht. Stattdessen löste er seinen eigenen Gurt und stieg behutsam aus. Seine Beine waren weich und wackelig, und er hoffte inständig, dass niemand das mitbekam. Miriam fuhr herum, als er sich ihr langsam näherte. Ihre Tür stand noch offen, und so waren ihre Worte nicht nur an ihn gerichtet, sondern auch an Isa und Jacob.
„Ich hatte keine Ahnung, dass er erscheinen würde!“, sagte sie heftig, „keine Vorahnung, gar nichts! Er war plötzlich da, direkt aus der Hölle! Als ob er wusste, dass wir vorbeikommen!“
Stille. Hinter Daniel wurde die Schiebetür des Transporters geöffnet, und die Geschwister glitten heraus.
„Wie meinst du das?“, fragte Jacob langsam.
Daniel war froh, dass er diese Frage stellte.
„Wie konnte er das wissen?“, sagte Isa verständnislos.
Auch über diese Frage war Daniel froh.
„Eben!“, zischte Miriam, „wie konnte er es wissen, und ich nicht? Ich bin Seher und Sucher! Ich weiß, wenn Dämonen in der Nähe sind, und ich spüre die Gefahr, die von ihnen ausgeht! Ich sollte überraschen – nicht ein dummer Dämon wie Ukopach, der außer Höllenfeuer nichts zustande bringt! Und Asmodeus! Woher wusste Asmodeus, wo unser Quartier ist? Warum konnte er es zerstören?“
Stille folgte. Schließlich, da Isa und Jacob offenbar keine Antwort wussten, wagte Daniel sich vor.
„Verfolgen sie euch vielleicht wirklich?“, fragte er vorsichtig, „haben sie vielleicht irgendein ... irgendeinen Peilsender bei euch angebracht?“
„Einen was?“, fragte Isa.
„Einen Peilsender“, erklärte Daniel, „etwas, womit sie euch orten und finden können! Vorausgesetzt, sie wollen euch orten und finden. Ich meine, ihr seid das derzeit stärkste agierende Jägerpaar, richtig? Und ihr habt Miriam – eine weise Frau. Es kann also durchaus sein, dass sie euch verfolgen. Vielleicht sind sie es leid, dass ihr sie jagt, und gehen zum Angriff über?“
Erneute Stille. Drei Augenpaare starrten ihn an, fassungslos, unlesbar, zornig.
„Sie jagen uns?“, flüsterte Isa.
„Es wäre eine Möglichkeit, oder?“, meinte Daniel, „und ein Peilsender ist keine Hexenkunst. Wenn Dämonen überall sind und Kreditkarten verfolgen können, dann werden sie wohl auch von einem Peilsender Gebrauch machen können.“
„Noch nie haben Dämonen Jäger gejagt!“, beharrte Jacob empört, „das ist doch Irrsinn, das ist doch ...“
Er verstummte. Plötzlich sahen sowohl Isa als auch er zu Miriam, und in ihren Gesichtern stand wütender Vorwurf.
„Ihr seid das stärkste derzeit agierende Jägerpaar?“, meinte Daniel schwach in die aufkommende, drohend geladene Stille.
Miriam, deren Gesicht ganz blank erschien, schluckte kaum merklich.
„Wie sieht ein Peilsender aus?“, fragte sie, „wie finden wir ihn? Wie werden wir ihn los?“
Daniel biss sich auf die Lippen.
„Wir sollten vielleicht zunächst einmal überlegen, mit welchen eurer Dinge ein Dämon in Kontakt gekommen sein könnte“, schlug er vage vor.
Miriam seufzte.
Es gab bestimmt Schöneres oder Unterhaltsameres, als auf einem abseits gelegenen Parkplatz den gesamten Inhalt eines Transporters auseinanderzunehmen und zu überprüfen – zumal Daniels Wissen über Peilsender bei deren Existenz endete. Schließlich entledigten sie sich einfach aller Dinge, die nicht notwendig waren, und die sie auseinandernehmen (und korrekt wieder zusammenbauen) konnten. Zudem kroch Jacob mit finsterem Gesichtsausdruck in jede Ecke und jeden Winkel des Wagens und riss Verkleidungen ab, wo immer er konnte. Unter den Dingen, die sie entsorgten, war das eine oder andere dabei, was vielleicht ein Peilsender sein konnte, aber ohne die richtige Ausrüstung war es unmöglich, dies sicher festzustellen. Daniel wünschte sich, in Physik besser aufgepasst oder einen dieser Technikkurse absolviert zu haben.
Es dauerte den ganzen Tag, und es verbesserte weder ihre Laune, noch die latente Spannung zwischen Miriam und den Geschwistern.
Gegen Abend kehrten sie müde und entnervt in einem weiteren Motel ein. Miriam verschwand mit ihrer obligatorischen Flasche Wasser, kaum, dass sie ihre Taschen abgestellt hatten. Wenn Daniel nicht selber gesehen hatte, wie sie dieses Wasser gekauft hatten, würde er sie vielleicht für eine verdeckte Alkoholikerin halten.
Apropos kaufen ...
„Wir haben kaum noch Vorräte“, sagte er, mit einem unsicheren Blick zur Tür, hinter der Miriam verschwunden war, „sollten wir vielleicht einkaufen ...?“
„Eine gute Idee!“, unterbrach ihn Isa, „ich komme mit!“
Und als sowohl Daniel als auch ihr Bruder sie verblüfft ansahen, setzte sie verteidigend hinzu: „Du kannst doch Autofahren, oder? Ich nehme das Geld.“
Jacob zuckte mit den Achseln, und so ging Daniel mit Isa einkaufen.
Natürlich hatte er gehofft, diese Aufgabe mit Miriam erledigen zu können. Er wusste nicht gerade viel mit Isa anzufangen, ein junges Mädchen nur, sah man mal von ihren blitzezuckenden Händen ab. Sie schien weder besonders clever noch besonders interessant. Sie war auch nur leidlich hübsch, und meistens schien sie zu meckern. Aber jetzt, mit ihm allein, strahlten Isas Augen plötzlich, und sie redete, fast ununterbrochen.
Besser gesagt, sie fragte ihn aus.
Sie fragte so alltägliche Sachen – über seine Familie, seine Schule, seine Freunde – dass er keinen Grund fand, ihr nicht zu antworten. Zudem lag ihm wenig daran, Isa zu verärgern. Die Spannung in ihrer Gruppe war ohnehin schon hoch genug. Also antwortete er, war freundlich, zuvorkommend und stellte auch seinerseits ein paar Fragen.
Was durchaus nützlich war.
Jäger, so erfuhr er, jagten immer zu zweit – Geschwister, wie Isa betonte. Es gab aber auch anscheinend nicht besonders viele Jäger auf der Welt, deutlich weniger als Menschen, und, so vermutete er, auch deutlich weniger als Dämonen. Jäger lebten nicht viel länger als Menschen, waren jedoch robuster, wurden seltener krank und heilten schneller. Bei manchen waren diese Merkmale stärker ausgeprägt als bei anderen, und der Rat, so sagte sie, bemühte sich natürlich nach Kräften, dies noch zu forcieren.
Hier musste er nachfragen und erfuhr zu seinem verblüfften Erstaunen, dass die gesamte Rasse der Jäger offenbar einem strengen Zuchtprogramm unterlag. Isa wurde ein wenig zugeknöpft, als er nachfragte, ob sie sich ihre Partner nicht selber aussuchen konnten, und so vermutete er, dass dieser allmächtige Rat tatsächlich bestimmte, wer mit wem Kinder bekommen durfte.
Ein wirklich unerfreulicher Gedanke, wenn er ehrlich war.
Da sie so verschnupft auf dieses Thema reagierte, bemühte er sich rasch, sie abzulenken und zu beschwichtigen, fragte sie nach ihrer Familie und ihrer Fähigkeiten. Und wie erwartet taute sie wieder auf. Ihre Fähigkeiten waren allerdings nur – nur! – darauf beschränkt, Blitze aus ihren Händen zucken zu lassen, so wie Jacob mit seinen Feuerbällen. Sie hoffte immer noch auf Extras, hörte er heraus, wie etwa Miriams sechsten Sinn. Er hütete sich jedoch, Isa nach Miriam zu fragen, und deshalb plapperte sie noch immer fröhlich auf ihn ein, als sie das Motelzimmer wieder betraten.
Miriam war wieder da, aber ob sie und Jacob auch nur ein Wort ausgetauscht hatten, blieb fraglich. Außerdem musterten sie ihn beide komisch – Miriam schien amüsiert und Jacob finster. Isa wirkte auf einmal trotzig.
„Daniel, auf ein Wort“, sagte Jacob und erhob sich von seinem Sessel.
„Gleich“, erwiderte Daniel, „ich will zuerst die Einkäufe verstauen.“
„Das machen die Mädchen“, gab Jacob zurück, „jetzt, bitte. Lass uns rausgehen.“
Und da Miriam ihn nicht ansah und Isa plötzlich rot zu werden schien, hielt es Daniel für ratsam, Jacob hinaus auf den Hof zu folgen.
„Du weißt nicht viel über die Jäger“, begann Jacob.
Daniel schnaubte.
„Vor einem Jahr wusste ich noch nicht einmal, dass es euch überhaupt gibt“, sagte er trocken.
Jacob grinste. Unsympathisch war er nicht.
„Zugegeben“, sagte er, „also, was weißt du? Was hat Isa dir erzählt?“
Hatte Isa ihm irgendwelche hochbrisanten Jägergeheimnisse anvertraut? Daniel war sich nicht sicher. Also fasste er in kurzen Worten zusammen, was er inzwischen an Wissen zusammengetragen hatte.
„Jäger sind den Menschen ähnlich, aber eine eigene Spezies“, sagte er, „sie wissen, wie man Energie manipuliert und können dies als Waffe verwenden – du und deine Feuerbälle, Isa mit ihren Blitzen. Sie jagen Dämonen, und zwar immer als Paar. Und euer Rat achtet ganz fein darauf, wer mit wem Kinder zeugt, damit nur die besten und schönsten Exemplare gezüchtet werden.“ Letzteres hatte er sich nicht verkneifen könne. Aber Jacob schien seine Aussage gar nicht schlimm zu finden.
„Jäger jagen immer als Paar“, sagte er, „und dies sind – fast immer – Geschwister. Das ist wichtig. Zum einen ist unsere Kompatibilität sehr hoch, weil wir genetisch einander so ähnlich sind. Und zum anderen ... Wusstest du, dass wir von den Engeln abstammen?“
„Was?“ Daniel musste sich auf die Lippen beißen und zog die Augenbrauen hoch. War das jetzt ein Witz? Wollte Jacob ihn mit irgendeinem esoterischen Quark auf den Arm nehmen?
Aber Jacob blieb ernst.
„Die genauen Ursprünge der Jäger liegen im Dunkeln“, meinte er, „doch allgemein wird davon ausgegangen, dass wir von den Engeln abstammen, sowie die Dämonen von den Teufeln.“