Das Skelett im Wald - Hans Girod - E-Book

Das Skelett im Wald E-Book

Hans Girod

4,7

Beschreibung

Fünfzehn Tötungsdelikte untersucht Hans Girod in seinem Buch. Ihm gelingt etwas, von dem häufig behauptet wird, es sei unmöglich. Er stellt die Ermittlungsarbeit der Polizei realistisch dar in ihrer Spannbreite zwischen Routine und Intuition. Und doch sind diese Berichte spannend zu lesen und geben ein beeindruckendes Bild der gerichtsmedizinischen und spurenkundlichen Erkenntnisse.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 420

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

ISBN eBook 978-3-360-50011-3

ISBN Print 978-3-360-01259-3

© 2005 Verlag Das Neue Berlin, Berlin

Umschlagentwurf: Atelier für Gestaltung Frank Eilenberger, Leipzig

Verlag Das Neue Berlin, Berlin

Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin

Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.das-neue-berlin.de

Hans Girod

Das Skelett im Wald

Unbekannte und vergessene Mordfälle aus der DDR

Das Neue Berlin

Vorbemerkung

Eigentlich sollte die Buchreihe über ungewöhnliche Gewaltverbrechen, die sich in der DDR zugetragen haben, mit dem Band »Blutspuren« abgeschlossen werden. Jedoch lassen viele Anfragen und Diskussionen ein nicht erloschenes Leserinteresse an kriminalistischen Sachbüchern, vor allem an speziellen Berichten über die Gewaltkriminalität im Land des Sozialismus, erkennen. Auch wenn der Autorenkreis, der sich mit der fallbezogenen Retrospektive auf die DDR-Kriminalität beschäftigt, inzwischen größer geworden ist, besteht offenbar noch immer ein ungebrochenes Informationsbedürfnis der ehemaligen DDR-Bürger, endlich über jene Fälle aufgeklärt zu werden, über die wenig oder überhaupt nichts bekannt ist, und die dennoch zu den Realien desDDR-Alltags zählten.

Deshalb wurde die Anregung des Verlages aufgenommen, dem kleinen Pitaval über die ungewöhnlichen Gewaltverbrechen in der DDR einen weiteren Band hinzuzufügen.

Auch diesmal geht es um verschwiegene, vergessene, zumindest kaum bekannte Kapitaldelikte. Es wird über die kriminogene Entwicklung innerhalb zwischenmenschlicher Konflikte und ihre unvernünftigen, absurden Lösungen berichtet, über Unfälle, die aus Angst verschleiert werden und damit weitaus größere rechtlicheKonsequenzen nach sich ziehen, über tatrelevante ungestüme Gemütsaufwallungen und die sich aus ihnen ergebenden psychiatrisch-rechtlichen Probleme, über tödliche Habgier und die kriminellen Folgen sexueller Triebhaftigkeit, aber auch über die Gründe, die Unschuldige rasch in den Strudel einer Beschuldigung geraten lassen:

Ein Familienvater vergewaltigt eine junge Frau, tötet sie aus Angst vor einer Anzeige und vergräbt ihren Leichnam im Wald. Fast scheint der Fall vergessen, bis Kinder die sterblichen Überreste finden und so die polizeilichen Ermittlungen in Gang setzen. Ein anderer verstrickt sich sukzessive in einem Geflecht aus Lügen und selbstverschuldeten Konflikten und bestätigt mit einem Doppelmord den Grundsatz von der krimininologischen Gleichförmigkeit, nach dem viele Täter in Konfliktsituationen vor vernünftigen, einfacheren Lösungen zurückschrecken. Stattdessen bevorzugen sie falsche, oft irrationale Bewältigungsstrategien, die verheerende Auswirkungen zeigen. Wieder ein anderer tötet seine Ehefrau, vergräbt ihre Leiche, täuscht erfolgreich einen Suizid vor und lebt fast zwanzig Jahre unbehelligt und in neuer Ehe, bis ihm ein zufälliger Knochenfund zum Verhängnis wird.Ein Jugendlicher tötet aus tiefem Haß seine Mutter, die ihn von kleinauf auf abscheuliche Weise sexuell mißbraucht. Da hält ein unbekannter Serientäter, der Frauen überfällt, beraubt und beinahe tötet, jahrelang eine ganze Stadt in Atem und die Polizei auf Trab, ehe man seiner habhaft werden kann ...

In zehn Kapiteln werden fünfzehn authentische Fälle behandelt, die aus jeweils unterschiedlichem Blickwinkel weitere Einblicke in die Erscheinungsformen und Begehungsweisen dieser speziellen Deliktkategorie vermitteln, aber auch das kriminalistische Vorgehen auf dem mitunter langen und steinigen Weg zur Wahrheit skizzieren.

Erneut bestätigt sich, wie brüchig die Fassade menschlicher Beziehung sein kann, wenn psychosoziale Verwahrlosung und enthemmender Alkoholgenuß, aber auch Egoismus, Eitelkeit oder Habgier ihre destruktive Wirkung entfalten, und wie Täter und Opfer im Konfliktstrudel gleichermaßen untergehen. Sämtliche Fälle wurden durch die jeweils zuständige Mordkommis sion untersucht und als versuchte oder vollendete Tötungsdelikte zur Anklage gebracht, obgleich sie vom Gericht mitunter anders beurteilt wurden.

Der Leser wird mit den teilweise trostlosen Lebenswegen der Täter bekanntgemacht, die – bei aller Unterschiedlichkeit der Taten – in vielen Fällen auffällig ähnlich verlaufen und von fragwürdigem Erziehungsmilieu, Verhaltensstörung, ausgekühlter Emotionalität, mangelhafter sozialer Integration und Bindung ebenso geprägt sind wie von Alkoholismus, Agressivität und fehlender normgerechter Lebensperspektive.

Neben den Psychogrammen der Täter und der Beschreibung der jeweiligen Tatentwicklung steht das erfolgreiche untersuchungsmethodische Vorgehen der Kriminalpolizei bei der Beweiserlangung im Vordergrund, wobei spurenkundliche Spezialitäten nicht zu kurz kommen sollen.

Aber auch Fehlschläge in der Untersuchung sind Gegenstand de Buches. An realen Vorkommnissen wird gezeigt, wie leicht durch verschleiernde Täterhandlung verbrecherische Hintergründe bei Vermißtenfällen verkannt und dadurch die Ermittlungsprozesse beeinträchtigt werden, ehe – zumeist zufallsbedingt – Korrekturen möglich sind. Bei anderen geht es um die fallspezifischen Gründe für falsche Beweise oder irrige Tatsachenbewertungen, die sehr rasch zu fatalen rechtlichen Entscheidungen führen und Unschuldige hinter Gitter bringen. Gewöhnlich nennt man sie Justizirrtümer, die überall dort vorkommen können, wo Recht gesprochen wird, deren Keimzellen aber fast immer im polizeilichen Ermittlungsverfahren liegen.

Andere Fallschilderungen widmen sich den unterschiedlichen tatrelevanten Affekten, deren Beurteilung schon zu allen Zeiten moderner Rechtsprechung besonders hohe Ansprüche an Sachverständige und Richter stellt.

Insgesamt wurden solche Fälle ausgewählt, die kriminalistisch und kriminologisch Ungewöhnliches in sich vereinen, die aber auch durch einen kurzen Blick auf den herrschenden Zeitgeist die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln, in denen sich die beschriebenen Verbrechen ereigneten.

Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Tätern, Opfern, Hinterbliebenen und Zeugen wurden die meisten Namen geändert. Das gilt auch für die anderen Akteure, die keinesfalls erfundene Figuren sind. Um Überdehnungen zu vermeiden, wurden gelegentlich bestimmte, vor allem tathergangsbezogene Abläufe gestrafft, andere wiederum auf das kriminologisch Typische konzentriert. Die für eine auflockernde, plastische Darstellung der Berichte erforderlichen Dialoge wurden nach den Vernehmungsprotokollen rekonstruiert und nachempfunden, bleiben aber sachund persönlichkeitsbezogen.

Ganz bewußt fehlen in diesem Buch die bisher gewohnten bildlichen Darstellungen. Durch den Verzicht auf spektakuläre Tatortfotos und Bilddokumente nimmt die Authentizität der Vorgänge aber keinen Schaden. Daß sie in den früheren Büchern dieser Reihe erfolgten, lag vor allem in der Absicht, dem Außenstehenden einen kleinen bildlichen Einblick in eine abartige und gräßliche Realität zu gestatten, der sich die an der Untersuchung Beteiligten im Interesse der Wahrheitsfindung nicht entziehen können.

Der sensible Leser wird allein mit der verbalen Beschreibung der verbrecherischen Vorgänge schnell an die Grenzen des Vorstellund Zumutbaren geführt.

Da sich das Buch an die Liebhaber kriminalistischer Sachliteratur wendet, wurden in die Fallschilderungen gegentlich kurzgefaßte kriminologische, forensische oder rechtliche Exkurse eingefügt. Sie sind durch ein anderes Schriftbild deutlich gemacht.

Diese kommentierenden Einschübe sollen als Erläuterungen verstanden werden, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Überhaupt ist das Buch nicht als wissenschaftliche Monographie anzusehen, weshalb sich auch die Literaturangaben nur auf grundsätzliche Quellenhinweise beschränken. Bleibt noch anzumerken: Am Ende des Buches findet sich ein Glossar zu den wichtigsten Fachbegriffen und Abkürzungen. Die Nennung der Aktenzeichen soll dem beruflich Interessierten den Zugang zum Originalmaterial erleichtern.

Und schließlich: Die kritische Rückbesinnung auf Vergangenes sollte für einen Blick in die Zukunft genutzt werden. Der allerdings gibt wenig Anlaß zu Optimismus: Zur Zeit wird der Medienmarkt mit realen und erdachten Schauergeschichten über menschliche Gewaltakte regelrecht überschwemmt, was zu schädlicher Adaptation und Desensibilisierung, ja sogar nachweislich zur Nachahmung führt. Zugleich wird ein schöngefärbtes, aber wirklichkeitsfremdes Bild über die Polizei und ihre Arbeit vermittelt.Am Ende siegt immer das Gute, so enden die meisten Märchen.

Wahrheit jedoch ist: Das in der Gesellschaft herrschende Gewaltpotential bildet mit Egoismus, Habgier und Sucht eine unheilvolle Allianz und kann kaum noch gezügelt werden. Auf diesem Nährboden gedeiht die Gewaltkriminalität weiter, hat längst internationale Formen erreicht, ihr bisheriges Erscheinungsbild verändert und hinterläßt ein gewaltiges Dunkelfeld. Inzwischen ist das Verbrechen finanziell, technisch und moralisch oftmals besser ausgestattet als die Institutionen, die es bekämpfen.

Es ist unbestritten, die moderne Kriminalistik verfügt über bestechende Erkennntnismöglichkeiten. Doch die vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Aufdeckung und Aufklärung der gewaltsamen Todesfälle erfolgt, sind antiquiert und verkrustet – eine längst bekannte Tatsache. Aber der Ruf nach gesetzgeberischen Innovationen verhallt im exklusiven Ambiente der Volksvertretungen. Stattdessen bedroht eine rigorose Einsparpolitik die Existenz der für die Verbrechensbekämpfung dringend erforderlichen forensischen Disziplinen. Selbst die Tätigkeit der Ordnungshüter ist vielerorts längst zu bloßer Kriminalitätsverwaltung und Abwicklung versicherungsrechtlicher Fragen verkommen. Und das bei stetem Anstieg der Ermittlungsverfahren.

Es gibt also reichlichen Stoff für künftige Wortmeldungen.

Altdorf/Ndb., im Dezember 2004

Hans Girod

Die Tote in der Mäker

AZ 132-6-71 Bezirksstaatsanwalt Schwerin, Tgb.-Nr. 51/71 MUK Schwerin

Bützow ist ein idyllisches Mecklenburger Städtchen, in breiter wald- und seenreichen Talaue gelegen und zu DDR-Zeiten das Zentrum eines kleinen Landkreises im Bezirk Schwerin. Der Binnenhafen, die Produktion flüssigen Sauerstoffs, das Trockenmilchwerk und eine Möbelfabrik sichern den knapp 10 000 Einwohnern ausreichenden Broterwerb.

Umgeben ist die Stadt von einer reizvollen Hügellandschaft mit dichten Mischwäldern, unterbrochen von Dutzenden kleinen Wasserläufen, breiten Kanälen und weitflächigen Seen. Für Kenner immer schon ein Geheimtip.

Die Harmonie wird nur gestört durch die im Ortsteil Dreibogen am westlichen Ufer des Bützower Sees zu Gesetzestreue und Disziplin still mahnende meterhohe Mauer eines Knastes, in dem seit Kaisers Zeiten bis zum heutigen Tage bereits etliche Generationen von Verurteilten ihr tristes Gefangenendasein fristen. Längst haben die Bützower Bürger sich mit diesem unbeliebten Inventar ihres Städtchens abgefunden. Von seinen Insassen geht indes keine nennenswerte Bedrohung aus. Denn: Beurlaubung und Freigang – wie heutzutage allenthalben üblich – sind in der Strafvollzugspraxis der DDR unbekannte Vokabeln. Der Makel, der dem ungastlichen Terrain anhaftet, ist bedeutungslos angesichts der Schönheiten des Bützower Umlandes, dessen wahren Wert eigentlich nur jene erkennen, die auf ihrem Weg in den FDGB-Urlaub an den Ostseegestaden in der »Mecklenburger Schweiz« innehalten.

Es ist der 25. Februar 1971. Winterlicher Frieden liegt über dem Kreisstädtchen Bützow. Tage zuvor hatte ein plötzlich einsetzendes sonniges Hoch Schnee und Eis verschwinden lassen. Noch haben die Schulkinder Winterferien, wenn auch ohne Schneeballschlacht und Rodelfreude. Schnell breitet sich eine milde Wärme aus.

Das allein ist für die elfjährige Melanie Kupfer und ihren zwei Jahre älteren Bruder Michael, die in der Nähe des Bahnhofs wohnen, Grund genug, nach dem Mittagessen die Fahrräder aus dem Schuppen hervorzukramen. Die Geschwister wollen, wie sie der Mutter sogleich mitteilen, »in der Mäker ein bißchen herumfahren «, so wie es schon viele Male zuvor geschah.

Die Mäker – Teil eines weitläufigen Waldes, der sich nach Süden bis zum Peetscher See erstreckt, ein Landschaftsschutzgebiet mit reicher Fauna und beliebten Spazierpfaden – ist den Geschwistern bestens vertraut.

Kurz nach 14.00 Uhr radeln die beiden die Tarnower Chaussee stadtauswärts entlang, um nach einem reichlichen Kilometer hinter den letzten Häusern, wo sich heute das Gewerbegebiet ausdehnt, nach rechts in den Wald einzubiegen. Nach kurzer Fahrt parken sie ihre Räder am Wegrand. Übermütig durchstreifen Melanie und Michael das dichte Unterholz. Dann halten sie jäh inne. Was ist das? Sie erspähen im Laub einen seltsamen, schmutzigen, fast kugeligen Gegenstand. Bei näherer Prüfung durchfährt sie ein Schauder. »Ih, ist das ein Totenkopf?« fragt Melanie entsetzt. Teils angewidert, teils neugierig beäugen die Geschwister das unwirkliche Gebilde, stochern mit kleinen Ästchen daran herum. In der Tat. Augenhöhlen und Zähne eines vollständigen Kiefers werden sichtbar. Augenblicklich verlassen die Kinder den schaurigen Ort, schwingen sich auf ihre Räder, radeln schnurstracks heim und teilen den Eltern ihre Entdeckung mit.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!