Das Sardinien-Lesebuch - Almut Irmscher - E-Book

Das Sardinien-Lesebuch E-Book

Almut Irmscher

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Beschreibung

Türkis, Smaragd und Aquamarin – kristallklar, gleißend, fein wie Sternenstaub. Worte, die an die kostbaren Juwelen eines Schatzes aus dem Märchenland denken lassen. Doch sie beschreiben auch Sardiniens Küsten, die unglaublichen Farben des Meeres vor Traumstränden mit weißem Sand und fantastischen Felsformationen. Ihnen ist es zu verdanken, dass man die Insel als „Karibik des Mittelmeers“ preist. Davon, dass Sardinien noch weit mehr als seine überaus schönen Küsten zu bieten hat, erzählt dieses Buch. Es nimmt Sie mit auf eine Entdeckungsreise, die von den Stränden bis hinauf ins wilde Bergland führt. Sie entdecken geheimnisvolle Bauten aus der Steinzeit, urwüchsige Orte, archaisches Brauchtum und die unvergleichliche Natur, Geisterdörfer und noch vieles mehr. Abgerundet werden die einzelnen Kapitel durch Rezepte, mit denen sich die vielfältigen Aromen Sardiniens in die heimische Küche zaubern lassen.

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Almut Irmscher

Das Sardinien-Lesebuch

Impressionen und Rezepte von der Insel der Traumstrände

Inhalt

Einführung

Das Geheimnis der Hundert- jährigen – die Küche Sardiniens

Agnello con gombo – Lamm mit Okraschoten

Enklave des Wohlstands – die Costa Smeralda

Amaretti sardi – sardische Amaretti

Prozessionen und Korallen – Alghero

Spaghetti neri – schwarze Spaghetti mit Meeresfrüchten

Crema bruciata – gebrannte Creme

In den Tiefen der Vergangenheit – Nekropolen und Nuraghen

Fregola con zucchine e salsicce – sardische Pasta mit Zucchini und Bratwurst

Weißer Esel im Hochsicherheits- trakt – die Insel Asinara

Pane carasau – sardisches Brot

Blut und Farbeimer – im wilden Hinterland

Zuppa Barbagia – eine Suppe aus der Barbagia

Masken, Gemetzel und wilde Jagd – Karneval auf Sardinien

Pistiddu – süße Festtagspastetchen

Mit breiten Schwingen – die Herrscher der Lüfte

Pane Frattau – ein Gericht der Hirten

Ein sardischer Traum – die Entdeckung der Costa Rei

Malloreddus con sugo – sardische Nudeln mit Sauce

Wie Gespenster im Licht – Geisterdörfer und Ruinen

Culurgionis d’Ogliastra – Teigtaschen nach Art der Ogliastra

Verborgene Offenbarungen – Sardinien von unten

Torrone – sardischer Nougat

Säulen im Feindesland – auf der Suche nach den Römern

Seadas – süße Ravioli

Erkundungen an der Ostküste – eine Fahrt in die wilden Berge

Zucchine ripiene – gefüllte Zucchini

Wenn der raue Westwind weht – zähe Burschen auf der Halbinsel Sinis

Merca – gekochte Meeräsche

Der Narr von der Windrepublik – die Insel Mal di Ventre

Papassini – sardische Rosinenplätzchen

Neptungras und Muschelseide – die Schätze von Sant’Antioco

Riso cozze e vongole – Reis mit Mies- und Venusmuscheln

Superlativ aus Licht und Farben – die Costa del Sud

Fave e lardo – Saubohnen mit Speck

Von Hirschen, Wäldern und Buchten – Villasimius und die Sette Fratelli

Sa costedda – ein Tomatenbrot aus Villasimius

Oh, wie schön ist Cagliari! – Eine letzte Entdeckung

Melanzane alla sarda – sardische Auberginen nach dem Rezept von Annas Mama

Das letzte Wort

Danksagung

Karte

Bilder

Einführung

Mein erster Besuch auf Sardinien liegt nun schon einige Jahre zurück. Die Kinder waren noch klein, wir hatten ein Haus an der Küste gebucht, ein Stück südöstlich von Cagliari. Unser Ferienort hieß Torre delle Stelle – Turm der Sterne, ein Name voller Verheißung. Und die alte lateinische Redensart „nomen est omen“ – „der Name ist ein Vorzeichen“ – sollte sich hier tatsächlich bewahrheiten.

Mit Feuerglut hatte sich der Abend über die kleine Bucht gesenkt, an deren sanftem Abhang unser Ferienhaus thronte. In einem wahren Farbenrausch versank die Sonne hinter dem weiten Golf von Cagliari, die Nacht legte ihr blausamtenes Tuch über das stille Wasser. Auf der anderen Seite unserer Bucht ragte ein kleines Kap vorwitzig hinaus, gekrönt von einem einsamen Turm. Dort glitzerten nun Lichter auf und spiegelten sich mit festlichem Glanz im schlaftrunkenen Meer. Gleichzeitig erglühten die ersten Sterne am dunkelnden Firmament. Immer mehr magische Schimmer ließen die mediterrane Nacht erstrahlen, als habe eine Märchenfee einen funkelnden Diamantenreigen über die Szenerie gezaubert. Schließlich erhob sich hinter dem östlichen Bergrücken langsam der Vollmond, die nachtdunkle Bucht leuchtete in wundersamem Silberschein. Eine wahrhaft fantastische Nacht, ein Ort von surrealer Pracht und wahrhaftig: ein Turm der Sterne!

Doch auch tagsüber, wenn Mond und Sterne im Reich der Träume entschwanden und die strahlende Sonne ihr Regiment antrat, bezauberte dieser Ort mit seiner Schönheit. Ruhig und milde kräuselten sich die Wellen auf dem türkis strahlenden Meer und reflektierten die Sonnenstrahlen wie Flitterfunken. Fast unwirklich hell davor der kleine Strand mit seinem pudrig feinen Sand, gerahmt von den rötlichen Felsen der Bucht, die ihn wie eine Theaterkulisse umgaben. Die Kräuter, die Büsche und die Blumen der üppigen Macchia füllten die Luft mit ihren betörenden Aromen, und nun verstand ich, warum man Sardinien auch die Karibik des Mittelmeers nennt. Denn es ist in eine Sinfonie aus leuchtenden Farben getaucht, aus blumigen Düften und wohliger Wärme.

Abgeschieden liegt Sardinien als zweitgrößte Insel mitten im westlichen Mittelmeer. Von dessen nördlichen Gefilden aus betrachtet befindet sich Sardiniens Nordzipfel schon auf dem halben Weg nach Afrika. Die südlichsten Strände sind sogar nur etwa 190 Kilometer von der Küste Tunesiens entfernt. Die kürzeste Entfernung zum italienischen Festland beträgt ungefähr genauso viel und besteht zwischen Sardiniens Nordosten und der Halbinsel Monte Argentario im Süden der Toskana. Den Süden Sardiniens trennen hingegen mindestens 400 Kilometer vom italienischen Stiefel und immerhin noch knappe 300 Kilometer vom westlichen Ende Siziliens. Lediglich Korsika ist nah, die kürzeste Entfernung zur französischen Schwesterinsel beträgt nur zwölf Kilometer. Doch diese Nähe betrifft nur eine kleine Landspitze ganz im Norden Sardiniens.

Die isolierte Position hat die Sarden zu einem stolzen Volk gemacht, das seine eigenen Traditionen und Sitten hervorbrachte und diese selbstbewusst bewahrt. Doch konnte die Abgeschiedenheit Sardiniens Bevölkerung nicht davor schützen, dass im Lauf der Jahrtausende immer wieder Eroberer und Kolonialisten sowie räuberische Piraten übers Meer herbeikamen und dem friedlichen Inselleben den Garaus machten. „Furat chie venit da'e su mare“, lautet ein altes sardisches Sprichwort: Wer über das Meer kommt, kommt, um zu stehlen. Die Menschen zogen sich deshalb in die Berge zurück und mieden die Küsten. Doch selbst das konnte sie kaum davor bewahren, überfallen zu werden. Denn auch wenn die Sarden bescheiden lebten und über keine nennenswerten Reichtümer verfügten, die zu erbeuten sich gelohnt hätte, so ließen sie sich doch immer noch versklaven. Mehr als diese Aussicht lockten allerdings Sardiniens Bodenschätze die Fremden auf die Insel. Bergbau gibt es hier schon seit mehr als 2.000 Jahren, und für fast alle Begehrlichkeiten ist etwas dabei: Gold und Silber, Blei und Zink, Eisen, Kohle, Fluorit und noch so manches mehr. Alle folgten dem Lockruf dieser Schätze, von den Phöniziern und Puniern über die Römer, die Araber, die Genueser und die Pisaner, die Spanier und die Österreicher bis hin zu den Italienern vom Festland.

Weniger Interesse zeigten diese Besucher vergangener Tage an den landschaftlichen Reizen Sardiniens, an den wilden, ursprünglichen Bergwelten, den märchenhaften Tropfsteinhöhlen, den zerklüfteten Felsformationen der Küsten oder den paradiesischen Traumstränden. Diese wurden erst deutlich später von Besuchern entdeckt, nämlich von den Touristen unserer Zeit. Auf Sardinien findet man die schönsten Gestade des Mittelmeers: endlose weiße Sandstrände vor türkis leuch-tendem Wasser, das zudem kristallklar ist und mit einer atemberaubenden Unterwasserwelt aufwartet, oder idyllische Buchten zwischen markanten Felsen, oft so abgelegen, dass man sie nur zu Fuß oder mit dem Boot erreichen kann.

Doch Sardinien hat seinen Gästen noch weitaus mehr zu bieten. Die Palette reicht von vorzeitlichen Bauten über malerische Hafenstädtchen und urige Bergdörfer bis hin zur artenreichen Flora und Fauna. Schutzgebiete, aber auch die naturverbundene Lebensweise der Sarden bewahren deren einzigartige Lebensräume. Sie sind Refugien für Rot- und Damwild, für Wildkatzen, Schildkröten, Geier, Mufflons und Wildschweine, sogar für die mandeläugigen Giara-Wildpferde, die auf einer Hochebene im Herzen Sardiniens leben und vielleicht einst von den Puniern auf die Insel gebracht wurden. Durch die Lagunen der Küsten stolzieren Rosaflamingos, und mit etwas Glück kann man draußen im Meer den einen oder anderen Delfin erspähen.

Die dichten Wälder, die Sardinien noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fast vollständig bedeckten, sind zum Teil dem Holzhunger der Industrialisierung zum Opfer gefallen. Doch noch immer findet man schier endlose Wälder aus Steineichen, Eiben, Erlen und Kastanienbäumen, im Norden auch lichte Korkeichenplantagen. Wo die Wälder weichen mussten, ist das ursprüngliche Unterholz geblieben, die immergrüne Macchia. Im Frühling tauchen ihre Sträucher und Büsche die Insel in ein farbenfrohes Blütenmeer, im Sommer verströmen sie die berauschenden Düfte ihrer ätherischen Öle. Überall liegt jetzt der Duft von Lavendel, Myrte, Lorbeer und Thymian in der Luft. Seine üppige Vegetation macht Sardinien zu einer grünen Insel.

Ich lade Sie dazu ein, die Besonderheiten Sardiniens gemeinsam mit mir zu entdecken, die Schönheit und die Mysterien, die Natur, die Geschichte und die Lebensweise der Sarden. Auf meiner Website www.almutirmscher.de erwartet sie außerdem ein Fotoalbum mit visuellen Eindrücken aus Sardinien, und typische Rezepte zaubern Geschmack und Aromen der Insel in Ihre heimische Küche.

 

Benvenuti in Sardegna – willkommen auf Sardinien!

Das Geheimnis der Hundert- jährigen – die Küche Sardiniens

Es heißt, dass nirgendwo auf der Welt so viele Hundertjährige leben wie auf dem sonnenverwöhnten Sardinien. Wie ist das möglich?

Obwohl die Sarden schon vor 4.000 Jahren eine ausgeprägte Kultur besaßen, lebten sie bekanntlich auch immer in relativer Isolation und haben ihre Lebensart über die Jahrhunderte hinweg entwickelt und gepflegt. Es wird vermutet, dass ihre sprichwörtliche Langlebigkeit unter anderem darauf zurückzuführen ist. Und natürlich fällt der Blick in diesem Zusammenhang auch auf die Ernährung. Die Sarden leben einfach, ihre Küche ist streng an die Traditionen gebunden.

Ackerbau und Viehzucht bildeten seit jeher die Grundlagen der sardischen Wirtschaft. Deren Erzeugnisse sind die Basis der hiesigen Kost, die schlicht ist und sich naturreiner Zutaten bedient. Im weitläufigen Landesinneren prägen Backwaren, Milchprodukte, Honig, Kräuter, Obst und Gemüse, außerdem Fleisch von Schwein, Schaf, Rind und Wild sowie Wurstwaren die Rezepte.

Fisch dagegen spielte eher keine Rolle. Denn obwohl Sardinien eine Insel ist, taten sich die Sarden niemals als Seeleute hervor. Mehr noch, sie mieden den Uferbereich. In den oft sumpfigen Küstengebieten grassierte die Malaria, außerdem bestand ja eine ständige Bedrohung durch Piraten und andere Aggressoren. Deshalb zogen die Sarden es vor, sich im Landesinneren niederzulassen. Erst andere Völker, die Sardinien zeitweise beherrschten, besiedelten schließlich auch die Küsten, hinterließen ihre Spuren in der Küche und führten Speisen aus Fisch und Meeresfrüchten auf der Insel ein. Trotzdem wollen traditionsbewusste Sarden von Fisch im Grunde noch immer nichts wissen.

Die typisch sardische Küche ist also eine „Küche der Erde“. Im Zentrum der Ernährung steht das Grundnahrungsmittel schlechthin: Brot. Die Sarden kennen seinen Wert, es ist ihnen heilig. Wenn die Schafhirten mit ihren Herden in die Berge zogen, waren sie lange fort von daheim, sie brauchten ein haltbares Brot, von dem sie lange zehren konnten. So entstand vermutlich schon in der Bronzezeit das „pane carasau“, auch „carta da musica“ (Notenpapier) genannt, eine Art sardisches Knäckebrot. Es ist trocken, hauchdünn, leicht und knusprig. Pane carasau wurde ursprünglich auf glühenden Kastanienholzscheiten gebacken, heute wird es in zwei Backgängen bei hoher Temperatur hergestellt. Man verzehrt es in Wasser oder Brühe aufgeweicht als eine Art Brotsuppe mit Tomatenpüree, mit Olivenöl beträufelt oder zusammen mit Käsescheiben, frischen Tomaten, Oliven, Antipasti-Gemüse und Wurst. Die schon vorab mit Salz und Olivenöl gewürzte Variante heißt „pane guttiau“, und unter „pane frattau“ versteht man ein geschichtetes Gericht: Pane carasau wird im Wechsel mit Tomatensauce und Käse wie eine Lasagne auf Tellern übereinandergeschichtet und mit einem Spiegelei gekrönt.

Wie wichtig den Sarden Brot ist, zeigt sich bei besonderen Anlässen, wobei das Brot oft nur dekorativen Zwecken dient: So gibt es das Hochzeitsbrot, das kunstvoll modelliert wird und die Form von Girlanden, Tieren oder Blumen annimmt. Dann verziert man es noch mit Kräutern oder buntem Papier und bringt es den Brautleuten als Geschenk dar. Zur Feier einer Taufe wird das Brot in Form eines spitzen Kegels zubereitet, um die Freude über das neue Leben auszudrücken. Bei Todesfällen backt man es aus Vollkorn, dessen dunkle Farbe die Trauer symbolisieren soll.

Das Brot wird nach alter Sitte von den Frauen gebacken, während die Männer für die Zubereitung des Fleischs zuständig sind. Hoch geschätzt wird das Fleisch der freilaufenden halbwilden Schweine, die sich im Herbst von Kastanien ernähren. Die gängige Zubereitungsart ist es, das Fleisch auf einen Wacholderzweig aufzuspießen und an der Glut duftender Macchia-Hölzer zu rösten. Typischerweise bereitet man auf diese Art „porcheddu“ zu – ein Spanferkel. Ausschlaggebend sind hierbei die würzenden Kräuter: Salbei, Minze, Myrte, Rosmarin und Lorbeer verleihen dem Fleisch seinen einzigartigen Geschmack, woran natürlich auch die Ernährung des Tieres, der Rauch der Macchia-Hölzer und der Wacholderzweig ihren Anteil haben.

Die traditionsreichste sardische Art der Fleischzubereitung ist jedoch das „carne a carraxiu“, das „beerdigte Fleisch“. Hierzu gräbt man ein Loch in den Boden und entzündet darin ein großes Feuer aus aromatischem Holz. Auf die Glut kommt eine Schicht aus Myrtenblättern. Anschließend legt man ein ganzes Tier darauf – ein Schwein, eine Ziege, ein Lamm, ein Wildschwein oder ein Kalb – und bedeckt dieses wiederum mit Myrtenblättern, eventuell auch noch mit anderen Kräutern wie Rosmarin und schließlich mit Erde. Dann werden brennende Holzscheite daraufgelegt, und das Fleisch wird im Laufe von einigen Stunden langsam gegart.

Selten, an besonders hohen Festtagen, wird nicht nur ein Tier zubereitet, stattdessen gibt es „malloru de su sabatteri“, eine Mahlzeit nach Art der Matrjoschka-Puppen: Ein Kalb wird mit einer ganzen Wildziege gefüllt, in die man wiederum ein Ferkel gesteckt hat. In dem Ferkel verbirgt sich ein Hase, der seinerseits mit einem Rebhuhn gefüllt ist, das wiederum mit einem kleinen Vogel gestopft ist. Die Zubereitung dieses ungewöhnlichen Gerichts erfordert viel Geschick und geschieht unter ständigem Drehen über einem Holzfeuer.

Fleisch ist kostbar, deshalb verwertet die sardische Küche alle Teile der geschlachteten Tiere. Die Köpfe werden mit Minze, Zwiebeln, Tomaten und Petersilie gekocht, außerdem kommt mit Speck gestopfter Lamm- oder Ziegendarm auf den Tisch. „Sa cordula“ ist ein mit Zitrone zubereitetes Gericht aus Innereien wie Leber, Lunge und Herz, die in geflochtenem Darm gekocht werden.

Die Insel ist reich an Wildbret, was sich auch in der Küche widerspiegelt. Doch nicht immer gehen die Methoden der Jäger mit unseren Vorstellungen von Artenschutz konform. Für „is pillonis de tacculas“ zum Beispiel werden Singvögel wie Amsel, Drossel, Fink und Star mit einem Netz gefangen, um das Fleisch nicht zu beschädigen. Sie werden gerupft, jedoch nicht ausgenommen, in Salzwasser gekocht und anschließend für 24 Stunden zwischen Myrtenzweige gelegt, bis sie deren Geschmack angenommen haben.

Wildschweinschinken und zu Würstchen gedrehte Innereien sind genauso gefragte Leckerbissen wie die mit Fenchelsamen und Essig gewürzte Wurst, die seitlich vom Herdfeuer aufgehängt und dabei ganz nebenbei geräuchert wird. Man isst sie pur oder zu Nudeln. Die luftgetrocknete Salami aus dem Fleisch der frei weidenden Schweine ist besonders aromatisch.

Die traditionellen Nudeln Sardiniens sind die muschelförmigen „malloreddus“. Sie sind gerillt, bauchig und nicht größer als ein Fingerglied. „Fregola“ sind kleine Kügelchen aus Hartweizengrieß, die mit den verschiedensten Zutaten kombiniert oder wie Risotto zubereitet werden können. Daneben gibt es auch mit Ricotta oder Kartoffeln gefüllte Nudelspezialitäten, die Ravioli vergleichbar sind. Seadas sind große Teigtaschen mit einer Füllung aus Honig und jungem Pecorinokäse, die in Olivenöl ausgebacken werden.

Bis zum heutigen Tag prägen Schäfer das althergebrachte Alltagsbild. Im dünn besiedelten Landesinneren soll es noch immer doppelt so viele Schafe wie Menschen geben. Pecorino ist deshalb eine wichtige Grundlage der sardischen Küche, auch seine Geschichte soll bis in die Bronzezeit Sardiniens zurückreichen. Dieser Käse aus Schafsmilch ist weiß und kompakt, schmeckt angenehm mild und wird mit zunehmender Reifezeit immer pikanter. Der ausgereifte „foire sardo“ ist fest und mindestens sechs Monate gelagert. Er wird dann bevorzugt als Reibekäse verwendet.

Kopfschütteln, wenn nicht gar Ekel verursacht unter allen Nicht-Sarden der alte Brauch, einen solchen reifen Pecorino sardo von Maden befallen zu lassen, denn die Maden sorgen dafür, dass der steinharte Käse wieder kaubar wird. Diese Spezialität, die „casu marzu“ – „verdorbener Käse" – genannt wird, entsteht, indem man den Käselaib teilweise entrindet und im Freien liegen lässt. Die Käsefliege legt an den von der Rinde befreiten Stellen ihre Eier ab, wenn die Maden schlüpfen, dringen sie in den Laib ein. Sie fressen sich hindurch und zersetzen den Käse dabei, ihre Verdauungsprodukte bilden eine würzige Paste von cremiger Konsistenz, die – wenig überraschend – leicht gammelig schmeckt. Die Maden müssen jung und weiß sein, sie dürfen noch keinen schwarzen Kopf entwickelt haben, dann gilt der Casu marzu als perfekt. Die acht Millimeter großen Maden werden bei lebendigem Leib mitgegessen. Weil sie bis zu 15 Zentimeter hoch springen können, sprechen die Sarden auch von „hüpfendem Käse“ und halten beim Verzehr die Hand schützend vor ihre Augen oder decken die Tierchen mit einem Stück Brot ab. Die lebenden Maden sind ein Qualitätsbeweis, sind die Maden verendet, gilt der Käse als ungenießbar.

Richtig gruselig wird es, wenn man nun erfährt, dass die Maden äußerst robust sind und mitunter selbst vom Magensaft nicht abgetötet werden. Man muss sie deshalb sehr gut zerkauen, danach spült man sie mit einem Glas Cannonau di Sardegna hinunter, das ist ein alkoholreicher Rotwein. Verschluckt man die Maden hingegen lebend, dann können sie Magen- und Darmwände anfressen, was schwere gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann. Jedenfalls ist die Chance auf ein hundertjähriges Erdendasein dann durchaus beeinträchtigt.

Deshalb ist es nur zu verständlich, dass die Herstellung von Casu marzu und der Handel damit durch einschlägige EU-Bestimmungen im Jahr 2005 strengstens verboten wurden. Der „hüpfende Käse“ wird jetzt nur noch unter der Hand verkauft und ist entsprechend teuer. Wer es unbedingt wissen will, kann vielleicht direkt beim Hirten ein Häppchen davon kosten. Hartgesottene Fans haben indessen schon ein Schlupfloch im EU-Recht aufgetan, denn der Käse unterliegt als altüberlieferte regionale Spezialität prinzipiell einem besonderen Schutz. Unter keimfreien Bedingungen gezüchtete Käsefliegen sollen für ein Produkt sorgen, das mit den europäischen Hygienenormen konform geht. Gibt die EU einem entsprechenden Antrag statt, dann darf dieser spezielle Casu marzu sogar nicht nur in Italien, sondern in der gesamten EU verkauft werden. Guten Appetit!

Kehren wir lieber zurück zu den weniger exotisch anmutenden Leckereien Sardiniens. Aus Schafsmilch wird auch Ricotta zubereitet, daneben gibt es noch verschiedene Sorten von Ziegenkäse. Gemüse wie Tomaten, Paprika, Zucchini, kleine Artischocken, Pilze und Auberginen finden in der Küche reichlich Anwendung. Seit Jahrhunderten wird an den Küsten Sardiniens Salz gewonnen, die Insel ist außerdem reich an hoch aromatischen Kräutern. Das alltägliche Essen der Sarden besteht meist aus schlichten Eintöpfen, die kräftig mit solchen Kräutern gewürzt sind.

Es gibt hervorragenden Safran, der allerdings selbst verbraucht und nicht exportiert wird, denn ein Gutteil der sardischen Gerichte sieht die Verwendung von Safran vor. Mit ihm würzt man Brühe, Kalbsgulasch und Hühnerfrikassee oder bereitet einen köstlichen Auflauf aus Bandnudeln, Pecorinoscheiben und Safranstempeln zu, die abwechselnd geschichtet werden.

Unverzichtbar ist das sardische Olivenöl, das von hervorragender Qualität ist und die Ursprünglichkeit der Küche unterstreicht. Schon die Ureinwohner Sardiniens, die Menschen der Bonnanaro-Kultur, die auf der Insel die markanten Nuraghen-Türme hinterlassen haben, sollen mit der Kultivierung von Oliven vertraut gewesen sein.

Zu den wenigen meergeborenen Spezialitäten gehört „bottarga“, die aus den Rogen der Meeräsche hergestellt wird. Die Fischeier werden gesalzen und unter Gewichten getrocknet. Man isst sie in hauchdünne Scheiben geschnitten, entweder mit Tomaten als Salat, mit Olivenöl auf Nudeln oder einfach auf Brot gelegt. Die Meeräsche selbst wird als „merca“ in Salzwasser gekocht und mit einem speziellen Sumpfkraut aromatisiert, was ihr einen einzigartigen Geschmack verleiht. Die Fischgründe um Sardinien sind reich und bieten eine Vielzahl von Arten, doch die Zahl origineller Fischrezepte ist aus den schon genannten Gründen sehr begrenzt.

Als Süßspeise wird „torrone“ verzehrt, ein Nougat aus Honig, Eiweiß und Nüssen oder Mandeln, verfeinert mit der Schale von Zitrusfrüchten. Auch süße Ravioli mit Mandelfüllung werden zum Dessert gereicht. Sehr verbreitet ist ein Gebäck auf der Grundlage von Mandeln, die Amaretti sardi, die oft mit Orangenblüten oder Schalen von Zitrusfrüchten aromatisiert sind, jedes Dorf hat seine eigene Rezeptur entwickelt. Zum Dessert wird auch gerne nur Käse mit Honig serviert.

Die Weine Sardiniens tragen der deftigen Küche Rechnung. Der kräftige, erdige Rotwein hat einen hohen Alkoholgehalt und ist als Begleiter der typischen Fleischgerichte unverzichtbar. Die für den schon erwähnten Cannonau sowie für den als Rosé- oder Rotwein gekelterten Carignano verwendeten Trauben zählen zu den ältesten Rebsorten. Solche Weine sollen auf Sardinien schon um 1200 v. Chr. erzeugt worden sein. Leicht und frisch ist der Weißwein Vermentino. Der Dessertwein Sardiniens ist der Vernaccia di Oristano, der Ähnlichkeit mit Sherry hat.

Die wohl typischste Pflanze Sardiniens ist die Myrte, die ja bereits mehrfach Erwähnung fand. Sie wächst als immergrüner Strauch, trägt kleine weiße Blüten, die intensiv duften und aus deren Fruchtknoten sich Beeren entwickeln, die einer Heidelbeere ganz ähnlichsehen. Der Legende nach schenkte die Göttin der Liebe die Myrte den Hirten, die daraus einen weißen und einen roten Liebestrank brauten. Der „Mirto“ ist ein Kräuterlikör, der auf Sardinien zum Dessert gereicht wird. Weißer Mirto wird aus den Blättern und Blüten der Myrte gebrannt, roter aus ihren Beeren.

Nun wissen wir also von den Geheimnissen der Küche der Hundertjährigen. Es sind nicht unbedingt nur die typischen Klassiker der mediterranen Kost, die hier den Schwerpunkt bilden. Wissenschaftler rätseln seit langem, warum die Menschen auf Sardinien so oft ein biblisches Alter erreichen. Für Erstaunen sorgt auch die Tatsache, dass Männer und Frauen hier gleichermaßen die Altersstatistik anführen, während anderenorts die Lebenserwartung von Frauen in der Regel höher ist als die der Männer. Neben der Ernährung spielt natürlich auch die Lebensweise dabei eine große Rolle. Bewegung an frischer Luft, Arbeiten bis ins hohe Alter sowie die enge Einbindung in Familie und Freundeskreis gelten als mindestens genauso wichtige Faktoren für die Langlebigkeit der Sarden. Aber auch eine genetische Disposition wurde von Forschern ins Spiel gebracht. Gerade die Bewohner der Dörfer im Landesinneren der Insel blieben über Jahrhunderte hinweg weitgehend genetisch isoliert, Heiratskontakte fanden allenfalls von Dorf zu Dorf statt. Hierbei könnte sich die erbliche Befähigung zu einem besonders langen Leben herausgebildet haben.

Doch wenn es nicht gerade Madenkäse ist, so wird die Erkundung der sardischen Küche unserer Lebenserwartung ganz bestimmt nicht abträglich sein!

Agnello con gombo – Lamm mit Okraschoten

Zutaten für 4 Personen:

800 g Lammschulter

600 g Okraschoten

2 Zwiebeln

2 Knoblauchzehen

1 Tl Kreuzkümmel

1 Tl Koriandersaat

400 g Tomaten

250 ml Lammfond

Olivenöl

Zitronensaft

Essig

Salz und Pfeffer

Zubereitung:

Zwiebeln und Knoblauch schälen und hacken. Kreuzkümmel und Koriandersaat in einer Pfanne ohne Fett rösten, bis die Gewürze duften, dann mörsern. Die Tomaten mit siedendem Wasser überbrühen, häuten und in kleine Würfel schneiden.

Das Fleisch würfeln, salzen und pfeffern. Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und das Lammfleisch darin von beiden Seiten braun anbraten. Anschließend das Fleisch in eine Auflaufform geben. Im verbleibenden Öl die Zwiebeln und den Knoblauch glasig braten. Kreuzkümmel, Koriandersaat und die Tomatenwürfel zugeben und alles 5 Minuten schmoren lassen, mit Salz und Pfeffer würzen. Dann die Hälfte des Lammfonds hinzugeben und gut verrühren.

Das Ganze über dem Fleisch verteilen und bei 175°C im vorgeheizten Backofen 1 ½ Stunden schmoren lassen. Dabei nach und nach mit dem restlichen Lammfond übergießen.

Von den Okraschoten zwischenzeitlich die Stiele entfernen und die Schoten in siedendem Essigwasser zwei Minuten lang blanchieren, dann unter fließendem Wasser abspülen und auf Küchenkrepp trocknen. Das ist wichtig, da die Schoten sonst bei der Zubereitung einen unangenehmen Schleim abgeben.

Anschließend in einer Pfanne bei mittlerer Hitze in etwas Olivenöl 3 Minuten braten und mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft kräftig abschmecken. Die Okra eine halbe Stunde vor Ende der Garzeit zum Fleisch geben.

Mit frischem Weißbrot servieren.

Enklave des Wohlstands – die Costa Smeralda

Meine zweite Reise nach Sardinien begann auf dem Flughafen von Olbia, der mit gut 60.000 Einwohnern viertgrößten Stadt der Insel, gelegen an ihrer nordöstlichen Küste. Frohgemut verließ ich die Linienmaschine, ein wohliger Hauch lauer Luft empfing mich, und die Sonne strahlte vom Himmel. Wunderbar! Während ich zwischen den anderen Fluggästen die Gangway hinunterschritt, fühlte ich mich wie eine Königin.

Doch ein Blick zur Seite brachte mich schnell zurück auf den Boden der Tatsachen. Auch dort stand ein großes Flugzeug und wurde gerade für den Ausstieg seiner Passagiere vorbereitet. Die Gangway war schon herangerollt worden, doch im Gegensatz zur unsrigen endete diese auf einem roten Teppich. Schon öffnete sich die Flugzeugtür und gab ein elegant gekleidetes Paar mit dunklen Sonnenbrillen frei. Flotten Schrittes eilten die beiden zu dem roten Teppich hinab, wo inzwischen eine schwarze Limousine mit abgedunkelten Fenstern vorgefahren war. Auf mich hingegen warteten das Gedränge am Gepäckrollband und der bescheidene Kleinwagen, den ich gemietet hatte.

Nun ist es ja nicht ganz außergewöhnlich, dass betuchte Reisende auf Flughäfen landen und dort einen bevorzugten Empfang genießen. Was mich in Erstaunen versetzte, war jedoch die schiere Zahl größerer und kleinerer Maschinen, die ich auf dem privaten Teil des Flughafens von Olbia ausmachte. Warum herrschte hier so ein außergewöhnlicher Andrang von Leuten, die sich ein eigenes Flugzeug leisten konnten?

Später, als ich mit meiner sardischen Freundin Isabella bei einem Glas Cannonau auf deren Terrasse saß, wiederholte ich meine Frage. Isabella ist eine resolute Mittfünfzigerin, sie arbeitet für eine sardische Agentur, die Ausflugsfahrten für Touristen organisiert. Deshalb kennt sie ihre Heimat besonders gut.

Sie verzog das Gesicht und nickte. „Sì, sì“, seufzte sie, „die Reichen. Sie reißen hier im Hochsommer die Herrschaft an sich. Wenn du mich fragst, ist das nicht gerade angenehm. Fährt man nach Porto Cervo, so kann man sich dort als Normalsterblicher kaum noch eine Karaffe Wein leisten!“

In der Hauptsaison, so fuhr Isabella fort, landeten weit mehr Privatflugzeuge als Linienmaschinen in Olbia. Und zwar keineswegs nur kleine Propellermaschinen, nein, die meisten seien schicke Businessjets. Aber auch so ein großer Privatjet, wie ich ihn bei meiner Ankunft beobachtet hätte, sei beileibe keine Seltenheit. Sogar private Jumbos würden dort landen.

Die privaten Flugreisenden bekommen einen besonderen Service, der rote Teppich ist da nur ein kleines Schmankerl. Der Flughafen hat eine eigene Abteilung, die selbst die ausgefallensten Extrawünsche seiner Stargäste schnell und diskret zu bedienen weiß. Natürlich hat das seinen Preis, aber Geld spielt in diesen Fällen natürlich keine Rolle. Es ist ja erst der Anfang des Luxusurlaubs. Und der setzt sich in einer vornehmen Villa oder einer extravaganten Nobelherberge an der Costa Smeralda fort. Für schöne Häuser in Panoramalage werden hier exorbitante Mieten gezahlt. Und ein Top-Apartment in einem der feinsten Hotels kann locker eine fünfstellige Summe kosten – pro Nacht!

Dieses Preisniveau sorgt dafür, dass die erlauchten Gäste in Porto Cervo unter sich bleiben. Der kleine Ort ist das touristische Zentrum der Costa Smeralda, der zerklüfteten Küste im Nordosten Sardiniens. Sie kennzeichnet neben ihren bizarren Felsformationen und den wenigen feinsandigen Stränden vor allem das smaragdgrün schimmernde Wasser, dem sie ihren Namen verdankt.

„Ach“, warf ich ein, „dann ist es bestimmt den vielen Felsen zu verdanken, dass Prominenz und Geldadel an diese Küste reisen. Da kann man sich ja gut verstecken!“ Isabella lachte herzlich. „Nein“, schmunzelte sie schließlich, „da ist vielleicht etwas dran, aber die wirkliche Ursache ist eine andere.“ Porto Cervo, so ließ sie mich wissen, ist gar nicht das historische Hafenstädtchen, für das man es halten könnte. Tatsächlich ist es ein reiner Urlaubsort, der erst 1962 entstanden ist. Nun staunte ich nicht schlecht und bat Isabella, mir zu erklären, wie es dazu gekommen ist.

Ihre Schilderung begann mit einem illustren Namen. „Wir verdanken all das Karim Aga Khan IV.“, sagte sie und verdrehte dabei die Augen. Karim, 1936 in der Schweiz geboren, ist als Aga Khan der religiöse Führer einer schiitischen Glaubensgemeinschaft. Er steht den ismailitischen Nizariten vor, denen weltweit rund 20 Millionen Moslems angehören. Karim Aga Khan ist zweimal geschieden, seine jeweilige Frau durfte sich mit dem Titel „Begum“ schmücken. Obwohl der Aga Khan sich neben seinem religiösen Engagement durch großzügige Stiftungen und Spenden für die Entwicklungshilfe auszeichnet, ist er doch auch ein erfolgreicher Geschäftsmann und weltlichem Prunk durchaus nicht abgeneigt. Sein Privatvermögen wird auf mindestens zehn Milliarden Euro geschätzt.