Das Spanien-Lesebuch - Almut Irmscher - E-Book

Das Spanien-Lesebuch E-Book

Almut Irmscher

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Beschreibung

Sommer, Sonne, Urlaubszeit – und dazu Spaniens herrliche Küsten. Mehr als 75 Millionen Reisende folgen alljährlich diesem Lockruf. Doch Spanien ist weit mehr als das Lieblingsziel Erholung suchender Strandtouristen. Es ist ein Land mit faszinierender Geschichte und herausragender Kultur. Paläste und Kathedralen, die vielfältigsten Traditionen, feuriger Flamenco-Tanz, spanische Musik und die außerordentliche Kreativität seiner Künstler prägen das Land und dessen Einzigartigkeit wie kaum ein anderes. Dieses Buch erzählt von den Besonderheiten Spaniens. Streifzüge durch die fantasievolle Landesküche runden die Eindrücke ab.

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Seitenzahl: 220

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Almut Irmscher

Das Spanien-Lesebuch

Impressionen und Rezepte aus dem Land der Sonne

Inhalt

Einführung

Auf der Suche nach den Rosen von Málaga – Ankunft in Spanien

Papas españolas – spanische Kartoffeln

Der Seufzer des Mauren – im Märchenreich der Alhambra

Berenjenas fritas con miel – gebratene Auberginen mit Honig

Sinnesrausch und Gaumenfreude – die spanische Küche

Magdalenas con chorizo y queso manchego – Magdalenas mit Chorizo und Manchego

Chocolate con churros – Churros mit Schokoladensauce

Ein Wirbel aus Farben und Leidenschaft – Flamenco

Remojón – ein andalusischer Salat

Narziss und Nelkenstrauß – ein Besuch auf der Feria de Abril de Sevilla

Rebujito – ein spanischer Cocktail

Buñuelos – ein Schmalzgebäck

Vom Trendsetter zum Ballermann – Mallorca

Sangría

Der Macho und das wilde Tier – las corridas de toros

Tortilla

Stadt der Künstler – ein Streifzug durch Barcelona

Turrón – spanischer Nougat

Genie im Bettelgewand – Antoni Gaudí

Crema catalana – katalanische Creme

Was macht der Hund vor dem UFO? – Bilbao

Bolas de calamar en salsa de azafrán y almendras – Tintenfischbällchen in Safran-Mandelsauce

Einmal um die ganze Welt – der vergessene Weltumsegler

Pan tostado con requesón y pimientos – Röstbrot mit Requesón und Paprika (ein Rezept aus dem Baskenland)

Oh, Island in the Sun – die Kanarischen Inseln

Papas arrugadas con mojo rojo y verde – kanarische Kartoffeln mit roter und grüner Mojo-Sauce

Auf Schusters Rappen – der Jakobsweg

Vieiras a la gallega – Jakobsmuscheln auf galicische Art

Exklave der Affen – Gibraltar

Fideos al horno – ein Nudelauflauf

Calentita – ein Brot aus Gibraltar

Schlammschlacht der Hobbits – ein Märchenland im Osten Andalusiens

Empanadas – spanische Teigtaschen

Tomaten und Utopie – valencianische Gegensätze

Paella valenciana

Vom Nachtalb zum Naturparadies – am Rand der Pyrenäen

Pa amb tomàquet – katalanisches Tomatenbrot

Prinzipien, Fans und Zuckerbäcker – Madrid

Tarta de Santiago con flores de violeta – Mandelkuchen mit Veilchenblüten

Huevos rotos – Pommes mit Ei

Das letzte Wort

Danksagung

Karte

Bilder

Einführung

Spanien – allein der Klang dieses Wortes zaubert Bilder in den Kopf. Flamencotänzer in stolzer Haltung, die ihre Absätze aufs Parkett hämmern. Rassige Tänzerinnen in rauschenden Gewändern, mit Kastagnetten und herausfordernden Blicken, dazu leidenschaftliche Gitarrenklänge. Matadore, die in funkelnden Boleros schnaubenden Stieren gegenübertreten, dampfende Paella und feuriger Rotwein, Strand, Sonne, Meer und nicht zuletzt die Party am Ballermann. Doch natürlich ist Spanien weit mehr als das, was diese Klischeebilder uns vorgaukeln.

Es ist ein Land mit einer faszinierenden Geschichte, die eine großartige Kultur hervorgebracht hat. Schon seit vorgeschichtlicher Zeit ist die Iberische Halbinsel besiedelt, und seit dem 11. vorchristlichen Jahrhundert kamen immer wieder neue Kolonialisten und Eroberer über das Meer an ihre Küsten. Es begann mit den Phöniziern und setzte sich mit den Römern fort, als diese um 200 v. Chr. die Oberhoheit in der Region erlangten.

Beiden Völkern verdankt das Land seinen Namen, denn die Römer übernahmen dessen phönizische Bezeichnung „ishapan“ und schliffen diese in ihren eigenen Lauten zu „Hispania“. Dabei beruhte das Ganze eigentlich auf einem Missverständnis. Denn „ishapan“ heißt „Land der Klippschliefer“, gemeint ist ein pummeliges Tierchen, das in Afrika südlich der Sahara vorkommt und dessen Lebensraum sich von dort nordostwärts bis nach Vorderasien erstreckt. Klippschliefer sehen aus wie eine Mischung aus Meerschweinchen und Murmeltieren. Den Phöniziern, die ja aus der vorderasiatischen Levante stammten, waren diese Tiere wohlbekannt. Deshalb staunten die phönizischen Seefahrer nicht schlecht, als sie die iberischen Gestade erreichten. Denn es schien in dem fremden Land von diesen vertrauten Wesen nur so zu wimmeln. Sie unterlagen dabei allerdings einem Irrtum, denn es handelte sich um nichts anderes als gewöhnliche Kaninchen. Wer weiß, wie Spanien heute hieße, wenn die Phönizier damals bloß die Augen richtig aufgemacht hätten!

Nach dem Fall des Römischen Reichs kamen die Westgoten ins heutige Spanien, die aber schon im frühen 8. Jahrhundert von den Mauren abgelöst wurden. Diese nordafrikanischen Berber und Araber sollten das Land ganz maßgeblich prägen. Ihre zur damaligen Zeit höchst fortschrittliche Kultur, ihr überragendes Wissen und ihre gepflegte Lebensart hinterließen charakteristische Merkmale dessen, was die Besonderheit des heutige Spaniens ausmacht. Die Mauren blieben bis zum Jahr 1492, als Granada, ihre letzte Bastion, durch die Reconquista fiel. „Reconquista“ bedeutet Rückeroberung, gemeint ist die Vertreibung der maurischen Muslime und die Wiedererlangung der Macht durch die spanischen Christen. Die Reconquista zog sich über mehrere Jahrhunderte und brachte so manches blutige Gemetzel mit sich, Erfahrungen, die sich nicht minder prägend auf das Land und seine Bewohner auswirkten. In der Folge der Reconquista entstand die gefürchtete Spanische Inquisition, sie sollte über die strikte Einhaltung der christlichen Vorschriften wachen und jeden Anflug muslimischer Ketzerei im Keime ersticken.

Mit dem endgültigen Sieg über die Mauren begann auch das Zeitalter der Entdecker und Spaniens Aufstieg zur Kolonialmacht. Die im zurückeroberten Granada residierende kastilische Königin Isabella I. entschloss sich, die Finanzierung der folgenreichen Entdeckungsfahrt des Genuesers Christoph Kolumbus zu übernehmen. Unter den vereinigten Königreichen von Kastilien und Aragón stieg Spanien zur bedeutenden See- und Kolonialmacht auf. Erst ab dem späten 16. Jahrhundert, als König Philipp II. seine berühmte Kriegsflotte Armada gegen die konkurrierenden Engländer lenkte und krachend verlor, begann sich das Blatt zu wenden.

Spaniens Macht und Herrlichkeit bröckelten allmählich vor sich hin. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war kaum mehr als ein einfacher Bauernstaat übriggeblieben, bestimmt von rückständigen feudalistischen Strukturen. Eine strikte Klassengesellschaft, in der wenige wohlhabende Landbesitzer Heerscharen von armen Bauersleuten ausbeuteten. Die Industrialisierung hatte bislang nur ganz wenig Boden gewinnen können.

In diese unbefriedigende Situation brach eine Militärdiktatur hinein, die sich zwar nicht lange halten konnte, die aber für erheblichen Aufruhr in den politischen Verhältnissen sorgte. Die Anfangsjahre der 1931 nach dem Zusammenbruch der Diktatur gegründeten Republik waren deshalb von Putschversuchen, Gewalt und blutigen Aufständen gezeichnet. Dem versuchte schließlich General Franco 1936 mit einem Militärputsch ein Ende zu bereiten, was in den Spanischen Bürgerkrieg ausartete. Die Nazis und die italienischen Faschisten unterstützten Franco, während sich alle anderen Staaten aus der Sache heraushielten. Francos Gegner unterlagen deshalb 1939, und es folgte Francos Militärdiktatur, die bis zu seinem Tod im Jahr 1975 andauerte. Unter seiner Ägide wurde das Königtum wieder eingeführt, doch als parlamentarische Erbmonarchie ist es mit nur wenig tatsächlicher Macht ausgestattet. Der König darf im Wesentlichen repräsentieren und einen guten Eindruck machen.

Trotzdem war es König Juan Carlos I., der Francos Nachfolge als Staatsoberhaupt antrat und nach dessen Tod die erforderlichen Schritte zur Umwandlung der Diktatur in eine Demokratie einleitete. Auch dieser Prozess blieb nicht von Putschversuchen, Aufständen und terroristischen Anschlägen verschont. Mit Schrecken erinnere ich mich an die Achtzigerjahre, als paramilitärische Todesschwadronen im staatlichen Auftrag Gräueltaten gegen die ETA verübten. Die ETA, die schon ab 1960 agierende separatistische baskische Untergrundorganisation, sparte ihrerseits nicht mit Terroraktionen. Obwohl sich die ETA 2018 offiziell auflöste, kann bis heute von Ruhe im Lande keine Rede sein. Man denke nur an die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen und die damit verbundenen wütenden Auseinandersetzungen.

Die Geschichte Spaniens war und ist, wie dieser kurze Abriss gezeigt hat, von Streit und Kampf, vor allem aber vom Streben nach Macht, Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit geprägt. Kein Wunder, dass diese Erfahrungen die spanische Volksseele geformt haben. Die landläufige Redensart, jemand sei „stolz wie ein Spanier“, kommt nicht von ungefähr. Auch wenn man sich vor Verallgemeinerungen hüten sollte, so gilt doch für eine Mehrzahl der Spanier, dass sie ihr Land lieben und stolz darauf sind, Spanier zu sein. Und dieses allgemeine Gefühl wirkt sich auch auf den individuellen Stolz aus. Spanier gelten als heißblütig und temperamentvoll, und die Verkörperung dieses Lebensgefühls manifestiert sich vielleicht am eindrucksvollsten im Flamenco-Tanz.

Zugleich sagt man den Spaniern aber auch nach, dass sie ruhige und gelassene Menschen sind, dass Stress und Hektik eher nicht zu ihren Lastern zählen. Sie gelten als unprätentiös und legen größten Wert auf familiäre und freundschaftliche Beziehungen. Das soziale Geflecht nimmt einen zentralen Platz in ihrem Wertesystem ein. Das wiederum zeigt sich in ihrer ausgeprägten Geselligkeit. Das Leben findet, wann immer möglich, draußen statt, und ist tagein, tagaus von einem nicht unbeträchtlichen Geräuschpegel begleitet.

Der mit Abstand größte Teil der knapp 47 Millionen Spanier lebt in den Ballungszentren der großen Städte wie Madrid, Zaragoza und Sevilla oder in den Küstenregionen. Hier liegen ebenfalls bedeutende Städte, aber auch der florierende Tourismus und die damit verbundenen Arbeitsplätze ziehen die Menschen an die Küsten. Das Landesinnere Spaniens ist deshalb recht dünn besiedelt, vielfach geradezu menschenleer. Es ist das Eldorado der spanischen Tierwelt, wo neben Kaninchen noch viele andere Wesen ihren Platz finden. Der Iberische Wolf bildet die größte Wolfspopulation von ganz Westeuropa, neben ihm gibt es Bären und Luchse, Wildkatzen, Mangusten, Steinböcke, Mufflons, Gämsen, Hasen, Hirsche, Rehe, Wildschweine, Füchse, Dachse und viele andere mehr. In den Lüften kreisen verschiedene Arten aus den Familien der Geier und der Adler, durch die Feuchtgebiete stolzieren graziöse Flamingos.

Das Landesinnere der Iberischen Halbinsel bildet ein ausgedehntes Hochplateau, das Meseta oder „Hochland von Kastilien“ genannt wird. Umgrenzt ist es von Gebirgszügen, der bekannteste davon sind die Pyrenäen, die mit mehr als 3.400 Meter hohen Gipfeln eine Barriere zum restlichen Europa bilden. Parallel zur Nordküste verläuft das Kantabrische Gebirge. Im Süden begrenzt zunächst die Sierra Morena die zentrale Hochebene, noch weiter südlich erstreckt sich die Betische Kordillere, die sich von Gibraltar im Südwesten bis nach Valencia ostwärts entlang der Küste zieht. Auch die Balearischen Inseln gehören zu diesem Gebirgszug, sie ragen sozusagen als dessen letzte Bastion aus dem Mittelmeer empor.

Der höchste Berg liegt in der zur Betischen Kordillere gehörenden Sierra Nevada Andalusiens und ragt 3.482 Meter über den Meeresspiegel empor. Seine Rekordmarke gilt allerdings nur für das spanische Festland, denn auch die Kanarischen Inseln zählen ja zu Spanien. Und auf Teneriffa befindet sich der 3.715 Meter hohe Pico Teide, nicht nur der höchste Berg Spaniens, sondern auch der dritthöchste Vulkan unserer Erde. Denn vom Meeresboden bis zu seinem Gipfel steigt dieser Schichtvulkan beachtliche 7.500 Meter in die Höhe. Sein letzter Ausbruch erfolgte im November 1909.

Für Spaniens Wirtschaft ist noch immer die Landwirtschaft von großer Bedeutung. Besonders die Gegend um die andalusische Stadt El Ejido ist mit einem wahren Meer von Gewächshäusern zugepflastert, was nicht nur ästhetische, sondern auch erhebliche ökologische Probleme verursacht. 36.000 Hektar sind hier mit Plastik überzogen, ein „mar del plástico“, das die weltweit größte folienbedeckte Anbaufläche darstellt. Drei Millionen Tonnen Obst und Gemüse werden alljährlich unter diesen Folien hervorgeholt, damit auch wir in Deutschland uns rund ums Jahr an Paprika, Zucchini, Auberginen, Erdbeeren und dergleichen erfreuen können.

Es gibt noch einige weitere Wirtschaftszweige, doch der mit Abstand wichtigste ist der Tourismus. Spaniens Tourismussektor gilt einer Studie des Weltwirtschaftsforums zufolge als der wettbewerbsfähigste der Welt. Jedes Jahr verbringen mehr als 75 Millionen Menschen ihren Urlaub in Spanien. Sie besuchen die Balearen, vorweg natürlich Mallorca, außerdem die Kanaren und die Küsten des Festlands, die so klangvolle Namen tragen wie Costa Brava, Costa del Sol, Costa del la Luz oder Costa Blanca. Aber auch Städte wie Madrid, Barcelona oder Granada ziehen Besucher ins Land. Denn hier finden sich die großen Schätze spanischer Kunst und Kultur. Madrid lockt mit seiner Kathedrale, seinen prächtigen Palästen, den breiten Boulevards und Plätzen. Darüber hinaus natürlich mit den großartigen Museen, ganz besonders mit dem weltberühmten Prado. In Barcelona sind es neben dem pulsierenden Leben auf der Flaniermeile La Rambla, den Museen und den mittelalterlichen Gebäuden vor allem die fantastischen Bauwerke von Antoni Gaudí, die Besucher in ihrem Bann ziehen.

Nun, und Granada birgt einen überwältigenden Schatz maurischer Baukunst: die Alhambra. Schon seit meiner Kindheit wünschte ich mir sehnlichst, dort einmal hinzureisen und die kunstvollen Arabesken zu bestaunen, die diese mittelalterliche Burg in einen orientalischen Märchenpalast verwandeln.

Jahrzehnte später war der große Tag endlich gekommen. Mitten in der Nacht brach ich an einem Mittwoch im Mai mit der ganzen Familie zum Flughafen auf. Unser Ziel: Málaga. Und von dort aus schnellstens weiter in Richtung Granada.

Begleiten Sie mich auf eine Entdeckungsreise durch Spanien. Durchstreifen wir gemeinsam Landschaften und Städte, genießen wir die Schönheit der Inseln und der Küsten, begegnen wir Menschen aus verschiedensten Epochen, lassen wir uns von der Kunst zum Staunen bringen und erkunden wir die Genüsse der spanischen Küche. Damit Letzteres gelingt, ist jedes Kapitel dieses Buchs mit einem Rezept aus Spanien abgerundet. Und für Ihre visuellen Eindrücke erwartet Sie ein Fotoalbum mit zahlreichen Bildern aus ganz Spanien auf meiner Website www.almutirmscher.de.

 

Bienvenido a España – willkommen in Spanien!

Auf der Suche nach den Rosen von Málaga – Ankunft in Spanien

Nachts gegen ein Uhr aufstehen zu müssen, ist wahrlich kein Genuss. Vor allem, wenn man vor lauter Aufregung zuvor kein Auge zugetan hat. Doch der Flieger nach Málaga startete zu einer wirklich barbarisch frühen Zeit, was wollte man da machen? Ein bisschen gute Laune muss herbeigezaubert werden, sagte ich mir. Die unleidlichen Mienen meiner beiden Jüngsten nach gestörter Nachtruhe waren mir nämlich nur allzu gut vertraut.

Deshalb weckte ich sie mit lauter Musik. Naja, und weil ich schon etwas älter bin und deshalb die Siebzigerjahre noch miterleben durfte, gibt es für mich eigentlich nur ein Lied, das in Frage kommt, wenn eine Reise nach Málaga ansteht. Sie wissen schon, diese unsäglichen Rosen, die in Málaga erblühen und den Sommer der Liebe verkünden. Ein klassischer Humtata-Schlager von Cindy und Bert aus dem Jahr 1975. Kennen Sie nicht? Seien sie froh. Was dem Song an Komposition und Aussagekraft abgeht, das macht er als Ohrwurm wieder wett. Einmal im Kopf gelandet, gibt er seinen Platz so schnell nicht wieder frei.

Ich brauche jetzt nicht zu betonen, dass ich damit bei den beiden Kids nicht gerade groß herauskam. Sie waren damals elf und zwölf Jahre alt, die Pubertät kratzte schon mächtig an der Tür. Sie verdrehten die Augen und forderten mit Vehemenz, den Mist abzustellen. Auch die großen Hüte, die mein Ältester und ich uns aufgesetzt hatten, konnten die Situation nicht mehr retten. Und mein Mann hatte sich ohnehin längst verzogen, um die Koffer ins Auto zu packen.

Aber Hauptsache, meine eigene Laune befand sich jetzt in gutem Zustand. Frohgemut erwartete ich unser Eintreffen in Málaga. Inklusive Rosen, spanischem Wein, spanischem Wirt und spanischer Nacht. Málaga, Málaga, Málaga – olé!

Weil die Flugzeit von Köln nach Málaga nur knappe drei Stunden beträgt, landeten wir bereits in den frühen Morgenstunden am Ziel. Mit Mühe wickelten wir irgendwo in einem einsamen Kellergeschoss des Flughafens die Übergabe unseres Mietwagens ab. Das erwies sich als nicht ganz einfach, denn keiner von uns sprach Spanisch, und die Englischkenntnisse der Angestellten der Autovermietung waren ziemlich bescheiden. Überhaupt hat es mich erstaunt, wie wenige Spanier Englisch können. Selbst die jüngeren Leute oder die Angestellten bei Sehenswürdigkeiten wie der Alhambra sprachen meist nur Spanisch. In den touristischen Hochburgen an den Küsten und auf den Inseln ist das zwar vielfach anders, aber beileibe nicht immer, wie wir später am Tag noch erleben sollten. Sich vor der Reise zumindest ein paar rudimentäre Spanischkenntnisse anzueignen, kann also nicht schaden.

Endlich hatten wir alles erledigt und verließen die Tiefgarage des Flughafens. Die Strecke von Málaga nach Granada entlang der andalusischen Küste beträgt etwa 150 Kilometer. Bevor es losging, wollten wir deshalb erst einmal eine kleine Pause am Strand von Málaga einlegen. Und überhaupt, wozu waren wir denn da? Rosen, Sommer der Liebe, und wo die Sonne schöner scheint, na, Sie wissen schon. Wir steuerten also gleich den ersten Strand an, der sich uns bot: Playa de Sacaba, nur fünf Kilometer vom Flugplatz entfernt.

Kennen sie den Zustand völliger Übernächtigung? Es ist ein bisschen so, als stehe man neben sich und sehe sich selbst bei dem zu, was man gerade erlebt. Fast so, als betrachte man einen Film. Und mich befiel nun mit Macht das Gefühl, im völlig falschen Film gelandet zu sein!

Der Strand lag grau und ziemlich schmutzig unter einer fahlen Morgensonne, verwitterte Betonquader begrenzten ihn. Gleich nebenan am Wasser erhob sich ein neunstöckiges Wohngebäude, dessen kleine Zellen wie Schuhkartons übereinandergestapelt und mit unansehnlichen blassgelben Balkonbrüstungen verbunden waren. Die Mauer davor mit Graffiti überzogen, das Gesamtbild abgerundet von Plastikmüll und Zigarettenstummeln. Rosen? Fehlanzeige.

Cindy und Bert so einfach geglaubt zu haben, war wohl ziemlich naiv. Schließlich ist Málaga mit knapp 600.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Andalusiens nach Sevilla, der Hauptstadt dieser Region. Andalusien ist eine von 17 derartigen Regionen, den „autonomen Gemeinschaften“, aus denen sich der spanische Staat zusammensetzt. Hinzu kommen noch die beiden nordafrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Diese regionale Aufteilung wurzelt in der Zeit, als Spanien noch aus einzelnen Königreichen bestand, und überdauerte selbst die Vereinigung weiter Teile des Landes durch die Heirat der Katholischen Könige Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón im Jahr 1469. In der Verfassung von 1978 wird zwar die Einheit der spanischen Nation festgeschrieben, den Regionen aber auch das Recht auf weitgehende Autonomie zugestanden. Andalusien ist die bevölkerungsreichste dieser Regionen und nach der autonomen Gemeinschaft Kastilien und León die zweitgrößte.

Málaga an der Südküste Andalusiens ist berühmt für sein ausgesprochen freundliches Klima. Die Sommer sind heiß, die Winter mild, der Strand ist lang. Er gehört zur berühmten Costa del Sol. Das klingt gut, und weil Málaga dank seines Flughafens ausgesprochen bequem zu erreichen ist, entwickelte es sich schon früh zur Touristenhochburg. Nur eins ist Málaga nicht: schön. Zumindest nicht auf den ersten Blick.

Meine Enttäuschung war deshalb entsprechend groß, um nicht zu sagen, ich war schockiert. Denn fährt man weiter entlang der Uferstraße durch die Stadt, so reihen sich schier endlos Wohnkästen aneinander, die alle mehr oder weniger dem Schuhkartongebilde ähneln, das uns beim ersten Strandbesuch empfing. Das Meer versteckt sich meist hinter der ersten Reihe dieser Bauten, und geht man zum Strand, so gibt es zwar eine Promenade mit ein paar Palmen, dazu Sand und das blaue Meer. Vor den Bergen am östlichen Horizont ragen aber Hafenkräne empor und im Rücken hat man die kilometerlange Reihe der Wohnsilos aus Beton. Schönere Strände finden sich denn auch südlich der Stadt, zum Beispiel Playa de los Álamos, wobei man auch hier hinsichtlich der Uferbebauung Abstriche machen muss. Außerdem sind die kleinen Strandbuchten des östlichen Vororts Pedregalejo Playa recht hübsch, wo statt Bettenburgen Palmen, Strandbars, Eiscafés und kleine Restaurants für ein angenehmes Urlaubsambiente sorgen.

Und natürlich hat Málaga auch eine sehenswerte Altstadt, die verpasst man aber, wenn man bloß an der Küste entlangfährt. Denn sie liegt landeinwärts hinter dem großen Hafen. Mit der Alcazaba, der „Zitadelle“, kann Málaga sogar mit einer beachtlichen maurischen Festungsanlage aufwarten, die auf einem Hügel oberhalb der Altstadt liegt. Sie bietet wunderschöne Innenhöfe und Gärten sowie typische Dekorationen im maurischen Stil. Zu ihren Füßen liegt ein recht gut erhaltenes Theater aus römischer Zeit, das teilweise in den felsigen Hang hineingebaut ist. Málaga ist nämlich uralt, es wurde schon im 8. vorchristlichen Jahrhundert von den Phöniziern gegründet.

Noch höher über der Stadt liegt das Castillo de Gibralfaro, ein burgartiger Palast, der ebenfalls aus maurischer Zeit stammt und auf den Grundfesten eines antiken Kastells steht. Von hier genießt man einen schönen Rundblick über die Küste, den Hafen, die Stadt und ihre Stierkampfarena. Diese Stierkampfarena bietet 14.000 Zuschauern Platz und ist damit eine der größten von ganz Spanien.

Außerdem gibt es in der Altstadt von Málaga eine Kathedrale, in der sich bedingt durch ihre lange Bauzeit verschiedene Stilrichtungen von der Gotik bis hin zum Neoklassizismus vereinen und die über einer noch älteren Moschee errichtet wurde. Und was mich schließlich mit Málaga versöhnt, ist das Geburtshaus von Pablo Picasso. Der Meister der Klassischen Moderne ist nämlich ein waschechtes Kind der Stadt. Auch der Frauenschwarm Antonio Banderas ist ein Sohn Málagas, doch der ist zu alt für meine Tochter, sodass diese Tatsache ihre Laune nicht zu heben vermag.

Wir verlassen also Málaga mit ziemlich gemischten Gefühlen und machen uns auf den Weg entlang der Costa del Sol, die sich nach offizieller Lesart bis zum Dorf Maro 60 Kilometer östlich von Málaga erstreckt. Dort beginnt die Costa Tropical, was ja mindestens genauso einladend klingt. Sie macht ihrem Namen auch alle Ehre, denn hier gedeihen Früchte wie Avocados, Bananen, Ananas und Datteln.

Die Fahrt entlang der Küstenstraße ist wirklich eine Offenbarung. Je weiter wir nach Osten kommen, desto malerischer neigen sich die Berghänge in Richtung Küste und öffnen Ausblicke, die einem Urlaubskatalog entsprungen zu sein scheinen. Zwischen grünen Hängen fallen helle Klippen ab zum strahlenden Azur des Mittelmeers, das sich in der lichten Ferne des Horizonts verliert. Seinen Widerschein findet es im endlosen Blau des Himmelszelts, und mitten darin erstrahlt sie, die spanische Sonne. Längs der Straße scheinen sich Millionen von Blüten mit ihrer Farbenpracht gegenseitig übertrumpfen zu wollen, und süße Aromen erfüllen die laue Luft. Ich habe das Fenster geöffnet und atme tief durch. Eben noch im kühlen Grau der nächtlichen Heimat, und jetzt Spanien, ach, wie herrlich! Ich bin schließlich doch noch im richtigen Film gelandet!

Bevor wir nordwärts in die Berge abbiegen und die Küste verlassen, suchen wir uns zunächst einen Rastplatz irgendwo in einer Bucht. Wir parken unter Palmen und gehen zum Strand, der jetzt im Mai noch ziemlich einsam ist. Nur ein kleines Restaurant hat geöffnet, es liegt direkt am Strand, Stühle und Sonnenschirme stecken im Sand. Wundervoll! Wir haben nämlich längst großen Appetit!

Kaum haben wir Platz genommen, kommt auch schon der Wirt und überreicht uns freundlich strahlend die Speisekarte. Er ist Chef, Koch und Kellner in Personalunion. In mittlerweile höchst aufgeräumter Stimmung schlagen wir die Karte auf und beginnen, sie zu studieren. Moment. Da steht ja alles auf Spanisch, und das beherrscht doch keiner von uns!

Ich frage den Wirt, ob es auch eine Version der Karte in einer anderen Sprache gebe. Englisch? Ähem, vielleicht sogar deutsch? Er runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf. Das Problem ist, dass es nicht nur an einer derartigen Karte mangelt. Leider versteht der Mann mich auch überhaupt nicht. Er spricht nur Spanisch und kann deshalb auch nicht beim Übersetzen der Speisekarte helfen.

Aber nicht verzagen. Ich werfe noch einmal einen Blick hinein. „Vino“, das verstehe ich. Wein heißt schließlich im Italienischen genauso, und das kann ich einigermaßen. Zumindest für den Alltagsgebrauch reicht es, und wozu habe ich mich außerdem in der Schule mit Latein herumgequält? Und weil unter den Blinden der Einäugige König ist, übernehme ich die sprachliche Führung und übersetze die Speisekarte für den Rest der Familie. Zumindest versuche ich es leidlich. Warum die Kinder sich ausgerechnet für „huevos rotos“ – „Pommes mit gebackenem Ei“ – entscheiden, verstehe ich allerdings nicht. Genauso wenig, wie man auf eine solche Kombination überhaupt verfallen kann… Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen, dass Huevos rotos offenbar zu den beliebtesten Spezialitäten der Region gehören. Mein kleiner Sohn verspeist so viel davon, dass ihm schließlich schlecht wird. Mit Müh und Not erreichen wir die Zimmertür unseres Hotels. Leider funktioniert die Schlüsselkarte nicht. Den Rest können Sie sich denken…

Aber zurück an den schönen Strand in der kleinen Bucht. Ich beschließe, das Sprachproblem kurzerhand zu lösen, indem ich unseren Wirt auf Italienisch anspreche. An manche Wörter kann ich ja ein „-os“ anhängen, dann klingt es schon fast spanisch. Verrückt, aber die Sache funktioniert. Unser Verständigungsproblem ist gelöst.

Wohlig lehnen wir uns nach dem Essen auf unseren Stühlen zurück. Die Kids sind inzwischen dabei, das Meer hinsichtlich seiner Badequalitäten zu überprüfen, und sie scheinen mit dem Ergebnis mehr als zufrieden zu sein. Ach, es ist einfach fantastisch. Kann es eine Steigerung dieses Wohlgefühls geben?

Ja, kann es. Denn aus dem Nichts taucht unvermittelt ein Gitarrist auf und stellt sich mit seiner Klampfe neben uns in den Sand. Schon erklingt eine Flamenco-Melodie. Ich kann es nicht fassen! Ich bin im siebten Himmel gelandet, und sein Name ist Spanien!

Papas españolas – spanische Kartoffeln

Zutaten für 4 Personen:

800 g Frühkartoffeln

3 Knoblauchzehen

3 rote Paprika

1 rote Chilischote

2 El milder Essig

1 Tl gemahlener

Kreuzkümmel

Olivenöl

Salz

Pfeffer

Zubereitung:

Die Kartoffeln gründlich waschen. Mit Schale 15 Minuten in Salzwasser kochen. Abgießen, abkühlen lassen und anschließend in Spalten schneiden. Die Paprika entkernen und in dünne Streifen schneiden, die Chilischote entkernen und fein hacken. In einer Pfanne reichlich Olivenöl erhitzen, alles hineingeben und goldbraun braten. Mit Salz, Pfeffer und Kreuzkümmel würzen, zum Schluss mit dem Essig beträufeln.

In kleinerer Portionierung kann man die Kartoffeln zu den Tapas servieren. Ansonsten eignen sie sich auch als Beilage zu gegrilltem Fisch oder Fleisch. Wer mag, darf sich natürlich ein Ei dazu backen.

Der Seufzer des Mauren – im Märchenreich der Alhambra

Fröstelnd schloss die Königin den schweren Umhang über ihren Gewändern. Der Januartag war ungewöhnlich kalt. Dennoch schob sich die Wintersonne über die Dächer des Palasts. Goldenes Leuchten erfasste die fein ziselierten Arabesken, und allmählich, ganz behutsam, tastete sich das Strahlen weiter voran in den kleinen Hof. Schon erglänzten die sorgsam geschnittenen Sträucher in sattem Grün, die weißen Marmorplatten funkelten im Widerschein des Lichts. Und sachte, einer nach dem anderen, schienen die zwölf steinernen Löwen zum Leben zu erwachen. Aus ihren mit gebleckten Zähnen aufgerissenen Mäulern rauschte Wasser in graziösen Bögen, derweil sie sich um eine elegante Brunnenschale scharten. Luftige Arkaden mit schlanken Säulen und zierlichen Kapitellen säumten den Hof, geschmückt von filigranen Stuckaturen. Deren verwirrende Ornamentik schloss sich zu einem Gefüge von solch grandioser Schönheit, dass es der Königin schier den Atem raubte. Dieser Hof schien schwerelos, als bestünden seine Grenzen aus nichts als kostbarster Spitze. Und all diese unfassbare Pracht sollte nun für immer ihr gehören! Die Königin senkte die Lider und faltete ihre Hände zu einem stummen Dankesgebet.

Erst vor wenigen Wochen, im November 1491, war es ihren Truppen gelungen, den endgültigen Sieg über das Emirat von Granada zu erlangen. Zähe und blutige Kämpfe waren dem vorausgegangen, und nicht nur einmal hatte sie, Isabella I. von Kastilien, sich hoch zu Ross beherzt ins Schlachtgetümmel gestürzt, um ihren Männern Mut zu machen. Zehn zermürbende Jahre währte dieser Krieg, den sie und ihr Ehemann Ferdinand II. von Aragón gegen die Muslime führten, und nun endlich war er vorüber. Seufzend verließ Isabella den Löwenhof und trat in einen der nicht minder prächtigen Innenräume. Kostbare Fayencemosaike und ein Gespinst aus Ornamenten ließen ihn leicht, ja, fast schwebend erscheinen, eine Feuerschale sorgte für wohltuende Wärme.

23 Jahre zuvor hatte sich Isabella für einen Ehemann entschieden. Sie war selbstbewusst und willensstark genug, dabei ihren eigenen Wunsch durchzusetzen, obwohl ihr Bruder, der König von Kastilien, ihr eigentlich einen Mann nach seinem Gutdünken hätte zuweisen können. Mit Bedacht erwählte sie Ferdinand zu ihrem Gemahl. Mit 17 Jahren war dieser zwar noch jung, zudem fast ein Jahr jünger als sie selbst. Doch stand ihm nicht nur die Krone des Königreichs Aragón in Aussicht, als intelligenter und zielstrebiger junger Mann schien er zudem der richtige Partner für Isabellas eigene ehrgeizige Pläne zu sein.