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Die Bibel ist die heilige Schrift des Christentums. Das Evangelium – die gute Nachricht – ist die Grundlage christlichen Lebens. In der Liturgie der Katholischen Kirche spielt die Verkündigung der Botschaft Jesu eine zentrale Rolle. In den Gottesdiensten werden die Evangelien abschnittsweise gelesen. In einem Drei-Jahres-Zyklus bekommen diejenigen, die regelmäßig zur Sonntagsmesse gehen, einen tiefen Einblick in die Texte, sowohl in die der drei Synoptiker Matthäus, Markus und Lukas, die die jeweiligen Lesejahre A, B und C prägen, als auch ins Johannesevangelium, das gerade zu den Hochfesten theologisch wichtige Ergänzungen bietet. Im Heiligen Jahr 2025 habe ich mir die Perikopen im Einzelnen vorgenommen und sie auszulegen versucht, basierend auf früheren Überlegungen, ergänzt um sprachliche und exegetische Perspektiven, die mir während meines Studiums am Institut für Katholische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin (2020-2024) eröffnet wurden.
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Seitenzahl: 1072
Veröffentlichungsjahr: 2025
Josef Bordat
Das ABC der Guten Nachricht
Anmerkungen zu den Sonntagsevangelien
Meinen Freunden vom
„Wort des Lebens“-Kreis
–
in Dankbarkeit
für all die ganzen Jahre.
Aus demselben Grund:
für Rita-Maria und Bernd.
Und für Franz.
Y para Beto. Y Katia.
And Batoul. Of course.
***
Im Gedenken an meine Mutter, Katharina Bordat (1939-2025).
© 2025 Josef Bordat
Lektorat: Claudia Sperlich
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Dr. Josef Bordat, Geitnerweg 16 B, 12209 Berlin, Germany.
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:
Vorwort
Die Bibel ist die heilige Schrift des Christentums. Das Evangelium – die gute Nachricht – ist die Grundlage christlichen Lebens. In der Liturgie der Katholischen Kirche spielt die Verkündigung der Botschaft Jesu eine zentrale Rolle. In den Gottesdiensten werden die Evangelien abschnittsweise gelesen.
In einem Drei-Jahres-Zyklus bekommen diejenigen, die regelmäßig zur Sonntagsmesse gehen, einen tiefen Einblick in die Texte, sowohl in die der drei Synoptiker Matthäus, Markus und Lukas, die die jeweiligen Lesejahre A, B und C prägen, als auch ins Johannesevangelium, das gerade zu den Hochfesten theologisch wichtige Ergänzungen bietet.
Im Heiligen Jahr 2025 habe ich mir die Perikopen im Einzelnen vorgenommen und sie auszulegen versucht, basierend auf früheren Überlegungen, ergänzt um sprachliche und exegetische Perspektiven, die mir während meines Studiums am Institut für Katholische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin (2020-2024) eröffnet wurden.
Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang ganz besonders Frau Anja Zimmermann, die – offenbar nicht völlig vergebens – versucht hat, mir Grundzüge des Κοινή, des biblischen Altgriechisch, beizubringen. Frau Claudia Sperlich danke ich ganz herzlich für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Ihre kenntnisreichen Anmerkungen haben mir sehr geholfen.
Die etwa einjährige Arbeit an dem Manuskript zu diesem Buch erfolgte an Orten, die mir sehr viel bedeuten. Natürlich in Berlin-Lichterfelde, aber auch in Petershagen, in Lima, in Arequipa, in Straelen und in Garmisch-Partenkirchen, Orte, die mir auf ihre je eigene Art Heimat bedeuten.
Während der finalen Überarbeitung des Manuskripts war ich sehr in Gedanken bei meiner Mutter, die am 4. August 2025 verstarb. Sie war für meinen Glauben sehr wichtig. Auf die Sakramente der Erstkommunion und der Firmung hat sie mich vorbereitet. Das Buch möge die Erinnerung an meine Mutter wachhalten.
Ich hoffe, dass das vorliegende Buch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viele Anregungen gibt und vielleicht auch die eine oder andere neue Einsicht in den zentralen Textkanon des christlichen Glaubens gewährt, in die Evangelien.
Noch ein philologischer Hinweis: Die deutschen Bibelstellen sind der Einheitsübersetzung (EÜ, 1980) entnommen, die griechischen Bibelstellen der 28. Ausgabe des Nestle-Aland Novum Testamentum Graece (NA 28, 2012), die Erläuterungen zu den griechischen Begriffen der 17. Auflage des von Eberhard Nestle besorgten Handbuchs Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament (Nestle 17, 1984). Weitere hinzugezogene Literatur wird in den Fußnoten bezeichnet.
Berlin, im September 2025 Josef Bordat
Cover
Titelblatt
Widmung
Urheberrechte
Vorwort
Lesejahr A
30. November 2025, Erster Adventssonntag – Matthäus 24,29-44 (Kurzfassung: Mt 24,37-44)
7. Dezember 2025, Zweiter Adventssonntag – Matthäus 3,1-12
14. Dezember 2025, Dritter Adventssonntag – Matthäus 11,2-11
21. Dezember 2025, Vierter Adventssonntag – Matthäus 1,18-24
28. Dezember 2025, Fest der Heiligen Familie – Lukas 2,22-40
4. Januar 2026, Zweiter Sonntag nach Weihnachten – Johannes 1,1-18
11. Januar 2026, Taufe des Herrn – Matthäus 3,13-17
18. Januar 2026, Zweiter Sonntag im Jahreskreis – Johannes 1,29-34
25. Januar 2026, Dritter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 4,12-23
1. Februar 2026, Vierter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 5,1-12
8. Februar 2026, Fünfter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 5,13-16
15. Februar 2026, Sechster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 5,17-37
22. Februar 2026, Erster Fastensonntag – Matthäus 4,1-11
1. März 2026, Zweiter Fastensonntag – Matthäus 17,1-9
8. März 2026, Dritter Fastensonntag – Johannes 4,5-42
15. März 2026, Vierter Fastensonntag – Johannes 9,1-41
22. März 2026, Fünfter Fastensonntag – Johannes 11,1-45
29. März 2026, Palmsonntag – Matthäus 21,1-11 und Matthäus 26,14-27,66
5. April 2026, Ostersonntag – Johannes 20,1-18 (Osternacht: Matthäus 28,1-10)
12. April 2026, Zweiter Sonntag der Osterzeit – Johannes 20,19-31
19. April 2026, Dritter Sonntag der Osterzeit – Lukas, 24,13-35 oder Johannes 21,1-14
26. April 2026, Vierter Sonntag der Osterzeit – Johannes 10,1-10
3. Mai 2026, Fünfter Sonntag der Osterzeit – Johannes 14,1-12
10. Mai 2026, Sechster Sonntag der Osterzeit – Johannes 14,15-21
17. Mai 2026, Siebter Sonntag der Osterzeit – Johannes 17,1-11
24. Mai 2026, Pfingstsonntag – Johannes 20,19-23
31. Mai 2026, Dreifaltigkeitssonntag – Johannes 3,16-18
7. Juni 2026, Zehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 9,9-13
14. Juni 2026, Elfter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 9,36-10,8
21. Juni 2026, Zwölfter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 10,26-33
28. Juni 2026, Dreizehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 10,37-42
5. Juli 2026, Vierzehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 11,25-30
12. Juli 2026, Fünfzehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 13,1-23
19. Juli 2026, Sechzehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 13,24-43 (Kurzfassung: Mt 13,24-30)
26. Juli 2026, Siebzehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 13,44-52 (Kurzfassung: Mt 13,44-46)
2. August 2026, Achtzehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 14,13-21
9. August 2026, Neunzehnter Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 14,22-33
16. August 2026, Zwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 15,21-28
23. August 2026, Einundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 16,13-20
30. August 2026, Zweiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 16,21-27
6. September 2026, Dreiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 18,15-20
13. September 2026, Vierundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 18,21-35
20. September 2026, Fünfundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 20,1-16
27. September 2026, Sechsundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 21,28-32
4. Oktober 2026, Siebenundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis / Erntedank – Matthäus 21,33-44 / Lukas 12,15-21 oder Lukas 17,11-19
11. Oktober 2026, Achtundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 22,1-14
18. Oktober 2026, Neunundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 22,15-21
25. Oktober 2026, Dreißigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 22,34-40
1. November 2026, Einunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 5,1-12
8. November 2026, Zweiunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 25,1-13
15. November 2026, Dreiunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Matthäus 25,14-30
22. November 2026, Christkönigsfest – Matthäus 25,30-46
Lesejahr B
29. November 2026, Erster Adventssonntag – Markus 13,33-37
6. Dezember 2026, Zweiter Adventssonntag – Markus 1,1-8
13. Dezember 2026, Dritter Adventssonntag – Johannes 1,6-8.19-28
20. Dezember 2026, Vierter Adventssonntag – Lukas 1,26-38
27. Dezember 2026, Fest der Heiligen Familie – Lukas 2,22-40
3. Januar 2027, Zweiter Sonntag nach Weihnachten – Johannes 1,1-18
10. Januar 2027, Taufe des Herrn – Markus 1,7-11
17. Januar 2027, Zweiter Sonntag im Jahreskreis – Johannes 1,35-42
24. Januar 2027, Dritter Sonntag im Jahreskreis – Markus 1,14-20
31. Januar 2027, Vierter Sonntag im Jahreskreis – Markus 1,21-28
7. Februar 2027, Fünfter Sonntag im Jahreskreis – Markus 1,29-39
14. Februar 2027, Erster Fastensonntag – Markus 1,12-15
21. Februar 2027, Zweiter Fastensonntag – Markus 9,2-10
28. Februar 2027, Dritter Fastensonntag – Johannes 2,13-25
7. März 2027, Vierter Fastensonntag – Johannes 3,14-21
14. März 2027, Fünfter Fastensonntag – Johannes 12,20-33
21. März 2027, Palmsonntag – Markus 11,1-10 und Markus 14,1-15,47
28. März 2027, Ostersonntag – Johannes 20,1-18 (Osternacht: Markus 16,1-7)
4. April 2027, Zweiter Sonntag der Osterzeit – Johannes 20,19-31
11. April 2027, Dritter Sonntag der Osterzeit – Lukas 24,35-48
18. April 2027, Vierter Sonntag der Osterzeit – Johannes 10,11-18
25. April 2027, Fünfter Sonntag der Osterzeit – Johannes 15,1-8
2. Mai 2027, Sechster Sonntag der Osterzeit – Johannes 15,9-17
9. Mai 2027, Siebter Sonntag der Osterzeit – Johannes 17,6.11-19
16. Mai 2027, Pfingstsonntag – Johannes 20,19-23 oder Johannes 15,26-27; 16,12-15
23. Mai 2027, Dreifaltigkeitssonntag – Matthäus 28,16-20
30. Mai 2027, Neunter Sonntag im Jahreskreis – Markus 2,23-3,6
6. Juni 2027, Zehnter Sonntag im Jahreskreis – Markus 3,20-35
13. Juni 2027, Elfter Sonntag im Jahreskreis – Markus 4,26-34
20. Juni 2027, Zwölfter Sonntag im Jahreskreis – Markus 4,35-41
27. Juni 2027, Dreizehnter Sonntag im Jahreskreis – Markus 5,21-43
4. Juli 2027, Vierzehnter Sonntag im Jahreskreis – Markus 6,1-6
11. Juli 2027, Fünfzehnter Sonntag im Jahreskreis – Markus 6,7-13
18. Juli 2027, Sechzehnter Sonntag im Jahreskreis – Markus 6,30-34
25. Juli 2027, Siebzehnter Sonntag im Jahreskreis – Johannes 6,1-15
1. August 2027, Achtzehnter Sonntag im Jahreskreis – Johannes 6,24-35
8. August 2027, Neunzehnter Sonntag im Jahreskreis – Johannes 6,41-51
15. August 2027, Zwanzigster Sonntag im Jahreskreis (Mariä Aufnahme in den Himmel) – Lukas 1,39-56
22. August 2027, Einundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Johannes 6,60-69
29. August 2027, Zweiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 7,1-8.14-15.21-23
5. September 2027, Dreiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 7,31-37
12. September 2027, Vierundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 8,27-35
19. September 2027, Fünfundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 9,30-37
26. September 2027, Sechsundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 9,38-43.45.47-48
3. Oktober 2027, Siebenundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 10,2-16 (Kurzfassung: Mk 10,2-12)
10. Oktober 2027, Achtundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 10,17-30 (Kurzfassung: Mk 10,17-27)
17. Oktober 2027, Neunundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 10,35-45
24. Oktober 2027, Dreißigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 10,46-52
31. Oktober 2027, Einunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 12,28-34
7. November 2027, Zweiunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 12,38-44
14. November 2027, Dreiunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Markus 13,24-32
21. November 2027, Christkönigsfest – Johannes 18,33-37
Lesejahr C
28. November 2027, Erster Adventssonntag – Lukas 21,25-28.34-36
5. Dezember 2027, Zweiter Adventssonntag – Lukas 3,1-6
12. Dezember 2027, Dritter Adventssonntag – Lukas 3,10-18
19. Dezember 2027, Vierter Adventssonntag – Lukas 1,39-45
26. Dezember 2027, Fest der Heiligen Familie – Lukas 2,41-52
2. Januar 2028, Zweiter Sonntag nach Weihnachten – Johannes 1,1-18
9. Januar 2028, Taufe des Herrn – Lukas 3,15-16.21-22
16. Januar 2028, Zweiter Sonntag im Jahreskreis – Johannes 2,1-11
23. Januar 2028, Dritter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 1,1-4; 4,14-21
30. Januar 2028, Vierter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 4,21-30
6. Februar 2028, Fünfter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 5,1-11
13. Februar 2028, Sechster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 6,17-18a.20-26
20. Februar 2028, Siebter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 6,27-38
27. Februar 2028, Achter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 6,39-45
5. März 2028, Erster Fastensonntag – Lukas 4,1-13
12. März 2028, Zweiter Fastensonntag – Lukas 9,28-36
19. März 2028, Dritter Fastensonntag – Lukas 13,1-9
26. März 2028, Vierter Fastensonntag – Lukas 15,1-3.11-32
2. April 2028, Fünfter Fastensonntag – Johannes 8,1-11
9. April 2028, Palmsonntag – Lukas 19,28-40 und Lukas 22,14-23,56
16. April 2028, Ostersonntag – Johannes 20,1-18 (Osternacht: Lukas 24,1-12)
23. April 2028, Zweiter Sonntag der Osterzeit – Johannes 20,19-31
30. April 2028, Dritter Sonntag der Osterzeit – Johannes 21,1-19 (Kurzfassung: Joh 21,1-14)
7. Mai 2028, Vierter Sonntag der Osterzeit – Johannes 10,27-30
14. Mai 2028, Fünfter Sonntag der Osterzeit – Johannes 13,31-33a.34-35
21. Mai 2028, Sechster Sonntag der Osterzeit – Johannes 14,23-29
28. Mai 2028, Siebter Sonntag der Osterzeit – Johannes 17,20-26
4. Juni 2028, Pfingstsonntag – Johannes 20,19-23 oder Johannes 14,15-16.23-26
11. Juni 2028, Dreifaltigkeitssonntag – Johannes 16,12-15
18. Juni 2028, Elfter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 7,36-8,3 (Kurzfassung: Lk 7,36-50)
25. Juni 2028, Zwölfter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 9,18-24
2. Juli 2028, Dreizehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 9,51-62
9. Juli 2028, Vierzehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 10,1-12.17-20
16. Juli 2028, Fünfzehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 10,25-37
23. Juli 2028, Sechzehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 10,38-42
30. Juli 2028, Siebzehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 11,1-13
6. August 2028, Achtzehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 12,13-21 (oder: Verklärung des Herrn – Lukas 9,28-36)
13. August 2028, Neunzehnter Sonntag im Jahreskreis – Lukas 12,32-48
20. August 2028, Zwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 12,49-53
27. August 2028, Einundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 13,22-30
3. September 2028, Zweiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 14,1.7-14
10. September 2028, Dreiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 14,25-33
17. September 2028, Vierundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 15,1-32
24. September 2028, Fünfundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 16,1-13
1. Oktober 2028, Sechsundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 16,19-31
8. Oktober 2028, Siebenundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 17,5-10
15. Oktober 2028, Achtundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 17,11-19
22. Oktober 2028, Neunundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 18,1-8
29. Oktober 2028, Dreißigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 18,9-14
5. November 2028, Einunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 19,1-10
12. November 2028, Zweiunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 20,27-38
19. November 2028, Dreiunddreißigster Sonntag im Jahreskreis – Lukas 21,5-19
26. November 2028, Christkönigsfest – Lukas 23,35-43
Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit
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Lesejahr A
30. November 2025, Erster Adventssonntag – Matthäus 24,29-44 (Kurzfassung: Mt 24,37-44)
Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr das alles seht, dass das Ende vor der Tür steht. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. (Mt 24,29-36) Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Mt 24,37-44)
Heute – am ersten Adventssonntag – beginnt ein neues Kirchenjahr: das Lesejahr A. Im Zentrum steht das Matthäusevangelium.
Es steht dem Priester heute frei, ob er die Kurzfassung (Mt 24,37-44) oder die Langfassung (Mt 24,29-44) des Evangeliums liest. Sicher ist der Erste Adventssonntag gespickt mit besonderen Ritualen, wie der Segnung des Adventskranzes, vielleicht ist die Liturgie ja auch etwas feierlicher als sonst, mit besonderen musikalischen Elementen gestaltet und zudem voller Ankündigungen für die nächsten Tage und Wochen in den Vermeldungen. Da wird manch einer schon aus Zeitgründen die Kurzfassung nehmen. Das ist schade, verkürzt sich die Botschaft dann doch auf Noahs Erfahrung und den wachsamen Hausherrn als Beispiel tugendhaften Christseins in Erwartung der Wiederkunft des Herrn. Die plastische Rede vom Kommen des Menschensohns und der berühmte Vers, der von einer ewigen Geltungskraft des Wortes spricht (vgl. Vers 35), werden dann nicht gelesen.
Nehmen wir also die Langfassung und schauen, wie sich der Text entwickelt. Zunächst ist da die Schilderung des Parusie-Ereignisses (vgl. Verse 29 bis 31), ein bombastisches Szenario, das an Endzeitschilderungen nach Hollywood-Art erinnert: Sonne finster, Mond aus (was astronomisch ja dann die logische Konsequenz ist), Sterne fallen (das hier verwendete griechische Verb πίπτω, hier in der Zukunftsform πεσοῦνται, heißt wirklich „fallen“, nicht verglühen oder erlöschen oder etwas Harmloseres. Und „die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“ (Vers 29). Gemeint sind mit δυνάμεις τῶν οὐρανῶν (Vers 29) „die Fürsten, die über die Völker regieren“, gewissermaßen die politische Ordnung der Welt, sowie alles, „was an Mächten und Kräften im Himmel vorhanden ist und als die wirkende Ursache seines festen Bestandes gedacht werden mag“1 – also: wirklich alles.
Zwei weitere Dinge fallen auf: zum einen die „Macht und Herrlichkeit“ Christi, zum anderen der sich daraus ergebende Universalismus seiner Wiederkunft. Die Engel, die Christus begleiten, „werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen“, also aus allen Völkern und Nationen. Der Menschensohn kommt für alle wieder. Oder, wie Papst Franziskus in seiner Muttersprache zu sagen nicht müde wurde: „para todos, todos, todos“. Aber nicht für jeden ist diese Wiederkunft ein Heilsereignis. Es ist hier von „Auserwählten“ die Rede. Doch keine Elite nach menschlichem Maßstab ist damit gemeint, sondern jene „Schafe“, deren Charakteristika Jesus kurz darauf definiert (vgl. Mt 25,31-46).
Dann werden Himmel und Erde vergehen. Sie werden nicht mehr gebraucht. Was bleibt ist die Liebe, von der die „Schafe“ umfangen werden – und das höllische Gefühl der Unfähigkeit zur Liebe, das den „Böcken“ droht (vgl. Mt 25,31-46). Die Liebe, die Gott mit seiner Menschwerdung durch Jesus Christus in die Welt gebracht hat. Nun, da Christus wiederkommt, bleibt sie als einzige übrig, fest verbunden mit dem Logos, durch den sie Gestalt angenommen und sich ganz konkret ausgedrückt hat – vor allem am Kreuz. Aber auch in den vielen Reden des Predigers Jesus, in den Gleichnissen, mit denen er die Menschen Barmherzigkeit lehrte, in den Gebeten, die er sprach. So kann der Evangelist Matthäus das endzeitliche Geschehen aus Sicht des Herrn zusammenfassen: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Vers 35).
Die Liebe Gottes, durch Worte und Taten vermittelt, wird nicht vergehen. Alles andere hat ein Ende. Das steht fest. Alles andere ist offen. Das Ende kommt unvermittelt und niemand weiß, wann genau es kommt, nicht einmal Jesus will sich auf einen Termin festlegen. Er fordert stattdessen Wachsamkeit. Wenn wir stets bereit sind, vor Gott Rechenschaft abzulegen, dann kann es uns auch egal sein, wann genau wir dies tun müssen.
Zur Verdeutlichung wird Jesus historisch, wodurch seine Rede den Zuhörern wohl nachvollziehbarer wurde: So wie Noah, dessen Geschichte bestens bekannt war, urplötzlich mit dem Ende der Welt, wie er sie kannte, konfrontiert wurde, so unvermittelt wird auch das Ende für die „Generation Jesus“ kommen – für die Menschen, die zur Zeit von Christi irdischem Wirken lebten und für alle, die sich danach in den Dienst der Nachfolge stellten, in Kontinuität und Kommunion. Das nämlich ist „diese Generation“, von der Jesus spricht, dieses „Geschlecht“, wie γενεά auch übersetzt werden könnte.
Jesus macht in der drastischen Polarität (die bzw. der eine wird mitgenommen, die resp. der andere nicht) eine Andeutung dessen, was er später näher begründen wird: Das Endgericht teilt die Menschen ein, nicht nach Rassen oder Religionen, nicht nach Einkommen oder Sozialprestige, sondern nach dem, was sie für einen der geringsten Schwestern und Brüder Jesu getan haben – oder eben nicht getan haben (vgl. Mt 25,31-46).
Seid bereit für den Herrn, so, wie ein Hausbesitzer sich auf einen Dieb einstellen würde, wenn er denn wüsste, wann genau dieser kommt. Das ist zum Abschluss ein eigenartiges Bild, schließlich kommt der Dieb ja ungelegen und bringt Leid über den Hausbesitzer. Und der Menschensohn? Der kommt eben auch höchst ungelegen, wenn wir es uns in unserer „Bockigkeit“ gerade so richtig schön bequem gemacht haben. Wenn wir also spirituell schlafen, mitten in der dunklen Nacht. Dann ist die Überraschung eine negative.
Wachsamkeit erfordert dabei nicht 24-Stunden-Aktionismus, sieben Tage die Woche. Wachsamkeit bedeutet eine beständige Disposition zum Schaf-Sein. Das ist am ehesten gewährleistet, wenn man ein Schaf ist, denn dann braucht man sich das Schaffell gar nicht mehr umständlich anzuziehen, wenn man denn meint, das sei jetzt mal dran, um so zu tun, als sei man ein Schaf, in der Adventszeit etwa, zu Weihnachten. Jesus will caritas, nicht charity, will aus Teilzeit-Schafen echte Schafe machen, Menschen ohne Kompromisse, hundertprozentig wachsam für Gott und füreinander. So wie der Hirte.
1 Nestle, Eberhard, Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament, 17. Auflage, Stuttgart 1984 (nachfolgend: Nestle 17), S. 66.
7. Dezember 2025, Zweiter Adventssonntag – Matthäus 3,1-12
In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Er war es, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat: Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung. Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch nur mit Wasser (zum Zeichen) der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. (Mt 3,1-12)
In diesen Tagen – kurz vor Weihnachten – hat er immer seinen großen Auftritt: Johannes der Täufer (βαπτιστής, Vers 1). Der letzte der Propheten Gottes verweist auf den Sohn Gottes. Johannes bedeutet „Gott ist gnädig“, Jesus „Gott rettet“. Gottes Gnade ist unsere Rettung.
Johannes ist ein unbequemer Mahner, der den Menschen damals wie heute eine wichtige Botschaft bringt: „Kehrt um!“ (μετανοεῖτε, Vers 2; von μετανοέω – „die Gesamtmeinung über sich selbst ändern“2). Er ist ein mutiger Prediger, der Klartext spricht und auch die Konfrontation mit der religiösen und weltlichen Obrigkeit nicht scheut.
Er steht außen, tritt nicht einfach nur auf, wie es hier in der EÜ steht, sondern muss erstmal hinzutreten zum Volk (παραγίνεται – „herbeikommen“, Vers 1; Johannes „lebte also nicht in der Volksgemeinschaft“3, sondern in der „Wüste“, ἔρημος – „Einöde“, Vers 1). Das Volk kommt zu ihm hinaus (ἐξεπορεύετο, Vers 5), bekennt seine Sünden, lässt sich taufen (ἐβαπτίζοντο, Vers 6; eigentlich: „untertauchen“). Darunter befinden sich auch Pharisäer und Sadduzäer, die Johannes ziemlich derb angeht: „Schlangenbrut“ nennt er sie, wörtlich: „Sprößlinge giftiger Schlangen“ (γεννήματα ἐχιδνῶν, Vers 7). Sie erhalten von ihm eine Spezialbotschaft, die sie herausfordern soll: „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt“ (Vers 8). Ganz ähnlich würde Johannes wohl heute zu uns sprechen, zu uns allen: Die Umkehr muss Frucht tragen.
Johannes macht keinen Hehl aus der Differenz zwischen ihm und Jesus: „Ich taufe euch nur mit Wasser (zum Zeichen) der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen“ (Vers 11). Das „Aufheben und Nachtragen der Sandalen“ (ὑποδήματα βαστάσαι, Vers 11) ist eine so niedrige Tätigkeit, dass sie heidnischen Sklaven vorbehalten war.4 Die Demut des Johannes Jesus gegenüber findet ihren Grund in der spirituellen Überlegenheit des Herrn: „Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Vers 11).
Wasser und Feuer. Das ist der fundamentale Unterschied. Der eine, Johannes, kommt, um auf den Anderen, Jesus, zu deuten. Der Bote ist Vorbote. Er bringt nicht die Botschaft, sondern verkündet, auf die Botschaft zu hören, die zählt, wenn sie von dem verkündet wird, auf den es ankommt, den ersten Menschen einer neuen Zeit, den Messias, den Christus, in dem das Wort Gottes selbst menschliche Gestalt annimmt, „Fleisch wird“: „Καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο“ (Joh 1,14).
Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten: Johannes und Jesus gehen beide in die Wüste. Beide gehen zum Volk und kommen gut an bei den Menschen. Beide werden hingerichtet. Nach menschlichem Ermessen sind beide gescheitert. Bei Gott aber sind beide verherrlicht – der Sohn und der Prophet, der auf ihn deutete, der ihn später taufte und der damit auf seine Art an dessen Sendung mitwirkte.
2 Nestle 17, S. 5.
3 Ebd.
4 Vgl. Nestle 17, S. 6.
14. Dezember 2025, Dritter Adventssonntag – Matthäus 11,2-11
Johannes hörte im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Ihr habt sogar mehr gesehen als einen Propheten. Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er. (Mt 11,2-11)
„Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ (Vers 3) – Ich höre ein leicht frustriertes „etwa noch weiter“ aus der Diktion der Frage heraus. In der Tat: Die griechische Verbform προσδοκῶμεν „macht die Frage kräftiger“5 – aus „warten“ (oder „erwarten“) wird „warten müssen“. Die Messiaserwartung des Volkes Israel in dessen damaliger Situation ist groß und drängend. Die ganze Ungeduld der Menschen im römisch besetzten Palästina bündelt sich in dieser einen „kräftigen“ Frage: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ (Vers 3).
Jesus antwortet ihnen, dass sie Johannes einfach genau berichten sollen, was sie hören und sehen (vgl. Vers 4). Sie sollen eine Art Beobachtungsprotokoll anfertigen, in dem die Ergebnisse des Wirkens Jesu verzeichnet sind: spektakuläre Heilungen, Auferweckungen von Toten und – als Höhepunkt gewissermaßen – die Verkündigung des Evangeliums gegenüber den Armen (vgl. Vers 5). Das ist eine interessante Steigerung: Kranke heilen? Nicht schlecht! Tote auferwecken? Wow! Aber – jetzt kommt's: Evangelisierung. Das ist die ultimative Heilstat; εὐαγγελίζονται (Vers 5) meint, die „gute, freudige Botschaft bringen“ bzw. – aus Sicht der Armen – „das Evangelium zu hören bekommen“, immer verbunden mit „der Vorstellung, daß das Gemeldete Wirklichkeit sei oder werde“,6 also keine Trostgeschichte zum Durchhalten ist, sondern echte Befreiung bringt.
Jesu Antwort ist ebenso geheimnisvoll wie eindeutig. Geheimnisvoll ist sie, weil sie gar keine direkte, unmittelbare Auskunft ist. Er hätte ja sagen können: „Ja, ich bin es. Euer Warten hat ein Ende“. Diese Botschaft, die wir an Weihnachten feiern, kommt verschlüsselt, indirekt. Sie ist dennoch eindeutig, weil die Werke, die Jesus vollbringt, für sich sprechen. Auf wen soll man noch warten, wenn durch den, der schon da ist, solche Wunder geschehen: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet?
Heute am Gaudete-Sonntag freuen wir uns, dass unser Warten schon ein Ende hatte und Jesus schon ganz nahe ist. Und wir freuen uns, dass wir ihm ganz nahe sein dürfen und durch ihn unseren Mitmenschen. An seinen Werken sollten die Menschen damals Jesus erkennen, an unseren Werken soll man uns heute erkennen, als die, die Jesus nachfolgen. Johannes, den Boten (vgl. Vers 10), den Jesus lobt als den größten Menschen, der je gelebt hat (vgl. Vers 11), werden wir dabei immer mitnehmen, denn indem Johannes der Täufer dem Herrn voranging, folgte er ihm gleichsam nach.
5 Nestle 17, S. 26.
6 Ebd.
21. Dezember 2025, Vierter Adventssonntag – Matthäus 1,18-24
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. (Mt 1,18-24)
Josef, der Verlobte Marias, ist ein Mann aus gutem Hause, aus sehr gutem sogar: aus dem Haus Davids, dem Königshaus. Seine Verlobte Maria ist ein einfaches Mädchen. Doch sie wird künftig die Hauptrolle spielen, er die Nebenrolle. In einem Film, dessen Handlung er nicht immer wird nachvollziehen können, zu groß ist das Geheimnis, zu großartig, was mit Maria geschieht.
Und das geht gleich schon mal mit einem Paukenschlag los: Maria ist schwanger. Die Erklärung für Marias Schwangerschaft ist unplausibel, widerspricht dem gesunden Menschenverstand: nicht das geschlechtliche „Zusammenkommen“ (συνελθεῖν, Vers 18) der Partner ist Ursache, sondern das Wirken des Heiligen Geistes. Wer hätte es Josef angesichts dessen übel nehmen wollen, wenn er um der vermeintlichen Wahrheit willen die Sache ausgeschlachtet und Maria mit ihrer abenteuerlichen Geschichte ins Lichte der Öffentlichkeit gezerrt hätte, „an den Pranger gestellt“, wie δειγματίσαι (Vers 19) auch übersetzt werden könnte, einer Delinquentin gleich, die jedes Recht auf Schutz ihrer persönliche Würde verwirkt hat? In der damaligen Gesellschaft, in die Josef offenbar nicht so recht hineinpasst, sicher niemand.
Doch das Unplausible ist wahr. Und Gottes Wirken übersteigt den Verstand des Menschen, so gesund jener auch sein mag. Vielleicht hat Josef das geahnt, vielleicht auch nicht. Fest steht: Josef ist kein Mann des Skandals. Er macht kein Fass auf, sucht nicht das Licht der Öffentlichkeit. Er beschließt zu gehen, „in aller Stille“, ja: „heimlich“; das griechische Wort λάθρᾳ (Vers 19) steht auch für „durch Privatübereinkunft“7 – also das glatte Gegenteil von öffentlicher Angelegenheit). Denn er will Maria nicht bloßstellen. Josef passt damit so gar nicht in unsere Zeit, in der keine Chance verpasst wird, Menschen öffentlich bloßzustellen, am schnellsten und einfachsten in den Sozialen Netzwerken. Die Bloßstellung ist unser Kerngeschäft. Die Stille hat keine Chance.
Dabei ist sie, die Stille, nötig, damit Gott sein Wort sprechen kann, auch auf für uns Menschen ungewöhnliche Weise. Hier ist es ein Engel, der Josef im Traum erscheint, im Schaf, im Inbegriff der Ruhe und Entspannung (ἰδού – „siehe“, Vers 20; meint soviel wie „sieh mal einer an“, denn es „weist hin auf die überraschende, jede Berechnung entzogene Art des Vorgangs“8). Und durch diesen unkalkulierbaren Engel spricht Gott sein Wort der Ermutigung: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht“ (Vers 20). Auch wenn es die Grenzen seiner Vernunft übersteigt: Josef glaubt dem Engel, Josef vertraut Gott. Und er will auch Maria vertrauen. Als er wieder bei vollem Bewusstsein ist, schüttelt er sich nicht etwa und sagt: „Was für ein Traum!“, sondern hält fest an dem, was zu ihm gesagt, was ihm zugesagt wurde. Josef setzt sogleich um, was er als Gottes Willen erkannt hat. Er nimmt Maria als seine Frau zu sich, von der er sich zuvor noch trennen, die er „loslassen“ (ἀπολῦσαι, Vers 19) wollte.
Der Engel spricht dann über Jesus als den, der „sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Vers 21) wird; ἁμαρτίαι („Fehler“, „Irrtümer“, „Vergehen“, Vers 21) steht hier im Plural, denn der Evangelist Matthäus „bezieht das Urteil 'Sünde' nicht auf einen Zustand, sondern auf das Handeln der Menschen“9. Jesus rettet uns, indem er uns von unserem Drang zum bösen Handeln befreit. Und das nicht nur durch entsprechende Predigt, sondern durch Begleitung im Leben. Er ist der Ἐμμανουήλ (Vers 23), der „Gott mit uns“ (μεθ’ ἡμῶν ὁ θεός, Vers 23; μεθ’ – „mit“, „in Begleitung“).
Josef glaubt all das, tut, was er gehört und verstanden hat (vgl. Vers 24), denn Josef vertraut. Glauben heißt nicht nur Für-wahr-halten, auch wenn Wahrheit im Glauben eine gewichtige Rolle spielt. Glauben heißt in erster Linie Vertrauen. Das griechische Verb πιστεύω bedeutet „glauben“, aber auch „vertrauen“. Und: Josef ist mutig. Glaube braucht Mut, denn zu glauben ist ein „Wagnis“ (Peter Wust)10. Wer jemandem vertraut, muss ihr oder ihm trauen – und muss auch sich selbst etwas trauen, nämlich vermeintliche Sicherheiten aufzugeben und in ein Dunkel zu gehen, das jenes Licht, das es verspricht, im Moment des Eintritts eben noch nicht spendet und auch noch nicht erahnen lässt (sonst wäre es ja nicht dunkel). Josef musste nicht nur vertrauen – dem Engel im Traum, der inneren Stimme, Gott – er musste sich auch zutrauen, die mit dem Glaubens- bzw. Vertrauensakt verbundenen Schritte zu gehen, ohne zu wissen, wohin der Weg führen wird. Das ist mutig, vielleicht auch übermütig.
Auch uns will Gott ansprechen, vielleicht nicht im Schlaf, vielleicht auch nicht in einer so existenziellen Angelegenheit, doch auch uns sagt er zunächst: Fürchte dich nicht! Gott sagt es durch Engel, durch andere Menschen, durch Erfahrungen, die wir machen. Oft überhören wir es, oft geht es im Lärm der Geschäftigkeit unter. Und wenn es mal zu uns durchdringt, wird es häufig von unseren misstrauischen Gedanken zunichte gemacht.
Doch Gottvertrauen ist keine Leichtgläubigkeit; das Leichte drängt sich ohnehin auf. Auf Gottes Stimme zu hören und Gottes Willen zu tun, das ist das angemessene Vertrauen des Christen. Josef hat vorgemacht, wie das geht: Vertrauen. Glauben. Mut. Er spielt deswegen die wichtigste Nebenrolle, die je ein Mensch hat spielen dürfen.
7 Nestle 17, S. 1.
8 Ebd.
9 Nestle 17, S. 2.
10 Peter Wusts bekanntestes Werk, in dem es um den religiösen Glauben als Garanten von Geborgenheit in einer (faktisch und metaphysisch) unsicheren, ja: turbulenten Welt geht, heißt „Ungewißheit und Wagnis“ (1937).
28. Dezember 2025, Fest der Heiligen Familie – Lukas 2,22-40
Dann kam für sie der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen, gemäß dem Gesetz des Herrn, in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe. Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel. Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen. Damals lebte auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm. (Lk 2,22-40)
Die Begegnung des Simeon mit Jesus ist eine Geschichte persönlichen Lebensglücks und persönlicher Heilserfahrung: Der alte Simeon darf doch noch den Messias sehen. Darauf hatte er gehofft und an die Offenbarung des Heiligen Geistes, der diese Hoffnung in ihm wach gehalten hatte, fest geglaubt. Und dann erfüllt sich seine Hoffnung und Simeon kann in Frieden sterben. Dieser Duktus der Vollendung hat dazu geführt, den Lobgesang des Simeon (das Nunc dimittis) als liturgischen Standardtext in die Komplet, das Nachtgebet der Kirche, aufzunehmen. Darin kommt dann zum Ausdruck, dass auch wir in Frieden zur Ruhe kommen können, weil wir die Hoffnung des Simeon auf die Begegnung mit dem Heiland teilen. Lukas lässt Simeon den Bogen spannen vom Alten zum Neuen Bund, in dem Gott die „Herrlichkeit für sein Volk Israel“ zum Heil „vor allen Völkern“ (und für alle Völker) werden lässt. Dieses erweiterte Erbarmen zeigt sich in der Menschwerdung Gottes, deren Zeuge Simeon wird.
Da ich mich mit der betreffenden Bibelstelle, die auch am 2. Februar gelesen wird (am Fest der Darstellung des Herrn, früher: Mariä Lichtmess), in meinem Studium der Katholischen Theologie etwas intensiver auseinandergesetzt habe, möchte ich dazu auch ausführlicher als sonst Stellung beziehen und dabei zudem etwas tiefer in die Methodik der bibeltheologischen Exegese einsteigen.
Einige Worte vorab. Beim von Lukas11 verfassten Evangelium handelt es sich – im Gegensatz zu den anderen Evangelien – nicht um einen in sich geschlossenen Text, sondern um den ersten Teil des so genannten „lukanischen Doppelwerks“: Das Evangelium und die Apostelgeschichte bilden formal und inhaltlich eine Einheit. In diesem Doppelwerk ist der Versuch erkennbar, den Ablauf der Heilsgeschichte dreifach zu gliedern: 1. Die Zeit Israels, des Gesetzes und der Propheten, 2. die Zeit Jesu als die „Mitte der Zeit“12 und 3. die Zeit zwischen Himmelfahrt und Parusie (Apostelgeschichte). Im Zentrum steht die Gegenwart der Person Jesu.
Die heute (und am 2. Februar) gelesene Perikope (Lk 2,22-40) aus der Kindheitsgeschichte Jesu, die zum umfangreichen Sondergut des Lukas zählt, steht dafür sinnfällig ein: Jesus ist auch in Simeons Rede die „Mitte“ zwischen der Gebotstreue und der prophetischen Verkündigungspraxis des Alten Bundes und der durch Jesus kommenden Veränderungen und ihrer selektiven, insoweit auch leidvollen Konsequenzen. Das „Jetzt“ der Begegnung liegt zwischen dem, was war (Erfüllung des Gesetzes, hier: Reinigungsvorschriften, Warten der Propheten, hier: Warten des Simeon) und dem, was kommt (Veränderung in und an Israel), also im Übergang von Verheißung und Erfüllung.
Einerseits handelt es sich bei der Darstellung des Herrn im Jerusalemer Tempel um einen für das antike Judentum ganz normalen Vorgang. Der Erstgeborene wurde Gott geweiht. Gott hatte die Erstgeborenen der Ägypter „bei Mensch und Vieh“ (Ex 12,12) getötet, seither bedankt sich das aus Ägypten befreite Volk Israel traditionell mit der Weihe des Erstgeborenen an Gott; Jesus macht da keine Ausnahme.
Andererseits ist es ein besonderer Vorgang, denn: Im ersten Tempel Salomos war die Bundeslade mit den Zehn Gebote das Heiligtum des Tempels: „Ich habe dem Namen des Herrn, des Gottes Israels, das Haus gebaut und darin einen Raum für die Lade geschaffen. Sie enthält die Tafeln des Bundes, den der Herr mit unseren Vätern geschlossen hat, als er sie aus Ägypten führte“ (1 Kön 8,20-21). Der „Raum für die Lade“ ist das Allerheiligste des ersten Tempels. Bei der Zerstörung dieses Tempels durch die Babyloner unter Nebukadnezar II. (587/586 v. Chr.) ist die Bundeslade mit den Gebotstafeln wohl auch zerstört worden, jedenfalls blieb das Allerheiligste des zweiten Tempels leer. Nun kommt Jesus in den neuen Tempel hinein – als das neue Gebot, das neue Heiligtum Gottes, um den neuen Bund zu begründen und macht damit den Tempel wieder zum Allerheiligsten. Jesus füllt die Leere – nicht nur im Tempel, sondern auch in den Herzen der Menschen. Das zum Hintergrund des Ereignisses.
Nun zum Text. Wir haben es bei der vorliegenden Perikope mit der Schilderung einer Begebenheit zu tun, die eine prophetische, poetisch geformte direkte Rede (Simeons Lobpreis, Segen und Prophezeiung) in eine äußere, episch erzählte rituelle Handlung (Jerusalem-Aufenthalt, Gang in den Tempel, Darstellung Jesu) einbettet. Dabei erscheint die Rede des Simeon nicht in einer Einheit, sondern wird durch einen Vers gebrochen, der das Staunen seitens Maria und Josef bekundet. Dieser Vers 33 teilt die Rede in Lobpreis (Verse 29-32) sowie Segen und Prophezeiung (Verse 34-35). Schließlich erscheint auch noch die Prophetin Hanna.13 Dieser Wechsel der Bezugsperson als Gesprächspartnerin der Heiligen Familie wäre ein guter Grund, die Perikope mit Vers 35 enden zu lassen, obgleich die heutige Liturgie eine Lesung vorsieht, die bis einschließlich Vers 40 geht14. Dennoch scheint es mir im Hinblick auf die Bedeutung der Prophezeiung des Simeon angemessen, diese hier in den Vordergrund zu rücken und im Folgenden den Abschnitt Lk 2,22-35 zu diskutieren.
In den ersten drei Versen 22-24 wird der Jerusalem-Aufenthalt der Heiligen Familie theologisch begründet, unter Bezugnahme auf den Alten Bund. („Gesetz des Mose“, „wie im Gesetz des Herrn geschrieben“), in den vier darauffolgenden Versen 25-28 läuft die Handlung auf die Rede des Simeon zu. Zugleich geht die Erzählung vom normativ Erwarteten zum Faktischen über und illustriert so die Gesetzestreue Marias und Josefs („als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war“). Die Begegnung der Hl. Familie mit Simeon findet also just unter der Bedingung und im Moment der Erfüllung des Gesetzes statt („als“), ohne dass der Vollzug der Darstellung und des Opfers geschildert wird – es tritt hinter das nun folgende Geschehen zurück, möglicherweise ein Hinweis darauf, dass sich mit Christus die Blickrichtung ändert: vom Alten (Gesetz) zum Neuen (Begegnung im Geist).
Warum aber das Nunc Dimittis, warum überhaupt die Begegnung mit dem Propheten Simeon als „Überraschung innerhalb des Ritus“, als „Ereignis innerhalb der Institution“15? Welche Verbindung gibt es zwischen der Rahmenhandlung und der Begegnung mit dem Lobgesang und dem Segen? Bovon weist mit Miyoschi darauf hin, dass der – hier von Simeon gespendete – priesterliche Segen nach Num 6 zum Reinigungsritual gehört, den Lukas Simeon wortgetreu in den Mund legt: „Im Schlußsatz der Reinigungsbestimmung in Num 6 wird auch der priesterliche Segen vorgeschrieben, und zwar mit denselben Worten des Friedens und des Lichts, die auch den Kern von Simeons Lobpreis bilden“16. Die Reinigung Jesu kann dabei als „Vorbereitung auf seine zukünftige Aufgabe“ angesehen werden, „Licht für die Völker zu sein“.17
Zentral ist das Motiv des Wartens.18 Verheißung und Erfüllung wird hier sprachlich zusammengebracht.19 Simeons Rede ist von der Wartezeit geprägt: „Es sind die letzten Worte eines Wartenden. Es sind Worte des Abschieds und Worte des Beginns. Sie tragen und fassen zusammen, was an Weisheit, Einsicht und Erfahrung am Ende eines Lebens zu sagen ist“20. Das Warten des „paradigmatisch fromme[n] Jude[n]“21 Simeon kann im Sinne des „verheißungsgeschichtlichen Modells“22 als beispielhaft für das Warten Israels auf Erlösung angesehen werden, das sich etwa in Psalm 131 ausdrückt: „Israel, harre auf den Herrn / von nun an bis in Ewigkeit!“ (Ps 131,3). Nach Gerhard von Rad lässt sich das Alte Testament „nicht anders lesen als das Buch einer ständig wachsenden Erwartung“, einer „ins Ungeheure anwachsenden Erwartung“,23 einer Erwartung, für die der Prophet Simeon stellvertretend steht. Es ist das Warten auf den Messias, den Christus. Lukas trägt in Simeon dieses kollektive Warten des Volkes Israel gewissermaßen persönlich der Leserschaft vor, die ja Teil des wartenden Kollektivs ist, also versteht, um was es geht, welche Bedeutung die Beharrlichkeit Simeons hat, die zum Vorbild erhoben wird.
Erzählzeit und erzählte Zeit fallen in diesem Augenblick in eins. Es ist die Gegenwart, das Jetzt der Begegnung, das in den Vordergrund rückt, was durch Simeons Redeauftakt (νῦν – „nun“, Vers 29) unterstrichen wird. In diesem Zusammenhang könnte möglicherweise Hans Conzelmanns Drei-Epochen-These in den Sinn kommen, die besagt, dass Lukas die Heilsgeschichte in drei Epochen einteilte, „eine Zeit Israels, eine Zeit Jesu“ – diese nennt Conzelmann „Mitte der Zeit“ – „und eine Zeit der Kirche“.24 Vielleicht könnte man sagen, dass sich diese These Drei-Epochen-These hier narrativ verdichtet aufweisen lässt, mit Jesus in der gegenwärtigen Mitte, der Zeit Israels aus der heraus die Normativität in die Gegenwart hineinragt und der künftigen Zeit einer Kirche Jesu Christi, die schon bald Widerspruch erfährt.
Auch Simeons Anwesenheit im Tempel hat eine Vorgeschichte: Ihm war die Begegnung mit Christus offenbart worden, er wurde vom Geist in den Tempel geführt. In der Begegnung treffen sich also normativ vorgegebene und subjektiv empfundene Motive der Anwesenheit.
Schließlich geht es aber auch noch um die Zukunft des Kindes und Marias, in der abschließenden Prophezeiung, die im Modus des Unbedingten die Wirkungen Jesu Christi auflistet, vor allem in Bezug auf das Volk Israel, das zweimal genannt wird – einmal im Lobpreis (Jesus ist die Herrlichkeit für Israel), einmal in der Prophezeiung (Jesus stellt Israel vor die Entscheidung: fallen oder aufgerichtet werden). Die prophezeite Spaltung und der Widerspruch,25 der sich regen wird, stehen dabei nicht in Kontrast zur zuvor erwähnten Herrlichkeit, sondern erscheinen gewissermaßen als ihr Ausdruck, ja, ihre Pointe. Nimmt man die erzählten Abschnitte, die die Rede unterbrechen, weg, folgt die Prophezeiung dem Lobpreis unmittelbar, ohne sprachliche Kennzeichnung einer Einschränkung des darin Ausgesagten (etwa durch eine Formulierung der Art „aber [auch]“, „trotzdem“). Das wäre durchaus zu erwarten, wenn Herrlichkeit und Spaltung bzw. Widerspruch aufeinandertreffen. Doch ganz im Gegenteil fährt Simeon einfach fort und bietet seine Prophezeiung der Ambivalenz für Israel quasi als Erläuterung an, wie genau wohl die Herrlichkeit sich zeigen werde (ἰδού – „siehe“, Vers 34; in der EÜ weggefallen). Hierin liegt eine Menge theologischer Sprengstoff, das Verhältnis des Judentums zu Jesus (und umgekehrt) vorwegnehmend; dazu später mehr.
Insgesamt haben wir also drei Zeitebenen, die über die Begegnung der Hl. Familie mit dem Propheten Simeon in Beziehung gebracht werden: Vergangenheit – Gesetz des Alten Bundes, Simeons Schau des Geistes; Gegenwart – Erfüllung des Gesetzes, Eintreten der Offenbarung, Lobpreis; Zukunft – Prophezeiung. Zwischen Gegenwart und Zukunft liegt das Staunen Marias und Josefs, das stellvertretend für das Staunen der ganzen Schöpfung angesichts der Wende, die das Kind bringt, aber auch für das Unverständnis des Alten gegenüber dem Neuen stehen könnte. Warum fügt Lukas ausgerechnet den Begriff des Staunens ein? Hierzu ist das Wort θαυμάζω (Vers 33) näher zu betrachten. Es kann „staunen“ sowohl im Sinne des „sich wundern“ (Staunen angesichts des Unbegreiflichen) als auch des „hochschätzen“ (Staunen in Anbetracht einer außergewöhnlichen Leistung) bedeuten. Beide Nuancen spielen hier eine Rolle.
Im Zentrum steht die Gegenwart, das Erscheinen des Herrn, der das Gesetz und die Offenbarung in Persona erfüllt, dadurch, dass sich an ihm und durch ihn erfüllt, was einerseits normativ vorgegeben, andererseits im Glauben subjektiv empfunden wird.
Ort des Geschehens ist der Tempel, das wichtigste Heiligtum der Juden; auch hier ist die Anbindung an die Tradition deutlich. In diesen Tempel wird Jesus hineingebracht (von Maria und Josef), Simeon hineingeführt (vom Heiligen Geist). Beide Protagonisten (Jesus und Simeon) gelangen also passiv zur Begegnung – motiviert durch das Gesetz bzw. den Geist. Gesetz und Geist bilden eine handlungstreibende Einheit, die die gegenwärtige Begegnung im Tempel ermöglicht – und damit die Rede des Simeon über Jesus. Gesetz und Geist folgend gelingt Beziehung zu Gott durch die Begegnung mit Jesus.
Aus der Struktur und der Wortwahl sind einige stilistische Auffälligkeiten zu ersehen.
1. Das καί („und“) als Versanfang durchzieht den Text ungeachtet der inhaltlichen Struktur und der im behandelten Schriftabschnitt auftretenden unterschiedlichen Szenerien (Opferritus, Begegnung mit Simeon). So stellt Lukas einen Zusammenhang her und klammert die beiden Begebenheiten, die gleichsam für Vergangenheit und Zukunft stehen. Als protokollarische Auflistung erscheint die sukzessive Abfolge von Ereignissen und Botschaften wie eine Kette, deren Hauptglieder das Reinigungsritual, der Lobgesang und die Prophezeiung bilden. Diese καί-Kette könnte als Stilmittel die Kontinuität der Ereignisse im Kontext der Heilserwartung unterstreichen: von der Thoratreue zu Herrlichkeit und Heil, aber auch zu Widerspruch und Schmerz. Der Übergang von Verheißung und Erfüllung würde somit einerseits in die Tradition eingebettet, andererseits verliefe er nicht so „glatt“, dass von einem „Heilsautomatismus“ für das Volk Israel die Rede sein könnte, denn nicht alle in Israel erkennen Jesus als Christus.
2. Nach den drei Versen 22 bis 24, die eingangs den Anlass des Jerusalem-Aufenthalts der Heiligen Familie und die theologische Begründung dafür (Treue zum mosaischen Gesetz) behandeln, folgen drei Verse, in denen Simeon und seine Intention vorgestellt werden (vgl. Verse 25 bis 27). Im „Erzählstil der Septuaginta“26 wird der Prophet charakterisiert (gerecht, gottesfürchtig, Trost erwartend, vom Geist erfüllt). Bovon weist zudem darauf hin, dass sich dreimal νόμος (Gesetz) und dreimal πνεύμα (Geist) gegenüberstehen,27 möglicherweise ein stilistischer Hinweis auf die Verbindung von Altem und Neuem Bund und auf die oben angesprochene Bedeutung des Zusammenspiels von Gesetz und Geist. Heil entsteht nicht „aus dem Nichts“, die Heilsgeschichte ist erzählerisch eingebettet in die Gesetzestreue, aber, so Bovon, „Bewegung entsteht erst durch den Geist Gottes“28. Die Gleichzahl weist jedoch darauf hin, dass zunächst einmal beides gleichbedeutend ist: νόμος und πνεύμα. Die Gegenüberstellung von Heidenvölkern (Offenbarung) und dem Volk Israel (Verherrlichung) in Vers 32 unterstreicht die Verknüpfung des Neuen mit dem Alten Bund.
3. Die Rede des Simeon – eingeleitet in Vers 28 – ist zweigeteilt, getrennt durch das Staunen seitens Maria und Josef angesichts des Gesagten in Vers 33. Im ersten Teil lobt Simeon Gott (vgl. Verse 29 bis 32), im zweiten Teil (Verse 34 und 35) folgt der Segen und die düstere Prophezeiung. Damit umfasst das Lob doppelt so viele Verse wie der Segen und die Prophezeiung.
4. Das Lob ist lyrisch abgefasst, ein Lobgesang, der im Griechischen den Reim μου – σου enthält (Vers 30), mit dem ein starker Konnex betont wird von subjektiver Wahrnehmung des Menschen (ὀφθαλμοί μου – „Augen mein“, Vers 30) einerseits und andererseits dem von Gott objektiv Gegebenen (σωτήριόν σου – „Heil dein“, Vers 30), so dass wieder – wie schon bei den Gründen von Simeons Präsenz im Tempel – die Ebenen des Theonomen (von Gott her) und Autonomen (im Menschen) zusammenkommen.
Ich möchte nun vor allem die alttestamentlichen Bezüge analysieren. Insgesamt sind es 19 Bezugnahmen, wobei insbesondere drei Bücher herausstechen: Das Buch Jesaja, die Genesis und Ijob. Dass ein Prophetenbuch am häufigsten aufgegriffen wird (hinzu kommt noch je eine Stelle aus Jeremia und Daniel), kann nicht verwundern, wenn mit Simeon selbst ein Prophet zu Wort kommt. Nachfolgend möchte ich mich auf die Motive des erfüllten Wartens, des Heils konzentrieren, ausgedrückt im Motiv des „In-Frieden-sterben-Könnens“ und in Bezügen zum Gottesknecht.
