Das Dornröschen-Projekt - Christian Ditfurth - E-Book

Das Dornröschen-Projekt E-Book

Christian Ditfurth

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Beschreibung

Manchmal steckt das Leben voller Überraschungen: Erst steigt Mattis alte Jugendliebe Lily zu ihm ins Taxi – aus der radikalen Weltverbesserin von einst ist eine schicke Anwältin geworden - und dann lässt ein Unbekannter eine DVD im Auto liegen. Und damit hat das beschauliche Leben der drei WG-Freunde – dem Taxifahrer und Fast-Deutschlehrer Matti, dem immermüden Dornröschen mit ihrem hellwachen Verstand und dem dicken, großen Twiggy – ein jähes Ende. Zwei alte Freunde lassen bei dem Versuch, an die Daten heranzukommen, ihr Leben. Am Ende laufen die Fäden in die Chefetagen der Politik. Und war Lilys Auftauchen wirklich bloßer Zufall? Ein spannendes Kriminalstück aus Berlin mit altlinken Originalen, mit denen man als Leser sofort per Du ist ...

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Seitenzahl: 506

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Informationen über dieses Buch:www.cditfurth.de

1. AuflageCopyright 2011 by Carl’s Books, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlag: semper smile, MünchenSatz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN 978-3-641-06272-9

www.carlsbooks.de

Für Franziska

Die Kapitelüberschriften sind Songtitel von The Who.

1: Pictures of Lily

Matti erschrak fast, als sich die hintere Tür öffnete, er war in die Lektüre vertieft gewesen. Er sah im Rückspiegel erst einen Pagenkopf, schwarz, dann auch ein Gesicht, nicht schön, aber anziehend, große, kluge Augen, einen Hauch asiatisch und natürlich mit unruhigen Brauen. Er kannte dieses Gesicht. »Zum Hauptbahnhof.« Er kannte auch die Stimme, nervös, drängend. So war sie immer gewesen.

Bis zu diesem Augenblick wäre Matti nicht auf die Idee gekommen, dass dieser Tag noch etwas für ihn bereithielt außer der üblichen Langeweile, unterbrochen nur durch nervige Fahrgäste. Er hatte eine Dreiviertelstunde gewartet auf dem Taxistellplatz an der Ecke Gneisenaustraße/Zossener Straße. Gleich vorne, auf der anderen Seite der Zossener Straße, der Fotoladen, in dessen einem Schaufenster gebrauchte Analogkameras und Objektive angeboten wurden. Fast direkt vor dem Taxistand die Bushaltestelle und über die Straße hinweg nach Norden der Mittelstreifen mit der Dönerbude vor der Treppe zum U-Bahnhof. Jenseits des Mittelstreifens mit den Bäumen, deren Äste und blattlose Zweige hilflos in die Luft ragten, auf der anderen Seite, an den Gegenfahrspuren, hinter einer Reihe parkender Autos, lag die Apotheke, die er manchmal betrat, um Pfefferminzbonbons zu kaufen und sich ein Lächeln einer der hübschen Weißgekittelten abzuholen, das es kostenlos obendrauf gab.

Über allem der zögerlich heraufziehende Frühling, der die Bäume des Mittelstreifens zu färben begann. Noch war es kalt draußen, keine zehn Grad, aber die Sonne stand am stahlblauen Himmel, und weil es Nachmittag war, war ihr Licht gerötet und weich. Er hatte in seinem E-Klasse-Benz der Uraltbaureihe W210 schon fast eine Stunde gestanden und war dann endlich auf den ersten Platz der Taxischlange gerutscht. Wer nicht warten kann, soll kein Taxifahrer werden.

Bei heruntergeklappter Sonnenblende hatte Matti in seinem abgegriffenen Reclam-Band in den Worten des Konfuzius gelesen: »Von der Welt sich verkannt zu sehen, ohne sich verbittern zu lassen: das ist auch Seelengröße.« Er überlegte, was es für ihn bedeuten mochte. Wurde er verkannt? Aber er war nur Taxifahrer, auch wenn manchmal die Erinnerung in ihm bohrte, die Erinnerung an andere Möglichkeiten, die sein Leben angeboten, die er aber abgewiesen hatte. Er hätte Deutschlehrer werden können, aber nur wenn er sein Germanistikstudium an der FU nicht abgebrochen hätte. Das Studium war gut gewesen, weniger das Studieren selbst als das Umfeld. Die Solidarität, die Selbstüberhebung, die ganz eigene Genüsse bereitete. Die Vorstellung, die Geheimnisse der Welt entschlüsselt zu haben, und diese Konsequenz, die so nebenbei die Schlaffheit und Unentschlossenheit jener entlarvte, die einfach mitströmten. Doch die Vorlesungen und Seminare waren ihm auf den Geist gegangen. Weltfremdes Gedrechsel. Weitab von den wirklichen Fragen. Schlimmer noch die Aussicht, solches später selbst im Schulunterricht von sich geben zu müssen. Das war doch nicht seine Welt, auch wenn er sich lange eingeredet hatte, er würde sie zu seiner machen. Nein, das war nichts für einen jungen Mann aus einem Odenwalddorf, den es der Aufregung halber und um der Wehrpflicht zu entkommen nach Berlin verschlagen hatte vor gut dreißig Jahren. Zu dieser Welt der Literaturwissenschaften, der Linguistik und des Alt- und Mittelhochdeutschen hatte er nie einen Zugang gefunden. Er hatte sich zunächst fremd gefühlt darin und sich eingeredet, das sei normal am Anfang, aber es war ihm so fern geblieben wie der Mars, und dann kam noch die Angst vor dem Versagen angekrochen. Mehr Angst, als er aushalten konnte.

Wurde er verkannt? Er war Taxifahrer, hatte diese Arbeit erst als Nebenjob gemacht, um sein BAföG aufzubessern, und blieb Taxifahrer, als er nach dem Studienabbruch nichts anderes fand. Er hatte auch nicht richtig gesucht. Jahrelang hatte er sich eingeredet, dass das nicht alles sein würde in seinem Leben, aber mehr hatte es bisher nicht gegeben. Und seine Bemühungen darum waren schneller eingeschlafen als die Hoffnung. Er war Taxifahrer, doch irgendwie war er es auch nicht. Aber er war nicht verbittert. Er las noch einmal: »Von der Welt sich verkannt zu sehen, ohne sich verbittern zu lassen: das ist auch Seelengröße.« Seelengröße? Hatte die einer, der sich abfand mit den Dingen, wie sie waren? Er hatte sich nie mit etwas abgefunden, nur, wenn es um ihn selbst ging. Und da auch noch nicht richtig.

Diese Gedanken waren verflogen, als er ihr Gesicht gesehen hatte.

Er startete den Motor, fuhr aber nicht los. Ihr Gesicht im Spiegel zeigte noch mehr Ungeduld, es verkrampfte sich fast. Er hatte nie jemanden getroffen, der ungeduldiger war als sie.

»Guten Tag, Lily.«

Er sah im Rückspiegel, wie sich ihre Augen weiteten. Er drehte sich um, ihre Blicke trafen sich.

»Dass ich dich noch einmal sehe«, sagte sie fast tonlos nach einer Pause. Da klang ein wenig Berliner Dialekt mit, Ickisch. Dann sagte sie noch leise: »Mensch, Matti.«

Sie hatte ein bisschen zugelegt, doch es stand ihr gut. Früher war sie eher zu mager gewesen. Jetzt saß sie da in ihrem dunkelroten Hosenanzug mit dem schlanken Hals und schaute ihn über die Stupsnase hinweg eindringlich an, wie sie ihn früher manchmal angeschaut hatte. Und es nahm ihm wieder den Atem. Sie trug zwei kleine rote Perlen an den Ohren und einen schmalen silbernen Ring mit einem roten Stein. Sie hatte damals schon am liebsten Rot getragen, nicht als plumpen Ausdruck einer Gesinnung, sondern weil ihr nichts besser stand. Und sie roch immer noch nach Zigarettenrauch.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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