Darauf können Sie Gift nehmen - Frank-Rainer Schurich - E-Book

Darauf können Sie Gift nehmen E-Book

Frank-Rainer Schurich

4,3

Beschreibung

Frank-Rainer Schurich präsentiert kuriose, spektakuläre und erstaunliche wahre Kriminalfälle. Humorvoll und mit lockerer Hand verfasst schildert der Kriminalistik-Experte echte und manchmal auch nur vermutete Verbrechen, deren Aufklärung, Täter oder Motive die Zeitgenossen in Atem hielten. Unglaubliches, Witziges und Skurriles aus der Welt der Kriminalistik, im historischen Bogen vom 18. Jahrhundert bis in unsere Tage.

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Frank-Rainer

Schurich

Darauf

können

Sie Gift

nehmen

Kleines Kuriositätenlexikon

der Kriminalgeschichte

Bild und Heimat

ISBN 978-3-86789-427-2

1. Auflage

© 2013 by BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlaggestaltung: Oliver Lehmann, ACDM

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Satz: Enrico Dreher, Berlin

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

Bild und Heimat Verlag

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 030 / 206109-0

www.bild-und-heimat.de

Vorbemerkung

Zwischen Slapstick und Apokalypse

»Klopf. Klopf.

Ehemann: Wer da?

Stimme: Jack the Ripper.

Ehemann: Für Dich, Liebes!«

Benny Hill Show, 1980

»Es muss nicht einmal eine Leistung sein, aus der die Welt Nutzen zieht«, schrieb der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar 1929 in Schwarz auf Weiß, »ein schönes Verbrechen, eine Torheit größeren Stils, ungewöhnliches Pech oder ein Rekord geben Zutritt in das Interesse der Allgemeinheit.«

In diesem Buch wird kurzweilig von Verbrechen und unglaublichen Ereignissen berichtet, die wir auch heute noch mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen müssen. Das Außergewöhnliche des Geschehens steht immer im Vordergrund. Tragisches und Kurioses, Geheimnisvolles und Reales, Einfältiges und Reinfältiges, geschöpft aus unterschiedlichen Quellen wie Pitaval, Gerichtsakten und Fachschrifttum, sind bunt gemischt zu Miniaturen. Und nicht nur am Rande tun sich die Abgründe menschlichen Handelns auf. Kriminalgeschichte zwischen Slapstick und Apokalypse.

Denn »schöne Verbrechen« haben schon immer eine große Faszination ausgeübt. Nicht zu Unrecht sagt Kommissar Wallander im Buch Die fünfte Frau von Henning Mankell, dass es kaum Touristenattraktionen gibt, die sich mit den Tatorten von Verbrechen messen können. Wenn dann noch ­bizarre, skurrile, komische oder wundersame Momente in dem Verbrechen mitspielen oder entdeckt werden können, wird die Beschäftigung mit dem Fall ein komplettes Erlebnis, weil uns das zuweilen Grausame freundlich überdeckt entgegentritt.

Auch in der Wirklichkeit liegen Tragisches und Skurriles bei Verbrechen oft dicht nebeneinander. Der amerikanische Autor Jack Kerouac hat einmal von einem Mann erzählt, der seiner Frau verzieh, dass sie ihn angeschossen hatte; er kriegte sie aus dem Gefängnis frei, mit dem Ergebnis, dass er ein zweites Mal angeschossen wurde.

Unfreiwillige Komik enthält die in einem neuen Buch über authentische Kriminalfälle zu lesende Mitteilung, »dass die beiden Leichen erstickt wurden«. Und Beamte, die täglich Umgang mit den schlimmsten Verbrechen haben, geben zuweilen ungewollt erheiternde Erklärungen ab. So sagte der Berliner Oberstaatsanwalt Michael von Hagen 2011 zum Mord an einem Tätowierer, dessen Leichnam man in Einzelteilen fand: »Es gibt Anhaltspunkte, dass der Leichnam zersägt wurde.«

Eine kuriose Feststellung weht auch aus dem »Augenschein- und Sachverständigenbefund« eines Mordfalles he-rüber, der sich 1913 in Bruck an der Mur in Österreich zugetragen hatte: »Nach Konstatierung durch den Gerichtsarzt fühlt sich Aloisia Reisner noch etwas warm an, ist aber bereits eine Leiche.«

Fortsetzung folgt? Natürlich! Die Kriminellen jedenfalls werden weiterhin kräftig mitspielen …

Susanna

Im Bade

(Vor mehr als 2 100 Jahren)

In nicht geringes Erstaunen versetzte 1981 ein 17-jähriger Ganove die Rotterdamer Kriminalpolizei. Einmal festgenommen, sprudelten die Geständnisse wie ein Wasserfall. Nach Summierung der Diebstähle, Überfälle und Brandstiftungen, die dem Täter umgerechnet über fünf Millionen Mark ­Beute gebracht hatten, zählte der erschöpfte Kommissar über 2 000 Delikte.

Die meisten Missetäter sind nicht so gesprächig, und auch Zeugen lügen zuweilen wie gedruckt. Um möglichst wahrhafte Aussagen zu erhalten, gibt es Vernehmungen, die früher Verhöre hießen, bei der Polizei, Staatsanwaltschaft und vor Gericht. Und damit all die fragenden Beamten es richtig machen, gibt es die Wissenschaft von der Vernehmung. Aber wer ist der Begründer der sogenannten kriminalistischen Vernehmungslehre?

Johann Christian Schaumann (1768–1821) hatte 1792 in seiner in Halle erschienenen Schrift Ideen zu einer Criminalpsychologie einen ersten Schritt getan, indem er das Verhältnis von Vernehmer und Vernommenen im Strafverfahren, die damals in alter Tradition Inquisitor und Inquisit hießen, beleuchtete. Jeglichen Zwang lehnte er als Gegner des Inquisitionsverfahrens ab; der Vernehmer müsse versuchen, »die dem Inquisiten so nahe liegende Vorstellung, dass der Inquisitor sein Gegner, sein Feind sei, wegzuräumen«.

Später haben Carl Joseph Anton Mittermaier (1787–1867) und Ludwig Hugo Franz von Jagemann (1806–1853), Schüler und Zeitgenosse Mittermaiers, die Strafuntersuchungs­kunde, die später Kriminalistik hieß, zu einem Gesamtsystem gebündelt, in dem auch forensisch-psychologische und vernehmungstaktische Fragen eine herausragende Rolle spielen. Das Credo der Jagemannschen Verhörslehre findet sich im folgenden Zitat: »Keine Aufgabe der praktischen Jurisprudenz kommt derjenigen gleich, welche in einem wissenschaftlich geordneten und kunstgerechten ausgeführten Criminalverhöre liegt. Sie besteht eigentlich in einem Worte darin, von einem widerstrebenden Individuum ohne Anwendung irgendeines Gewaltmittels, die Wahrheit zu erforschen.«

Aber den Ursprung der kriminalistischen Vernehmungslehre findet man nicht in einem wissenschaftlichen Werk, sondern in den Apokryphen des Alten Testaments. Daniel, Held der jüdischen Folklore und Hauptperson einer Reihe überlieferter Geschichten, rettete darin Susanna vor dem sicheren Tode.

In Babylon lebte der wohlhabende Jojakim mit seiner bildschönen Frau Susanna in einem großen Haus, umgeben von einem schönen Garten. Regelmäßig trafen sich an dieser gemütlichen Stätte die besseren Kreise der Stadt, unter ihnen auch zwei Älteste, die das Richteramt bekleideten. Nach einer solchen Versammlung beobachteten sie die nackt badende Susanna im Garten. Als die Mägde Balsam und Seife holen und den Garten verschließen gingen, stürzten sich die beiden Alten auf sie und sprachen: »Siehe, der Garten ist zugeschlossen, und niemand sieht uns, und wir sind entbrannt in deiner Liebe; darum so tu unsern Willen. Willst du aber nicht, so wollen wir auf dich bekennen, dass wir einen jungen Gesellen allein bei dir gefunden haben und dass du deine Mägde darum habest hinausgeschickt.«

Susanna rief um Hilfe, aber die beiden Alten machten ihre Drohung wahr. Die keusche Susanna wurde aufgrund der Falschaussagen der elenden Richter zum Tode verurteilt.

Als man sie zur Richtstatt führte, mischte sich ein junger Knabe namens Daniel ein: »Seid ihr von Israel solche Narren, dass ihr eine Tochter Israels verdammt, ehe ihr die Sache erforschet und gewiss werdet?« Daniel ließ die beiden Alten an verschiedene Orte bringen, so dass sie sich nicht sehen und hören konnten. Dann fragte er den einen, unter welchem Baume er Susanna und ihren Galan beieinander erwischte. »Unter einer Linde«, antwortete der erste Richter. Auf die gleiche Frage erwiderte der zweite Bösewicht: »Unter einer Eiche.« Damit hatte Daniel die falschen Zeugnisse der beiden Alten bewiesen. Die Missetäter wurden mit dem Tode bestraft, ganz die Strafe, die sie Susanna zugedacht hatten.

Damit ist Daniel der erste Detektiv der Weltgeschichte, der die heutige Binsenweisheit, die Zeugen immer getrennt zu vernehmen, damit sie ihre Aussagen nicht abgleichen können, eindrucksvoll praktizierte. Ein wahrer Held und der eigentliche Begründer der kriminalistischen Vernehmungslehre.

»Die Geschichte von Susanna und Daniel«, so der Originaltitel in der Bibel, hat viele Maler inspiriert. Die beiden lüsternen Alten, die es gar nicht erwarten konnten, sich auf Susanna zu stürzen, und eine nackte, wunderschöne Frau – das war ein unwiderstehliches Sujet. Rembrandt malte um 1634 »Susanna und die beiden Ältesten« in dem Moment, als Susanna bedrängt und gepackt wurde, im Gemälde von Lovis Corinth (1890) schauen die geilen Richter noch durch einen Spalt in den Vorhängen. Auch Tizian, Tintoretto und Paolo Veronese haben sich in berühmten Bildern diesem Thema gewidmet, das zudem eine gute Gelegenheit gab, in Zeiten, in denen Aktdarstellungen als unsittlich galten, den unbekleideten menschlichen Körper zu zeigen.

Susanna, schon durch ihren Namen, der hebräisch »Lilie« oder »Rose« bedeutet, zur Reinheit bestimmt, ist in der Malerei und in der Literatur zum Keuschheitsidol erhoben worden. Es gab durch die Jahrhunderte nur wenige Zweifler, z. B. den fast vergessenen Hamburger Dichter Friedrich von Hagedorn (1708–1754):

Susanna

Susannas Keuschheit wird von allen hochgepriesen:

Das junge Weib, das jeder artig fand,

Tat beiden Greisen Widerstand.

Und hat sich keinem hold erwiesen.

Ich lobe, was wir von ihr lesen;

Doch räumen alle Kenner ein,

Das Wunder würde größer sein,

Wenn beide Buhler jung gewesen.

Sophie Charlotte Elisabeth Ursinus

Giftige Geheimrätin

(1803)

Am 4. April 1836, vor über 175 Jahren, starb die Geheimrätin Sophie Charlotte Elisabeth Ursinus. Sie zählt zu den rätselhaftesten Erscheinungen der deutschen Kriminalchronik des 19. Jahrhunderts.

Ihr Ehemann, der Geheime Justizrat und Regierungsdirek­tor Ursinus, verschied am 11. September 1800, als sie 40 Jahre alt war. Sein Ableben war plötzlich und unerwartet, denn er hatte einen Tag zuvor noch seinen Geburtstag ganz vergnüglich bei körperlichem Wohlergehen gefeiert.

Nun wusste die wohlhabende Witwe zu feiern und sich mit Männern und Frauen ihres Standes zu umgeben, wies aber alle Ansinnen der Witwenschleicher stets mit Entschiedenheit von sich. Umso größer war das Aufsehen, als die Geheimrätin am 5. März 1803 unter Verdacht des versuchten Giftmordes in ihrer Wohnung in Charlottenburg bei Berlin verhaftet wurde.

Der Bedienstete Benjamin Klein hatte Verdacht geschöpft, als er von seiner Herrin eine Tasse Fleischbrühe und später noch einige Rosinen gereicht bekam und ihm daraufhin sehr unwohl wurde. Tatsächlich fand er im Spind ein in Papier gewickeltes weißes Pulver mit der Aufschrift »Arsenik«. Als er noch Pflaumen von der Geheimrätin erhielt, nahm er das Geschenk nur mit geheuchelter Dankbarkeit an. Das Corpus Delicti gelangte auf Umwegen zum Apotheker Flittner, der darin tatsächlich Arsenik fand.

In der feinen Gesellschaft kochten Gerüchte hoch. Es hieß, dass Sophie Ursinus noch einen Liebhaber, ihren Ehemann und ihre sehr vermögende Tante vergiftet habe. Eine Person der höheren Stände unter der Anklage des vierfachen Mordes – das war die Sensation in Charlottenburg und Berlin, wo sonst nur Verbrecher aus der unteren Volksklasse zum Schafott geführt wurden.

Das Urteil des Kriminalsenats des Königlichen Kammergerichts vom 12. September 1803, das auch in der zweiten Instanz und dann vom König bestätigt wurde, sprach die Geheimrätin von der Anklage der Vergiftung ihres Liebhabers und ihres Ehemanns zwar völlig frei; wegen der Vergiftung ihrer Tante und der wiederholt versuchten Vergiftung ihres Dieners verurteilte der Senat sie aber zu lebenslanger Haft auf der Festung Glatz (Niederschlesien, heute Kłodzko in Polen).

Sophie Ursinus, eine gebildete und ästhetische Frau, hatte für den Mord an ihrer Tante kein Geständnis abgelegt. Zwar räumte sie ein, in geistiger Verwirrung oder Selbstmordabsicht der Tante versehentlich Arsenik gegeben zu haben, bestritt aber vehement jeglichen Vorsatz. Im Falle ihres Dieners gestand sie, in Tötungsabsicht gehandelt zu haben. Allerdings ließ sie das Gericht über ihre Motive im Unklaren; man vermutete, dass er als Kenner ihrer geheimen Heiratspläne ausgeschaltet werden sollte.

Taterschwerend in den drei letzten Fällen kam hinzu, dass sie nachweislich Arsenik erworben hatte, angeblich zur Rattenbekämpfung, obwohl in ihrem Hause gar keine Plage herrschte.

Sowohl die Leiche ihres Ehemanns als auch ihrer Tante wurden exhumiert und u. a. vom berühmten Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743–1817) untersucht. Arsen konnte er nicht nachweisen, da ihm kein feines toxikologisches Verfahren zur Verfügung stand. Aber pathologische Veränderungen in Magen und Darm sowie der gute Erhaltungszustand der Leichen wiesen auf eine Vergiftung mit Arsen hin, das das Gewebe ausgezeichnet konserviert. Auch der bekannte Arzt Ernst Ludwig Heim (1747–1834) spielte in diesem Stück mit. Vor Gericht äußerte er sich gutachterlich zur Persönlichkeit der Ursinus und bezeichnete sie als eine Frau mit großer Verstellungskraft.

Die Indizien sprechen dafür, dass sie auch ihren Geliebten und ihren Ehemann eiskalt mit Arsenik (weißes Arsenoxid, ein geruchs- und geschmackloses Pulver) vergiftete. Der »Erfolg« der Arsenvergiftung beruhte damals darauf, dass die Symptome der »Erkrankung« der Opfer anderen Krankheitsbildern zum Verwechseln ähnelten und sensible Nachweisverfahren nicht zur Verfügung standen, um geringe Mengen des Gifts aufspüren zu können (tödliche Dosis ca. 0,13 g Arsen).

Sophie Ursinus wurde nach 30-jähriger Haft 1833 begnadigt, durfte aber die Festungsstadt nicht verlassen. Als sie am 4. April 1836 in Glatz starb, war sie bereits wieder Mitglied der besseren Gesellschaft geworden und hinterließ ein beträchtliches Vermögen (40 000 Taler). Sie vermachte dem Hauswart der Berliner Hausvogtei 500 Taler, weil er sie als Gefangene schonend behandelt hatte, und weitere 500 Taler gingen an den Verein für die Besserung der Strafgefangenen mit dem testamentarischen Zusatz, dass sie 25 Jahre lang Gelegenheit hatte zu sehen, wie nützlich und nötig so ein Verein sei, »um wenigstens die einzelnen mehr verirrten als verdorbenen Individuen zu retten«.

Arsenik war in der Spätantike das mit Abstand am meisten verwendete Mordgift. In Frankreich nannte man es später sinnigerweise »Erbschaftspulver«. Ironie der Kriminalgeschichte: Im Jahr, in dem die geheimnisumwobene Geheimrätin starb, entwickelte der englische Chemiker James Marsh (1794–1846) eine Methode zum Nachweis von Arsen, so dass dieses Morden allmählich abnahm.

William Burke und William Hare

Marktlücke

(1828)

Schaut man in Englisch-Wörterbücher, so findet man unter dem Eintrag »burke« die deutsche Übersetzung des Verbs: »jemanden heimlich umbringen« oder »ersticken« oder figürlich »etwas vertuschen«. Auch die Übersetzung »leise oder indirekt unterdrücken« sowie »umgehen, vermeiden« kann man als Übersetzungsvarianten finden.

Es gibt viele Beweise, dass das Verb »burke« die Alltagssprache flächendeckend erobert hat. Wenn über kriminelle Machenschaften der Pharmaindustrie berichtet wird, heißt das »They knew that the drug had dangerous side effects, but they burked the findings.« Heißt auf Deutsch: Sie wussten, dass das Medikament gefährliche Nebenwirkungen hatte, aber sie haben die Untersuchungsergebnisse unterdrückt. Und wenn auf einer Konferenz von verschiedenen Politikern ein wichtiges Thema vermieden wird, sagt man auf Englisch »They burked the issue.«

Kaum jemand weiß aber, dass damit ein alter schottischer Kriminalfall und die infame Tötungsmethode, die die Täter anwendeten, massenhaft Eingang in den englischen Sprachschatz gefunden haben.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte die Medizin große Fortschritte, nachdem Giovanni Morgagni 1761 die Pathologische Anatomie begründet hatte. Die Medizin wurde in einzelne Fächer aufgegliedert, die Ausbildung der Ärzte nahm eine völlig neue Qualität an. Zur Erforschung des menschlichen Körpers fehlte aber etwas – nämlich die Leichen. Zu eben dieser Zeit spendete niemand der Medizin seinen toten Körper.

William Burke und William Hare, beide stammten aus Irland, erkannten, dass sich hier eine Marktlücke auftat, die man mit großem Gewinn schließen konnte. Beide hatten sich 1827 in Hares billigem Wohnheim »Tanners’ Close« im Hafenviertel von Edinburgh kennengelernt, in dem Burke nach Trennung von Weib und Kindern unterkam. Das billige Quartier sollten manche Gäste aber sehr teuer bezahlen.

Als ein Mitbewohner verstarb, der nur unter dem Namen »alter Donald« bekannt war und dem Vermieter Hare noch vier Pfund Miete schuldete, gingen beide vereint ins »Körpergeschäft«. Um seinen Verlust auszugleichen, beschlossen sie, die Leiche an einen Arzt zu verkaufen. Im Hinterhof stand der Sarg; sie holten die Leiche heraus und verkauften sie an den brillanten Anatomen Dr. Robert Knox, der in 10 Surgeons’ Square in Edinburgh seine Praxis hatte. Man handelte um den Preis, der am Ende mit sieben Pfund und zehn Schilling offenbar für beide Seiten sehr zufriedenstellend ausfiel.